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GERLINDE UND GII<br />
» Photo: www.amical.<strong>de</strong> / Ralf Dujmovits<br />
22<br />
Wenn ich auf einen Berg hinauf kann,<br />
bin ich glücklich.<br />
Im Frühjahr 2006 hat sie mit <strong>de</strong>m Kangchendzönga ihren neunten<br />
<strong>de</strong>r 14 höchsten Gipfel <strong>de</strong>r Welt bestiegen – und alle ohne künstlichen<br />
Sauerstoff! Gerlin<strong>de</strong> Kaltenbrunner zählt zu <strong>de</strong>n absoluten<br />
Ausnahmebergsteigerinnen unserer Zeit.<br />
EIN „STRASSENZAHNARZT" –<br />
AUF UMWEGEN ZUM GII GIPFEL<br />
» Photo: mattlogelin<br />
Und das nicht allein im Hinblick auf ihre bergsteigerischen<br />
Leistungen, son<strong>de</strong>rn auch wegen <strong>de</strong>r<br />
Lei<strong>de</strong>nschaft, mit <strong>de</strong>r sie ihren Weg geht. Ihren großen<br />
Traum, die Besteigung eines Achttausen<strong>de</strong>rs, verwirklichte<br />
sie mit 23 Jahren, als sie auf <strong>de</strong>n 8.027 m hohen<br />
Vorgipfel <strong>de</strong>s Broad Peak (8.047 m) im pakistanischen<br />
Karakorum kletterte. Seither ließ sie <strong>de</strong>r Gedanke an<br />
die hohen und höchsten Berge <strong>de</strong>r Welt nicht mehr<br />
los. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren finanzierte sie mit ihrem<br />
Krankenschwester-Gehalt ihre Trekking- und<br />
Bergsteiger-Expeditionen ins Himalajagebiet. Nach<br />
<strong>de</strong>r Besteigung <strong>de</strong>s Nanga Parbat 2003, ihr fünfter<br />
Achttausen<strong>de</strong>r, verschrieb sie sich voll und ganz <strong>de</strong>m<br />
Profibergsteigen. Gab ihren Job als Krankenschwester<br />
auf und wagte <strong>de</strong>n Schritt ins Ungewisse – nicht bereit<br />
alles zu riskieren, jedoch bereit viel zu geben:<br />
„In Skardu, <strong>de</strong>r letzten Stadt am Weg ins Basislager,<br />
plagten mich heftige Zahnschmerzen. Der Gedanke,<br />
dass dies schon das En<strong>de</strong> meiner Expedition be<strong>de</strong>uten<br />
könnte, trieb mich schweren Herzens zum „Zahnarzt“,<br />
was im hintersten Eck Pakistans nicht ganz einfach ist.<br />
Ich setzte mich ins Taxi und bat <strong>de</strong>n Fahrer mich zu<br />
einem „Dental Doctor“ zu bringen. Hatte ich Glück!!<br />
Heute war Behandlungstag <strong>für</strong> „Ladys“. In einem<br />
muslimischen Land ja nicht so einfach. Schon beim<br />
Eingang wur<strong>de</strong> mir an<strong>de</strong>rs. Auf einem Tisch lagen<br />
verschie<strong>de</strong>nste Zähne und Prothesen durcheinan<strong>de</strong>r.<br />
Je<strong>de</strong>r konnte probieren, ob da nicht vielleicht schon<br />
etwas passte. Warte- und Behandlungsraum war eins.<br />
Bis ich an die Reihe kam war mein T-Shirt schon völlig<br />
durchgeschwitzt. Von meiner „Vorgängerin“ klebten<br />
noch sämtliche „Reste“ in <strong>de</strong>r Spülschüssel. Als mir<br />
<strong>de</strong>r Zahnarzt eine Spritze mit gebrauchter Na<strong>de</strong>l ansetzte,<br />
streikte ich. Nach meiner Erklärung, dass ich<br />
Angst hätte wegen <strong>de</strong>r doch sehr an<strong>de</strong>ren Auffassung<br />
von Hygiene, meinte er nur, ich brauche keine Angst<br />
zu haben, er hätte einen <strong>de</strong>utschen Lehrer ge habt<br />
und außer<strong>de</strong>m hätte er sehr günstige Preise. Die<br />
Behandlung koste nur 500 Rupien, umgerechnet 6<br />
Euro!! Wirklich beruhigt hatten mich seine Worte lei<strong>de</strong>r<br />
nicht. Als er dann <strong>de</strong>n Bohrer ( ohne vorherige<br />
Spritze ) ansetzte, wur<strong>de</strong> mir endgültig schlecht. Ich<br />
habe nur noch gehofft, dass alles irgendwie gut vorbeigehen<br />
wür<strong>de</strong>. Nach<strong>de</strong>m ich vorerst alles überstan<strong>de</strong>n<br />
hatte, bezahlte ich die 500 Rupien und ließ auf<br />
Wunsch <strong>de</strong>s Zahnarztes ein Foto von ihm und mir machen.<br />
Schließlich wäre ich ja sein erster ausländischer<br />
Patient gewesen und er hatte es gut gemacht!“<br />
Gerlin<strong>de</strong>s Stärke liegt nicht in <strong>de</strong>r Ambition, einen<br />
Gipfel nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren „abzuhaken“. Denn bei<br />
aller Begeisterung bleibt sie ihren Grundsätzen treu.<br />
Augenscheinlich stellte sie dies im Mai 2005 beim<br />
Besteigungsversuch <strong>de</strong>s Mount Everest unter Beweis.<br />
Mit dabei waren ihr <strong>de</strong>utscher Lebensgefährte Ralf<br />
Dujmovits und <strong>de</strong>r Japaner Hirotaka Takeuchi. Als<br />
Hiro in 7650 Metern Höhe ein ausgewachsenes<br />
Höhenhirnö<strong>de</strong>m entwickelt, behält die examinierte<br />
Krankenschwester die Nerven und stellt ohne zu zögern<br />
ihre Wünsche hinten an. Während es draußen<br />
stürmt und schneit, behan<strong>de</strong>lt Gerlin<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Blut<br />
spucken<strong>de</strong>n und unter heftigsten Kopfschmerzen<br />
stöhnen<strong>de</strong>n Hiro. Nach durchwachter Nacht bringen<br />
Gerlin<strong>de</strong> und Ralf, <strong>de</strong>n höchsten Gipfel <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> fast<br />
greifbar vor sich, Hiro ohne zu zögern zurück in das<br />
vorgeschobene Basislager <strong>de</strong>s Normalwegs. In ihr<br />
Expeditionstagebuch schreiben sie: „Der Everest ist<br />
<strong>für</strong> dieses Mal uninteressant gewor<strong>de</strong>n. Hiro hat überlebt;<br />
‘glücklich’ ist ein schwacher Ausdruck <strong>für</strong> unsere<br />
Gefühle.“ Zwei Ereignisse, die <strong>de</strong>utlich zeigen, dass es<br />
mehr als Ehrgeiz ist was Gerlin<strong>de</strong> antreibt. Und wer<br />
ihre Augen strahlen sieht, weiß, dass sie es ehrlich<br />
meint: "Bergsteigen ist <strong>für</strong> mich kein Wettkampf. Es<br />
ist mein Leben. © Gaby Funk & Amical Alpin