ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Atypische Beschäftigung<br />
xibilität bei der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.<br />
Wegen der Vorselektion durch die<br />
Leiharbeitsfirma fallen zudem geringere Einstellungskosten<br />
an. Schließlich sind Effizienzsteigerungen<br />
durch verbesserte Auslastung des Faktors<br />
Arbeit möglich. Für Spitzenbelastungen bzw. kurzfristige<br />
Arbeitsausfälle muss weniger Personal vorgehalten<br />
werden.<br />
Vor allem Betriebe des verarbeitenden Gewerbes<br />
nutzen die Leiharbeit und können auf diese<br />
Weise ihre Personaldecke knapper kalkulieren. Es<br />
darf allerdings nicht vergessen werden, dass Leiharbeitsfirmen<br />
für die Dienstleistung, die sie erbringen,<br />
zusätzlich zu den anfallenden Arbeitskosten<br />
bezahlt werden müssen. Welche Form des<br />
Beschäftigungsverhältnisses gewählt wird, ist also<br />
das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Abwägung des<br />
entleihenden Unternehmens. Alles in allem<br />
spricht jedoch einiges für eine Substitutionsbeziehung<br />
zwischen Leiharbeit und Normalarbeitsverhältnissen.<br />
Die gesamtwirtschaftliche Wirkung der zunehmenden<br />
Leiharbeit ist bereits wegen der gegenläufigen<br />
Effekte in Entleih- und Verleihbetrieben<br />
uneindeutig. So stehen den Beschäftigungsgewinnen<br />
in den Zeitarbeitsagenturen möglicherweise<br />
Arbeitsplatzverluste bei den Entleihern gegenüber.<br />
Anhand von Untersuchungen des IAB-Betriebspanels<br />
lässt sich zeigen, dass zwar von einer<br />
gewissen Substitution von Normalarbeitsverhältnissen<br />
durch Leiharbeit auszugehen ist, dass diese<br />
jedoch gesamtwirtschaftlich kaum ins Gewicht<br />
fällt. 28 So war im Zeitraum von 1998 bis 2003 lediglich<br />
in rund 15 000 Betrieben ein gleichzeitiger<br />
Abbau von regulärer Beschäftigung und ein Ausbau<br />
der Leiharbeit zu konstatieren. Andererseits<br />
sind zusätzliche Beschäftigungseffekte durch die<br />
Ausweitung der Leiharbeit nicht auszuschließen.<br />
Bei den Entleihern sind bei einer Senkung der<br />
Produktionskosten und einer anschließenden Produktionsausweitung<br />
mittel- und längerfristig Beschäftigungsgewinne<br />
möglich.<br />
Verleihfirmen rekrutieren in hohem Maße aus<br />
der Arbeitslosigkeit bzw. aus der Nicht-Erwerbstätigkeit.<br />
Etwa 60 Prozent der Leiharbeitnehmer<br />
waren zuvor nicht beschäftigt, weitere zehn Prozent<br />
wechselten von anderen Verleihern. Allerdings<br />
ist bei Leiharbeitnehmern eine hohe Fluktuation<br />
zu verzeichnen, die sich in einer kurzen<br />
28 Vgl. Markus Promberger, Leiharbeit. Flexibilitäts- und Unsicherheitspotenziale<br />
in der betrieblichen Praxis, in: Martin Kronauer/Gudrun<br />
Linne (Hrsg.), 2005, a.a.O., Seiten 183-204.<br />
durchschnittlichen Beschäftigungsdauer niederschlägt.<br />
29 Nur 40 Prozent der Arbeitsverhältnisse<br />
dauern länger als drei Monate.<br />
In einer neueren Untersuchung auf Grundlage<br />
des IAB-Betriebspanels wird für 2003 ein direkter<br />
„Klebeeffekt“ von zwölf Prozent ausgewiesen. Hier<br />
sind lediglich die Übergänge gezählt, die innerhalb<br />
ein und desselben Betriebes gelingen. 30 Die<br />
Übergangsquote inklusive der Wechsel in sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung in anderen<br />
Unternehmen liegt bei etwa 30 Prozent. 31<br />
Ein wichtiger Vorteil der Zeitarbeit besteht darin,<br />
dass sich die Arbeitnehmer aus einem bestehenden<br />
Beschäftigungsverhältnis heraus für einen regulären<br />
Arbeitsplatz bewerben und damit Arbeitswillen<br />
und -fähigkeit signalisieren können. Die Arbeitnehmerüberlassung<br />
kann daher vor allem bei<br />
jüngeren Arbeitnehmern und Berufsanfängern eine<br />
Brückenfunktion übernehmen.<br />
Schließlich leistet die Zeitarbeit einen Beitrag, um<br />
die negativen Konsequenzen des Strukturwandels<br />
für wettbewerbsschwächere Arbeitnehmer abzumildern.<br />
So expandiert die Leiharbeit vor allem<br />
bei geringer qualifizierten Beschäftigten. 32 Diese<br />
üben jedoch in der Regel Tätigkeiten aus, für die<br />
in den vergangenen Jahren immer weniger Normalarbeitsverhältnisse<br />
zur Verfügung standen. Damit<br />
trägt die Leiharbeit dazu bei, dass das Segment<br />
der einfachen Tätigkeiten nicht weiter an Bedeutung<br />
verliert und für gering Qualifizierte eine Einkommensquelle<br />
jenseits von Transferleistungen<br />
bestehen bleibt.<br />
Perspektiven des Wandels<br />
Hinter der gestiegenen Bedeutung atypischer Erwerbsformen<br />
stehen ein sich wandelnder Arbeitskräftebedarf,<br />
ein sich veränderndes Arbeitskräfteangebot<br />
sowie spezifische institutionelle Rahmen-<br />
29 Vgl. Elke J. Jahn/Katja Wolf, Flexibilität des Arbeitsmarktes:<br />
Entwicklung der Leiharbeit und regionale Disparitäten, IAB Kurzbericht,<br />
Nr. 14, 2005.<br />
30 Vgl. Markus Promberger, 2006, a.a.O.<br />
31 Vgl. Helmut Rudolph, 2005, a.a.O.; Michael C. Burda /Michael<br />
Kvasnicka, Zeitarbeit in Deutschland: Trends und Perspektiven,<br />
SFB 649 Discussion Paper 2005 – 048. Von den Beschäftigten<br />
der 2003 neu geschaffenen Personal-Service-Agenturen (PSA)<br />
konnten zwischen April 2003 und Januar 2004 etwa 42 Prozent in<br />
eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wechseln. Der<br />
Arbeitnehmerbestand in den PSA lag im Jahr 2004 bei 28 000<br />
Personen; vgl. Elke J. Jahn, Personal-Service-Agenturen. Start unter<br />
ungünstigen Voraussetzungen, in: IABForum, Nr. 1, 2005, Seiten<br />
14-17.<br />
32 Vgl. Helmut Rudolph, 2005, a.a.O.<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />
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