ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Ordnungspolitische Positionen<br />
Das Beste wäre:<br />
Verzicht auf die Bahnprivatisierung<br />
Dr. phil. Winfried Wolf<br />
Verkehrswissenschaftler und Sprecher in der Kampagne „Bahn für alle“<br />
Mit dem Verkauf des Bundeseigentums an der DB AG soll erreicht werden,<br />
dass die Kosten der Schiene für die Steuerzahler gesenkt, die Servicefreundlichkeit<br />
der Bahn erhöht und sowohl Personen- als auch Güterverkehr auf die<br />
Schiene verlagert wird. Erstaunlich ist, dass dieselben Ziele bereits 1994 verkündet<br />
wurden, als mit der Bahnreform Bundesbahn und Reichsbahn vereint<br />
wurden und die Deutsche Bahn AG in 100-prozentigem Eigentum des Bundes<br />
gegründet wurde. Die Bilanz des Zusammenschlusses sieht wie folgt aus:<br />
Der Bund zahlt laut Bundesrechnungshof inzwischen mehr für die Schiene<br />
als vor 1994 (jährlich rund zwölf Milliarden Euro). Gleichzeitig ist die DB AG,<br />
die 1994 schuldenfrei startete, mit 21,5 Milliarden Euro so hoch verschuldet<br />
wie die Bundesbahn Ende 1993.<br />
Bei Umfragen nimmt die DB AG unter allen großen Unternehmen beim<br />
Kriterium „Kundenfreundlichkeit“ in der Regel den letzten Platz ein.<br />
Die Eisenbahn hat im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln zwischen 1993<br />
und 2004 weiter Bedeutung verloren. Dies gilt insbesondere für den Fernverkehr,<br />
der – im Gegensatz zum Nahverkehr – eigenwirtschaftlich betrieben wird.<br />
Hier gab es sogar einen absoluten Rückgang der Verkehrsleistungen.<br />
Sind privatisierte Bahnen erfolgreicher<br />
Privatisierungsbefürworter weisen darauf hin, dass im Unterschied zur in<br />
Bundeseigentum befindlichen DB AG private Bahnen eine positive Bilanz vorzuweisen<br />
hätten. Das sei ein Erfolg der Bahnreform. Tatsächlich gibt es private<br />
Bahnbetreiber vor allem in zwei Bereichen: im Personennahverkehr sowie in<br />
Teilsegmenten des Güterverkehrs. Beim Güterverkehr sind die Privaten dort<br />
erfolgreich, wo die DB AG freiwillig das Feld räumt oder wo – zum Beispiel im<br />
Chemie-Bereich – Spezialtransporte über größere Entfernungen gefahren werden,<br />
was auf „Rosinenpickerei“ hinausläuft.<br />
Im Personenverkehr engagieren sich die Privaten zu 98 Prozent im Nahverkehr;<br />
rund zwei Drittel der Einnahmen bestehen in diesem Bereich allerdings<br />
aus staatlichen Unterstützungszahlungen (Regionalisierungsmittel des Bundes).<br />
Wettbewerb bedeutet hier vor allem Wettbewerb um Staatsgelder. Die Gewinne<br />
von DB Regio – der Nahverkehrstocher der DB AG – und der Privatbahnen<br />
bewegen sich auf gleichem Niveau.<br />
Es ist bezeichnend, dass kein Privater in größerem Umfang in den Personenfernverkehr<br />
eingestiegen ist. Dabei hat die DB AG im Jahr 2001 mit der Aufgabe<br />
der Zuggattung „InterRegio“ ein wahrhaft weites Feld geöffnet. Das ist kein<br />
Wunder. Der Verkehrsmarkt wird seit langer Zeit vom Auto und vom Flugzeug<br />
bestimmt. In Deutschland werden jährlich rund 1 000 Kilometer neue Straßen<br />
gebaut und etwa 500 Kilometer des Schienennetzes abgebaut.<br />
12 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)