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Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb gestalten

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<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> <strong>gestalten</strong> –<br />

ein Praxisleitfaden<br />

Analysen – Tipps – gute Praxis<br />

Erstellt <strong>im</strong> Rahmen des Projekts „Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung<br />

<strong>und</strong> Förderung der <strong>Frauen</strong>beschäftigung in industriellen Branchen“<br />

„Das Projekt wird gefördert <strong>im</strong> Rahmen der B<strong>und</strong>esinitiative „<strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> in der<br />

Wirtschaft“ (www.b<strong>und</strong>esinitiative-gleichstellen.de). Entwickelt wurde das Programm vom<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Arbeit <strong>und</strong> Soziales gemeinsam mit der B<strong>und</strong>esvereinigung der<br />

Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) <strong>und</strong> dem Deutschen Gewerkschaftsb<strong>und</strong> (DGB). Das<br />

Programm wird finanziert aus Mitteln des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong> Soziales (BMAS)<br />

sowie des Europäischen Sozialfonds (ESF)..“


Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Projektleitung IG Metall Vorstand<br />

Christiane Niemann<br />

E-Mail: christiane.niemann@igmetall.de<br />

Internet: www.igmetall-gleichstellen.de oder www.igmetall.de<br />

Projektleitung/ Beratung, Wert.Arbeit GmbH, Berlin<br />

Claudia Dunst (Organisationsberaterin)<br />

E-Mail: claudia.dunst@wertarbeitgmbh.de<br />

Annemarie Weber (Organisationsberaterin)<br />

E-Mail: annemarie.weber@wertarbeitgmbh.de<br />

Internet: www.wertarbeitgmbh.de<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

IG Metall Vorstand/ Ressort <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gleichstellung</strong>spolitik<br />

Wilhelm-Leuschner-Str. 79<br />

60329 Frankfurt am Main<br />

Text: Claudia Dunst, Annemarie Weber (Wert.Arbeit GmbH, Berlin)<br />

Frankfurt am Main, Juli 2013<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Inhalt<br />

Warum <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> zum Thema machen.................................................. 4<br />

Was kann der <strong>Betrieb</strong>srat be<strong>im</strong> Thema <strong>Gleichstellung</strong> tun ............................................ 4<br />

Wie kann ich andere <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> überzeugen ................................................................... 5<br />

Wie kann man das Thema <strong>Gleichstellung</strong> praktisch angehen ....................................... 8<br />

Gute Praxis aus dem Projekt .............................................................................................11<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Warum <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> zum Thema machen<br />

Knapp 1,6 Mio. sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen sind <strong>im</strong> verarbeitenden Gewerbe<br />

tätig. Sie arbeiten in der IT-Industrie z.B. als Ingenieurinnen, in der Elektro- <strong>und</strong> Automobilindustrie<br />

als Produktionsarbeiterinnen oder in kaufmännischen <strong>und</strong> technischen Angestelltentätigkeiten.<br />

Viele der weiblichen Beschäftigten verfügen über hohe Potenziale, lange<br />

Berufserfahrung <strong>und</strong> <strong>Betrieb</strong>szugehörigkeit.<br />

Dennoch sind nach wie vor die Führungsetagen vorrangig <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> besetzt. <strong>Frauen</strong> verdienen<br />

durchschnittlich weniger als Männer, u.a. auch, weil die Vereinbarkeit <strong>von</strong> Beruf <strong>und</strong><br />

Familie für <strong>Frauen</strong> schwieriger ist. Hinzu kommt: In best<strong>im</strong>mten Berufsgruppen – etwa bei<br />

den Ingenieursberufen oder bei gewerblich- technischen Berufen – sind <strong>Frauen</strong> deutlich unterrepräsentiert.<br />

Dabei – so zeigen aktuelle Studien – gab es noch nie so viele gut ausgebildete<br />

<strong>Frauen</strong> wie heute.<br />

Die Potenziale <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> in den Unternehmen werden also bei Weitem nicht voll ausgeschöpft.<br />

Zugleich sind Unternehmen heute mehr denn je auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen.<br />

Gezielte Maßnahmen zur Förderung der <strong>Gleichstellung</strong> sind notwendig. Es geht dabei<br />

um die Verbesserung <strong>von</strong> Arbeitsbedingungen (inklusive der Balance <strong>von</strong> Arbeit <strong>und</strong> Leben,<br />

<strong>von</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> besseren Arbeitszeitregelungen), die Förderung <strong>von</strong><br />

Aufstiegsmöglichkeiten <strong>und</strong> Weiterbildungsbeteiligung für <strong>Frauen</strong> sowie um Einkommensgerechtigkeit.<br />

Was kann der <strong>Betrieb</strong>srat be<strong>im</strong> Thema <strong>Gleichstellung</strong> tun<br />

Ein Ziel der Reform des <strong>Betrieb</strong>sverfassungsgesetzes 2001 war es, die Chancengleichheit<br />

<strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> auf betrieblicher Ebene zu fördern. Neben Regelungen, die zu einer<br />

besseren Repräsentanz <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong>srat führen sollen (siehe § 15 Abs. 2, BetrVG),<br />

wurde auch die Förderung der <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> sowie der<br />

Vereinbarkeit <strong>von</strong> Familie <strong>und</strong> Beruf als Aufgaben der <strong>Betrieb</strong>sräte in das Gesetz aufgenommen.<br />

Seitdem hat der <strong>Betrieb</strong>srat viele Möglichkeiten, auf die <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

positiv Einfluss zu nehmen <strong>und</strong> gegen Benachteiligungen vorzugehen.<br />

Nach § 80 BetrVG gehört zu den Aufgaben des <strong>Betrieb</strong>srats, darüber zu wachen, dass die<br />

tatsächliche <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> gefördert wird, insbesondere bei der:<br />

• Einstellung,<br />

• Beschäftigung,<br />

• Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung <strong>und</strong><br />

• <strong>im</strong> beruflichen Aufstieg<br />

Zudem haben <strong>Betrieb</strong>sräte nach § 92 Abs. 3 BetrVG das Recht, Vorschläge für Maßnahmen<br />

zur Förderung der <strong>Gleichstellung</strong> zu machen. Außerdem können Sie anregen, dass zu besetzende<br />

Arbeitsplätze als Teilzeitarbeitsplätze ausgeschrieben werden, was – wie die Praxis<br />

zeigt – ein wichtiges personalpolitisches Instrument für <strong>Frauen</strong> mit Kindern sein kann.<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Zusätzlich hat der <strong>Betrieb</strong>srat – genau wie der Arbeitgeber – darüber zu wachen, dass die<br />

geltenden Gesetze, also unter anderem auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG), eingehalten werden. Dieses Recht wird durch § 45 BetrVG geregelt.<br />

Mindestens einmal jährlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Bericht über den Stand der<br />

<strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer zu erstatten (§ 43 Abs. 2 <strong>und</strong> § 53 Abs. 2 BetrVG).<br />

Die entsprechenden Daten können dem <strong>Betrieb</strong>srat dabei helfen sich einen Überblick über<br />

Stand <strong>und</strong> Entwicklung der Arbeitssituation <strong>im</strong> Unternehmen, differenziert nach <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Männern</strong>, zu verschaffen.<br />

Wie kann ich andere <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> überzeugen<br />

Es gibt viele gute Gründe, sich für die <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> einzusetzen. Wir haben zehn<br />

da<strong>von</strong> für Euch zusammengefasst, um sowohl bei anderen <strong>Betrieb</strong>sratsmitgliedern <strong>und</strong> Vertrauensleuten<br />

aber auch auf Arbeitgebergeberseite für die Förderung <strong>und</strong> Umsetzung dieses<br />

Themas <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> zu werben.<br />

Zehn gute Gründe für <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

1. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage der Gerechtigkeit <strong>und</strong> der Demokratie<br />

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte besagt: „Alle Menschen sind frei <strong>und</strong> gleich<br />

an Würde <strong>und</strong> Rechten geboren.“ Die gleichen Rechte sind in Deutschland <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

festgeschrieben, in der Realität aber nicht wirklich umgesetzt. Für die Erreichung echter<br />

<strong>Gleichstellung</strong> ist es notwendig, dass Gesellschaft, Institutionen <strong>und</strong> Wirtschaft mit<br />

<strong>Gleichstellung</strong>smaßnahmen darauf hinwirken. Dies kann nur erfolgreich sein, wenn sich<br />

die Funktionsweise <strong>von</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> damit auch tief verwurzelte Rollenverständnisse<br />

ändern.<br />

2. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage des gesellschaftlichen Lebens<br />

<strong>Gleichstellung</strong>smaßnahmen unterstützen das Leben mit Kindern. Von <strong>Gleichstellung</strong> profitieren<br />

daher nicht nur <strong>Frauen</strong>, die ihre Kinder betreuen. Junge Männer legen mittlerweile<br />

genau so viel Wert auf familienfre<strong>und</strong>liche Bedingungen <strong>im</strong> Unternehmen. Männer <strong>und</strong><br />

<strong>Frauen</strong> müssen in der Lage sein, Berufs- <strong>und</strong> Privatleben in einer Weise miteinander in<br />

Einklang zu bringen, die ihren Anforderungen gerecht wird – <strong>und</strong> zwar unabhängig vom<br />

Familienstand oder Haushaltseinkommen. Unternehmen, die <strong>Männern</strong> fehlendes berufliches<br />

Engagement unterstellen, wenn sie z.B. Elternurlaub nutzen <strong>und</strong> die <strong>Frauen</strong> mit Kindern<br />

aufs berufliche Abstellgleis schieben, handeln schlicht verantwortungslos.<br />

3. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage unterschiedlicher Lebenssituationen<br />

Die Gesellschaft wird vielfältiger – so auch die Belegschaften. Heute gibt es Familienernährerinnen,<br />

Väter <strong>und</strong> Mütter mit Patchwork-Familien, <strong>Frauen</strong> mit starkem politischen<br />

Engagement <strong>und</strong> Männer mit pflegebedürftigen Angehörigen, Junge <strong>und</strong> Alte <strong>und</strong> noch<br />

viele andere Lebenssituationen. Diese Vielfalt braucht eine flexible gleichstellungsorien-<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

tierte Personalpolitik, die nicht nur den männlichen Familienernährer vor Augen hat.<br />

4. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage der Motivation<br />

Mit <strong>Gleichstellung</strong>smaßnahmen, die auf die Familienfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>im</strong> Unternehmen abzielen,<br />

lässt sich erwiesenermaßen die Motivation der Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter steigern.<br />

Das ist durch eine Reihe <strong>von</strong> Studien belegt (WSI, Roland Berger Strategy Consultants).<br />

Familienfre<strong>und</strong>liche Unternehmen erhalten außerdem weitaus mehr Bewerbungen<br />

als weniger familienbewusste Unternehmen.<br />

5. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage <strong>von</strong> Produktivität <strong>und</strong> Effizienz<br />

<strong>Gleichstellung</strong>smaßnahmen, die Familienfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>im</strong> Unternehmen herstellen, steigern<br />

die Produktivität der Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter. Auch das ist ein Ergebnis der<br />

Studien <strong>von</strong> WSI <strong>und</strong> Roland Berger. Familienfre<strong>und</strong>liche Unternehmen haben oft eine<br />

bessere Produktqualität, geringere Gewährleistungskosten <strong>und</strong> sie erreichen eine höhere<br />

K<strong>und</strong>enbindung. Familienfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>im</strong> Unternehmen führt darüber hinaus zu deutlich<br />

kürzeren Elternzeiten, einer höheren Rückkehrquote aus der Elternzeit, einer längeren<br />

<strong>Betrieb</strong>szugehörigkeit, einer geringeren Fehlzeitenquote <strong>und</strong> einer niedrigeren Eigenkündigungsrate.<br />

6. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage der Fachkräftesicherung<br />

Die gleichberechtigte Teilhabe <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> <strong>im</strong> Erwerbsleben <strong>und</strong> an Entscheidungsprozessen<br />

ist in Zeiten des demografischen Wandels ein wirtschaftliches Gebot.<br />

<strong>Gleichstellung</strong> ist deshalb ein Thema des Managements. Denn wenn die Menschen<br />

<strong>im</strong>mer älter werden, wenn der Nachwuchs fehlt <strong>und</strong> dadurch Fachkräfte knapp werden,<br />

dann sind <strong>Frauen</strong> für Unternehmen auf allen Hierarchie-Ebenen unentbehrlich. In Zukunft<br />

wählen sich qualifizierte Fachkräfte, egal ob <strong>Frauen</strong> oder Männer, den Arbeitgeber aus,<br />

bei dem sie ihre Vorstellungen <strong>von</strong> Familie <strong>und</strong> beruflicher Entwicklung leben können.<br />

7. <strong>Gleichstellung</strong> ermöglicht Beschäftigungssicherung<br />

<strong>Gleichstellung</strong> sichert auch die Beschäftigung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> ab. Denn heute werden <strong>Frauen</strong><br />

<strong>im</strong>mer noch zu oft bei der Weiterbildung, bei anspruchsvollen Aufgaben oder bei Teamleitungspositionen<br />

<strong>und</strong> ähnlichem einfach übersehen. So sinkt mit der Zeit ihre Beschäftigungsfähigkeit.<br />

Sie sind daher eher als Männer <strong>von</strong> Erwerbslosigkeit bedroht <strong>und</strong> können<br />

schlechter ihre Existenz absichern.<br />

8. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage der Vielfalt <strong>und</strong> Kreativität<br />

<strong>Frauen</strong> bringen andere Perspektiven <strong>und</strong> Fragestellungen in die Entwicklung neuer Produkte<br />

ein. Bisher werden hier große Marktchancen verpasst, weil die Schwerpunktsetzungen,<br />

Lebenswirklichkeiten <strong>und</strong> die Bedürfnisse <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>im</strong>mer noch zu wenig Beachtung<br />

finden.<br />

In der Präambel der <strong>Gleichstellung</strong>standards der Deutschen Forschungsgesellschaft<br />

(DFG) heißt es, dass die Qualität <strong>von</strong> Forschung da<strong>von</strong> abhängt, wie unterschiedliche<br />

Perspektiven einbezogen werden. Um möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen mit<br />

einzubeziehen, ist deshalb die Erhöhung des <strong>Frauen</strong>anteils notwendig. Was für die For-<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

schung <strong>und</strong> Entwicklung gilt, gilt auch für die Arbeit in anderen Unternehmensbereichen.<br />

9. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage der IG Metall<br />

Die IG Metall fördert als DGB-Gewerkschaft die <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong><br />

in den <strong>Betrieb</strong>en – <strong>und</strong> zwar sowohl auf b<strong>und</strong>espolitischer als auch europäischer <strong>und</strong> internationaler<br />

Ebene. Sie n<strong>im</strong>mt als weltweit größte Industriegewerkschaft maßgeblich Einfluss<br />

– auch auf betriebspolitisches Handeln in ihrem Organisationsbereich. Hintergr<strong>und</strong><br />

ist ein großes Netzwerk <strong>von</strong> Funktionärinnen <strong>und</strong> Funktionären sowie Expertinnen <strong>und</strong><br />

Experten in den Unternehmen, in der Politik <strong>und</strong> in der Wissenschaft. Die IG Metall gibt<br />

Impulse zur Förderung <strong>von</strong> Chancengleichheit, Entgeltgerechtigkeit <strong>und</strong> der Vereinbarkeit<br />

<strong>von</strong> Familie <strong>und</strong> Beruf. Als Industriegewerkschaft fördert sie aber auch einen betriebsinternen<br />

<strong>und</strong> gesamtgesellschaftlichen Kulturwandel hinsichtlich der <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong>. Tatsächliche Veränderungen in den Unternehmen werden wiederum<br />

maßgeblich <strong>von</strong> den <strong>Betrieb</strong>sräten vorangetrieben.<br />

10. <strong>Gleichstellung</strong> ist eine Frage der <strong>Betrieb</strong>sräte <strong>und</strong> Vertrauensleute<br />

Der <strong>Betrieb</strong>srat hat durch den Gesetzgeber 2001 den Auftrag erhalten, <strong>Gleichstellung</strong> mit<br />

seiner Arbeit explizit zu fördern. Je mehr <strong>Frauen</strong> in einem <strong>Betrieb</strong> beschäftigt sind, je höher<br />

die Qualifikation der Beschäftigten, je besser die Mitarbeiterbeteiligung <strong>und</strong> je stärker<br />

die Belegschaft gewerkschaftlich organisiert ist, desto mehr gleichstellungspolitische<br />

Maßnahmen gibt es in den <strong>Betrieb</strong>en. Das zeigt auch der internationale Vergleich. Die<br />

Initiative für gleichstellungspolitische Maßnahmen geht in der Regel <strong>von</strong> den <strong>Betrieb</strong>sräten<br />

aus. Aktivitäten, die Chancengleichheit fördern, sind in <strong>Betrieb</strong>en mit <strong>Betrieb</strong>srat deutlich<br />

häufiger als in Firmen ohne Mitarbeitervertretung. <strong>Betrieb</strong>sräte <strong>und</strong> Vertrauensleute stärken<br />

also die <strong>Gleichstellung</strong>.<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Wie kann man das Thema <strong>Gleichstellung</strong> praktisch angehen<br />

Das Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> anzugehen, bedeutet Umdenken <strong>und</strong> Veränderung. Es<br />

gibt sieben wesentliche Faktoren bzw. Schritte für den Erfolg <strong>von</strong> betrieblichen Projekten <strong>und</strong><br />

Maßnahmen, die ein solches Umdenken bzw. solche Veränderungen bewirken.<br />

1. Bestandsaufnahmen machen<br />

Es muss eine gute Analyse der betrieblichen Ausgangslage stattfinden, um zu sehen, wo<br />

mögliche Diskr<strong>im</strong>inierungen vorhanden sind bzw. wo es noch Defizite bei der realen <strong>Gleichstellung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> gibt. Ein gutes Instrument, um sich einen ersten<br />

Überblick zu verschaffen, ist der <strong>im</strong> Rahmen dieses Projekts entwickelte „<strong>Gleichstellung</strong>scheck“.<br />

Er erfragt zum einen, wie sich die Arbeitssituation <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong><br />

<strong>im</strong> Unternehmen gestaltet (allgemeine Beschäftigtengröße <strong>und</strong> -struktur, Arbeitszeitumfang,<br />

Altersstruktur, Qualifikationsniveau, atypische Beschäftigung, <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer in Führungspositionen,<br />

etc.). Zum anderen wird durch das Ausfüllen des Checks ein Überblick darüber<br />

geschaffen, ob bzw. wie in unterschiedlichen Bereichen der <strong>Betrieb</strong>spolitik <strong>und</strong> der <strong>Betrieb</strong>sratsarbeit<br />

das Thema <strong>Gleichstellung</strong> verankert ist bzw. verankert werden kann. Dies<br />

bietet eine gute erste Diskussionsgr<strong>und</strong>lage zum Thema. Um tiefer in die Thematik einzusteigen<br />

<strong>und</strong> um sich ein genaueres Bild über die Arbeitssituation <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong><br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

<strong>im</strong> Unternehmen zu verschaffen, sollte der <strong>Betrieb</strong>srat zudem <strong>von</strong> seinem Recht Gebrauch<br />

machen, Daten zur gleichstellungspolitischen Situation <strong>im</strong> Unternehmen be<strong>im</strong> Arbeitgeber<br />

anzufordern. Neben der Analyse solcher „statistischer Daten“ ist ein weiteres bewährtes<br />

Mittel die Umsetzung <strong>von</strong> Beschäftigtenbefragungen oder (Experten-)Interviews<br />

mit (weiblichen wie männlichen) Beschäftigten. Hierdurch kann sehr genau ermittelt werden,<br />

wie die Beschäftigten selbst die <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> <strong>im</strong> Unternehmen<br />

bewerten bzw. welches Bild sie vom Unternehmen bei diesem Thema haben.<br />

2. Bewertung bzw. Ziele klären<br />

Nach der Analyse folgt die Bewertung! Wo zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede/<br />

Benachteiligungen Was können die Gründe hierfür sein <strong>und</strong> wie können diese behoben<br />

werden Konkrete Ziele müssen hier festgelegt werden! Wichtig ist es, sich Ziele zu setzen,<br />

die realistisch sind. Dabei ist wichtig zu prüfen, wie viele Ressourcen zur Umsetzung (<strong>im</strong><br />

<strong>Betrieb</strong>srat/ <strong>im</strong> Unternehmen) vorhanden sind. Im Umsetzungsprozess muss kontinuierlich<br />

geprüft werden, was man erreicht hat <strong>und</strong> warum gegebenenfalls best<strong>im</strong>mte Ziele nicht umgesetzt<br />

werden konnten.<br />

3. Beteiligung organisieren<br />

Beteiligung schafft Ressourcen! Zudem wird das Know-How der betrieblichen Praktikerinnen<br />

<strong>und</strong> Praktiker eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> praxisnahe Wege gef<strong>und</strong>en. Deswegen sollte überlegt werden,<br />

wie <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> sinnvolle Arbeitsstrukturen zum Thema organisiert werden können. Eine<br />

bewährte Organisationsform (in größeren Unternehmen) ist eine „Arbeitsgruppe <strong>Gleichstellung</strong>“<br />

(5-8 Personen), die in ihrer Zusammensetzung ungefähr das Unternehmen widerspiegelt.<br />

Hier eingeb<strong>und</strong>en werden sollten die Personalabteilung, der <strong>Betrieb</strong>srat sowie Führungskräfte<br />

<strong>und</strong>/oder weibliche <strong>und</strong> männliche Beschäftigte aus unterschiedlichen Abteilungen/Bereichen<br />

des Unternehmens. Die Arbeitsgruppe bietet einerseits einen selbständigen<br />

Bereich, in dem Informationen kontinuierlich ausgetauscht werden können. Sie kann auch<br />

für die Nachhaltigkeit <strong>von</strong> Projekten sorgen (z.B. Umsetzung <strong>von</strong> vereinbarten Handlungsansätzen).<br />

Auch die Gründung eines eigenen betriebsratsinternen <strong>Gleichstellung</strong>sausschusses<br />

oder -arbeitskreises ist sinnvoll <strong>und</strong> hat sich in vielen Unternehmen in der Praxis<br />

bewährt. Er stärkt vor allem die Position <strong>und</strong> Handlungsfähigkeit des <strong>Betrieb</strong>srats zum Thema.<br />

Wichtig ist, dass <strong>im</strong> <strong>Gleichstellung</strong>sausschuss erfahrene Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen vertreten<br />

sind <strong>und</strong> dieser durch den <strong>Betrieb</strong>srat als Gesamtgremium unterstützt wird. In der Regel<br />

sollte der <strong>Gleichstellung</strong>sausschuss/ -arbeitskreis darauf bedacht sein, Verbündete auf<br />

der Seite des Personalmanagements zu finden.<br />

4. Arbeitsbedingungen geschlechtergerecht <strong>gestalten</strong><br />

Arbeitsbedingungen <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> zu <strong>gestalten</strong>, ist Kernaufgabe des <strong>Betrieb</strong>srats.<br />

Arbeitszeitgestaltung, Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz, Weiterbildung, Entgelt/<br />

Eingruppierung sowie die Sicherung einer guten Vereinbarkeit <strong>von</strong> Beruf <strong>und</strong> Privatleben<br />

sind Themen, bei denen der <strong>Betrieb</strong>srat Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte hat. Um die <strong>Gleichstellung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>im</strong> Unternehmen zu fördern, ist es wichtig, darauf zu achten die<br />

<strong>Gleichstellung</strong>sperspektive bei der Gestaltung dieser Themen <strong>im</strong>mer Blick zu haben <strong>und</strong><br />

zu prüfen, ob <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer gleichermaßen <strong>von</strong> best<strong>im</strong>mten Regelungen, die <strong>im</strong><br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Unternehmen/ vom <strong>Betrieb</strong>srat getroffen werden, profitieren bzw. ob diese sich<br />

unterschiedlich auf <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer auswirken. Auch kann <strong>und</strong> sollte überprüft werden,<br />

wie durch best<strong>im</strong>mte Maßnahmen, die <strong>Frauen</strong> fördern, mehr <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

hergestellt werden kann. Hierzu zählen z.B. flexiblere Arbeitszeitgestaltung (z.B. Teilzeit <strong>im</strong><br />

Schichtsystem, alternierende Telearbeit) oder Förderprogramme speziell für weibliche<br />

Beschäftigte (etwa Mentoring für Meisterinnen).<br />

5. Gerechte Teilhabe sichern<br />

<strong>Gleichstellung</strong> bedeutet auch gerechte Teilhabe zu sichern. Deshalb ist wichtig zu prüfen, ob<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer gleiches Entgelt für gleiche Arbeit erhalten, ob sie gleichsam an<br />

Weiterbildung teilnehmen, ob gleiche Aufstiegsmöglichkeiten für <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer<br />

bestehen usw. Wichtig ist auch in Erfahrung zu bringen, ob alle Beschäftigtengruppen bzw.<br />

Unternehmensbereiche dabei <strong>im</strong> Blick sind. So sollte etwa geprüft werden, ob auch un- <strong>und</strong><br />

angelernte Beschäftigte auf Handarbeitsplätzen (oftmals weibliche Beschäftigte) in der<br />

Weiterbildung berücksichtigt werden oder wie sich <strong>im</strong> Bereich Sekretariat/ Teamassistenz<br />

(ebenfalls eine <strong>Frauen</strong>domäne) die (finanziellen) Entwicklungsmöglichkeiten <strong>gestalten</strong>. Zeigt<br />

sich, dass es geschlechtsspezifische Defizite/ Benachteiligungen gibt, ist der nächste Schritt,<br />

diese zu beseitigen. Da dies in den meisten Fällen nicht <strong>von</strong> heute auf morgen möglich ist,<br />

sollten messbare Zwischenziele vereinbart werden, z.B. die Steigerung des Anteils <strong>von</strong><br />

<strong>Frauen</strong> in Führungspositionen in 2 Jahren auf XY % oder die Umsetzung mindestens einer<br />

Weiterbildung für alle un- <strong>und</strong> angelernten (weiblichen) Beschäftigten innerhalb eines Jahres.<br />

Werden konkrete Messzahlen vereinbart, ist es möglich Erfolg bzw. Misserfolg der Arbeit<br />

erkennbar <strong>und</strong> darstellbar zu machen bzw. konkrete Forderungen zu stellen.<br />

6. BR-Arbeit erweitern<br />

Unabhängig da<strong>von</strong>, wie sich die Arbeit zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> gestaltet, sollte<br />

der <strong>Betrieb</strong>srat <strong>im</strong> Zuge des Prozesses überlegen, wie er seine Arbeit zum Thema erweitern<br />

<strong>und</strong> langfristig ausbauen kann. Eine sinnvolle Maßnahme ist die Einrichtung eines eigenen<br />

BR-Ausschusses zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> oder die Integration des Themas in die<br />

Vertrauensleutearbeit.<br />

7. Gestaltungsmöglichkeiten erweitern<br />

Ziel des Veränderungsprozesses sollte sein, gemeinsam mit dem Arbeitgeber neue<br />

Regelungen <strong>und</strong> Maßnahmen zu vereinbaren, um die <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Männern</strong> <strong>im</strong> Unternehmen gezielt zu fördern bzw. weiter auszubauen. Dabei die<br />

Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern – über die <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong>sverfassungsgesetz<br />

festgeschriebenen Regelungen hinaus – ist am besten durch <strong>Betrieb</strong>svereinbarungen<br />

möglich. Diese Möglichkeit sollte der <strong>Betrieb</strong>srat aktiv nutzen.<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Gute Praxis aus dem Projekt<br />

Im Rahmen des Projektes „Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung<br />

der <strong>Frauen</strong>beschäftigung in industriellen Branchen“ konnten in den betrieblichen Beratungen<br />

zentrale Impulse gesetzt werden, die nun <strong>im</strong> Nachgang <strong>von</strong> den <strong>Betrieb</strong>sräten i.d.R. nachhaltig<br />

bearbeitet werden. Deutlich wurde, dass durch die Integration der <strong>Gleichstellung</strong>sperspektive<br />

in betriebspolitische Handlungsfelder innovative Denk- <strong>und</strong> Veränderungsansätze<br />

angestoßen wurden.<br />

Praxisbeispiel 1: Autohersteller<br />

Der Autohersteller hat gut 94.000 Beschäftigte <strong>und</strong> einen <strong>Frauen</strong>anteil <strong>von</strong> 15%. Es gibt einen<br />

<strong>Betrieb</strong>srat (kurz: BR) sowie einen Gesamtbetriebsrat (kurz: GBR) mit umfangreicher<br />

Erfahrung in der Mitbest<strong>im</strong>mung sowie vielen gleichstellungspolitischen Aktivitäten <strong>und</strong> Erfahrungen<br />

sowohl an den Standorten als auch übergreifend auf der Ebene des Gesamtbetriebsrates.<br />

Der GBR hat 2010 unter Beteiligung der Belegschaft eine Zukunftsstrategie erarbeitet. In<br />

diesem hat er sein Arbeitsprogramm, Gr<strong>und</strong>werte <strong>und</strong> Arbeitsziele benannt. Darin enthalten<br />

sind sechs zentrale Handlungsfelder, die für die Belegschaft bedeutsam sein werden: Mitbest<strong>im</strong>mung,<br />

Arbeit <strong>und</strong> Belegschaft, Tarif, Soziales, Beschäftigung <strong>und</strong> Region sowie Gesellschaft.<br />

Damit verknüpft <strong>und</strong> darin integriert ist die <strong>Gleichstellung</strong>spolitik. Diese Zukunftsstrategie<br />

ist die Gr<strong>und</strong>lage für die Arbeit <strong>im</strong> Konzern- <strong>und</strong> Gesamtbetriebsrat wie auch <strong>im</strong> BR vor<br />

Ort.<br />

Im Rahmen des Projekts wurde eine „<strong>Gleichstellung</strong>sbilanz“ zur „Zukunftsstrategie“ erstellt.<br />

Der <strong>Gleichstellung</strong>sauschuss <strong>im</strong> GBR, in dem Vertreterinnen <strong>und</strong> Vertreter aller Standorte<br />

eingeb<strong>und</strong>en sind, initiierte <strong>und</strong> begleitete die Arbeit. Durch die „<strong>Gleichstellung</strong>sbilanz“ wurden<br />

gleichstellungspolitische Ergebnisse <strong>und</strong> Erfolge an den einzelnen Standorten <strong>und</strong> unternehmensweit<br />

ermittelt <strong>und</strong> dargestellt. Zudem liefert die <strong>Gleichstellung</strong>sbilanz auch Impulse<br />

für die künftige gleichstellungspolitische Arbeit.<br />

Deutlich gemacht werden konnte, dass die betriebliche <strong>Gleichstellung</strong>spolitik <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Zukunftsstrategie in der Praxis aktiv <strong>und</strong> wirksam gewesen ist. Die Darstellung der Ergebnisse<br />

geschah unter drei Aspekten:<br />

1. Maßnahmen <strong>und</strong> Erfolge werden sichtbar gemacht („Das machen wir <strong>im</strong> Unternehmen“)<br />

2. Besonderheiten der einzelnen Standorte werden gezeigt („Das packen wir vor Ort an“).<br />

3. Entwicklungsperspektiven werden angesprochen („Das wollen wir künftig stärker angehen“)<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Praxisbeispiel 2: Unternehmen aus der Elektroindustrie<br />

Das Unternehmen hat r<strong>und</strong> 220 Beschäftigte. Es produziert u.a. Gerätestecker. R<strong>und</strong> 120<br />

der Beschäftigten sind in der Produktion tätig, da<strong>von</strong> sind 50% weiblich. Die weiblichen Beschäftigten<br />

arbeiten vorwiegend als un- <strong>und</strong> angelernte Arbeiterinnen. Der Altersdurchschnitt<br />

liegt bei r<strong>und</strong> 48 Jahren – damit wird die Nachfolgeplanung in nächster Zeit zunehmend bedeutsam.<br />

Das Unternehmen war bisher gleichstellungspolitisch noch nicht aktiv. Im Kontext eines Seminars<br />

des Ortsfrauenausschuss wurde der <strong>im</strong> Projekt erarbeitete <strong>Gleichstellung</strong>scheck<br />

ausgefüllt <strong>und</strong> es wurde festgestellt, dass es Diskussions- <strong>und</strong> Handlungsbedarf zum Thema<br />

<strong>im</strong> Unternehmen gibt.<br />

Ein Qualifizierungs-Workshop für das gesamte <strong>Betrieb</strong>sratsgremium wurde durchgeführt.<br />

Hier wurden einerseits die gleichstellungspolitischen Trends in der Elektroindustrie aufgezeigt<br />

<strong>und</strong> andererseits die konkrete Situation <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> reflektiert.<br />

Gemeinsam haben die Teilnehmenden Argumente für gleichstellungspolitische Aktivitäten <strong>im</strong><br />

<strong>Betrieb</strong> gesammelt <strong>und</strong> vor diesem Hintergr<strong>und</strong> Ansatzpunkte für Handlungsansätze zur<br />

Verbesserung der <strong>Gleichstellung</strong> diskutiert:<br />

Alternde Belegschaften <strong>und</strong> Qualifizierung: Die Beschäftigungschancen für un- <strong>und</strong> angelernte<br />

<strong>Frauen</strong> verbessern sich, wenn das Thema demografischer Wandel aktiv angegangen<br />

wird (Altersstrukturanalyse). Damit eng verknüpft steht das Thema Qualifizierung.<br />

Vereinbarkeit Beruf <strong>und</strong> Privatleben - insbesondere die Erhebung psychischer Belastungen<br />

<strong>und</strong> Flexible Arbeitszeit-Modelle (Rückkehr aus Elternzeit).<br />

Datengr<strong>und</strong>lage <strong>Gleichstellung</strong> – hier fehlen eine Reihe <strong>von</strong> Datengr<strong>und</strong>lagen, die durch<br />

einen <strong>Gleichstellung</strong>sbericht des Arbeitgebers geliefert werden sollen.<br />

Im Nachgang des Workshops hat der <strong>Betrieb</strong>srat die Impulse weiter diskutiert <strong>und</strong> beschlossen,<br />

sich auf zwei der Themen zu fokussieren: Den Qualifikationspass <strong>und</strong> den <strong>Gleichstellung</strong>sbericht.<br />

Durch den <strong>Gleichstellung</strong>sbericht will der <strong>Betrieb</strong>srat u.a. Informationen zu den<br />

Qualifikationsressourcen <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>im</strong> Unternehmen erhalten <strong>und</strong> damit die<br />

Weichen stellen für eine zukunftsorientierte Personalentwicklung für alle Beschäftigten, wie<br />

auch die Beschäftigungssicherung der un- <strong>und</strong> angelernten weiblichen Produktionsmitarbeiterinnen.<br />

Der Qualifikationspass (Q-Pass) soll als konkretes Instrument der Personalentwicklung umgesetzt<br />

werden. Ziel ist die umfassende Darstellung der Kompetenzen der Beschäftigten, die<br />

sie sowohl auf dem internen als auch externen Arbeitsmarkt nutzen können.<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Praxisbeispiel 3: IT-Unternehmen<br />

Das Unternehmen hat r<strong>und</strong> 660 Beschäftigte, da<strong>von</strong> 28% <strong>Frauen</strong>. Es gibt am Standort sowohl<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung als auch Produktion. In der Produktion sind <strong>Frauen</strong> überrepräsentiert<br />

(mehr als 50% <strong>Frauen</strong>anteil), in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung unterrepräsentiert<br />

(<strong>Frauen</strong>anteil 24%). Dies gibt erste Hinweise auf mögliche geschlechtsspezifische Differenzen<br />

<strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong>.<br />

Mit dem <strong>im</strong> Projekt erarbeiteten <strong>Gleichstellung</strong>scheck wurde bei einem Workshop mit dem<br />

<strong>Betrieb</strong>srat die gleichstellungspolitische Situation <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong> intensiv reflektiert. Folgende<br />

Punkte waren dabei u.a. auffällig:<br />

• Es gibt sehr differenzierte Daten <strong>im</strong> Personalinformationssystem (SAP), jedoch sind diese<br />

derzeit nicht unter dem Aspekt <strong>Gleichstellung</strong> ausgewertet<br />

• Es gibt zudem Daten zum Entgelt, die sind jedoch unzureichend<br />

• Es gibt einen Ethik-Kodex, in dem auch Diversity benannt wird, <strong>Gleichstellung</strong> ist jedoch<br />

derzeit kein Thema <strong>im</strong> <strong>Betrieb</strong><br />

• Das Unternehmen bemüht sich in individuellen Fällen um flexible Arbeitszeitmodelle. Dies<br />

hängt jedoch stark <strong>von</strong> den jeweiligen Führungskräften ab. Es gibt keine verbindlichen,<br />

transparenten Regelungen<br />

• Ein Problem ist damit die Rückkehr <strong>von</strong> Eltern aus der Elternzeit in Teilzeit sowie der<br />

Wechsel <strong>von</strong> Teilzeitarbeit auf Vollzeitarbeit. Hier wird punktuell Druck auf die Beschäftigten<br />

ausgeübt. Hintergr<strong>und</strong> ist die mangelnde Flexibilität <strong>im</strong> Schichtsystem<br />

• Es sind keine Personalentwicklungskonzepte erkennbar. Die Situation hat sich u.a. durch<br />

die Personalreduzierung in der Personalabteilung verstärkt. Es finden kaum professionelle<br />

Kurse intern statt. Oftmals ist eine starke Auslese bei der Teilnahme festzustellen<br />

Durch den <strong>Gleichstellung</strong>scheck wurde deutlich, dass es gleichstellungspolitische Defizite<br />

gibt, aber auch, dass dem <strong>Betrieb</strong>srat eine Reihe <strong>von</strong> Informationen zur Bewertung der<br />

<strong>Gleichstellung</strong>ssituation nicht vorliegt. Die Arbeitgeberseite soll hier nun stärker in die Pflicht<br />

genommen werden. Hierfür entwickelte der <strong>Betrieb</strong>srat gemeinsam mit den Projektmitarbeiterinnen<br />

einen Anforderungskatalog für einen <strong>Gleichstellung</strong>sbericht <strong>und</strong> leitete diesen an die<br />

Personalabteilung weiter. Enthalten sind hierin auch Fragen dazu, welche gleichstellungspolitischen<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Instrumente zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung der Fachkräftesituation<br />

umgesetzt werden sollen (u.a. auch Umsetzung <strong>von</strong> Maßnahmen zur Vereinbarkeit <strong>von</strong> Beruf<br />

<strong>und</strong> Familie).<br />

Praxisbeispiel 4: IT-Dienstleister<br />

Das Unternehmen bietet vorwiegend IT-Dienstleistungen an, hat knapp 5.500 Beschäftigte<br />

am Standort <strong>und</strong> einen <strong>Frauen</strong>anteil <strong>von</strong> 28%. Die Geschäftsführung verfolgt eine Diversity-<br />

Strategie, insbesondere vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass die Beschäftigten stark multikulturell zusammengesetzt<br />

sind.<br />

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Leitfaden zum Thema <strong>Gleichstellung</strong> <strong>und</strong> Demografie<br />

Der unternehmensweite <strong>Betrieb</strong>srat (kurz UBR) setzt sich für die <strong>Gleichstellung</strong> aller ein.<br />

<strong>Gleichstellung</strong> bedeutet hier: kein/e Mitarbeiter/-in darf aufgr<strong>und</strong> seines/ ihres Geschlechts,<br />

Alters, Arbeitszeitanteils, eines Schwerbehinderungsgrades etc. benachteiligt werden. Dafür<br />

ist auch der „Arbeitskreis Chancengleichheit“ aktiv.<br />

Wie die Unternehmenspolitik <strong>und</strong>-kultur in Bezug auf die <strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Männern</strong> wahrgenommen wird, hat der <strong>Betrieb</strong>srat <strong>im</strong> Rahmen des Projekts durch eine Beschäftigtenbefragung<br />

ermittelt. Folgende Themen standen dabei u.a. <strong>im</strong> Mittelpunkt:<br />

• Arbeitszeitregelungen<br />

• Vereinbarkeit <strong>von</strong> Beruf <strong>und</strong> Familie/ Privatleben<br />

• Personalentwicklung<br />

• Aufstiegsmöglichkeiten<br />

• Gehaltssystem<br />

Durch die zusätzliche Abfrage personenbezogener Daten wie Geschlecht, Alter, Abteilung,<br />

<strong>und</strong> Betreuungsaufgaben für Kinder/ pflegebedürftige Angehörige war eine differenzierte<br />

Auswertung der Antworten möglich, die auch unterschiedliche Wahrnehmungen <strong>und</strong> Bewertungen<br />

<strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> aufzeigt. So ergab die Befragung etwa:<br />

• Die Erholungszeit zwischen zeitintensiven großen Projekten gaben 52 % der befragten<br />

Beschäftigten als nicht ausreichend an – Männer sehen dies kritischer als <strong>Frauen</strong><br />

• Die Erwartung, Mehrst<strong>und</strong>en zu arbeiten, nehmen 63 % der Befragten wahr – hier äußern<br />

sich Männer ebenfalls kritischer<br />

• Beruf <strong>und</strong> Privatleben ist für 32 % der Beschäftigten schwer vereinbar, für 40 % ist das<br />

teilweise so – Männer sehen hier etwas mehr Probleme als <strong>Frauen</strong><br />

• 51 % der befragten Männer, aber „nur“ 40 % der befragten <strong>Frauen</strong> konnten in den letzten<br />

Jahren regelmäßig an Weiterbildungen teilnehmen<br />

• Die Aussage, dass alle Beschäftigten (TZ-Kräfte, <strong>Frauen</strong>, Eltern …) gleichermaßen in der<br />

Weiterbildung berücksichtigt werden, verneinten 10 % der befragten Männer <strong>und</strong> 27 %<br />

der befragten <strong>Frauen</strong><br />

• Keine Gleichbehandlung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> bei der Förderung der Fachkarrieren<br />

bzw. Managementpositionen sehen 44 % der <strong>Frauen</strong>, aber nur 6 % der befragten Männer<br />

• 44 % der befragten <strong>Frauen</strong>, aber nur 21 % der Männer halten das Gehaltssystem nicht für<br />

gerecht<br />

Die Befragung zeigte sehr deutlich, wo aus Sicht der Beschäftigten noch Defizite bei der<br />

<strong>Gleichstellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> liegen. Die Ergebnisse wurden als Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

weitere Arbeit des BR-Arbeitskreis Chancengleichheit aktiv genutzt. U.a. entwickelt dieser<br />

nun eine <strong>Betrieb</strong>svereinbarung zum Thema <strong>Gleichstellung</strong>. Diese soll eine Rahmenvereinbarung<br />

werden, mit drei BVen zu den Themen „Entlohnung“, „Weiterbildung“ <strong>und</strong><br />

„Vereinbarkeit Beruf <strong>und</strong> Familie“. Damit konkretisiert der <strong>Betrieb</strong>srat das Leitbild des Unternehmens<br />

<strong>und</strong> fordert eine nachhaltige Umsetzung ein.<br />

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