Arbeitszeit- und Betriebszeitgestaltung - Arbeitszeitberatung Dr. Hoff ...
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23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
❱❱❱<br />
Funktionspflege:<br />
Jede Pflegekraft übernimmt aus dem Katalog der<br />
Pflegearbeiten jeweils eine Funktion – wie zum<br />
Beispiel das Messen des Blutdrucks – <strong>und</strong> führt<br />
diese bei allen Patienten ihrer Station oder Abteilung<br />
aus.<br />
Gruppenpflege:<br />
Einer Pflegekraft wird eine kleine Gruppe von Patienten<br />
zugeordnet. Bezogen auf diese Patienten<br />
führt die Pflegekraft alle notwendigen Pflegemaßnahmen<br />
durch.<br />
Die in der Tabelle 53 dargestellten Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile der Stellenspezialisierung gelten ganz<br />
sicher auch für die Spezialisierung der Pflegearbeit.<br />
Als Gr<strong>und</strong>lage für die Entscheidung,<br />
welche Art von Stellenspezialisierung in der<br />
Krankenpflege in Betracht kommt, muss<br />
nun geprüft werden, welche Bedeutung die<br />
Besonderheiten der Verrichtungen des Pflegedienstes<br />
<strong>und</strong> die des Objekts, an dem die<br />
Verrichtungen vollzogen werden, für die Bewertung<br />
der verschiedenen Formen der Spezialisierung<br />
des Pflegedienstes haben. Einige<br />
Bewertungskriterien dafür könnten unter<br />
anderem die folgenden sein:<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
Ein zentrales Element der Pflegearbeit ist<br />
die nicht vollständige Planbarkeit des Pflegeprozesses.<br />
Der Arbeitsablauf der Pflege<br />
wird vielmehr schrittweise entwickelt,<br />
<strong>und</strong> zwar unter Berücksichtigung der Reaktionen<br />
des Patienten auf die einzelnen<br />
Pflegeschritte.<br />
Der Patient ist nicht nur Konsument einer<br />
Dienstleistung; er wird vielmehr auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Interaktion mit Pflegekräften<br />
<strong>und</strong> anderen an dem Behandlungsprozess<br />
beteiligten als Ko-Produzent in den<br />
Pflegeprozess einbezogen.<br />
Die Forderung nach Patientenorientierung<br />
der Krankenhausarbeit verlangt die Reduzierung<br />
der an dem Behandlungsprozess<br />
beteiligten Personen <strong>und</strong> insbesondere die<br />
durchgängige Betreuung durch eine Krankenpflegekraft.<br />
Die Einbeziehung des Patienten als Bewertungs-<br />
Kriterium lässt somit nicht übersehen, dass<br />
die Verteilung der Pflege-Verrichtungen auf<br />
mehrere Personen im Sinne der Funktionspflege<br />
deutliche Nachteile nicht nur für den<br />
Erfolg des Pflegeprozesses nach sich ziehen<br />
würde. Auch die Zufriedenheit der Pflegenden<br />
würde leiden, weil sie ihre Rolle als<br />
Agent des Patienten nur weniger gut ausfüllen<br />
könnten; eines ihrer Individualbedürfnisse<br />
würde nur unvollkommen befriedigt werden<br />
können. Diese Argumente sprechen für<br />
die objektbezogene Stellenspezialisierung –<br />
für die Gruppenpflege.<br />
Das Abwägen der Vor- <strong>und</strong> Nachteile<br />
einer verrichtungs- oder objektorientierten<br />
Stellespezialisierung für die Stellenbildung<br />
in einem Zentrallaboratorium oder in der<br />
Krankenhausküche kommt wegen der anderen<br />
Verrichtungen <strong>und</strong> vor allem wegen der<br />
Art der Objekte der Stellenaufgaben in diesen<br />
Leistungsbereichen wahrscheinlich zu ganz<br />
anderen Ergebnissen.<br />
11. 4<br />
11. 4. 1<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Betriebszeitgestaltung</strong><br />
lars Herrmann<br />
Entkopplung von <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong><br />
Betriebszeit<br />
Zur Ausgangssituation<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>en <strong>und</strong> Betriebszeiten müssen<br />
im Krankenhaus voneinander entkoppelt<br />
werden. Andernfalls wäre die Leistungserbringungszeit<br />
des Krankenhauses auf das<br />
Volumen der verfügbaren <strong>Arbeitszeit</strong>dauer<br />
beschränkt. Sind beide Dimensionen<br />
von einander entkoppelt, fächern sich die<br />
190<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>lagen zwischen den Mitarbeitern<br />
dem tatsächlichen Besetzungsbedarf<br />
entsprechend auf.<br />
Im Bereich der stationären Pflege <strong>und</strong> der<br />
pflegeseitigen Notaufnahme kann dies wegen<br />
des R<strong>und</strong>-um-die-Uhr-Versorgungsbedarfs<br />
der Patienten als selbstverständlich vorausgesetzt<br />
werden – darüber hinaus keineswegs:<br />
In vielen für die Leistungserbringung zentralen<br />
Bereichen – wie OP- <strong>und</strong> Funktionsbereichen<br />
– orientiert sich die Betriebszeit in<br />
deutschen Krankenhäusern nach wie vor an<br />
der Vollzeit-Tagesarbeitszeit der Mitarbeiter.<br />
So gilt beispielsweise bis heute vielerorts ein<br />
OP-Saal als „ausgelastet“, wenn er an den in<br />
der Regel fünf Arbeitstagen in der Woche für<br />
acht St<strong>und</strong>en betrieben wird.<br />
!<br />
Es ist geradezu ein Kennzeichen von Krankenhausorganisationen,<br />
an der tradierten Kopplung<br />
von <strong>Arbeitszeit</strong> <strong>und</strong> Betriebszeit solange<br />
festzuhalten, bis es wirklich nicht mehr anders<br />
geht.<br />
Dass für zunehmende abendliche elektive<br />
Anforderungen – also Betriebszeitbedarf –<br />
im ärztlichen Dienst (<strong>und</strong> zum Teil auch im<br />
Funktionsdienst) die Bereitschaftsdienste<br />
missbraucht wurden, dürfte wesentlich zum<br />
letztlich dann arbeitszeitrechtlich induzierten<br />
Reorganisations-Schock bei den Bereitschaftsdiensten<br />
beigetragen haben. Und selbst nach<br />
der diesbezüglichen rechtlichen Neuregelung<br />
umgehen viele Krankenhäuser den erforderlichen<br />
Entkopplungsschritt, indem sie das<br />
hergebrachte 24 St<strong>und</strong>en-Regeldienst-Bereitschaftsdienst-Schema<br />
fortführen <strong>und</strong> damit<br />
die Betriebszeit weiter der <strong>Arbeitszeit</strong> folgen<br />
lassen (bzw. die bisherige rechtswidrige Situation<br />
weiter fortführen, dass in den Bereitschaftsdienst<br />
bis zum Ende der faktisch längeren<br />
Betriebszeit hineingearbeitet wird).<br />
Dabei ist der Bedarf an unabhängig von<br />
der (Vertrags‐)<strong>Arbeitszeit</strong> ermittelten Be-<br />
triebszeiten evident: Das ergibt sich schon<br />
aus der einfachen Überlegung, dass es ein<br />
seltener Zufall wäre, würden (in der Regel tarifvertraglich)<br />
vereinbarte <strong>Arbeitszeit</strong>dauern<br />
mit dem zeitlichen Besetzungsbedarf tatsächlich<br />
übereinstimmen.<br />
Eine fehlende Anpassung der <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
an den tatsächlichen zeitlichen Besetzungsbedarf<br />
(die sog. Besetzungszeit) führt, wenn<br />
letzterer kürzer ist, zu der Gefahr, dass verbleibende<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>-„Reste“ nicht ausreichend<br />
produktiv gemacht werden können.<br />
Übersteigt hingehen der tatsächliche Betriebszeitbedarf<br />
die verfügbare Tagesarbeitszeitdauer,<br />
ohne dass die <strong>Arbeitszeit</strong>en umgestellt<br />
werden, leidet die Wirtschaftlichkeit<br />
(nicht optimale Nutzung der Betriebsmittel;<br />
Prozessdauerverlängerung aufgr<strong>und</strong> verzögerter<br />
Diagnostik <strong>und</strong> Therapie) <strong>und</strong>/ oder<br />
die Serviceorientierung (zeitlich unzureichende<br />
Ansprechbarkeit des Personals; nicht<br />
oder nicht ausreichende Berücksichtigung<br />
patientenseitiger Terminvorstellungen).<br />
Insbesondere aufgr<strong>und</strong> des letztgenannten<br />
Punktes hält in Krankenhäusern als Bezeichnung<br />
für die Betriebszeit der bei anderen<br />
Dienstleistungsunternehmen verbreitete<br />
Begriff „Servicezeit“ Einzug. Abbildung 32<br />
zeigt ein Beispiel für eine Umstellung einheitlich<br />
kurzer OP-Laufzeiten auf zeitlich<br />
dem prognostizierten Bedarf entsprechend<br />
gestaffelte OP-Laufzeiten – unter Schließung<br />
eines OP-Saals.<br />
Hinsichtlich der Betriebszeiten ist es auch<br />
bei Entkopplung von der <strong>Arbeitszeit</strong> regelmäßig<br />
kein Ziel, diese zu maximieren. Gegen<br />
zu lange Betriebszeiten sprechen nicht nur die<br />
aufgr<strong>und</strong> von Zeitzuschlägen <strong>und</strong> -zulagen<br />
verteuernden St<strong>und</strong>enentgeltkosten, sondern<br />
gegebenenfalls fehlender Besetzungsbedarf<br />
zu bestimmten Zeiten, aber auch medizinische<br />
Erwägungen – insbesondere hinsichtlich<br />
elektiver Untersuchungen oder OP’s in<br />
Nachtst<strong>und</strong>en.<br />
Der Weg zur Entkopplung von Betriebs- <strong>und</strong><br />
<strong>Arbeitszeit</strong>en fällt im Krankenhaus insbeson-<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
191
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
06:00 07:00 08:00 09:00 10:00 11:00 12:00 13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00 22:00 23:00 00:00 01:00 02:00 03:00<br />
1 Flexi<br />
2 Standard<br />
3 Standard<br />
4 Lang<br />
5 Lang<br />
6<br />
06:00 07:00 08:00 09:00 10:00 11:00 12:00<br />
13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00 22:00 23:00 00:00 01:00 02:00 03:00<br />
Abb. 32 Differenzierte OP-Saallaufzeiten sowie Schließung des 6. OP-Saals in einer Universitätsklinik<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
dere wegen des im ärztlichen Dienst traditionell<br />
verbreiteten Organisationsmusters der<br />
gleichzeitigen Anwesenheit möglichst aller<br />
Ärzte schwer, für die es im übrigen bei hohem<br />
Kommunikationserfordernis auch gute<br />
Gründe gibt – allerdings mit starken „Nebenwirkungen“:<br />
Die Krankenhausorganisation<br />
macht sich umso weniger um funktionierende<br />
Teamstrukturen <strong>und</strong> die Einsatzflexibilität<br />
der Mitarbeiter Gedanken, je höher die „automatische“<br />
Gleichzeitigkeit der <strong>Arbeitszeit</strong>enlagen<br />
ist. Betriebszeit <strong>und</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> eng zu<br />
koppeln bedeutet nämlich auf der arbeitsorganisatorischen<br />
Seite, dass Person <strong>und</strong> Funktion<br />
ebenfalls eng verzahnt werden – häufig mit der<br />
Folge überspezialisierter <strong>und</strong> damit von der<br />
Anwesenheitsoptimierung einzelner Personen<br />
abhängiger Strukturen. Daher stößt eine<br />
Entkopplungsstrategie zunächst insbesondere<br />
auf arbeitsorganisatorische, „kulturelle“ <strong>und</strong><br />
zum Teil qualifikatorische Schranken.<br />
Im Zuge der Neugestaltung der Bereitschaftsdienstorganisation<br />
<strong>und</strong> der Einführung flexibler<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>systeme auch im ärztlichen<br />
Dienst (s. Kap. 11.4.5.) <strong>und</strong> eines stärker an<br />
Serviceerwartungen <strong>und</strong> betriebswirtschaft-<br />
lichen Erfordernissen ausgerichteten Krankenhaus-Managements<br />
schreitet aber auch<br />
im ärztlichen Dienst das Entkopplungsprinzip<br />
voran. Zudem werden (Mindest‐)Betriebszeitvorgaben<br />
zunehmend Voraussetzung für<br />
die Behandlung (<strong>und</strong> Abrechenbarkeit) spezifischer<br />
Krankheiten – etwa im Bereich der<br />
Neonatologie oder auch für das Betreiben<br />
einer Stroke Unit. Und schließlich, nicht<br />
zuletzt, befördert insbesondere ein zunehmender<br />
Teilzeitanteil der Beschäftigten, wie<br />
er sich absehbar auch im ärztlichen Dienst<br />
ergeben wird, die Entkopplung, weil hier gar<br />
kein anderer Weg möglich ist, als kürzere<br />
Tagesarbeitszeiten in längere Betriebszeiten<br />
einzupassen.<br />
Ermittlung des Besetzungsbedarfs<br />
Ausgangspunkt bedarfsgerechter <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />
ist stets eine möglichst vorurteilsfreie<br />
Analyse des tatsächlichen Besetzungsbedarfs.<br />
Dazu werden bedarfsgerechte Tages-Besetzungsprofile<br />
(„von x bis y Uhr werden<br />
durchschnittlich n Mitarbeiter benötigt, von<br />
192<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
x bis z Uhr m Mitarbeiter, etc.“ – über bis zu<br />
24h) ermittelt – so viele wie nötig. Anders als<br />
in Zeiten tagesgleicher Pflegesätze, in denen<br />
mittels der sog. Arbeitsplatzmethode – wie<br />
viele Arbeitsplätze müssen jeweils in welcher<br />
Zeitspanne besetzt werden – aus dem Besetzungsbedarf<br />
zugleich der Personalbedarf abgeleitet<br />
wurde, bilden im DRG-Zeitalter die<br />
auf Basis der Erlöserwartungen kalkulierten<br />
Personalbudgets den Rahmen für die Besetzbarkeit<br />
der Arbeitsplätze.<br />
Mithin steht die verfügbare Personalkapazität<br />
bereits vor der Ermittlung des Besetzungsbedarfs<br />
im Gr<strong>und</strong>satz fest – abgesehen<br />
von solchen Fällen, in denen eine Mindestbesetzungsrestriktion<br />
einen höheren Personaleinsatz<br />
verlangt als betriebswirtschaftlich<br />
ermittelt.<br />
Muss zum Beispiel eine Organisationseinheit r<strong>und</strong><br />
um die Uhr mit mindestens zwei, nachts <strong>und</strong> am<br />
Wochenende einem Mitarbeiter besetzt werden,<br />
wird aber weniger erwirtschaftet als zur Finanzierung<br />
dieser Besetzung erforderlich, muss die<br />
Subventionierung eines solchen Bereiches dann<br />
erwogen werden, wenn seine Schließung oder Integration<br />
in größere Organisationseinheiten nicht<br />
in Frage kommen.<br />
Bei den üblichen Formeln zur Berechnung<br />
des Besetzungsbedarfs, wird daher in der<br />
Regel von einer anderweitig ermittelten verfügbaren<br />
Personalkapazität ausgegangen, so<br />
dass sich mit Hilfe Formeln 1. <strong>und</strong> 2. die Besetzungsmöglichkeiten<br />
darstellen lassen.<br />
❱❱❱<br />
1. Netto-Personalbedarf [Anzahl Stellen]<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>bedarf [Std./w]<br />
=<br />
eingeteilte <strong>Arbeitszeit</strong> [Std./w]<br />
Erläuterung:<br />
• n <strong>Arbeitszeit</strong>bedarf = Besetzungszeit x Besetzungsstärke/n,<br />
gegebenenfalls im Jahresdurchschnitt<br />
<strong>und</strong> abzüglich nicht auf die <strong>Arbeitszeit</strong> angerechnete<br />
Pausenzeit<br />
• n n = Anzahl der zu besetzenden Arbeitsplätze<br />
• n Eingeteilte <strong>Arbeitszeit</strong> = Regelarbeitszeit oder hiervon<br />
abgeleitete Planarbeitszeit<br />
2. Brutto-Personalbedarf [Anzahl Stellen]<br />
Nettopersonalbedarf<br />
=<br />
1 ./. (Ausfallzeitenquote [%] : 100 [%])<br />
Erläuterung:<br />
Der tatsächliche Personalbedarf – in der Regel ein Wert<br />
zwischen dem Netto- <strong>und</strong> dem Brutto-Personalbedarf –<br />
bestimmt sich vor allem unter Berücksichtigung der systemextern<br />
(zum Beispiel durch andere Bereiche, Zeitarbeit<br />
oder Ferienhelfer) abgedeckten Ausfallzeiten.<br />
Ist beispielsweise eine Personalkapazität von<br />
10 Mitarbeitern verfügbar, dann lassen sich<br />
bei 17 % Ausfallzeitenquote, einer Vertragsarbeitszeit<br />
von 38,5 Std./w <strong>und</strong> einer durchgehenden<br />
Besetzung mit 8 Std. <strong>Arbeitszeit</strong><br />
je Schicht in drei Schichtlagen (Früh/Spät/<br />
Nacht) in Vollarbeit mit einem Mitarbeiter 5<br />
(an 1/5 der Tage mit 4) Mitarbeiter in der mit<br />
höherem Besetzungsbedarf zu berücksichtigenden<br />
Frühschicht der Tage Montag bis Freitag<br />
einsetzen (Proberechnung: 40 Schichten<br />
pro Woche x 8 : 38,5 = 8,31 Mitarbeiter (Vollzeit);<br />
8,31 : (1 – [17 % : 100 %] = 10,01 Mitarbeiter<br />
(Vollzeit).<br />
Für die Ermittlung des tagesbezogenen (ggf.<br />
auch saisonalen) Besetzungsbedarfs ist es ratsam,<br />
(ggf. mit Hilfe einfacher Tools) ein Besetzungsprofil<br />
zu erstellen, in dem der Besetzungsstärke-Bedarf<br />
im Zeitablauf eingetragen<br />
wird. Gr<strong>und</strong>lage hierfür können – je<br />
nach Bereich <strong>und</strong> Anforderung – sein:<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
statistische Daten (wie das Patientenaufkommen<br />
in einer Notfallaufnahme),<br />
Besetzungs-Vergleichswerte<br />
(Anhaltszahlen, Benchmarks),<br />
Selbst- oder Fremdbeobachtungen<br />
(verwendungsbezogene Selbstaufschreibungen)<br />
bzw.<br />
Messmethoden (Tätigkeitsanalysen).<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
193
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
Bei der Ermittlung des Besetzungsbedarfs<br />
sollten bedarfsferne, oft aber gewohnheitsbedingte<br />
<strong>und</strong> nicht hinterfragte Überlegungen,<br />
wie sie in Krankenhäusern nicht selten<br />
angestellt werden, weitest möglich außer Betracht<br />
bleiben – etwa die ärztliche Tradition,<br />
bedarfsunabhängig stets sämtliche verfügbaren<br />
Mitarbeiter im Tagesdienst anwesend<br />
zu haben, unabhängig von Urlaubs- <strong>und</strong> anderen<br />
Abwesenheitszeiten, oder die pflegerische<br />
Dienst-Tradition zu stark überlappender<br />
Früh- <strong>und</strong> Spätdienste.<br />
Zudem müssen Schwankungen des Besetzungsbedarfs<br />
beachtet werden.<br />
• n Zum einen betrifft dies vorhersehbare Besetzungsschwankungen<br />
– etwa saisonale, insbesondere<br />
um Feiertage herum oder kurzfristiger<br />
aufgr<strong>und</strong> der Patienteneinbestellung<br />
bzw. der OP-Planung. Hier kommt es<br />
insbesondere darauf an, personelle Überbesetzungen<br />
in einzelnen Zeitabschnitten<br />
zu vermeiden – denn erfahrungsgemäß<br />
fallen diese im Gegensatz zu Unterbesetzungen<br />
deutlich weniger auf oder<br />
werden gar als Pufferzeiten willkommen<br />
geheißen.<br />
•n Zum anderen muss schon bei der Besetzungsbedarfsermittlung<br />
die Schwankungsbreite<br />
der nicht vorhersehbaren Abweichungen<br />
vom durchschnittlichen Besetzungsbedarf<br />
berücksichtigt werden. Hierauf reagieren<br />
zu können zeichnet flexible Systeme<br />
aus, so dass der diesbezügliche Bedarf an<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilität sowie – wie unten zu<br />
zeigen sein wird – an Einsatzflexibilität bei<br />
der Besetzungsbedarfsermittlung zugleich<br />
mit berücksichtigt werden sollte.<br />
In diesem Schritt finden also die zunächst<br />
getrennt betrachteten Dimensionen Betriebszeit<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> wieder zusammen.<br />
Verändert sich nämlich zum Beispiel die<br />
Besetzungs stärke im Tagesverlauf, müssen<br />
zu diesem Zeitpunkt Dienste beginnen <strong>und</strong>/<br />
oder Pausen enden (wenn die Besetzungs-<br />
stärke zunimmt) bzw. Dienste enden <strong>und</strong>/<br />
oder Pausen beginnen (wenn sie abnimmt) –<br />
ggf. unter Berücksichtigung erforderlicher<br />
Übergabezeiten. Verbleibende Beginn- <strong>und</strong><br />
Endzeiten sollten nun gr<strong>und</strong>sätzlich möglichst<br />
so gewählt werden, dass<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
die sich ergebenden Dienstdauern durchschnittlich<br />
zu nicht mehr als – je nach<br />
Festlegung – 5 bzw. 5,5 Arbeitstagen pro<br />
Mitarbeiter führen, damit sie gut „vollzeittauglich“<br />
sind;<br />
zwecks Vereinfachung auf letzte Differenzierungen<br />
verzichtet wird – bis ins letzte<br />
Detail ausdifferenzierte Dienstzeiten<br />
sind gerade keine gute Vorbereitung für<br />
die dann ohnehin zu erwartenden Abweichungen<br />
hiervon, sondern suggerieren<br />
minutengenau starre Dienstzeiten;<br />
die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
über die Gestaltung von Dienstplänen<br />
berücksichtigt werden;<br />
es – sofern nicht anders gewünscht – keine<br />
geteilten Dienste <strong>und</strong> überproportionalen<br />
Pausenzeiten gibt.<br />
11. 4. 2<br />
Einführung<br />
Gr<strong>und</strong>lagen flexibler<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />
Die Entkopplung von (Vollzeit‐)Vertragsarbeitszeit<br />
<strong>und</strong> Betriebszeit eröffnet insbesondere<br />
Gestaltungsspielräume für die Flexibilisierung<br />
der <strong>Arbeitszeit</strong>regelung, um<br />
einen sowohl auslastungsgerechten als auch<br />
die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigenden<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>-Einsatz in Teamabsprache<br />
zu ermöglichen. Dabei basieren sämtliche<br />
flexi blen <strong>Arbeitszeit</strong>systeme auf zwei<br />
Gr<strong>und</strong>gedanken:<br />
1. Die Verteilung der <strong>Arbeitszeit</strong> bestimmt<br />
sich nach der Arbeitsaufgabe – <strong>und</strong> nicht<br />
umgekehrt. Flexible <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />
194<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
bedeutet, die <strong>Arbeitszeit</strong>en so zu gestalten,<br />
wie sie nachgefragt werden – also länger<br />
zu arbeiten, wenn mehr zu tun ist, <strong>und</strong><br />
weniger, wenn weniger Arbeit anfällt. Dies<br />
ist insbesondere dann nur eingeschränkt<br />
möglich, wenn sich führungsseitige Erwartungen<br />
<strong>und</strong> Leistungsbeurteilungen<br />
der Mitarbeiter an den Anwesenheitszeiten<br />
ausrichten.<br />
2. Mit diesem ersten Gr<strong>und</strong>satz zu vereinbarende<br />
zeitliche Interessen der Mitarbeiter<br />
müssen sämtlich realisiert werden können.<br />
Dies bedeutet, dass flexible <strong>Arbeitszeit</strong>systeme<br />
einen Anreiz für sämtliche<br />
Beteiligten setzen <strong>und</strong> setzen müssen,<br />
bedarfsferne Einschränkungen von persönlichen<br />
zeitlichen Gestaltungsspielräumen<br />
– insbesondere durch starre Anwesenheitsvorgaben<br />
– zu identifizieren <strong>und</strong><br />
abzuschaffen. Das hat im Wesentlichen<br />
zwei Gründe: Flexible <strong>Arbeitszeit</strong>en können<br />
nur in „Geben <strong>und</strong> Nehmen“ gedeihen<br />
– <strong>und</strong> die Einstellung der Mitarbeiter<br />
zur Flexibilisierung des Personaleinsatzes<br />
nimmt Schaden, wenn sie wahrnehmen,<br />
dass diese als „Einbahnstraße“ praktiziert<br />
wird. <strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung macht<br />
den Mitarbeitern den ergebnisorientiert<br />
notwendigen Abschied aus der Welt starr<br />
geregelter <strong>Arbeitszeit</strong>en schmackhaft, da<br />
die zeitlichen Gestaltungsspielräume im<br />
Team selbstverständlich auch für persönliche<br />
Zeitinteressen genutzt werden können.<br />
Zudem liegt in der Fähigkeit flexibler<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>systeme, wirksame Entlastung<br />
für die Mitarbeiter von überlangen<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>en zu erreichen, zugleich ihr<br />
größtes Effizienzpotenzial: In der Möglichkeit,<br />
in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls<br />
tatsächlich weniger zu arbeiten, liegt<br />
das entscheidende ökonomische Potenzial<br />
flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>systeme. Es kann weitest<br />
möglich jedoch nur genutzt werden,<br />
wenn dem Mitarbeiter die Eigenverantwortung<br />
für die eigene Entlastung übertragen<br />
wird.<br />
Gr<strong>und</strong>prinzip: Entlastung + Effizienz<br />
Flexible <strong>Arbeitszeit</strong>systeme verdienen daher<br />
dann ihren Namen, wenn sie fortlaufend<br />
wirksame Beiträge gleichermaßen zur Entlastung<br />
der Mitarbeiter <strong>und</strong> zur Verbesserung<br />
der Effizienz liefern. Denn der Anreiz,<br />
mit der für Mitarbeiter wie Krankenhaus besonders<br />
knappen <strong>Arbeitszeit</strong> so sparsam wie<br />
möglich umzugehen, trifft gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ein gemeinsames Interesse: Entlastungen<br />
der Mitarbeiter von überlangen <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
erfordert <strong>und</strong> fördert Verbesserungen von<br />
betrieblicher <strong>und</strong> persönlicher Arbeitsorganisation<br />
<strong>und</strong> wird damit für das Krankenhaus<br />
produktiv.<br />
Dies gilt auch dann, wenn die Überst<strong>und</strong>en<br />
im ärztlichen Dienst bislang gar nicht<br />
dokumentiert worden sind. Auf nichts sind<br />
die Krankenhäuser im DRG-Zeitalter so angewiesen,<br />
wie auf die Fähigkeit, ihre Leistungsträger<br />
in die erforderlichen Verbesserungen<br />
ihrer Organisationsabläufe aktiv einzubeziehen.<br />
Wird dieser Gr<strong>und</strong>satz anerkannt,<br />
kann <strong>und</strong> muss die Steuerung der <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
weitest möglich dezentral erfolgen –<br />
in den Teams, Bereichen <strong>und</strong> Abteilungen<br />
<strong>und</strong> nicht zuletzt durch Gestaltungsspielräume<br />
jedes einzelnen Mitarbeiters. Die bislang<br />
in der Praxis übliche Vorgehensweise,<br />
dass der Arbeitgeber die <strong>Arbeitszeit</strong>en <strong>und</strong><br />
der Mitarbeiter die Freizeit steuert, ist damit<br />
die Gr<strong>und</strong>lage entzogen. Eine solche Zweiteilung<br />
kann es in flexiblen Systemen auch gar<br />
nicht geben: Sie ist einer der Gründe für die<br />
Unfähigkeit herkömmlicher <strong>Arbeitszeit</strong>systeme,<br />
in Auslastungstälern tatsächlich auch<br />
weniger zu arbeiten.<br />
Flexi-Spielregeln<br />
Ihre konkrete Ausgestaltung finden diese<br />
Gr<strong>und</strong>sätze in betrieblich vereinbarten sog.<br />
Flexi-Spielregeln. Flexi-Spielregeln sind betrieblich<br />
vereinbarte Regeln im Umgang mit<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
195
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>, die einen bedarfsgerechten<br />
sowie sparsamen Einsatz der <strong>Arbeitszeit</strong><br />
weitest gehend eigenverantwortlich durch die<br />
Mitarbeiter, also ohne disponierenden Führungskräfteeinsatz,<br />
fördern sollen.<br />
Sie werden betrieblich vereinbart bedeutet,<br />
dass sie zwischen den beiden Betriebsparteien<br />
(Geschäftsführung/Krankenhausleitung<br />
<strong>und</strong> Personalvertretung) vereinbart<br />
werden. Der Arbeitgeber hat das Recht, im<br />
Rahmen von Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung<br />
<strong>und</strong> Arbeitsvertrag auf Gr<strong>und</strong><br />
des Direktionsrechts die Lage <strong>und</strong> Verteilung<br />
der <strong>Arbeitszeit</strong> des Arbeitnehmers zu<br />
bestimmen, sofern er diese Ausübung des<br />
Bestimmungsrechts nach „billigem Ermessen“<br />
(§§ 106 Gewerbeordnung [GewO], 315<br />
Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) vornimmt,<br />
also auch die persönlichen Interessen des<br />
Mitarbeiters berücksichtigt. Die Personalvertretung<br />
hat gemäß § 87 BetrVG bzw. einschlägiger<br />
kirchlicher Regelungen wie der<br />
Kirchlichen Mitarbeiter-Vertretungsordnung<br />
(MAVO) ein Mitbestimmungsrecht bezüglich<br />
der Lage <strong>und</strong> Verteilung der <strong>Arbeitszeit</strong> –<br />
auch hinsichtlich ihrer Flexibilität.<br />
Auch dann, wenn das Mitbestimmungsrecht<br />
durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung<br />
ausgeübt wird, indem beispielsweise<br />
Flexi-Spielregeln vereinbart werden, darf das<br />
Mitbestimmungsrecht nicht in seiner Substanz<br />
beeinträchtigt werden. Die Personalvertretung<br />
kann ihr Mitbestimmungsrecht deshalb<br />
nicht in der Weise ausüben, dass sie dem<br />
Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht<br />
über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand<br />
eröffnet (Urteil des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts<br />
vom 29.09.2004 – 5 AZR 559/03)<br />
Zu den Flexi-Spielregeln sollte insbesondere<br />
gehören, dass von sämtlichen dienstplanmäßig<br />
eingeteilten Diensten bedarfsgerecht<br />
nach „unten“ <strong>und</strong> (im Rahmen des gesetzlich<br />
Zulässigen) nach „oben“ abgewichen<br />
werden kann, sofern sich solche Abweichungen<br />
auf Sicht wieder gegeneinander ausgleichen<br />
lassen. Dieser Ausgleich wird in flexiblen<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>systemen in der Regel mittels<br />
persönlicher Zeitkonten der Mitarbeiter gesteuert,<br />
dessen Ausgestaltung daher zu den<br />
wichtigsten Flexi-Spielregeln gehört.<br />
Das Äquivalenzprinzip flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
Bevor persönliche Zeitkonten hier betrachtet<br />
werden, soll auf einen wesentlichen Gr<strong>und</strong><br />
hingewiesen werden, warum in der Praxis<br />
der fortlaufende Ausgleich von Mehr- <strong>und</strong> Wenigerarbeit<br />
oftmals unzureichend funktioniert –<br />
mit der Folge auflaufender Zeitguthaben in<br />
Zeitkonten. Während Zusatzbedarfe in aller<br />
Regel st<strong>und</strong>enweise entstehen <strong>und</strong> nicht tageweise<br />
– das kurzfristige Hereinkommen<br />
aus dienstplanmäßig arbeitsfreien Tagen ist<br />
<strong>und</strong> sollte aus Zumutbarkeitsgründen eine<br />
Ausnahme sein –, erfolgt der Zeitausgleich<br />
oft in ganzen arbeitsfreien Tagen, insbesondere<br />
im ärztlichen Dienst <strong>und</strong> im Funktionsdienst.<br />
Auch wenn dies von den Mitarbeitern<br />
oftmals als attraktiver angesehen wird als<br />
das st<strong>und</strong>enweise „Abbummeln“: Es bleiben<br />
Potenziale zur st<strong>und</strong>enweisen Verkürzung<br />
geplanter Dienste, also zur Tagesflexibilität,<br />
ungenutzt, die jedoch besondere Vorteile für<br />
Effizienz <strong>und</strong> Patientenversorgung darstellen<br />
können:<br />
•n<br />
•n<br />
Ohne st<strong>und</strong>enweise Freizeit können tatsächliche<br />
Besetzungsbedarfe unterhalb<br />
der geplanten Dienstdauern nicht berücksichtigt<br />
werden – obwohl sie, wenn der Besetzungsbedarf<br />
durchschnittlich richtig bestimmt<br />
ist, in vielen Fällen ebenso häufig<br />
vorkommen wie st<strong>und</strong>enweise Längerarbeit.<br />
Die Nutzung der Tagesflexibilität auch<br />
„nach unten“ bestimmt die Qualität eines<br />
flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>systems insgesamt.<br />
Tageweise Freizeitnahme führt gegenüber<br />
kurzfristig verkürzten Arbeitstagen zu erhöhten<br />
Koordinations- <strong>und</strong> Kommunikationsaufwand<br />
sowie zu „Brüchen“ in der<br />
Kontinuität der Patientenversorgung.<br />
196<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
❱❱❱<br />
Daher sollten gute Flexi-Spielregeln eine Ä n -<br />
derung des <strong>Arbeitszeit</strong>verhaltens fördern.<br />
Eine besonders wirksame ist das sogenannte<br />
Äquivalenzprinzip der flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>.<br />
Danach kann ein (in einem Dienstplan<br />
eingeteilter) Dienst verlängert oder verkürzt<br />
werden, während ein zusätzlich arbeitsfreier<br />
Tag unter der Woche einen zusätzlichen<br />
Arbeitstag (etwa an einem dienstplanmäßig<br />
arbeitsfreien Tag) voraussetzt. Dadurch wird<br />
Längerarbeit tatsächlich stets durch Kürzerarbeit<br />
– <strong>und</strong> umgekehrt – ausgeglichen, was<br />
nicht zuletzt nicht bedarfsgerechte Ansparprozesse<br />
der Mitarbeiter mit dem Ziel attraktiver<br />
zusätzlicher freier Tage verhindert.<br />
Ohne eine solche Spielregel lässt sich das<br />
arbeitsorganisatorische Paradoxon beobachten,<br />
dass es leichter fällt, Mitarbeiter zum<br />
Ausgleich längerer <strong>Arbeitszeit</strong> ganztägig<br />
freizustellen als st<strong>und</strong>enweise, obwohl ersteres<br />
arbeitsorganisatorisch ungünstiger<br />
<strong>und</strong> anspruchsvoller ist – ein Hinweis auf<br />
organisatorische <strong>und</strong> kulturelle Flexibilitätsbarrieren<br />
im Tagesgeschäft. Liegen beispielsweise<br />
an den Tagesrändern zeitliche<br />
fixe Besprechungen, an denen sämtliche<br />
verfügbaren Mitarbeiter teilnehmen sollen,<br />
ist eine Tagesflexibilität „nach unten“ nahezu<br />
ausgeschlossen – <strong>und</strong> ein Auflaufen von<br />
Zeitguthaben im Zeitkonto prognostizierbar<br />
(s. Abb. 33).<br />
Abwesenheitsplanung<br />
Eine weitere mit hohem Nutzenpotential ausgestaltete<br />
Flexi-Spielregel ist die so genannte<br />
Abwesenheitsplanung. Sie ergänzt das<br />
Äquivalenzprinzip, in dem sie bereits auf<br />
der Planungsseite die Abwesenheit zur rich-<br />
zusätzliche Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />
zusätzliche arbeitsfreie St<strong>und</strong>en<br />
zusätzliche Arbeitstage<br />
zusätzliche arbeitsfreie Tage<br />
Mo Di Mi Do Fr Sa Mo Di Mi Do Fr Sa<br />
Abb. 33 Das Äquivalenz-Prinzip der flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong> (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
197
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
tigen Zeit <strong>und</strong> damit das wichtigste Produktivitätspotenzial<br />
flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>systeme<br />
fördert. Sie setzt an einem für die Krankenhäuser<br />
ebenso wesentlichen wie bisher meist<br />
vernachlässigten Punkt an – der erreichbare<br />
Nutzen ist deshalb besonders groß. Abwesenheitsplanung<br />
ist insbesondere in Bereichen<br />
mit überwiegenden Tagdiensten – wie im<br />
Funktionsdienst <strong>und</strong> im ärztlichen Dienst –<br />
von Bedeutung, weil hierdurch das gängige,<br />
aber produktivitätsschwächende Prinzip<br />
durchbrochen wird, wonach sämtliche Mitarbeiter<br />
anwesend sind, die nicht gerade aufgr<strong>und</strong><br />
von Ausfallzeiten oder durch Arbeitsfrei<br />
nach Dienst fehlen.<br />
Abwesenheitsplanung bedeutet, je nach Auslastung<br />
die Besetzung gezielt durch das Einteilen<br />
arbeitsfreier Tage – unabhängig vom<br />
Zeitkontenstand – abzusenken. Die Auslastung<br />
bestimmt sich dabei durch die Dimensionen<br />
Arbeitsanfall (Zeiten schwächeren<br />
Arbeitsaufkommens) <strong>und</strong> Personalverfügbarkeit<br />
(Abwesenheit durch Ausfallzeiten).<br />
So führt beispielsweise die Vorgabe, dass in<br />
einem Team von sieben Mitarbeitern (außerhalb<br />
der Haupturlaubszeit) stets ein Mitarbeiter<br />
abwesend sein muss, weil der Besetzungsbedarf<br />
vergleichsweise konstant <strong>und</strong> insbesondere<br />
unabhängig von Urlaubszeiten ist,<br />
dazu, dass außerhalb von planbaren Ausfallzeiten<br />
(Urlaub, Fortbildung etc.) stets ein Mitarbeiter<br />
arbeitsfrei nimmt. Oder kurzfristig<br />
zeichnet sich ein geringerer Besetzungsbedarf<br />
ab, so dass eine zusätzliche Abwesenheit<br />
eines Mitarbeiters sinnvoll ist.<br />
Am besten passiert dies, insbesondere bei<br />
kurzfristigem Reaktionsbedarf weitest möglich<br />
„non-direktiv“, also nicht durch Führungskräfte-Anordnung.<br />
Das bedeutet, dass<br />
zum einen gegenüber den Mitarbeitern stets<br />
die diesbezügliche Notwendigkeit herausgestellt<br />
wird <strong>und</strong> zum anderen die Abwesenheitsvorgabe<br />
möglichst nicht personalisiert<br />
erfolgt. Als Flexi-Spielregel ist hierfür das<br />
sog. Zeitfensterprinzip besonders gut geeignet:<br />
Die Führungskraft öffnet bei absehbar<br />
geringerem Bedarf ein Zeitfenster (das unter<br />
Umständen auch zunächst geöffnet <strong>und</strong> bei<br />
höherem Bedarf auch wieder geschlossen<br />
werden kann), das vorgibt, wie viele Mitarbeiter<br />
jeweils arbeitsfrei haben. Das kann unter<br />
Einbeziehung der planbaren Ausfallzeiten,<br />
aber auch gesondert hiervon erfolgen. Die<br />
Mitarbeiter sprechen dann im Team ab, wer<br />
das Zeitfenster belegt, also geplant arbeitsfrei<br />
hat. Dabei hat sich die Zusatz-Spielregel<br />
bewährt, dass Vorrang hierbei die Absprache<br />
im Team hat, bei Nichteinigung jedoch der<br />
„Automatismus“ eintritt, dass der Mitarbeiter<br />
mit dem jeweils höchsten positiven Zeitsaldo<br />
des Zeitkontos das Zeitfenster belegt. Dies<br />
kürzt nicht nur den Einigungsprozess im<br />
Team ab, sondern führt zu dem erwünschten<br />
Nebeneffekt, dass es nicht erstrebenswert<br />
ist, den höchsten Zeitsaldenstand zu haben,<br />
möchte man seine persönlichen Zeitspielräume<br />
nicht einengen. Wenn die betreffenden<br />
Mitarbeiter dies wünschen, muss vorrangig<br />
die Gleichverteilung von bestimmten Zeitfenstern<br />
(etwa zu als ungünstig angesehenen<br />
Zeiten) sichergestellt werden. Ein weiterer<br />
Nebeneffekt der Zeitfenster-Systematik<br />
besteht darin, dass sie die funktionierende<br />
gegenseitige Vertretung fördert <strong>und</strong> auf diese<br />
Weise den Krankenhausablauf unempfindlicher<br />
gegenüber der Abwesenheit einzelner<br />
Mitarbeiter macht.<br />
Persönliche Zeitkonten<br />
Abweichungen von der Vertragsarbeitszeit<br />
sind in flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>systemen der Normalfall.<br />
Dazu gehört auch, dass es gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
(sofern tarifvertraglich nicht beschränkt)<br />
keinen Gr<strong>und</strong> gibt, warum Dienstpläne, wie<br />
in der Pflege häufig noch üblich, „r<strong>und</strong> laufen“,<br />
also auf die „Soll-<strong>Arbeitszeit</strong>“ aufgehen<br />
sollen. Bei bedarfsgerechtem Arbeiten muss<br />
dies schließlich ein seltener Zufall sein. Allerdings<br />
müssen solche Abweichungen im<br />
Zeitablauf ausgeglichen werden, damit die<br />
198<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
Solange der persönliche Zeitsaldo in der<br />
Grünphase bleibt, erfolgt die Steuerung<br />
der <strong>Arbeitszeit</strong> nach den hierfür geltenden<br />
betrieblichen Regeln: also etwa mit<br />
vorrangiger Orientierung an den zu erfüllenden<br />
Arbeitsanforderungen <strong>und</strong> auf<br />
der Basis der Flexi-Spielregeln. Meist umfasst<br />
die Grünphase maximal eine Vollzeit-Wochenarbeitszeit,<br />
höchstens sollte<br />
sie jedoch im zweistelligen St<strong>und</strong>enbevertraglich<br />
vereinbarte <strong>Arbeitszeit</strong> eingehalten<br />
wird. In der Regel lassen tarifvertragliche<br />
Ausgleichzeiträume derzeit ein Jahr<br />
(zum Teil länger) Zeit, um Ausgleiche auf<br />
die Vertragsarbeitszeit zu realisieren. Sämtliche<br />
nachfolgende Gestaltungsempfehlungen<br />
erfolgen selbstverständlich vorbehaltlich<br />
etwaiger tarifvertraglicher Regelungen. Persönliche<br />
Zeitkonten haben sich hierfür zum<br />
„Herzstück“ vieler flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>regelungen<br />
entwickelt.<br />
Auf Zeitkonten – nicht zu verwechseln mit<br />
so genannten <strong>Arbeitszeit</strong>konten, wie sie insbesondere<br />
im TVöD eingeführt werden können,<br />
die jedoch gerade nicht für den fortlaufenden<br />
Zeitausgleich nutzbar sind <strong>und</strong> schon<br />
deshalb wenig Verbreitung finden – werden<br />
Abweichungen der tatsächlich verbrauchten<br />
von der Vertragsarbeitszeit saldiert, um auf<br />
diese Weise seitens des Betriebs im Zeitablauf<br />
eine Rückführung der Zeitsalden auf<br />
die Nulllinie („Zeitausgleich“) überwachen<br />
zu können. Üblicherweise werden Zeitkonten<br />
arbeitstäglich saldiert, das heißt, der Referenzwert,<br />
um den herum sich das Zeitkonto<br />
bewegt, ist die „anteilige Vertragsarbeitszeit“,<br />
denn nur so können Ausfallzeiten (wie<br />
Urlaub, Krankheit etc.) korrekt berücksichtigt<br />
werden. Die einfachste <strong>und</strong> in hochflexiblen<br />
Systemen naheliegendste Möglichkeit, die<br />
anteilige Vertragsarbeitszeit zu ermitteln, besteht<br />
darin, die tarifliche bzw. einzelvertragliche<br />
Wochenarbeitszeit gleichmäßig mit 1/5<br />
auf die Tage Montag bis Freitag oder gleichmäßig<br />
mit 1/7 auf die Tage Montag bis Sonntag<br />
zu verteilen.<br />
Persönliche Zeitkonten sollten möglichst<br />
durchlaufen, hierbei aber unter permanentem<br />
Ausgleichsdruck stehen – aus Gründen<br />
des effizienten <strong>Arbeitszeit</strong>umgangs ebenso<br />
wie im Interesse der Entlastung der Mitarbeiter.<br />
Hierzu sollten Zeitkonten nahe Null gehalten<br />
werden – übergroße Bandbreiten sind<br />
in der Regel kein Ausweis hoher Flexibilität,<br />
sondern von mangelndem Steuerungsinteresse.<br />
Das lässt sich daran ablesen, dass von<br />
großen Zeitsalden-Bandbreiten oft nur kleine<br />
Segmente, in der Regel im oberen Plusbereich,<br />
genutzt werden. Wird ein Zeitkonto<br />
nicht gesteuert, stellt es sich üblicherweise –<br />
unabhängig vom Arbeitsanfall – in dieser<br />
Zone ein, gewissermaßen der „Wohlfühlzone“,<br />
die hohes Arbeitsaufkommen ebenso<br />
signalisiert wie einen angenehmen Freizeitpuffer.<br />
Dies unterstützen falsch konstruierte<br />
Zeitkonten sogar noch dadurch, dass sie<br />
Signale zum Guthabenaufbau geben – etwa<br />
indem höhere Plus- als Minusbandbreiten<br />
vorgesehen werden, indem die Mitarbeiter<br />
Zeitausgleichs-Spielräume nur bei Plussalden<br />
„eingeräumt“ bekommen oder indem<br />
Mitarbeiter bei Minusst<strong>und</strong>en mit kritischen<br />
Aussagen der Führungskräfte rechnen müssen,<br />
zu denen auch die Einteilung zu unattraktiven<br />
Tätigkeiten zum „Auffüllen“ des<br />
Zeitkontos gehört. Solche Konstruktionen<br />
werden von den Mitarbeitern dann dadurch<br />
unterlaufen, indem sie Minusst<strong>und</strong>en vermeiden<br />
– eine klassische „selbsterfüllende<br />
Prophezeiung“.<br />
Zeitkonten schaffen keine Kapazität <strong>und</strong><br />
dürfen daher nicht zum Instrument eines<br />
verdeckten <strong>Arbeitszeit</strong>-Kapazitätsaufbaus<br />
werden, so dass die Zeitkontensalden in<br />
einer – möglichst kurzfristig – rückführbaren<br />
Größenordnung bleiben müssen. Für die<br />
Steuerung von Zeitkonten haben sich außerhalb<br />
der Krankenhaus-Welt die so genannten<br />
Ampelkonten etabliert – <strong>und</strong> finden sukzessive<br />
auch in die Krankenhäuser Einzug<br />
(s. Abb. 34).<br />
•n<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
199
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
•n<br />
reich bleiben, um ein Ausufern der Salden<br />
zu vermeiden.<br />
Überschreitet der Zeitsaldo diese Bandbreite,<br />
schließt sich die Gelbphase an,<br />
die üblicherweise in der Größenordnung<br />
einer halben Vollzeit-Wochenarbeitszeit<br />
liegt, also deutlich kleiner ist als die Grünphase.<br />
In der Gelbphase setzt das Zeitkonto<br />
einen eigenen Rücksteuerungs-Impuls,<br />
<strong>und</strong> die Verantwortung für die Zeitkonten<br />
(rück)steuerung geht auf die dienstplanverantwortliche<br />
Führungskraft über bzw.<br />
nimmt diese zumindest mit in die Pflicht,<br />
den Zeitsaldo zurückzusteuern. Letzteres<br />
kann etwa durch die Regel erfolgen, dass<br />
ohne vorheriges Einverständnis dieser<br />
Führungskraft keine weitere Entfernung<br />
von der Nulllinie mehr zulässig ist – <strong>und</strong><br />
die Führungskraft dieses Einverständnis<br />
nur erteilen darf, wenn sie auch den Abbau<br />
der zusätzlich aufgebauten Zeitsalden<br />
als möglich einschätzt.<br />
•n<br />
Tritt der Zeitkontensaldo dennoch in die<br />
Rotphase ein, was nur ausnahmsweise der<br />
Fall sein darf, müssen verbindliche Rücksteuerungsvereinbarungen<br />
getroffen werden,<br />
die innerhalb einer bestimmten Frist<br />
die Rückführung in die Grünphase ermöglichen.<br />
Oftmals wird hierzu die nächst höhere<br />
Führungsebene (Chefarzt, Leitung<br />
Funktionsbereich, Pflegedienstleitung)<br />
einbezogen. Eine Auszahlung von Zeitguthaben<br />
verbietet sich hier wie in jeder<br />
anderen Phase: Dies wäre ein großer Anreiz,<br />
<strong>Arbeitszeit</strong> verschwenderisch zu verausgaben<br />
statt sie wirtschaftlich einzusetzen.<br />
Folglich müssen Zeitkonten auch klar<br />
von Überst<strong>und</strong>en abgegrenzt sein: Weder<br />
darf es einen Zeitkontenüberlauf in Form<br />
bezahlter oder auf ein Langzeitkonto übertragener<br />
Überst<strong>und</strong>en geben noch dürfen<br />
Überst<strong>und</strong>enzuschläge daran geknüpft<br />
sein, wie viele Plusst<strong>und</strong>en schon auf dem<br />
Zeitkonto „angesammelt“ wurden.<br />
Diese Phase darf nur ausnahmsweise genutzt werden;<br />
Chefarzt, Geschäftsleitung <strong>und</strong> Betriebsrat werden informiert.<br />
3 Monate nach Eintritt muss die Grünphase wieder erreicht sein;<br />
ggf. hat der Mitarbeiter nach Fristablauf gr<strong>und</strong>sätzlich so lange frei wie hierfür erforderlich.<br />
<br />
<br />
Der Mitarbeiter stimmt ggf. den weiteren Aufbau von Zeitguthaben mit der Führungskraft ab.<br />
Die Vereinbarung (einschl. Abbauplan) wird dokumentiert<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Der Mitarbeiter stimmt ggf. den weiteren Aufbau von Zeitschulden mit der Führungskraft ab.<br />
Die Vereinbarung (einschl. Abbauplan) wird dokumentiert<br />
Diese Phase darf nur ausnahmsweise genutzt werden; Chefarzt, Geschäftsleitung <strong>und</strong> Betriebsrat<br />
werden informiert. 3 Monate nach Eintritt muss die Grünphase wieder erreicht sein;<br />
ggf. erhält der Mitarbeiter nach Fristablauf so lange Freizeitausgleich statt Zusatzvergütungen<br />
wie hierfür erforderlich.<br />
Abb. 34 Ampelkonto; hier: Gestaltungsbeispiel aus dem ärztlichen Dienst<br />
Grünphase Gelbphase Rotphase<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
200<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
Zeitkonten sollten zu keinem Zeitpunkt abgerechnet<br />
werden – gr<strong>und</strong>sätzlich auch nicht<br />
bei Ausscheiden: Etwaige bis zum Zeitpunkt<br />
des Ausscheidens (aus dem Geltungsbereich<br />
der Regelung, also auch aus dem Krankenhaus)<br />
nicht ausgeglichene Salden werden<br />
einfach auf Null gestellt, um jedwede Zeitverbrauchsanreize<br />
zu vermeiden. Das Gr<strong>und</strong>prinzip<br />
von Zeitkonten lautet „Zeit bleibt<br />
Zeit“, schon um die Verwechslungsgefahr<br />
von Flexibilitäts- mit Kapazitätszuwachs zu<br />
vermeiden. Besonders wichtig ist dabei der<br />
Verzicht auf einen Entgelteinbehalt bei Minusst<strong>und</strong>en,<br />
wie er noch in vielen Regelungen<br />
enthalten ist: Würde hiervon Gebrauch<br />
gemacht, bestünde – abgesehen von rechtlichen<br />
Bedenken – nämlich für den Mitarbeiter<br />
ein Anreiz, den Zeitschulden-Fall durch entsprechendes<br />
Anwesenheits-Engagement unabhängig<br />
vom Arbeitsanfall zu vermeiden –<br />
<strong>und</strong> damit mögliche Produktivitätspotenziale<br />
zu verschenken. Auch wenn – umgekehrt –<br />
der Arbeitgeber dem Mitarbeiter die Minusst<strong>und</strong>en<br />
ersatzlos streicht, profitiert er davon:<br />
Die Arbeit wurde schließlich schneller erledigt,<br />
<strong>und</strong> zudem hat der Mitarbeiter gegebenenfalls<br />
wertvolle Verbesserungsmöglichkeiten<br />
aufgedeckt, die bei der künftigen Kapazitätsplanung<br />
berücksichtigt werden können.<br />
Und für die Mitarbeiter ist es ein weiteres<br />
Signal, mit Minusst<strong>und</strong>en „gelassener“ umzugehen.<br />
Abweichungserfassung<br />
Zu den wesentlichen Flexi-Spielregeln gehört<br />
auch der Umgang mit der Zeiterfassung.<br />
Sie ist erforderlich, um Zeitkonten<br />
führen zu können – wichtige Unterschiede<br />
in der Handhabung <strong>und</strong> Wirkung entstehen<br />
aber durch die Form der Zeiterfassung. Die<br />
besten Ergebnisse werden hierbei mit der Abweichungserfassung<br />
erzielt – entweder durch<br />
die dienstplanführende Führungskraft oder<br />
aber – gr<strong>und</strong>sätzlich vorzuziehen – durch die<br />
Mitarbeiter selbst. Der hiermit verb<strong>und</strong>ene<br />
Vertrauensvorschuss gegenüber den Mitarbeitern<br />
ist ein erwünschter Nebeneffekt.<br />
Bei der Abweichungserfassung werden ausschließlich<br />
Zeitvolumina (eine halbe St<strong>und</strong>e<br />
länger/weniger gearbeitet etc.) <strong>und</strong> keine<br />
Zeitpunkte (bis 17:34 Uhr gearbeitet etc.)<br />
erfasst. Hierbei sollte die Viertelst<strong>und</strong>e als<br />
kleinste Erfassungseinheit fungieren – als<br />
Unschärfebereich (<strong>und</strong> nicht etwa als R<strong>und</strong>ungsregel).<br />
Abweichungserfassung ermöglicht<br />
es insbesondere, dass die Mitarbeiter<br />
Privatzeiten im Betrieb (etwa längere private<br />
Arbeitsunterbrechungen) <strong>und</strong> Eigenzeiten<br />
(etwa persönliche Investitionen in der<br />
Weiterbildung im ärztlichen Dienst) bei der<br />
Aufschreibung oder Eingabe in ein EDV-System<br />
berücksichtigen kann – <strong>und</strong> ggf. auch<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>en außerhalb des Betriebs. Zudem<br />
muss bei Abweichungserfassung nur die Abweichung<br />
von dienstplanmäßig eingeteilten<br />
Diensten erfasst werden, was die Festlegung<br />
realistischer Dienstarten <strong>und</strong> deren Einhaltung<br />
befördert: Schließlich muss an Tagen,<br />
an denen die Dienstzeit in etwa eingehalten<br />
wurde, gar nichts erfasst werden.<br />
Dies alles ermöglicht eine elektronische<br />
Kommt-Geht-Zeiterfassung („Stechkarte“)<br />
nicht – ihre Einführung kann flexible <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
sogar wesentlich behindern:<br />
❱❱❱<br />
Wenn jede gebuchte Minute (der Anwesenheit!)<br />
zählt, verleitet das zur bekannten „Minutenmentalität“<br />
<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> des Automatismus zu einem<br />
gedanken- <strong>und</strong> damit oft verantwortungslosen<br />
Umgang mit der kostbaren Ressource <strong>Arbeitszeit</strong>.<br />
Nachfolgend werden wichtige Gestaltungsfelder<br />
betrieblicher <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung –<br />
zunächst im Pflegedienst, dann im Funktionsdienst<br />
<strong>und</strong> schließlich im ärztlichen<br />
Dienst – vorgestellt.<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
201
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
11. 4. 3 <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung im Pflegedienst<br />
Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Am Anfang der Prozesskette – bei der<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>planung – entscheidet sich bereits<br />
der Erfolg betrieblicher <strong>Arbeitszeit</strong>systeme.<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>planung bedeutet vor allem Aufgabenplanung,<br />
denn diese ist Voraussetzung<br />
für das Ausbalancieren von Arbeitsaufgaben<br />
<strong>und</strong> einteilbarer Personalkapazität. <strong>Arbeitszeit</strong>planung<br />
ist ein fortlaufender Prozess der<br />
Vorstrukturierung eines schonenden Umgangs<br />
mit dem verfügbaren <strong>Arbeitszeit</strong>volumen.<br />
Angesichts des gegenüber der Pflege-<br />
Personalrichtlinien-Zeit erhöhten Bedarfs an<br />
effizienter <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung gewinnen<br />
im Pflegebereich vor allem zwei Planungsthemen<br />
an Bedeutung:<br />
•n<br />
•n<br />
der Abschied von bedarfsfernen <strong>Arbeitszeit</strong>-Traditionen:<br />
Dazu gehören etwa das<br />
„R<strong>und</strong>laufen“ von Dienstplänen – demgegenüber<br />
ist es oft gerade sinnvoll, weniger<br />
als die verfügbare Personalkapazität<br />
einzuteilen, um über eine „Atmungs“-Reserve<br />
zu verfügen. Zudem werden Überst<strong>und</strong>en<br />
anstelle flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
mit Zeitkonten praktiziert. Des Weiteren<br />
weisen die Dienststrukturen zu lange<br />
Überlappungen in der zudem zumeist<br />
auslastungsschwachen Zeit am frühen<br />
Nachmittag auf. Die Übergabebesprechung<br />
mit Anwesenheit sämtlicher Mitarbeiter<br />
während dieser Zeit verhindert<br />
zudem flexible Dienstenden <strong>und</strong> -beginnzeiten.<br />
Und schließlich verstärkt der Einsatz<br />
von Teilzeit-Mitarbeitern in „ganzen“<br />
(Vollzeit‐)Schichten die entsprechenden<br />
Effizienznachteile noch – indem das<br />
Potential der Abdeckung von Bedarfsspitzen<br />
mit kurzen <strong>und</strong> passgenauen Diensten<br />
verschenkt wird.<br />
die Bedeutungszunahme der Einsatzflexibilität<br />
im Sinne eines stationsübergreifenden<br />
Personaleinsatzes.<br />
Bedarfsgerechte Dienststrukturen<br />
Bezüglich des ersten Punktes zeigt in der<br />
Regel die oben beschriebene kritische Überprüfung<br />
des Besetzungsbedarfs den entsprechenden<br />
Handlungsbedarf auf. Oftmals ergeben<br />
sich dabei so genannte „Kamel-Kurven“<br />
mit Bedarfsspitzen am Morgen <strong>und</strong> am Nachmittag.<br />
Dieses Besetzungsprofil verweist auf<br />
einen Bedarf auch an kürzeren Dienstdauern,<br />
an geringen Überlappungen zwischen<br />
den Diensten sowie an – aufgr<strong>und</strong> relativ hoher<br />
Schwankungen dieses Bedarfs – flexibilisierbaren<br />
Diensträndern (Beginn/Ende). Ein<br />
Fallbeispiel für eine auf diese Anforderung<br />
besonders gut passende Dienststruktur zeigt<br />
Abbildung 35.<br />
Der lange Tagdienst dient hier als Kommunikationsträger<br />
der sich gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
nicht mehr berührenden Früh- <strong>und</strong> Spätdienste,<br />
was neue Übergabe-Kommunikationsformen<br />
erfordert. Ein interessanter<br />
Nebeneffekt war hierbei, dass die Anzahl der<br />
durchschnittlich dienstplanmäßig eingeteilten<br />
Dienste pro Woche für Vollzeit-Mitarbeiter<br />
(der sog. Wochenfaktor) von mehr als 5,5<br />
auf knapp über 5 Tage sank, so dass für die<br />
Mitarbeiter ca. 20 arbeitsfreie Tage pro Jahr<br />
zusätzlich entstanden <strong>und</strong> dennoch die gewünschte<br />
„Kamel-Kurve“ erreicht wurde.<br />
Des Weiteren kommt diese Dienststruktur<br />
gleichermaßen für Vollzeit- <strong>und</strong> Teilzeit-Mitarbeiter<br />
mit wenigen Dienstzeiten aus, von<br />
denen insbesondere die Früh- <strong>und</strong> die Spätdienste<br />
bei Bedarf sehr gut flexibel ausgelegt<br />
werden können.<br />
Spezielle Flexi-Spielregeln<br />
Zu den Flexi-Spielregeln in der Pflege können<br />
neben den im vorstehenden Kapitel 11.4.2.<br />
genannten Standardregeln insbesondere so<br />
genannte Flexi-Dienste hinzukommen, aber<br />
auch <strong>Arbeitszeit</strong>-An- <strong>und</strong> Absagen sowie<br />
Standby-Systeme:<br />
202<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
•n<br />
Flexi-Dienste werden im Dienstplan gesondert<br />
gekennzeichnet <strong>und</strong> dienen der<br />
vorrangigen Abdeckung nicht vorhersehbarer<br />
Besetzungsbedarfsschwankungen.<br />
Ein Dienst F+ (= bei Bedarf flexibel vorrangig<br />
verlängerbarer Frühdienst) ist danach<br />
zum Beispiel ein eingeteilter Frühdienst,<br />
der häufiger eine kurzfristig längere Besetzungszeit<br />
abdecken kann. Ein Dienst<br />
F- (= bei Bedarf flexibel vorrangig verkürzbarer<br />
Frühdienst) kann beispielsweise für<br />
einen Dienst eingeteilt werden, bei dem<br />
mitunter ein geringerer Besetzungszeitbedarf<br />
besteht, so dass dann der Dienst<br />
früher endet. Der für diese Dienste eingeteilte<br />
Mitarbeiter kann sich mithin auf etwaige<br />
Flexibilitätsbedarfe bereits bei der<br />
•n<br />
Dienstplanung einstellen <strong>und</strong> dann bei<br />
Bedarf eigenverantwortlich hierauf reagieren<br />
– was zugleich das Flexibilitäts-<br />
„Konto“ der anderen Mitarbeiter schont,<br />
die sich daher auf tendenziell pünktliche<br />
Dienstzeiten einstellen können.<br />
Eine weitere sinnvolle „Flexi-Spielregel“<br />
kann die betriebliche An- bzw. Absage<br />
von <strong>Arbeitszeit</strong> durch die Führungskraft<br />
(Stationsleitung, Pflegdienstleitung) bei<br />
kurzfristigen, aber noch vorhersehbaren<br />
Auslastungsschwankungen sein. Auf diese<br />
Weise kann beispielsweise die Einbestellungsfrequenz<br />
der Patienten bei der<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung optimal berücksichtigt<br />
werden <strong>und</strong> können Belegungsschwankungen<br />
in der Besetzung abge-<br />
Abb. 35 Gr<strong>und</strong>legend neu gestaltete stationäre Dienststruktur in einem Krankenhaus (F = Frühdienst; S = Spätdienst;<br />
Z = Zwischendienst; N = Nachdienst; F+ = verlängerter Frühdienst; S+ = verlängerter Spätdienst)<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
203
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
•n<br />
bildet werden. Erfahrungsgemäß sehen<br />
diesbezügliche betriebliche Vereinbarungen<br />
bei Ansagen zusätzlicher <strong>Arbeitszeit</strong><br />
an arbeitsfreien Tagen einen längeren Vorlauf<br />
vor als die Absage von <strong>Arbeitszeit</strong> aus<br />
Arbeitstagen in die Freizeit; dies ist auch<br />
einfach begründbar, ist doch für die Freizeitplanung<br />
der Mitarbeiter ein kurzfristiger<br />
Freizeitgewinn regelmäßig unproblematischer<br />
als ein kurzfristiger Freizeitverzicht.<br />
Beispielsweise können in einer<br />
Kinderklinik eines Krankenhauses mit erheblichen<br />
<strong>und</strong> relativ kurzfristigen Auslastungsschwankungen<br />
komplette Dienste<br />
mit zwei Tagen Vorlauf angesagt werden,<br />
während betriebliche Absagen spätestens<br />
am Vortag erfolgen müssen. In beiden Fällen<br />
wird die <strong>Arbeitszeit</strong>verschiebung auf<br />
den persönlichen Zeitkonten der Mitarbeiter<br />
saldiert.<br />
Standby-Dienste werden für die Abdeckung<br />
kurzfristig höheren Besetzungsbedarfs<br />
eingesetzt <strong>und</strong> verhindern damit<br />
Überbesetzungen, die bei fehlender<br />
Alternative oft Folge einer Vermeidung<br />
des Risikos einer Unterbesetzung ist.<br />
Beispielsweise muss in einer Intensivstation<br />
mit kurzfristig erhöhtem Aufkommen<br />
gerechnet werden. Sie können beispielsweise<br />
auch zur Vertretung kurzfristig<br />
krankheitsbedingter Ausfälle genutzt<br />
werden. Dienstplanmäßig arbeitsfreie<br />
Mitarbeiter werden hierzu als „Standby“<br />
eingeteilt, was bedeutet, dass sie während<br />
eines festgelegten Zeitfensters erreichbar<br />
sind, in welchem ihnen dann ein etwaiger<br />
erforderlicher Einsatz mitgeteilt wird.<br />
Die Standby-Zeit wird dabei in der Regel<br />
als <strong>Arbeitszeit</strong> angerechnet – zuzüglich<br />
selbstverständlich etwaiger erforderlicher<br />
Einsatzzeiten, woraus bei der Ausgestaltung<br />
darauf geachtet werden sollte, dass<br />
die Mitarbeiter eher dafür belohnt werden,<br />
keine Einsatzzeiten zu produzieren. Das<br />
Standby-System ermöglicht damit – bei<br />
allerdings nicht unerheblichen Kosten –<br />
auch extrem kurzfristige zeitliche Flexibilität<br />
bei der Besetzungsstärke. Es hilft zugleich,<br />
dass die noch verbreitete Praxis von<br />
Pflegedienstleitungen, die Mitarbeiter an<br />
arbeitsfreien Tagen mit Ziel eines kurzfristigen<br />
Hereinkommens ins Krankenhaus<br />
anzurufen (zumal es oftmals immer die<br />
gleichen Mitarbeiter sind, die dazu dann<br />
bereit sind), nicht mehr benötigt wird.<br />
Einsatzflexibilität<br />
Hiermit werden zugleich die Grenzen der<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung abgesteckt:<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
Sie liegen zum einen in der Reaktion auf<br />
veränderte Besetzungsbedarfe „von jetzt<br />
auf gleich“, die durch flexible <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />
nur unzureichend bzw. nur<br />
unter Inkaufnahme von für die Planungssicherheit<br />
der Mitarbeiter unverträglicher<br />
Ausgestaltung ermöglicht wird.<br />
Zweitens bedürfen flexible <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
einer möglichst breiten Einsatzfähigkeit<br />
der Mitarbeiter, um ihr wichtigstes ökonomisches<br />
Potential – Abwesenheit zur<br />
richtigen Zeit – nicht an „Unersetzbarkeiten“<br />
einzelner Mitarbeiter scheitern zu<br />
lassen.<br />
Und drittens grenzt die Problematik von<br />
Mindestbesetzungen die Wirksamkeit<br />
flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>en erheblich ein. Belegungstäler<br />
können beispielsweise nur<br />
dann auch zu <strong>Arbeitszeit</strong>tälern führen,<br />
wenn die Besetzungsstärke tatsächlich<br />
auch reduzierbar ist, was in stationären<br />
Spätdiensten, Nachtdiensten <strong>und</strong> Wochenenddiensten<br />
in der Regel nicht der Fall<br />
ist. In solchen Fällen kann die <strong>Arbeitszeit</strong><br />
auch bei ausgefeiltesten Flexi-Spielregeln<br />
nur unelastisch auf Bedarfsschwankungen<br />
reagieren.<br />
Die drei beschriebenen Grenzen können nur<br />
überw<strong>und</strong>en werden, wenn zur <strong>Arbeitszeit</strong>-<br />
204<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
ten <strong>und</strong> erhöhtem Kommunikationsbedarf<br />
führt.<br />
Die Förderung der Einsatzflexibilität wird<br />
in Krankenhäusern zum einen deshalb zu<br />
einem wichtigen Organisationsprinzip, weil<br />
ihr Potenzial noch weithin unerschöpft ist,<br />
zum anderen weil sie Konkurrenz bekommt<br />
von alternativen Flexibilitätsoptionen, die in<br />
den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen<br />
haben: die Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse<br />
selbst – durch Auslagerung<br />
von Tätigkeiten insbesondere mit<br />
geringerem Qualifikationsbedarf. Hierbei<br />
kommt der „vertikalen“ Einsatzflexibilität<br />
besondere Bedeutung zu: Das ist die Fähigkeit<br />
<strong>und</strong> Bereitschaft, das inhaltliche Tätigkeitsspektrum<br />
zu erhöhen. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
hat sich die im Bereich der Pflege<br />
berufspolitisch lange Zeit forcierte Abgrenzung<br />
von ärztlichen Tätigkeiten als falsch erdie<br />
inhaltlich verstandene Einsatzflexibilität<br />
hinzukommt. Einsatzflexibilität ist die Fähigkeit<br />
<strong>und</strong> Bereitschaft der Mitarbeiter, möglichst<br />
ein breites Tätigkeitsgebiet abdecken<br />
zu können. Beide Flexibilisierungsinstrumente<br />
befördern sich gegenseitig.<br />
Zur „horizontalen“ Einsatzflexibilität gehört<br />
insbesondere der Abschied vom rein<br />
stationsbezogenen Personaleinsatz, wie Abbildung<br />
36 anhand eines Beispiels zeigt:<br />
Ohne Einsatzflexibilität – hier in Folge von<br />
Stationsschließungen im Rahmen eines<br />
zentralen Bettenmanagements – würde die<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung nur deutlich eingeschränkte<br />
Wirkung haben. Einsatzflexibilität<br />
erleichtert nicht nur die gegenseitige Vertretung<br />
(<strong>und</strong> beugt damit der im Krankenhaus<br />
besonders verbreiteten Überspezialisierung<br />
vor), sondern verkürzt Durchlaufzeiten, weil<br />
das Denken in Zuständigkeiten zu Leerzei-<br />
<br />
<br />
Abb. 36 Elastischere Reaktion des Personaleinsatzes in der Pflege durch temporäre Stationsschließung in einem Krankenhaus<br />
(Auslastung = Verhältnis zwischen belegten <strong>und</strong> verfügbaren Betten) (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
205
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
wiesen, weil hierdurch das Tätigkeitsspektrum<br />
quasi von „oben“ <strong>und</strong> „unten“ reduziert<br />
wurde; sichtbarer Ausdruck ist hierfür die<br />
am stärksten wachsende Berufsgruppe im<br />
Krankenhaus: die Arzthelferinnen. Einsatzflexibilität<br />
ist vor diesem Hintergr<strong>und</strong> die<br />
einzige Alternative zur zunehmenden Segmentierung<br />
in unterschiedliche Berufsfelder<br />
jenseits examinierter Pflegetätigkeit. Daher<br />
werden solche Krankenhäuser zukünftig<br />
stärker in Einsatzflexibilität im Pflegebereich<br />
investieren, die stabile <strong>und</strong> hochqualifizierte<br />
Beschäftigungsverhältnisse halten wollen –<br />
aus Qualitäts- wie Loyalitätsgründen –, sofern<br />
diese Investition ökonomisch vielversprechender<br />
ist als die oft nur auf den ersten<br />
Blick vorteilhafte Strategie der Ausdehnung<br />
niedriger vergüteter Beschäftigungsverhältnisse.<br />
letzt aufgr<strong>und</strong> arbeitszeitrechtlicher Erfordernisse<br />
(siehe zur Bereitschaftsdienstproblematik<br />
Kapitel 11.4.5.) in größere organisatorische<br />
Einheiten aufgehen zu lassen – zum Beispiel<br />
durch Verknüpfung von Intensivpflege <strong>und</strong><br />
Anästhesie-Funktionsdienst. Zudem werden<br />
in den nächsten Jahren Potenziale der Einsatzflexibilität<br />
genutzt werden müssen, um<br />
die tradierte deutsche OP-Saalbesetzung (Anästhesie-Arzt,<br />
Anästhesie-Funktionsdienst,<br />
OP-Instrumentierender, OP-Springer) den<br />
in anderen Ländern üblichen Strukturen<br />
mit dem Ziel von Effizienzfortschritt anzupassen.<br />
Zunächst geht es auch hier um die Ermittlung<br />
des – von der Vertragsarbeitszeit<br />
unabhängigen – Besetzungsbedarfs unter<br />
wirtschaftlichen <strong>und</strong> patientenorientierten<br />
Gesichtspunkten, der regelmäßig zu differenzierten<br />
Dienstdauern führt.<br />
11. 4. 4<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />
im Funktionsdienst<br />
Spezielle Flexi-Spielregeln<br />
Servicezeiten<br />
Auf der Basis von Servicezeiten (OP- <strong>und</strong><br />
Funktionsbereichs-Betriebszeiten) hat sich<br />
bei der bedarfsorientierten flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />
eine Vorgehensweise bewährt,<br />
die auf eine teaminterne Verständigung über<br />
die Abdeckung der Servicezeit setzt – unter<br />
Einhaltung hiermit verb<strong>und</strong>ener Serviceversprechen,<br />
etwa hinsichtlich Wartezeiten <strong>und</strong><br />
Prozessdauern. Damit können bei Servicezeiten<br />
auch die persönlichen Freiheitsgrade der<br />
einzelnen Teammitglieder zunehmen, die<br />
wiederum von der Qualität der Einsatzflexibilität<br />
abhängt. Beispielsweise werden in mehr<br />
<strong>und</strong> mehr Krankenhäusern aufbauorganisatorische<br />
Veränderungen angestrebt, um die<br />
zumeist niedrigstufigen Bereitschaftsdienste<br />
(Stufe I im Tarifvertrag für den öffentlichen<br />
Dienst [TVöD] <strong>und</strong> Stufe B in den Richtlinien<br />
für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des<br />
Deutschen Caritasverbandes [AVR]), nicht zu-<br />
Des Weiteren kommt auch hier den Flexi-<br />
Spielregeln zur Abwesenheitsplanung besondere<br />
Bedeutung zu. Schwankungen im OP-<br />
Aufkommen können damit personeinsatzseitig<br />
berücksichtigt werden. Abbildung 37<br />
zeigt ein Fallbeispiel für eine jahresbezogene,<br />
fortlaufend rollierend aktualisierbare OP-Planung,<br />
das erhebliche planbare Schwankungen<br />
aufweist. Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Vorausplanung<br />
erfolgt die tagesgenaue Steuerung<br />
der Abwesenheitszeiten.<br />
Für die <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung empfehlen<br />
sich drei Planungsstufen:<br />
•n<br />
In der ersten Stufe erfolgt die Dienstplanung<br />
auf der Basis der planbaren Auslastung<br />
(Arbeitsanfall <strong>und</strong> Personalverfügbarkeit)<br />
im Sinne einer Grobplanung, die<br />
von vornherein mit Optionen zur bedarfsabhängigen<br />
Veränderbarkeit ausgestattet<br />
wird. Beispielsweise werden zunächst x<br />
Mitarbeiter im Tagesdienst eingeteilt.<br />
206<br />
urheberrechtlich geschützt
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
5<br />
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1<br />
0<br />
6<br />
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6<br />
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1<br />
0<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
JAN<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
FEB<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.<br />
MRZ<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
APR<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.<br />
MAI<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
JUN<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
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4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
5<br />
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2<br />
1<br />
0<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
JUL<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
AUG<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
SEP<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.<br />
OKT<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
NOV<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.<br />
DEZ<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.<br />
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
Anzahl zu<br />
besetzender<br />
Säle/Tische<br />
pro Tag<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
APR<br />
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.<br />
Abb. 37 Das Jahres-OP-Programm als Gr<strong>und</strong>lage für die tagesgenaue Steuerung von Abwesenheitszeiten – Beispiel:<br />
Anästhesie eines nordrhein-westfälischen Krankenhauses (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
•n<br />
•n<br />
Die genaue zeitliche Staffelung dieser<br />
Tagdienste innerhalb der Servicezeit wird<br />
dann im Rahmen einer zum Beispiel wochenweisen<br />
rollierenden Einsatzplanung<br />
konkretisiert. Ein Fallbeispiel für eine<br />
Dienstbesetzung, die sich danach richtet,<br />
welche OP-Saalzeiten von den operativen<br />
Kliniken tatsächlich bestellt (<strong>und</strong> auf dieser<br />
Gr<strong>und</strong>lage auch kostenverrechnet)<br />
wird, zeigt Abbildung 38.<br />
In der dritten Stufe werden diese Dienstzeiten<br />
flexibel ausgelegt, denn feste <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
führen in Funktionsbereichen<br />
wie dem OP-Bereich entweder dazu, dass<br />
die geplante OP-Laufzeit nicht ausgeschöpft<br />
werden kann (denn es müssen<br />
Restlaufzeiten verbleiben, wenn das OP-<br />
Programm die Dienstdauer nicht überschreiten<br />
darf) oder zu Überst<strong>und</strong>en. Oder<br />
es muss der höchste Preis starrer <strong>Arbeitszeit</strong><br />
bezahlt werden: die Absetzung geplanter<br />
OP’s (etwa aufgr<strong>und</strong> von höherem Notfallaufkommen<br />
zwischendurch). Eine beispielhafte<br />
Flexi-Spielregel, die zudem – via<br />
OP-Budgetkonto – einen Anreiz beinhal-<br />
tet, das OP-Zeitvolumen seitens der operierenden<br />
Kliniken bei flexibler <strong>Arbeitszeit</strong><br />
nicht permanent zu überziehen, zeigt das<br />
nachfolgende Beispiel:<br />
Beispiel Auszug aus einer flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>regelung<br />
zur Abdeckung flexibler OP-Laufzeiten eines<br />
Krankenhauses:<br />
In jedem OP-Saal kann von der vereinbarten Saal-Laufzeit<br />
täglich bis zu +/‐ 1,5 Std. abgewichen werden. Aufgr<strong>und</strong><br />
der OP-Planung (Wochenvorschau bis Freitag<br />
Vorwoche <strong>und</strong> OP-Plan bis 14.00 Uhr Vortrag/Freitag)<br />
vorhersehbare Laufzeit-Schwankungen werden den<br />
Mitarbeitern unverzüglich mitgeteilt. Zudem können<br />
bei fehlendem Bedarf – insbesondere auch zur Berücksichtigung<br />
saisonaler Schwankungen – OP-Säle mit<br />
frühestmöglicher Ankündigung, spätestens jedoch vier<br />
Arbeitstage zuvor, ganz geschlossen werden.<br />
Auf diese Weise wird das Schnitt-Naht-Budget bedarfsgerecht<br />
variiert. Abweichungen vom als Durchschnittswert<br />
ausgewiesenen Schnitt-Naht-Budget<br />
je Klinik werden im OP-Budgetkonto jeder operativen<br />
Klinik fortlaufend saldiert.<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
207
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
Abb. 38 Gestaffelte Dienste im OP-Trakt eines Krankenhauses (F = Frühdienst; fF = früher Frühdienst;<br />
T1 <strong>und</strong> T2 = Tagesdienste;BD = Bereitschaftsdienst) (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
Flexible OP-Laufzeiten führen zu flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
der Mitarbeiter; Abweichungen von der anteiligen<br />
Vertragsarbeitszeit werden fortlaufend in<br />
den persönlichen Zeitkonten der Mitarbeiter saldiert.<br />
11. 4. 5<br />
Gr<strong>und</strong>lagen<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung<br />
im ärztlichen Dienst<br />
Die <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung des Ärztlichen<br />
Dienstes war zu jeder Zeit Spiegelbild der<br />
sozialen <strong>und</strong> kulturellen Realitäten, in die<br />
sie eingebettet ist. Derzeit übernimmt sie oft<br />
die Rolle eines Lastesels für anderweitig ungelöste<br />
Probleme: während die Bereitschaft<br />
der Beteiligen sinkt, unkompensierte überlange<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>en <strong>und</strong> überhierarchisierte<br />
Organisationsstrukturen weiterhin klaglos<br />
hinzunehmen, verharren Arbeitsorganisation<br />
<strong>und</strong> Führung noch auf dem überkommenen<br />
Stand. Allerdings wird sowohl die<br />
Anforderung zu effizienter Leistungserbringung<br />
als auch der Wettbewerb um exzellente<br />
Ärzte die Bereitschaft der Krankenhäuser fördern,<br />
in attraktive Arbeits(zeit)bedingungen<br />
zu investieren. Krankenhäuser werden dabei<br />
sogar mehr tun müssen als andere Unternehmen,<br />
denn sie konkurrieren am Arbeitsmarkt<br />
mit diesen, die zukünftig nicht in gleichem<br />
Maße ihre Servicezeiten deutlich in den Frühabend<br />
<strong>und</strong> ins Wochenende erweitern müssen.<br />
Der sich im assistenzärztlichen Bereich<br />
bereits abzeichnende Trend zu längerfristigeren,<br />
über die Weiterbildung hinausreichenden<br />
Beschäftigungsverhältnissen greift diese<br />
Entwicklung auf – <strong>und</strong> verstärkt sie. Denn es<br />
ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass sich gerade jene<br />
Ärzte für ihre Arbeitsbedingungen engagieren,<br />
die für eine längere Krankenhauskarriere<br />
optieren. Hierbei geht es insbesondere um<br />
folgende Themen:<br />
•n<br />
•n<br />
um die Öffnung für individuelle <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
– insbesondere auch für einen verstärkten<br />
Einsatz von Teilzeitarbeit, wofür<br />
es vor allem aufgr<strong>und</strong> des zunehmenden<br />
Frauenanteils im ärztlichen Dienst einen<br />
steigenden Bedarf geben wird; Voraussetzung<br />
hierfür sind vollständig flexible<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>systeme <strong>und</strong> ein höheres Maß<br />
an Einsatzflexibilität;<br />
um die Berücksichtigung individueller Arbeitsstile,<br />
auch aufgr<strong>und</strong> von Lernkurven,<br />
208<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
Wie kann die Arbeitsorganisation<br />
so (um)gestaltet<br />
werden, dass weniger <strong>Arbeitszeit</strong><br />
verbraucht wird<br />
Entlastung durch Effizienz<br />
Während welcher<br />
Zeitspanne sollen die Teams<br />
ihre Leistungserbringung<br />
garantieren<br />
Wie kann ein sparsamer <strong>und</strong><br />
flexibler Umgang mit der <strong>Arbeitszeit</strong><br />
gefördert werden<br />
Entkopplung von<br />
Servicezeit<br />
<strong>und</strong> <strong>Arbeitszeit</strong><br />
Flexi-Spielregeln<br />
Abb. 39 Das Handlungsdreieck ärztlicher Arbeits(-zeit-)organisation<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
•n<br />
•n<br />
wiederum durch flexible <strong>Arbeitszeit</strong>systeme,<br />
in denen die Mitarbeiter jedoch nicht<br />
nur Handlungsspielräume bezüglich ihrer<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>verteilung haben, sondern auch<br />
die <strong>Arbeitszeit</strong>dauer entsprechend ihren<br />
Vorstellungen variieren können, was zugleich<br />
bedeutet, dass sie bei individuell<br />
unerwünscht längeren <strong>Arbeitszeit</strong>en führungskräfteseitige<br />
Unterstützung bei der<br />
Entlastung finden. Eine wesentliche Voraussetzung<br />
für so ausgerichtete <strong>Arbeitszeit</strong>systeme<br />
ist die Selbsterfassung der <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
in Form einer Abweichungserfassung<br />
(s. Kap. 11.4.2. – Abweichungserfassung);<br />
um die Festlegung von Servicezeiten, innerhalb<br />
derer die Ärzte eigenverantwortlich<br />
ihre <strong>Arbeitszeit</strong>en im Team steuern,<br />
was den Abschied vom vorherrschenden<br />
Organisationsprinzip vollständig paralleler<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>en sämtlicher verfügbaren<br />
Mitarbeiter zugunsten flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
mit Flexi-Spielregeln erfordert;<br />
um kontinuierliche Verbesserungen der<br />
Arbeitsorganisation <strong>und</strong> eine Konzentra-<br />
•n<br />
tion auf ärztliche Tätigkeiten – beides zur<br />
Entlastung der ärztlichen Mitarbeiter;<br />
um die Bereitschaft der ärztlichen Führungskräfte,<br />
diese Veränderungsprozesse<br />
mitzugestalten <strong>und</strong> zu unterstützen.<br />
Empirisch lässt sich der signifikante Einfluss<br />
chefärztlicher Führungsstile auf<br />
den <strong>Arbeitszeit</strong>verbrauch der ärztlichen<br />
Mitarbeiter nachweisen: vom bewussten<br />
Freiräumen von Flexibilitätspotenzialen<br />
an den Tagesrändern (Beispiele: Verzicht<br />
auf ritualisierte kollektive Morgenbesprechungen<br />
<strong>und</strong> „ist-eh-da“-Mentalitäten) bis<br />
zur konsequenten Unterstützung der Mitarbeiter<br />
bei der Beseitigung von „Zeitfressern“<br />
<strong>und</strong> beim Aufspüren von „Arbeitsanfall-Tälern“<br />
<strong>und</strong> eigenem diesbezüglichen<br />
Vorbild.<br />
Zusammenfassend bewegt sich das Handlungsspektrum<br />
ärztlicher <strong>Arbeitszeit</strong>organisation<br />
in den in Abbildung 39 dargestellten<br />
Feldern.<br />
Das Interesse der Chefärzte an der <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung<br />
wird in dem Maße steigen,<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
209
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
Tab. 54 Ursachen für überlange <strong>Arbeitszeit</strong>en im Ärztlichen Dienst<br />
Ursachen für überlange <strong>Arbeitszeit</strong>en im ärztlichen Dienst<br />
Mangelnde Standardisierung <strong>und</strong> Evidenzbasierung („Schrotschussprinzip“)<br />
Individuell objektiv ineffizientes Arbeiten – auch aufgr<strong>und</strong> von Lernkurven<br />
Mangelnde Assistenz der Ober- <strong>und</strong> Chefärzte („Jugend forscht“)<br />
Berufsethische <strong>und</strong> führungskulturelle Effizienz-Barrieren (Statussymbol lange <strong>Arbeitszeit</strong>)<br />
Mangelnde Flexibilisierung der <strong>Arbeitszeit</strong> (keine Abwesenheitssteuerung, keine Servicezeiten)<br />
Bereitschaftsdienst <strong>und</strong> gegebenenfalls Überst<strong>und</strong>en als einzige Chance, das eigene Entgelt zu beeinflussen<br />
Zu kleine Organisationseinheiten<br />
Überfrachtung mit nicht-ärztlichen <strong>und</strong> administrativen Aufgaben<br />
Mangelnde „Passung“ zwischen Mitarbeiter <strong>und</strong> Arbeitsaufgabe/Überspezialisierung<br />
Mangelnde Prozesssteuerung/tradierte Abteilungsegoismen<br />
Flexibilisierungsfeindliche Besprechungs- <strong>und</strong> Fixtermine an den Diensträndern<br />
Zunehmende Arbeitsvolumina <strong>und</strong> Fallzahlen bei gleicher/sinkender Personalkapazität<br />
Schwache Führung/mangelnde Kostenrelevanz überlanger <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />
Unklare Definition von „<strong>Arbeitszeit</strong>“<br />
wort auf überlange <strong>Arbeitszeit</strong>en – weil<br />
die daraus folgenden arbeitsfreien Tage<br />
die Tagesbesetzung <strong>und</strong> die Kontinuität<br />
der Patientenversorgung beeinträchtigen.<br />
Insbesondere in konservativen Fächern<br />
sollte mithin darauf geachtet werden,<br />
mit den „normalen“ Tagesdienstdauern<br />
(à ca. 1/5 der Vertragsarbeitszeit) auszukommen<br />
– ggf. durch entsprechend gestaffelte<br />
Dienstarten.<br />
Sämtliche Regeldienste sollten zudem im<br />
oben beschriebenen Sinne flexibel ausgelegt<br />
werden, was nur dann erfolgreich ist,<br />
wenn sich hieraus kein permanenter Zeitguthabenaufbau<br />
im Zeitkonto ergibt. Dies<br />
organisatorisch <strong>und</strong> kulturell abzusichern,<br />
wird eine wesentliche Voraussetzung zukünftiger<br />
<strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung im ärztlichen<br />
Dienst sein.<br />
Servicezeiten erfordern bedarfsgerechte<br />
Besetzung der Dienste. In der Regel benötigen<br />
ärztliche Abteilungen dazu Vollarbeit<br />
auch am Spätnachmittag – auch zur Ermöglichung<br />
durchschnittlich pünktlicher<br />
Dienstenden im Tagdienst – <strong>und</strong> an Wowie<br />
ihnen bewusst wird, dass ihre ärztlichen<br />
Mitarbeiter die Fähigkeit, das außerberufliche<br />
Leben (zeitlich) befriedigend zu gestalten,<br />
als wesentliche Voraussetzung für die Kompetenzerweiterung<br />
auch im Beruf begreifen.<br />
Schon weil dauerhaftes „Verstecken“ vor Überlastsignalen<br />
von den Ärzten immer weniger<br />
akzeptiert wird, ist Offensive hier die richtige<br />
Strategie: Überlastsymptome weisen auf organisatorische<br />
Schwachstellen, Planungs- <strong>und</strong><br />
Steuerungsdefizite, Überspezialisierung <strong>und</strong><br />
ineffiziente Kommunika tion hin. Der Entlastungswunsch<br />
des Mitarbeiters sollte daher<br />
Hebelwirkung im Hinblick auf die Behebung<br />
solcher Probleme haben. Dass dabei ein eigener<br />
Lösungsbeitrag des Arztes erwartet wird,<br />
versteht sich von selbst. Einige Ursachen für<br />
überlange <strong>Arbeitszeit</strong>en im ärztlichen Dienst<br />
sind in der Tabelle 54 aufgezählt.<br />
Bezüglich der <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung im ärztlichen<br />
Dienst sind vor allem folgende Punkte<br />
beachtenswert:<br />
•n<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist die Ausdehnung der<br />
Regeldienst-Dauer keine geeignete Ant-<br />
•n<br />
•n<br />
210<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
Prinzip: 4 Oberärzte sorgen für die gleichmäßige Besetzung des Tagdienstes mit stets 3 Ärzten –<br />
durch systematische Abwesenheitsplanung im Team, vorrangig durch Urlaub <strong>und</strong> sonstige<br />
Ausfallzeiten, nachrangig durch arbeitsfreie Tage.<br />
Auszug aus einem Jahresdienstkalender<br />
Abb. 40 Ein 4:3-System im auf 9h (+ Pause) verlängerten Tagdienst der Oberärzte einer internistischen Klinik (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
•n<br />
•n<br />
chenenden. Letztere werden schrittweise<br />
mehr <strong>und</strong> mehr auch elektiver Patientenversorgung<br />
dienen, um die hiermit verb<strong>und</strong>enen<br />
Vorteile für Auslastung <strong>und</strong> Verweildauer<br />
nutzbar machen zu können.<br />
Es sollten, wie im Pflegebereich bereits üblich,<br />
EDV-gestützte Dienstplanprogramme<br />
zum Einsatz kommen, die eine bedarfsgerechte<br />
Dienstplanung ebenso ermöglichen<br />
wie die Abweichungserfassung. Mit<br />
Hilfe des EDV-Systems sollen eindeutige,<br />
ggf. entsprechend der Auslastung zu variierende<br />
Besetzungs-Vorgaben für Einsatzinkl.<br />
Abwesenheitsplanung erfolgen. Ein<br />
einfaches Beispiel für eine Abwesenheitsplanung<br />
in einem kleinen Team zeigt Abbildung<br />
40.<br />
Bereitschaftsdienst sollte nur noch in Zeiträumen<br />
stattfinden, in denen er realistisch<br />
ist, was 24 Std.-Dienste meist auch dann<br />
ausschließt, wenn sie gr<strong>und</strong>sätzlich tarif-<br />
vertraglich zugelassen wurden. Mit der<br />
Reduzierung der Bereitschaftsdienstzeiten<br />
verbindet sich die Aufgabe, die Grenze<br />
zwischen Servicezeit <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>versorgung<br />
(die Bereitschaftsdienstphasen<br />
einschließen kann, aber nicht muss) zu<br />
Gunsten der Hauptleistungszeit neu zu<br />
ziehen <strong>und</strong> damit auch das Krankenhaus<br />
als Dienstleister patientengerechter<br />
zu positionieren. Unrealistisch <strong>und</strong> auch<br />
unzulässig ist Bereitschaftsdienst in Zeiträumen,<br />
in denen elektive Tätigkeiten<br />
erfolgen (Visiten, Besprechungen, Übergabe,<br />
OP-Programm, etc.) <strong>und</strong> in denen<br />
eine so hohe Dichte akuter Anforderungen<br />
herrscht, dass von „Abruf zur Arbeit“<br />
nicht gesprochen werden kann. Als Orientierungsgröße<br />
sollten hierbei Inanspruchnahmen<br />
von durchschnittlich mehr als<br />
70 % je Zeiteinheit (also immer zu einer<br />
bestimmten Uhrzeit) zugr<strong>und</strong>e gelegt<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
211
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
100,00%<br />
durchschnittliche Inanspruchnahme<br />
90,00%<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
Potenzielle Bereitschaftsdienstzeit<br />
20:30 07:00<br />
16.00<br />
17:00<br />
18:00<br />
19:00<br />
20:00<br />
21:00<br />
22:00<br />
23:00<br />
00:00<br />
01:00<br />
02:00<br />
03:00<br />
04:00<br />
05:00<br />
06:00<br />
07:00<br />
08:00<br />
Uhrzeit<br />
Abb. 41 Ermittlung der Bereitschaftsdienstschwelle – Beispielhaftes Inanspruchnahmeprofil einer internistischen Klinik<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
werden, weil sonst kein spürbarer Unterschied<br />
zur Vollarbeit bestünde. Dann ergeben<br />
sich die in Abbildung 41 dargestellten<br />
Bereitschaftsdienstschwellen.<br />
Bereitschaftsdienstorganisation<br />
Bei der Bereitschaftsdienstorganisation entscheiden<br />
– neben der Einhaltung der rechtlichen<br />
Vorgaben (die hier nicht betrachtet werden)<br />
– meist folgende Rahmenbedingungen<br />
über den Erfolg neuer Modelle jenseits des<br />
tradierten Regeldienst-Bereitschaftsdienst-<br />
Schemas:<br />
•n<br />
•n<br />
Neue Modelle dürfen die Besetzung tagsüber<br />
nicht signifikant mindern.<br />
Die unständigen Bezüge aus Bereitschaftsdienst<br />
sollten – im Einklang mit dem Interesse<br />
der weit überwiegenden Mehrheit der<br />
betroffenen Ärzte – weitest möglich erhalten<br />
bleiben. Dazu wird das gesetzlich zu-<br />
lässige Volumen von Arbeits- <strong>und</strong> Bereitschaftsdienstzeit<br />
(von insgesamt durchschnittlich<br />
48 St<strong>und</strong>en pro Woche, mit<br />
individueller Zustimmung – so genannte<br />
„opt-out“-Regelung –, die in der Regel<br />
erteilt wird, durch Bereitschaftsdienstzeit<br />
auch darüber hinaus) weitgehend ausgeschöpft.<br />
Erfahrungsgemäß finden in der<br />
Praxis innovative Modelle vor allem dann<br />
Verbreitung, wenn das bisherige Junktim<br />
zwischen Bereitschaftsdienst <strong>und</strong> Zusatzvergütung<br />
aufgelöst wird. Dies kommt zugleich<br />
dem Krankenhaus zugute – durch<br />
die Vermeidung eines unrealistischen<br />
Personalzuwachses, durch aufgr<strong>und</strong> der<br />
St<strong>und</strong>ensatzdegression niedrigere Personalkosten<br />
<strong>und</strong> durch eine effizientere Aus<strong>und</strong><br />
Weiterbildung.<br />
❱❱❱<br />
Folgende <strong>Arbeitszeit</strong>-Gr<strong>und</strong>modelle finden in<br />
der Praxis im ärztlichen Dienst (sowie im Funktionsdienst)<br />
Verbreitung:<br />
212<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
Abb. 42 Das Minimalprogramm zur rechtskonformen Rettung von 24h-Diensten<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
Montag–Freitag:<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
•n<br />
Regel‐/Bereitschaftsdienst (RB) mit Bereitschaftsdienst-Eintritt<br />
zu Ende des Regeldienstes<br />
Spät‐/Bereitschaftsdienst (SB) mit späterem<br />
Bereitschaftsdienst-Eintritt <strong>und</strong> Überlappung<br />
mit dem Regeldienst<br />
Nacht‐/Bereitschaftsdienst (NB) mit späterem<br />
Bereitschaftsdiensteintritt ohne<br />
Überlappung mit dem Regeldienst – gegebenenfalls<br />
blockbar<br />
Kurzdienst + Nacht‐/Bereitschaftsdienst<br />
(nach 10 Std. Ruhezeit) (K+NB) mit Möglichkeit<br />
zur Weiterarbeit am Folgetag<br />
Samstag/Sonntag:<br />
•n<br />
•n<br />
24h-Bereitschaftsdienste (SAB/SOB) mit<br />
maximal 8h Vollarbeit<br />
Tag- <strong>und</strong> Nacht(‐/Bereitschafts‐)dienst (T/<br />
TB/NB) – jeweils blockbar<br />
Gr<strong>und</strong>modell Regel-Bereitschaftsdienst (RB)<br />
Beim Gr<strong>und</strong>modell RB bleibt die Struktur des<br />
Bereitschaftsdienstes weitgehend konventionell.<br />
Es eignet sich nur für Abteilungen mit<br />
vergleichsweise früher Bereitschaftsdienstschwelle<br />
<strong>und</strong> kann nur dann praktiziert werden,<br />
wenn die in Abbildung 42 dargestellten<br />
Maßnahmen durchgeführt werden.<br />
Gr<strong>und</strong>modell Spät-Bereitschaftsdienst (SB)<br />
Beim Gr<strong>und</strong>modell SB beginnt (mindestens)<br />
ein Dienst als Regeldienst später, der dann<br />
in die Bereitschaftsdienstzeit wechselt <strong>und</strong><br />
morgens nach der Übergabe nach Hause<br />
geht. Allerdings fehlen bei dieser Struktur<br />
im Tagesgeschäft für einige St<strong>und</strong>en bis hin<br />
zum gesamten Tagdienst zwei statt ein Mitarbeiter,<br />
so dass diese Struktur entweder die<br />
Schließung der Lücke durch entsprechenden<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
213
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
Abb. 43 Dienst-Aufbau mit SB-Dienst für eine Abteilung Innere Medizin<br />
(<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
Personalzuwachs (größtenteils gegenfinanziert<br />
aus verminderten unständigen Bezügen<br />
der Mitarbeiter aus Bereitschaftsdiensten) erfordert<br />
oder eine entsprechende Umorganisation<br />
in längere Servicezeiten zulasten morgendlicher<br />
Besetzung. Ein Fallbeispiel zeigt<br />
Abbildung 43.<br />
Gr<strong>und</strong>modell Nacht‐/Bereitschaftsdienst (NB)<br />
Das Gr<strong>und</strong>modell NB entkoppelt den Bereitschaftsdienst<br />
vom Tagesdienst <strong>und</strong> zwar so,<br />
dass mehrere Nachtdienste in Folge erbracht<br />
werden können, indem zwischen zwei dieser<br />
Dienste mindestens immer die gesetzliche<br />
Ruhezeit arbeitsfrei ist, was Vorteile für<br />
die Kontinuität der Patientenversorgung, für<br />
den Erhalt einer hohen Tagesbesetzung <strong>und</strong><br />
von unständigen Bezügen aus Bereitschaftsdienst<br />
hat, für die ärztlichen Mitarbeiter jedoch<br />
gewöhnungsbedürftig ist. Abbildung 44<br />
zeigt einen solchen Dienstaufbau an einem<br />
Fallbeispiel.<br />
Ein weiterer Vorteil dieses Gr<strong>und</strong>modells<br />
besteht darin, dass es auch am Wochenende<br />
gut einsetzbar ist: Hier bestehen sinnvollerweise<br />
meist nur zwei Alternativen zur Auswahl:<br />
•n<br />
•n<br />
die Aufteilung des Tages in zwei ca. 12 St<strong>und</strong>en<br />
lange Dienste (Tag/Nacht) oder<br />
24 Std.-Dienste (mit entsprechendem Regeldienstanteil<br />
tagsüber).<br />
Die dienstplanmäßige Kopplung mehrerer<br />
Nachtbereitschaftsdienste in Folge wird<br />
auch Dienstmodul genannt. Ein Dienstmodul<br />
ist eine festgelegte Folge von Diensten<br />
<strong>und</strong> arbeitsfreien Tagen. Ein im Dienstmodul<br />
eingeteilter Mitarbeiter wechselt aus dem Tagesdienst<br />
in das Dienstmodul <strong>und</strong> durchläuft<br />
die vordefinierte Dienstfolge jeweils komplett.<br />
Danach wechselt er in den Tagesdienst<br />
zurück oder durchläuft, soweit dies möglich<br />
ist, das Dienstmodul erneut.<br />
Dieses Verfahren bietet sich vor allem bei<br />
relativ geringem Besetzungsbedarf außerhalb<br />
des Tagesdienstes an. Da die im Dienstmodul<br />
enthaltenen Dienste nicht einzeln,<br />
sondern als definierte Abfolge von Diensten<br />
<strong>und</strong> arbeitsfreien Tagen verplant wer-<br />
214<br />
urheberrechtlich geschützt
11.4 <strong>Arbeitszeit</strong>- <strong>und</strong> <strong>Betriebszeitgestaltung</strong> 11<br />
06:00 07:00 08:00 09:00 10:00 11:00 12:00 13:00 14:00 15:00 1 6:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00 22:00 23:00 00:00 01:00 02:00 03:00<br />
Regeldienst R<br />
Tagdienst T<br />
Nacht-/Bereitschaftsdienst NB<br />
MO-FR<br />
SA/SO<br />
Tagdienst T<br />
BD D<br />
Nacht-/Bereitschaftsdienst NB<br />
06:00 07:00 08:00 09:00 10:00 11:00 12:00<br />
13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00 22:00 2 3:00 00:00 01:00 02:00 03:00<br />
Abb. 44 Dienste-Aufbau mit NB-Dienstmodul in einer Orthopädie (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
den, wird die Dienstplanung vereinfacht.<br />
Durch Dienstmodule können sinnvolle <strong>und</strong><br />
arbeitsmedizinisch vernünftige Folgen aus<br />
Diensten <strong>und</strong> arbeitsfreien Tagen vorgegeben<br />
werden. Planbare Ausfallzeiten (Urlaub,<br />
Kongresse, etc.) werden denkbar einfach dadurch<br />
berücksichtigt, dass die betreffenden<br />
Mitarbeiter während solcher Zeiten nicht im<br />
Dienstmodul eingeteilt werden. Nach diesem<br />
Prinzip sind vielfältige Dienstmodule gestaltbar;<br />
ein Fallbeispiel zeigt Abbildung 45.<br />
Gr<strong>und</strong>modell Kurzdienst + Nacht‐/Bereitschaftsdienst<br />
(K+NB)<br />
Das Gr<strong>und</strong>modell K+NB ist das mit Abstand<br />
am geringsten verbreitete. Hier wird<br />
ein Mitarbeiter zu einem Vormittagsdienst<br />
eingeteilt, kommt aber – nach der gesetzlichen<br />
Mindest ruhezeit – am Abende erneut<br />
ins Krankenhaus <strong>und</strong> erbringt dann nach<br />
Übergabe eines bis dahin eingeteilten Kollegen<br />
den Nachtbereitschaftsdienst. Vorteile<br />
dieses Modells sind die Möglichkeit der Einzeldienstbesetzung<br />
(wie bei RB <strong>und</strong> SB) <strong>und</strong><br />
eine maximale Gleichzeitigkeit der Vormittagsbesetzung<br />
(<strong>und</strong> damit auch personelle<br />
Kontinuität), die so hoch ist wie in keinem<br />
anderen Gr<strong>und</strong>modell. Dem stehen jedoch<br />
zwei gewichtige Nachteile gegenüber, die zur<br />
geringen Nutzung des Modells führen: Zum<br />
einen müssen an einem Tag zwei Dienste erbracht<br />
werden, zum anderen wird Vollarbeit<br />
nach dem Nachtdienst erbracht, was arbeitsmedizinisch<br />
sehr ungünstig ist. Ein Fallbeispiel<br />
zeigt Abbildung 46.<br />
Durchgehender Schichtbetrieb<br />
Demgegenüber werden Schichtsysteme<br />
ohne Bereitschaftsdienstzeiten nur dort Verbreitung<br />
finden, wo sie – etwa aufgr<strong>und</strong> von<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
215
23 11 Die Gr<strong>und</strong>postulate Personaleinsatz<br />
Sorge um die der Patienten: Personalarbeit Gr<strong>und</strong>lage der Personalarbeit im Krankenhaus<br />
• Samstag <strong>und</strong> Sonntag jeweils 1 Dienst<br />
• Der Samstag kan auch außerhalb des Moduls besetzt werden.<br />
Abb. 45<br />
Ein Dienstmodul mit 2 Nacht‐/Bereitschaftsdienst-Blöcken ohne Besetzungsverlust tagsüber bei Verlängerung<br />
von 2 Diensten (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
Abb. 46 Dienste-Aufbau für eine psychiatrische Klinik (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
Abrechnungs-Vorgaben oder wegen eines<br />
durchgehenden Besetzungsbedarfs in Vollarbeit<br />
– unvermeidbar sind. Das liegt dar-<br />
an, dass sie (nicht zuletzt unter finanziellen<br />
Aspekten) bei den ärztlichen Mitarbeitern<br />
wenig beliebt sind, dass arbeitsmedizinisch<br />
216<br />
urheberrechtlich geschützt
11.5 Alternsgerechter Personaleinsatz<br />
11<br />
<br />
<br />
Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4 Woche 5<br />
Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So<br />
Besetzungsplan<br />
<br />
<br />
Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4 Woche 5<br />
Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abb. 47 Vertretungsflexibler 5:1-Schichtplan in einer neonatologischen Intensivstation (Level 1)<br />
für besonders früh geborene Säuglinge (<strong>Arbeitszeit</strong>beratung <strong>Dr</strong>. <strong>Hoff</strong> – Weidinger – Herrmann)<br />
Alternsgerechtigkeit ist eine Organisations-<br />
Strategie, welche die Unterschiede zwischen<br />
Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern verschiedenen<br />
Alters wahrnimmt, die spezifischen<br />
Potenziale fördert <strong>und</strong> die entsprechenden<br />
Anforderungen <strong>und</strong> Bedürfnisse befriedigt.<br />
Es geht auch um das Bewusstsein der Unterschiedlichkeit<br />
<strong>und</strong> diese Unterschiedlichkeit<br />
als Chance wahrzunehmen. Eine alternsgerechte<br />
Arbeitswelt ist so gestaltet, dass sie<br />
bestmögliche Entwicklungsbedingungen<br />
für alle organisiert: Beschäftigte vom Eintritt<br />
in die Organisation bis zum Ausscheiden<br />
aus dem Unternehmen sollen aktiv in<br />
den Arbeitsprozess einbezogen werden. Der<br />
Dialog der Generationen wird dabei bewusst<br />
gefördert.<br />
Der altersgerechte Ansatz innerhalb der<br />
Alternsgerechtigkeit zielt darauf ab, spezifische<br />
Überlegungen für eine definierte Altersalles<br />
dafür spricht, dort, wo es möglich ist,<br />
auch nächtliche Schlafphasen zu ermöglichen<br />
<strong>und</strong> diese nicht mit <strong>Arbeitszeit</strong> zu „füllen“<br />
<strong>und</strong> dass sie gr<strong>und</strong>sätzlich mehr Personal<br />
binden: Beispielsweise werden in einem<br />
2-Schicht-Betrieb mit Schichten à 11,75 St<strong>und</strong>en<br />
(jeweils zzgl. 45 Minuten gesetzlicher<br />
Pausenzeit, so dass je 30 Minuten Übergabezeit<br />
gewährleistet sind) pro zu besetzender<br />
Position bei durchschnittlich 15 % Gesamt-<br />
Ausfallzeit, also 85 % Personalverfügbarkeit,<br />
(2 x 7 x 11,75: (40 x 0,85) =) knapp 5 Stellen<br />
benötigt.<br />
Typische Einsatzgebiete sind größere Intensivstationen<br />
<strong>und</strong> Notaufnahmebereiche.<br />
Hier werden Schichtsysteme üblicherweise<br />
nach einem Rotationsverfahren für längere<br />
Zeit nach einem festen <strong>und</strong> daher für die Mitarbeiter<br />
gut kalkulierbaren Schichtplan besetzt,<br />
so dass auch die Vertretung von Ausfallzeiten<br />
durch die im Schichtbetrieb eingeteilten<br />
Mitarbeiter untereinander erfolgt.<br />
Bevorzugt werden in der Praxis gegenüber<br />
drei Schichtlagen pro Tag (Früh‐, Spät- <strong>und</strong><br />
Nachtschichten) in der Regel Schichtsysteme<br />
mit nur zwei Schichtlagen (Tag- <strong>und</strong> Nachtschichten).<br />
Ein solches Fallbeispiel zeigt Abbildung<br />
47, wo entsprechend den Vorgaben<br />
eine neonatologische Intensivstation in<br />
durchgehender Vollarbeit zu besetzen war.<br />
11. 5<br />
11. 5. 1<br />
Alternsgerechter<br />
Personaleinsatz<br />
Ir e n e Kloimüller<br />
Was bedeutet Alternsgerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> welche Jobs bzw. Arbeitsinhalte<br />
innerhalb den Ges<strong>und</strong>heitsorganisationen<br />
sind alternsgerecht<br />
urheberrechtlich geschützt<br />
217