ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Atypische Arbeitsverträge:<br />
Ein Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit<br />
PD Dr. Bernhard Boockmann<br />
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim<br />
Arbeitsverträge müssen weder auf Dauer noch auf eine Beschäftigung in Vollzeit angelegt sein. Immer mehr Arbeitnehmer<br />
sind befristet, in Teilzeit oder bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt. Bei manchen Tätigkeiten verschwimmt dabei<br />
die Grenze zwischen abhängiger und selbständiger Arbeit.<br />
Der Begriff der atypischen Arbeit erklärt die dauerhaft<br />
geschlossenen Vollzeit-Arbeitsverhältnisse<br />
zu „typischen“ Arbeitsverhältnissen. Das ist kaum<br />
gerechtfertigt: In Deutschland wird jede dritte Einstellung<br />
mit einem befristeten Arbeitsvertrag vorgenommen.<br />
Atypische Arbeitsverhältnisse könnten die Beschäftigung<br />
insbesondere deshalb erhöhen, weil<br />
sie Arbeitslosen eine Chance zum Wiedereinstieg<br />
in den Arbeitsmarkt geben. Im vorliegenden Artikel<br />
wird diese Ansicht geprüft. Der Beitrag konzentriert<br />
sich dabei auf die befristete Beschäftigung<br />
und die Zeitarbeit. Dabei zeigt sich, dass die<br />
Fragestellung differenziert werden muss. Deutlich<br />
wird auch, dass empirische Studien auf der Basis<br />
von Individualdaten unser Verständnis von der<br />
Nutzung solcher Arbeitsverhältnisse erheblich erweitert<br />
haben.<br />
Verbreitung von befristeter Beschäftigung<br />
und Zeitarbeit<br />
Was die Zulässigkeit befristeter Beschäftigung in<br />
der Bundesrepublik Deutschland betrifft, bildet<br />
das Jahr 1985 den Wendepunkt. In diesem Jahr<br />
trat das Beschäftigungsförderungsgesetz in Kraft,<br />
das befristete Beschäftigung nicht mehr zwangsläufig<br />
an einen „sachlichen Grund“ knüpfte. Zuvor<br />
musste der Arbeitgeber stets geltend machen,<br />
dass die objektiven Umstände der Beschäftigung<br />
kein anderes als ein befristetes Beschäftigungsverhältnis<br />
zuließen. Nach 1985 konnten Arbeitnehmer<br />
auch ohne Angabe eines sachlichen Grundes<br />
für einen beschränkten Zeitraum befristet eingestellt<br />
werden. Diese Regelung gilt mit einigen Modifikationen<br />
noch heute. Die Neuregelung von<br />
1985 führte nicht zu einer dramatischen Zunahme<br />
befristeter Beschäftigung. 1 Auch in der jüngeren<br />
Zeit ist der Befristetenanteil vergleichsweise stabil<br />
geblieben: Im Bestand der Beschäftigten waren im<br />
Jahr 2003 nach Angaben aus dem Mikrozensus 7,4<br />
Prozent der Arbeitnehmer befristet beschäftigt,<br />
was einen Anstieg um ungefähr zwei Prozentpunkte<br />
gegenüber den frühen 90er-Jahren bedeutet.<br />
Einen weit höheren Anteil als im Bestand haben<br />
befristete Arbeitsverhältnisse allerdings in den Veränderungen<br />
der Beschäftigung. Auswertungen<br />
des IAB-Betriebspanels, der größten Wiederholungsbefragung<br />
unter deutschen Betrieben, zeigen,<br />
dass der Anteil der befristeten Einstellungen<br />
im Zeitraum von 1997 bis 2003 bei 33,3 Prozent in<br />
Westdeutschland und bei 45,2 Prozent in Ostdeutschland<br />
lag. 2 Damit sind Einstellungen mit befristetem<br />
Vertrag der Standardzugang in die Beschäftigung,<br />
wenn auch nicht der einzige.<br />
Das typische befristete Beschäftigungsverhältnis<br />
gibt es nicht. Befristete Beschäftigung ist sowohl<br />
bei den gering Qualifizierten als auch bei den<br />
Hochschulabsolventen besonders verbreitet, weniger<br />
bei Beschäftigten mit beruflichem Bildungsabschluss.<br />
Überdurchschnittlich stark wird sie im öffentlichen<br />
Sektor und in einigen Dienstleistungsbranchen,<br />
unterdurchschnittlich im Bau- und ver-<br />
1 Vgl. Christoph F. Büchtemann/Armin Höland, Befristete Arbeitsverträge<br />
nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG)<br />
1985, Band 183 der Schriftenreihe „Forschungsbericht“ des<br />
Bundesministeriums für Arbeit- und Sozialordnung, Bonn 1989; Harald<br />
Bielenski/Bärbl Kohler/Maria Schreiber-Kittl, Befristete Beschäftigung<br />
und Arbeitsmarkt: Empirische Untersuchung über befristete<br />
Arbeitsverträge nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz,<br />
Band 242 der Schriftenreihe „Forschungsbericht“ des Bundesministeriums<br />
für Arbeit- und Sozialordnung, Bonn 1994.<br />
2 In den Zahlen sind Ausbildungsverhältnisse nicht enthalten, jedoch<br />
öffentlich (zum Beispiel durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen)<br />
geförderte Beschäftigungsverhältnisse; vgl. Bernhard<br />
Boockmann/Tobias Hagen, Befristete Beschäftigungsverhältnisse<br />
– Brücken in den Arbeitsmarkt oder Instrumente der Segmentierung,<br />
ZEW Wirtschaftsanalysen, Band 80, Baden-Baden 2006;<br />
Bernhard Boockmann/Tobias Hagen, Befristete und andere „atypische“<br />
Beschäftigungsverhältnisse: Wird der Arbeitsmarkt funktionsfähiger,<br />
Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung, 38, 2005,<br />
Seiten 305-324.<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />
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