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ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung

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Zukunft der Arbeitsgesellschaft<br />

gerer Zeitspannen der Arbeitslosigkeit fördert den<br />

Erhalt der allgemeinen und persönlichen Qualifikationen<br />

und trägt dazu bei, Verfestigungstendenzen<br />

bei der Arbeitslosigkeit abzuschwächen. Positive<br />

psychologische Effekte sind besonders dann zu<br />

erwarten, wenn der Erwerbsarbeit neben der reinen<br />

Einkommensgenerierung weitere Eigenschaften<br />

zugesprochen werden, das heißt, wenn mit der<br />

Arbeit auch ein sozialer Status, ein höherer Lebensstandard<br />

oder individuelle Selbstverwirklichung<br />

verbunden sind. Darüber hinaus verhindern<br />

atypische Beschäftigungsverhältnisse, dass<br />

sich Menschen an Unterstützung durch Dritte gewöhnen.<br />

Sie stärken Eigeninitiative und Eigenverantwortung<br />

und entlasten das soziale Netz.<br />

1. Teilzeitbeschäftigung<br />

Nach der Wiedervereinigung hat sich die Teilzeitbeschäftigung<br />

in Deutschland sehr dynamisch entwickelt.<br />

Sie stieg von 1994 bis 2005 um gut 4,7<br />

Millionen auf knapp 11,2 Millionen Arbeitnehmer.<br />

10 Der Anteil der Teilzeitbeschäftigung an allen<br />

abhängig beschäftigten Arbeitnehmern erhöhte<br />

sich damit von 19,1 auf 32,4 Prozent.<br />

Mit 54 Prozent sind über die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten<br />

geringfügig beschäftigt. Sie arbeiten in<br />

Mini- oder Midi-Jobs, die allein kein Existenz sicherndes<br />

Einkommen gewährleisten. Das Sozioökonomische<br />

Panel (SOEP) weist für die 90er-Jahre<br />

eine steigende Zahl dieser Beschäftigungsverhältnisse<br />

aus: Im Bundesgebiet nahmen sie von<br />

knapp vier Millionen (1993) auf rund 5,4 Millionen<br />

(1998) zu. Die Mini-Jobs haben sich seit Einführung<br />

der Neuregelungen im April 2003 höchst<br />

dynamisch entwickelt. Die Zahl der ausschließlich<br />

geringfügig Beschäftigten stieg bis September<br />

2005 um gut 600 000 auf knapp 4,8 Millionen. Hinzukommen<br />

gut 1,8 Millionen Personen, die eine<br />

geringfügige Tätigkeit als Nebentätigkeit ausüben.<br />

Zusätzlich zu den rund 6,6 Millionen Mini-Jobbern<br />

hatten im Jahr 2003 670 000 Personen einen<br />

Midi-Job inne. Am Jahresende 2003 waren es<br />

knapp 416 000. Das entspricht etwa 1,5 Prozent aller<br />

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.<br />

Es wäre unrealistisch, zu unterstellen, dass es sich<br />

bei der Erhöhung der Teilzeitarbeit gesamtwirtschaftlich<br />

um zusätzliche Beschäftigung handelt.<br />

Allerdings deuten Modellrechnungen darauf hin,<br />

dass negative Beschäftigungseffekte, die im Strukturwandel<br />

auftreten, über eine Ausweitung der<br />

Teilzeitarbeit abgefedert werden konnten. Bei einem<br />

unveränderten Vollzeit-Teilzeit-Anteil wäre<br />

die Zahl der Beschäftigten von 1994 bis 2004 deutlich<br />

gesunken. 11<br />

Die Neuregelungen zur geringfügigen Beschäftigung<br />

verstärken den Anreiz, Arbeitsverhältnisse<br />

zulasten der Sozialversicherungen zu zerlegen.<br />

Allerdings setzt dies die betriebliche Bereitschaft<br />

voraus, Arbeitsplätze auf verschiedene Personen<br />

aufzuteilen. Die Frage, ob und inwieweit sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte tatsächlich durch<br />

Mini-Jobs verdrängt werden, kann vorläufig nur<br />

mit ersten Auswertungen aus der Beschäftigtenstatistik<br />

beantwortet werden. 12<br />

Die Bundesagentur für Arbeit hat zwischen März<br />

2003 und März 2004 lediglich in etwa acht Prozent<br />

der Betriebe gleichzeitig einen Abbau sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung und einen Aufbau<br />

von Minijobs (ohne Nebenjobs) feststellen<br />

können. Mehr geringfügige Arbeitsverhältnisse<br />

entstanden in Betrieben, die simultan damit auch<br />

die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung<br />

ausbauten.<br />

Branchenbezogene Analysen zeigen, dass die Expansion<br />

der Mini-Jobs sowohl in schrumpfenden<br />

als auch in wachsenden Branchen stattfand. Im<br />

verarbeitenden Gewerbe und im Bausektor konnte<br />

der starke Rückgang sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung schon rein rechnerisch nicht<br />

durch Mini-Jobs kompensiert werden. In den wirtschaftsnahen<br />

Dienstleistungen und im Gesundheits-<br />

und Sozialwesen nahmen sowohl Mini-Jobs<br />

als auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung<br />

zu.<br />

Dagegen konnten Mini-Jobs im Handel und im<br />

Gaststättenbereich einen Teil des Arbeitsvolumens<br />

abdecken, das bei der regulären Beschäftigung<br />

weggefallen ist. In diesen Bereichen spielt die zeit-<br />

10 In diese Zeit fiel mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz von<br />

2001 eine wesentliche Rechtsänderung, durch die Vollzeitbeschäftigte<br />

in Betrieben mit mehr als 15 Arbeitnehmern Anspruch<br />

auf Teilzeitarbeit erhalten; vgl. Hans-Uwe Bach / Lutz Bellmann<br />

/ Axel Deeke / Michael Feil / Markus Promberger / Eugen<br />

Spitznagel / Susanne Wanger / Gerd Zika, Ausgewählte Aspekte<br />

der Arbeitszeitpolitik, in: Jutta Allmendinger / Werner Eichhorst<br />

/ Ulrich Walwei (Hrsg.), IAB Handbuch Arbeitsmarkt. Analysen,<br />

Daten, Fakten, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005.<br />

11 Vgl. Martin Dietz/Ulrich Walwei, Beschäftigungswirkungen des<br />

Wandels der Erwerbsformen, in: WSI Mitteilungen, Nr. 5, 2006,<br />

Seiten 278-287.<br />

12 Vgl. Helmut Rudolph, Neue Beschäftigungsformen. Brücken<br />

aus der Arbeitslosigkeit, in: Bernhard Badura/Henner Schellschmidt/Christan<br />

Vetter (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2005, Springer,<br />

Berlin u.a. 2006, Seiten 35-56; Bundesagentur für Arbeit,<br />

Mini- und Midi-Jobs in Deutschland, Sonderbericht, Dezember<br />

2004.<br />

20 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)

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