Strukturen und Belastungen Reha-Psychologie - Endversion
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<strong>Strukturen</strong>, Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> <strong>Belastungen</strong> von Psychologinnen <strong>und</strong> Psychologen in<br />
der medizinischen <strong>Reha</strong>bilitation<br />
Küch, D., Mai, B., Pimmer V., Theissing J., Schmucker D.<br />
Arbeitskreis Klinische <strong>Psychologie</strong> in der <strong>Reha</strong>bilitation, Berufsverband Deutscher<br />
Psychologinnen <strong>und</strong> Psychologen e.V., Berlin<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Berufliche <strong>Belastungen</strong> werden zunehmend als Mitverursacher somatischer <strong>und</strong><br />
psychosomatischer Krankheiten gesehen (Ulich, 2008). Globale sozioökonomische<br />
Veränderungen (Massenarbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Strukturwandel,<br />
Aufgabenintensivierung) bewirken bevölkerungsmedizinisch hochrelevante individuelle<br />
Verunsicherungen <strong>und</strong> Problemlagen (Siegrist, 2002; Schumann & Grefe, 2009). Das betrifft<br />
auch die Arbeit von Psychologen/innen in der medizinischen <strong>Reha</strong>bilitation<br />
(Arbeitsverdichtung, Tarifverschlechterung, Befristung von Arbeitsverträgen etc.). In der<br />
vorliegenden Untersuchung werden Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> Belastungserleben von<br />
Psychologen/innen in der medizinischen <strong>Reha</strong>bilitation thematisiert.<br />
Methode<br />
Im Sommer 2009 führte der Arbeitskreis Klinische <strong>Psychologie</strong> in der <strong>Reha</strong>bilitation<br />
zeitgleich zwei schriftliche Befragungen durch. 1070 Einrichtungen der somatischen <strong>und</strong><br />
psychosomatischen <strong>Reha</strong>bilitation in Deutschland wurden zu strukturellen Bedingungen der<br />
<strong>Reha</strong>bilitationspsychologie befragt (z.B. Stellenschlüssel, Abteilungsstrukturen). Gleichzeitig<br />
wurden Belastungs- <strong>und</strong> Unterstützungserleben dort tätiger Psychologen erhoben, u.a. mit<br />
dem Fragebogen zur Erfassung beruflicher Gratifikationskrisen – ERI (Siegrist et al., 2004),<br />
ergänzt um potentiell modifizierende Items (Arbeitgeber-Support, private <strong>Belastungen</strong>). Die<br />
Auswertung der strukturellen <strong>und</strong> der individuellen Angaben erfolgte zwecks<br />
Anonymisierung getrennt voneinander.<br />
Ergebnisse<br />
Im Rahmen der strukturellen Befragung antworteten 34% der angeschriebenen <strong>Reha</strong>-<br />
Einrichtungen (N=366). 96,4% bieten stationäre, 58,5% ambulante <strong>und</strong> teilstationäre<br />
<strong>Reha</strong>bilitation an. 70% der <strong>Reha</strong>-Einrichtungen haben eine eigene psychologische Abteilung,<br />
von denen 30% von Psychologen/innen selbst geleitet werden, mit einem breiten<br />
trägerabhängigen Range von 8% (Hauptbeleger Rentenversicherung) bis 50% (Hauptbeleger<br />
Krankenkassen). 44% der Psychologen haben die psychotherapeutische Approbation. Der<br />
Stellenschlüssel liegt im Schnitt bei 1:107 für <strong>Reha</strong>-Einrichtungen mit somatischer Indikation<br />
(Range von 1:60 – 1:280).<br />
Im Rahmen der Belastungsbefragung antworteten 923 Beschäftigte (Frauenanteil 69%), mit<br />
durchschnittlich 9 Jahren Berufserfahrung. Bei 56,7% liegt eine Stellenbeschreibung vor,<br />
73,6% erhalten Supervision (inkl. Psychosomatik), 88,7% erhalten Unterstützung zur<br />
Fortbildung (Freistellung, finanziell). 38,9% berichten besondere private <strong>Belastungen</strong><br />
(Frauenanteil tendenziell erhöht). 10% der Befragten haben ein erhöhtes Risiko einer<br />
Gratifikationskrise, 5,1% eine überhöhte Verausgabungsneigung. 9,8% erleben ihren<br />
Arbeitsplatz als gefährdet. Das Risiko einer Gratifikationskrise steigt signifikant mit<br />
zunehmendem Lebensalter (tendenziell stärker für Männer) <strong>und</strong> mit dem Fehlen einer
Stellenbeschreibung. Eine höhere Wochenarbeitszeit korreliert mit dem Risiko einer<br />
Gratifikationskrise in Kombination mit Alter, Berufserfahrung <strong>und</strong> privaten <strong>Belastungen</strong>.<br />
Diskussion <strong>und</strong> Ausblick<br />
Die Befragungsergebnisse weisen auf heterogene <strong>und</strong> teils noch sehr problematische<br />
<strong>Strukturen</strong> für Psychologen/innen vor allem in der somatischen <strong>Reha</strong>bilitation hin.<br />
Beispielsweise sind die Stellenschlüssel niedrig geblieben trotz veränderter Bedarfe <strong>und</strong><br />
berufsgruppenspezifische Eigenständigkeit <strong>und</strong> Hierarchisierung noch nicht regelhaft.<br />
Allerdings sind trotz zunehmender Anforderungen berufsgruppenspezifische<br />
Gratifikationskrisen von <strong>Reha</strong>bilitationspsychologen vergleichsweise moderat ausgeprägt.<br />
Eine relativ häufig erlebte Arbeitsplatzsicherheit wie auch – ggf. ausbildungsimmanente -<br />
Kompetenzen könnten Schutzfaktoren darstellen. Berufsgruppen- <strong>und</strong> sektorenübergreifende<br />
Erhebungen sollten folgen.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Arbeitsbedingungen, Berufliche <strong>Belastungen</strong>, Gratifikationskrisen, medizinische<br />
<strong>Reha</strong>bilitation, <strong>Reha</strong>bilitationspsychologie<br />
Literatur<br />
Siegrist, J. (2002). Effort-reward imbalance at work and health. In P.L. Perrewe & P.C.<br />
Ganster (Hrsg.), Historical and current perspectives on stress and health (261-291).<br />
Amsterdam: JAI Elsevier.<br />
Siegrist, J., Starke, D., Chandola, T., Godin, I., Marmot, M., Niedhammer, I. & Peter, R.<br />
(2004). The measurement of effort-reward imbalance at work: European comparisons.<br />
Social Sciences & Medicine, 58, 1483–1499.<br />
Schumann, H., & Grefe, C. (2008). Der globale Countdown: Finanzcrash, Wirtschaftskollaps,<br />
Klimawandel. Wege aus der Weltkrise. Kiepenheuer <strong>und</strong> Witsch, Köln.<br />
Ulich, E. (2008). Psychische <strong>Belastungen</strong> am Arbeitsplatz. In: Berufsverband Deutscher<br />
Psychologinnen <strong>und</strong> Psychologen (BDP). Psychische Ges<strong>und</strong>heit am Arbeitsplatz in<br />
Deutschland. Bericht zur psychologischen Lage der Nation. Berlin.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. Dieter Küch, PPT, MPH<br />
Friedländer Weg 59<br />
37085 Göttingen<br />
Fon: 0551- 2921358<br />
Mail: dr.dieter.kuech@drv-b<strong>und</strong>.de