ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Ordnungspolitische Positionen<br />
benen „Leistungs- und Finanzierungs-Vereinbarung“ die jährlichen Unterstützungsleistungen<br />
für das Schienennetz gesetzlich verpflichtend festgehalten<br />
werden. Die Höhe der Regionalisierungsgelder für den Nahverkehr steht ohnehin<br />
fest. Das aber heißt: Die möglicherweise erzielbaren kurzfristigen Einnahmen<br />
durch den Verkauf des Bundeseigentums an der DB AG werden bereits<br />
im ersten Jahr bei Weitem übertroffen durch die Unterstützungsleistungen,<br />
die der Schiene – nunmehr in erheblichem Maß den privaten Anteilseignern<br />
– zufließen würden.<br />
Somit werden im Fall einer Bahnprivatisierung Steuermittel eingesetzt, um private<br />
Investoren zu alimentieren. Die Bahnprivatisierung verstößt damit gegen<br />
die Gebote von Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit: Ein zentrales Instrument<br />
zur sinnvollen Lenkung der Verkehrsentwicklung wird aus den öffentlichen<br />
Händen gegeben und dem Diktat der Gewinnmaximierung unterworfen.<br />
Jährlich werden bis zu zwölf Milliarden Euro an Steuergeldern für eine<br />
Förderung der privaten Bahneigentümer ausgegeben, während der Staat praktisch<br />
keine Kontrolle über die Verwendung dieser Mittel hat.<br />
3. Niedrige Kreditwürdigkeit<br />
Hartmut Mehdorn, der Vorstandsvorsitzende der DB AG, geht davon aus, dass sich<br />
die Bahn nach der Privatisierung „frisches Kapital aus dem Markt holen“ könne.<br />
Das Gegenteil ist der Fall. Eine privatisierte DB AG hätte zunächst eine deutlich<br />
niedrigere Kreditwürdigkeit als die DB AG in Bundesbesitz, und die Aufnahme<br />
von Fremdkapital wäre teurer. Sodann würden private Investoren darauf drängen,<br />
die derzeitige offiziell angegebene Rendite von zwei Prozent zumindest zu<br />
vervierfachen, und somit dem Unternehmen Einnahmen entziehen.<br />
4. Einflussnahme von konträren Interessen<br />
Alle Modelle eines Bahn-Börsengangs sehen vor, dass private Investoren Eigentümer<br />
oder Miteigentümer werden, die dann Entscheidungsbefugnisse hätten.<br />
Wenn man bedenkt, dass das Auto und das Flugzeug den Verkehrsmarkt<br />
dominieren, ist auch vorstellbar, dass sich Investoren engagieren, die dem<br />
Schienenverkehr widersprechende Interessen vertreten. In Großbritannien engagierten<br />
sich vor allem Bus- und Fluggesellschaften als Betreiber von Bahnunternehmen.<br />
Solche Investoren werden Eisenbahnverkehr nur dort mit Engagement<br />
betreiben, wo er ihren sonstigen Interessen nicht widerspricht.<br />
5. Rückläufiger Personenverkehr<br />
Das PRIMON-Gutachten geht davon aus, dass das Schienennetz im Fall einer<br />
Bahnprivatisierung verkleinert wird. Im Gespräch ist ein Abbau von weiteren<br />
5 000 km des Netzes. Damit würde die Gesamtlänge auf weniger als 30 000 km<br />
reduziert und der Stand von 1875 erreicht. Schon dieser Umstand wird zu einem<br />
deutlichen Rückgang des Schienenverkehrs führen.<br />
Das Bestreben privater Investoren, möglichst hohe Renditen zu erzielen, führt<br />
dazu, dass nur rentable Verbindungen betrieben werden. Im PRIMON-Gutachten<br />
wird prognostiziert, dass unabhängig vom Privatisierungsmodell der<br />
Schienenpersonennahverkehr weitgehend auf dem erreichten Niveau verharrt.<br />
Dabei sind die beschlossenen Kürzungen der Regionalisierungsmittel<br />
noch nicht berücksichtigt. Der Personenfernverkehr soll sogar absolut rück-<br />
14 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)