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ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung

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Die Zunahme atypischer Beschäftigung:<br />

Ursachen und Folgen<br />

Dr. Martin Dietz/Dr. Ulrich Walwei<br />

Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), Nürnberg<br />

Leiharbeit und befristete Beschäftigung eröffnen gering Qualifizierten und Arbeitslosen die Chance auf eine Vollzeitbeschäftigung.<br />

Sie geben den Unternehmen größere Flexibilität bei der Personalplanung. Teilzeitarbeit hilft den Arbeitnehmern,<br />

private und berufliche Wünsche in Einklang zu bringen.<br />

In den letzten Dekaden haben die sogenannten<br />

Normalarbeitsverhältnisse – das heißt: die abhängige,<br />

sozialversicherungspflichtige und unbefristete<br />

Vollzeitbeschäftigung – einen Bedeutungsverlust<br />

erlitten. Beschäftigungen werden vermehrt in<br />

Teilzeit oder in selbständiger Tätigkeit ausgeübt.<br />

Oft sind sie nicht oder nicht voll sozialversicherungspflichtig,<br />

oder sie sind befristet oder als Leiharbeitsverhältnis<br />

ausgestaltet.<br />

In gesamtwirtschaftlicher Perspektive sind damit<br />

zwei Fragen aufgeworfen. Die eine befasst sich mit<br />

den Niveaueffekten des Wandels der Erwerbsformen:<br />

Sie fragt, ob ohne diesen Wandel mehr Erwerbstätige<br />

beschäftigt wären. Die zweite Frage<br />

zielt auf die Durchlässigkeit des Arbeitsmarktes:<br />

Erleichtern atypische Beschäftigungsverhältnisse<br />

den Übergang aus der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt<br />

und erfüllen damit eine Brückenfunktion<br />

auf dem Arbeitsmarkt<br />

Der empirische Befund<br />

Schon zu Beginn der 80er-Jahre wurde der Wandel<br />

der Erwerbsformen deutlich, und zwar mit der zunehmenden<br />

Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung.<br />

1 Seit den 90er-Jahren sind die befristete Beschäftigung,<br />

selbständige Tätigkeiten und vor allem<br />

die Leiharbeit stärker gewachsen als die Zahl<br />

der Erwerbstätigen insgesamt. 2<br />

1 Vgl. Edeltraud Hoffmann/Ulrich Walwei, Normalarbeitsverhältnis:<br />

ein Auslaufmodell Überlegungen zu einem Erklärungsmodell<br />

für den Wandel der Beschäftigungsformen, in: Mitteilungen aus<br />

der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jahrgang 31, Heft 3,<br />

1998, Seiten 409-425.<br />

2 Da die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung noch stark<br />

durch Übergangsprozesse und damit durch Sonderfaktoren bestimmt<br />

waren, wird im Folgenden der Zeitraum von 1994 bis 2005<br />

betrachtet. Vgl. Hans-Uwe Bach/Christian Gaggermeier/Sabine<br />

Klinger, Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: Woher<br />

kommt die Talfahrt, IAB Kurzbericht Nr. 26, 2005.<br />

Gemessen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen<br />

von knapp 39 Millionen Personen stellte die Teilzeitbeschäftigung<br />

2005 mit gut elf Millionen den<br />

größten Teil der atypischen Erwerbsformen. Die<br />

Zahl der Selbständigen lag bei rund 4,3 Millionen.<br />

Etwa 2,7 Millionen Menschen waren befristet beschäftigt.<br />

Die Leiharbeit spielte im ersten Halbjahr<br />

2005 mit durchschnittlich gut 450 000 Beschäftigten<br />

eine relativ untergeordnete Rolle. Dieser Bereich<br />

wächst stark, aber sein hohes Wachstum setzt<br />

auf einem relativ geringen Niveau auf.<br />

Ursachen des Wandels<br />

Die Gründe für den Wandel der Erwerbsformen<br />

sind vielfältig. Neben den Entscheidungen der Arbeitsnachfrager<br />

auf Betriebsebene und den Präferenzen<br />

der Arbeitsanbieter sind exogene Faktoren<br />

wie die wirtschaftliche Lage von großer Bedeutung.<br />

Vor allem aber sind institutionelle Einflüsse<br />

hervorzuheben. Dabei geht es sowohl um die formal-rechtliche<br />

Struktur des Arbeitsmarktes und<br />

der angrenzenden Märkte als auch um die politische<br />

Ausgestaltung durch arbeitsmarktpolitische<br />

Maßnahmen.<br />

1. Institutionelle Faktoren<br />

Die institutionellen Faktoren haben für die Entwicklung<br />

neuer Erwerbsformen große Bedeutung,<br />

weil sie die Handlungsspielräume am Arbeitsmarkt<br />

unmittelbar bestimmen. Besonders wichtig<br />

sind dabei die Sozialabgaben, das Arbeitsrecht sowie<br />

die Rolle der passiven und der aktiven Arbeitsmarktpolitik.<br />

Die Sozialversicherungsbeiträge sind in den letzten<br />

Dekaden kontinuierlich gestiegen. Seit Mitte der<br />

90er-Jahre haben sie sich auf hohem Niveau stabilisiert.<br />

Im Jahr 2005 betrugen sie durchschnittlich<br />

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />

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