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Studienführer 2011 - 2012 - Hochschule für katholische ...

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Domkapellmeister<br />

Franz Xaver Haberl<br />

zum 100. Todestag<br />

Dr. Dieter Haberl<br />

Festvortrag am 22.11.2010<br />

Franz Xaver Haberl: Kirchenmusiker – Musikhistoriker<br />

– Kirchenmusikschulgründer<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Festgäste,<br />

vor 100 Jahren, am 5. September 1910, verstarb<br />

in Regensburg der bedeutende Priester,<br />

Kirchenmusiker und Wegbereiter der modernen<br />

Musikwissenschaft, Dr. Franz Xaver Haberl<br />

(1840–1910). Aus der glücklichen Verbindung<br />

von praktisch ausübendem Kirchenmusiker,<br />

editorisch wie literarisch produktivem Musikhistoriker<br />

und bestens ausgebildetem Priester<br />

entstand in seiner Person ein „Multitalent“, das<br />

so in unserer zunehmend spezialisierten Welt<br />

kaum noch anzutreffen ist. Wissenschaft und<br />

Pädagogik waren für ihn zwei Bereiche, die er als<br />

28<br />

Geschichte der HfKM<br />

Musikhistoriker und Kirchenmusikschuldirektor<br />

bestens zu vereinen wusste. Die beiden heute<br />

für viele unvereinbar erscheinenden Felder von<br />

Forschung und Lehre konnte er in seinem Lebenswerk<br />

nutzvoll verknüpfen. Als Regensburger<br />

Domkapellmeister leistete er Wesentliches zum<br />

Ausbau des Domchores, respektive der heute<br />

weltbekannten Regensburger Domspatzen. Seine<br />

Gesamtausgaben der Werke Palestrinas und<br />

Lassos bilden bis heute einen wichtigen Meilenstein<br />

für die wissenschaftliche Beschäftigung mit<br />

diesen beiden Meistern. Durch die Gründung<br />

der Kirchenmusikschule in Regensburg schuf<br />

er ab 1874 ein Zentrum, das sich seither um<br />

die Reform der <strong>katholische</strong>n Kirchenmusik und<br />

die Ausbildung von Kirchenmusikern verdient<br />

machte und noch heute als <strong>Hochschule</strong> für <strong>katholische</strong><br />

Kirchenmusik und Musikpädagogik besteht.<br />

Früh erkannte Haberl, dass Forschung und<br />

Lehre in diesen Bereichen in internationaler Zusammenarbeit<br />

erfolgen müssen, daher knüpfte<br />

er Kontakte in die meisten europäischen Länder<br />

und auch nach Übersee.<br />

Nachfolgender Vortrag möchte einen Überblick<br />

über die musikalische und wissenschaftliche<br />

Ausbildung Haberls sowie über sein Wirken im<br />

Bistum Passau und in der Diözese Regensburg<br />

geben. Abschließend soll die Frage nach der Aktualität<br />

und Wirkung seines Lebenswerkes erörtert<br />

werde<br />

Die Familiengeschichte des Priestermusikers<br />

Franz Xaver Haberl kann lückenlos bis in die zweite<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgt<br />

werden. Der Großvater Joseph Haberl (1782–<br />

1814) stammte aus Schönsee in der Oberpfalz<br />

und hatte als Schullehrer, Mesner und Chorregent<br />

in Luhe gewirkt. Der Vater Franz Xaver Haberl<br />

(1807–1851) wurde ebenfalls Schullehrer<br />

und Chorregent und setzte damit die Familientradition<br />

fort. Im Schuldienst ist er spätestens<br />

ab 1839 in Oberellenbach bei Mallersdorf in<br />

Niederbayern nachweisbar. Das kleine Kirchdorf<br />

Oberellenbach zählte damals 25 Häuser und hatte<br />

nur 150 Einwohner. Entsprechend gering fiel<br />

das Einkommen des Schullehrers aus. Franz Xaver<br />

Haberl senior war 1839 einer der schlechtest<br />

bezahlten Lehrer in ganz Niederbayern.<br />

Trotzdem heiratete der 31-jährige Lehrer am 5.<br />

Februar 1839 in der Heilig-Kreuz-Kirche in Oberellenbach<br />

die damals 21-jährige Cäcilia Bauer<br />

(1817–1892) aus Bogenhausen bei Rottenburg<br />

an der Laaber. Gut vierzehn Monate nach der<br />

Hochzeit kam in diesen auffällig ärmlichen Verhältnissen<br />

Franz Xaver Haberl junior am Sonntag,<br />

den 12. April 1840, abends um 8 Uhr auf die<br />

Welt und wurde – erst wenige Stunden alt – am<br />

folgenden Tag in der dreieinhalb Kilometer entfernt<br />

liegenden Pfarrei Westen getauft.<br />

Im Schulhaus in Oberellenbach, wo zugleich<br />

Schulzimmer und Lehrerwohnung untergebracht<br />

waren, wohnte Franz Xaver die ersten siebeneinhalb<br />

Jahre seines Lebens. Dieses Geburtshaus<br />

konnte dank der Unterlagen im Vermessungsamt<br />

Straubing von mir eindeutig lokalisiert<br />

werden. Hier lernte er laufen, sprechen, lesen,<br />

schreiben und sicher auch das Singen, denn als<br />

Einzelkind, das er geblieben ist, war die elterliche<br />

Erziehung und geistige Förderung ganz auf ihn<br />

konzentriert. Früh erkannte man die ausgeprägt<br />

musikalische Begabung des Sohnes und förderte<br />

diese nach Kräften. Neben dem Schulunterricht<br />

war der Vater nämlich auch für die Kirchenmusik<br />

in der Hl. Kreuzkirche in Oberellenbach zuständig<br />

und sah daher auch einen späteren kirchenmusikalischen<br />

Nutzen in der elementaren musikalischen<br />

Unterweisung seines Sohnes.<br />

Auch wenn der spätere Prälat Franz Xaver Haberl<br />

nur die ersten siebeneinhalb Jahre seines<br />

Lebens in Oberellenbach zugebracht hat, so<br />

scheint er doch diese Zeit bis zuletzt in bester<br />

Erinnerung behalten zu haben, denn in seinem<br />

Testament bedachte er 1910 nicht nur Verwandte<br />

und Patenkinder, sondern er vermachte der<br />

Kirchenstiftung seines Geburtsortes die damals<br />

ansehnliche Summe von mehr als 2000 Mark in<br />

Wertpapieren.<br />

Der Vater, um Verbesserung seiner existenziellen<br />

Grundlagen bemüht, wechselte im Jahr<br />

1847 als Lehrer und Chorregent in die Gemeinde<br />

Neuburg am Inn bei Passau. Die Schule und die<br />

Kirche waren in der Ortschaft Dommelstadl angesiedelt,<br />

direkt an der Straße, die von Schloss<br />

Neuburg nach Passau führt. Leider verstarb der<br />

Vater bereits 1851; Franz Xaver war damals erst<br />

zehn Jahre alt.<br />

In Neuburg-Dommelstadl und im benachbarten<br />

Vornbach erhielt der heranwachsende Knabe,<br />

wie er später seinem Biographen Arnold Hirtz<br />

(1843–1919) anvertraute, seinen ersten belegbaren<br />

Musikunterricht. Hirtz schrieb:<br />

„Im Jahre 1847 wurde sein Vater als Lehrer und<br />

Chordirigent nach Neuburg bei Passau versetzt.<br />

Hier erhielt der Knabe seinen ersten Unterricht<br />

in der Musik teils vom Vater, teils von dem Organisten<br />

einer benachbarten Klosterkirche und<br />

wurde dann als junger Student und Sopranist<br />

mit einer Freistelle in das bischöfliche Knaben-<br />

Seminar in Passau aufgenommen.“<br />

Der Organist der Klosterkirche in Vornbach war<br />

damals der ehemalige Klosterschullehrer Georg<br />

Hamel (1780–1859). Das Orgelspiel stand in Kloster<br />

Vornbach mit seiner 1732 von Johann Ignaz<br />

Egedacher (1675–1744) erbauten und heute<br />

als Denkmal geschützten, sowie mustergültig<br />

renovierten Barock-Orgel stets in hohem Ansehen.<br />

Unter den Organisten Mathias Crudeli alias<br />

Grausam (1713–1770) und Dionys Grotz (1748–<br />

1817) erlebte die Kirchenmusik hier ihre höchste<br />

Blüte. Grotz war höchstwahrscheinlich Schüler<br />

bei Michael Haydn (1737–1806) in Salzburg gewesen<br />

und blieb auch über die Säkularisation<br />

hinaus als Organist in Vornbach angestellt. Als<br />

Nachfolger und Schüler des bekannten Organisten<br />

Grotz war ab 1816 der Volksschullehrer<br />

Georg Hamel im Organistenamt tätig. Dieser Georg<br />

Hamel, der in einer Musikhandschrift aus der<br />

Vornbacher Kirche, dem sog. „Vornbacher Orgelbuch“,<br />

auch mit eigenen Orgelkompositionen<br />

und Kadenzen durch alle Tonarten aus dem Jahr<br />

1850 vertreten ist, darf neben der anfänglichen<br />

Unterweisung durch den Vater für die Jahre von<br />

1848 bis 1850 als Orgel- und Klavierlehrer des<br />

Knaben Franz Xaver gelten. Die frühe musikalische<br />

Ausbildung des jungen Haberl stand also<br />

zunächst in süddeutsch-österreichischer Tradition,<br />

die über seinen Lehrer Georg Hamel, der<br />

von Dionys Grotz unterrichtet worden war, bis<br />

auf dessen mutmaßlichen Lehrmeister Michael<br />

Haydn in Salzburg zurückverfolgt werden kann.<br />

An seinen alten Orgellehrer Hamel erinnerte<br />

sich Haberl noch ein Vierteljahrhundert später,<br />

als er 1875 den ersten Jahrgang seines Cäcilien-<br />

Kalenders zusammenstellte, recht lebhaft zurück.<br />

In dessen Einleitung schrieb er:<br />

29

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