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ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung

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Atypische Beschäftigung<br />

Zeitarbeitskräfte werden als Puffer gegen vorübergehende<br />

Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

benutzt. Für einige Arbeitnehmer<br />

kann dies dazu führen, dass sie in einen<br />

wiederkehrenden Zirkel von Arbeitslosigkeit und<br />

befristeten Verträgen eintreten. Solche Flexibilität<br />

führt zu Ineffizienzen, denn auch sehr produktive<br />

Arbeitsverhältnisse werden in diesem Segment<br />

häufig beendet. Zudem haben die Arbeitnehmer<br />

keinen Anreiz, sich auf den Betrieb einzustellen<br />

oder sich weiterbilden. Bei einer Segmentierung<br />

des Arbeitsmarktes sind befristete Arbeitsverhältnisse<br />

oder Zeitarbeit aus der Sicht der Betroffenen<br />

nur selten eine Brücke in stabile Beschäftigungsverhältnisse,<br />

häufiger gelangen sie wieder in Arbeitslosigkeit<br />

zurück.<br />

Angesichts so unterschiedlicher plausibler Wirkungen<br />

temporärer Beschäftigung auf die Arbeitslosigkeit<br />

ist zu konstatieren: Mit ausschließlich<br />

theoretischen Argumenten lässt sich die Frage<br />

nach der Wirkung atypischer Arbeitsverhältnisse<br />

auf die Arbeitslosigkeit offensichtlich nicht lösen.<br />

Wirkungen befristeter Beschäftigung<br />

auf den Arbeitsmarkt<br />

Bei der empirischen Überprüfung der Wirkung<br />

temporärer Beschäftigungsverhältnisse kann man<br />

zwei unterschiedliche Perspektiven einnehmen:<br />

Auf der Makro-Ebene fragt man, wie hoch die Arbeitslosenquote<br />

wäre, wenn temporäre Arbeitsverhältnisse<br />

anders als derzeit geregelt wären. Auf der<br />

Mikro-Ebene der einzelnen Person fragt man, ob<br />

diese Beschäftigungsform im Einzelfall für einen<br />

Übergang aus dem Zustand der Arbeitslosigkeit in<br />

die Beschäftigung kausal verantwortlich ist. In beiden<br />

Fällen muss die tatsächliche mit einer hypothetischen<br />

Situation verglichen werden. Auf der<br />

Makro-Ebene könnte dies die Nichtzulässigkeit befristeter<br />

Beschäftigung sein, auf der Mikro-Ebene<br />

die Nichtannahme eines befristeten Arbeitsvertrags.<br />

Die hypothetische Situation kann nicht beobachtet,<br />

sondern nur approximiert werden, nämlich<br />

unter Verwendung von Daten von Beobachtungspunkten,<br />

für die das alternative Regime gilt.<br />

Diese Referenzregime weichen aber auf der Makro-Ebene<br />

in vielen anderen Bedingungen und<br />

Umständen vom untersuchten Regime ab, so dass<br />

ein Vergleich grundsätzlich problematisch ist. Deshalb<br />

ist es sinnvoller, die kausale Wirkung befristeter<br />

Beschäftigung auf das individuelle Auftreten<br />

von Arbeitslosigkeit zu schätzen.<br />

Kausalanalysen auf der individuellen Ebene entsprechen<br />

oft dem aus klinischen Versuchen bekannten<br />

Schema der Versuchs- und Kontrollgruppe,<br />

wobei sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung<br />

die zufällige Zuordnung von Personen in<br />

diese Gruppen nicht durchführen lässt. Einen<br />

Ausweg bietet hier das sogenannte Matching-Verfahren.<br />

Dabei wird der Gruppe der befristet Beschäftigten<br />

eine nachträglich konstruierte Kontrollgruppe<br />

von möglichst ähnlichen Personen<br />

gegenübergestellt, die sich allein hinsichtlich ihres<br />

Arbeitsmarktstatus von den befristet Beschäftigten<br />

unterscheiden. Auf der individuellen Ebene bedeutet<br />

das, für jeden befristet Beschäftigten einen<br />

„statistischen Zwilling“ aus der jeweiligen Vergleichsgruppe<br />

zu finden und die Arbeitsmarktchancen<br />

beider Personen zu vergleichen.<br />

Eine Kausalanalyse nach dem Verfahren des Matching<br />

lässt sich für die Beschäftigungswirkung der<br />

Aufnahme einer befristeten Beschäftigung im Vergleich<br />

zum Verbleib in Arbeitslosigkeit durchführen.<br />

8 Lohnt es sich für Arbeitslose, eine befristete<br />

Beschäftigung aufzunehmen, oder müssen sie davon<br />

ausgehen, sich dadurch längerfristig nicht besser<br />

zu stellen als Arbeitslose, die weiter aus der Arbeitslosigkeit<br />

heraus nach einer dauerhaften Stelle<br />

suchen Für die Untersuchung wurden Daten des<br />

Sozio-ökonomischen Panels, einer Wiederholungsbefragung<br />

von gegenwärtig etwa 12 000<br />

Haushalten, benutzt. Die Analyse zeigt, dass langfristig<br />

eine positive Wirkung verbleibt: Auch nach<br />

zwei bis drei Jahren hat die Aufnahme eines befristeten<br />

Beschäftigungsverhältnisses einen positiven<br />

Effekt von etwa 20 Prozentpunkten auf die Beschäftigungswahrscheinlichkeit.<br />

Sie zeigt zudem, dass auch die Wahrscheinlichkeit<br />

unbefristeter Beschäftigung nach einem Zeitraum<br />

von zwei Jahren bei den zunächst befristet Eingestellten<br />

höher ist als in der Kontrollgruppe. Befristete<br />

Beschäftigung dient also der Integration in reguläre<br />

Beschäftigung. In weiteren Auswertungen<br />

zeigt sich allerdings, dass das Ergebnis differenziert<br />

werden muss. Insbesondere schützt befristete<br />

Beschäftigung nicht vor künftiger Arbeitslosigkeit:<br />

Befristet Beschäftigte haben die gleiche Wahrscheinlichkeit,<br />

nach zwei oder drei Jahren wieder<br />

arbeitslos zu sein, wie solche Arbeitssuchende, die<br />

keine befristete Beschäftigung annehmen, sondern<br />

weiter aus der Arbeitslosigkeit nach einem<br />

Job suchen. Nur die Wahrscheinlichkeit, ganz aus<br />

dem Arbeitsmarkt auszuscheiden, nimmt bei be-<br />

8 Vgl. Bernhard Boockmann/Tobias Hagen, 2006, a.a.O., Kapitel 6.<br />

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />

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