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Macht Arbeit frei? - otium : Initiative zur Rehabilitierung von Muße ...

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<strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />

Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit<br />

Oliver Kloss<br />

Skulptur „<strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?“<br />

<strong>von</strong> Yigal Tumarkin im Abu Nabut Park in Tel Aviv-Yaffo


<strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />

Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit<br />

Oliver Kloss<br />

1. Mono- und polyzentrische Herrschaft im Altertum und der<br />

Wert der <strong>Arbeit</strong> ......................................................................... 3<br />

2. <strong>Arbeit</strong>smoral – die Religion des Kapitalismus? ........................... 4<br />

3. Das „Dogma der <strong>Arbeit</strong>“ als ideologisches Instrument der<br />

antikapitalistischen Bewegungen gegen den Fortschritt<br />

bewusster Aufklärung................................................................ 9<br />

4. Das „Recht auf <strong>Arbeit</strong>“ in der Planwirtschaft der DDR............... 12<br />

5. Zu John Maynard Keynes` „General theory“ ............................. 16<br />

6. Die Offensive der reaktionären Konter-Reformen ...................... 20<br />

7. „Beschäftigungsförderung“ in Leipzig ...................................... 23<br />

8. Nur die <strong>Macht</strong> der <strong>Arbeit</strong> macht <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong> ........................ 29<br />

Medienliste..................................................................................... 34<br />

2001 � http://www.<strong>otium</strong>-bremen.de/texte/kloss.pdf<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 1 �


<strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?<br />

Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit<br />

„Die Lobredner der <strong>Arbeit</strong>. — Bei der Verherrlichung der ‚<strong>Arbeit</strong>’, bei dem<br />

unermüdlichen Reden vom ‚Segen der <strong>Arbeit</strong>’ sehe ich denselben<br />

Hintergedanken, wie bei dem Lobe der gemeinnützigen unpersönlichen<br />

Handlungen: den der Furcht vor dem Individuellen. Im Grunde fühlt man jetzt,<br />

beim Anblick der <strong>Arbeit</strong> – man meint immer dabei jene harte <strong>Arbeit</strong> <strong>von</strong> früh bis<br />

spät –, dass eine solche <strong>Arbeit</strong> die beste Polizei ist, dass sie Jeden im Zaume hält<br />

und die Entwicklung der Vernunft, der Begehrlichkeit, des<br />

Unabhängigkeitsgelüstes kräftig zu hindern versteht. [...] So wird eine<br />

Gesellschaft, in welcher fortwährend hart gearbeitet wird, mehr Sicherheit<br />

haben: und die Sicherheit betet man jetzt als oberste Gottheit an. – Und nun!<br />

Entsetzen! Gerade der ‚<strong>Arbeit</strong>er’ ist g e f ä h r l i c h geworden! Es wimmelt <strong>von</strong><br />

‚gefährlichen Individuen’! Und hinter ihnen die Gefahr der Gefahren – d a s<br />

individuum!” 1 Friedrich Nietzsche – 1881<br />

„Die <strong>Arbeit</strong> zum Oberbegriff menschlicher Betätigung zu machen, ist eine<br />

asketische Ideologie […]” 2 Max Horkheimer – 1934<br />

Die erste Fassung dieses Textes erschien unter gleichem Titel in:<br />

Bernd Gehrke/ Wolfgang Rüddenklau (Hrsg.): Das war doch nicht unsere Alternative. Verlag<br />

Westfälisches Dampfboot, Münster, 1999, ISBN 3-89691-466-9, S. 362–383.<br />

Vorliegende Textfassung steht seit Anfang 2001 im Internet unter:<br />

http://www.<strong>otium</strong>-bremen.de/texte/kloss.pdf.<br />

Für die Aufnahme in die Autorenliste zwischen Kleist und Knigge danke ich dem Bremer Verein<br />

Otium e. V. – <strong>Initiative</strong> <strong>zur</strong> <strong>Rehabilitierung</strong> <strong>von</strong> Muße und Müßiggang.<br />

Einerseits hat der Text eine erfreuliche Resonanz erfahren, andererseits hat die politische Gefährdung des<br />

Kapitalismus durch die Konter-Reformen und deren weitere Entwertung <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong> zugenommen.<br />

Inzwischen ist der Text auch Zeitdokument: Er ist Jahre älter als jene für die SPD und ihre einst größte<br />

Errungenschaft, den bundesdeutschen Sozialstaat, katastrophale Rede <strong>von</strong> Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder <strong>zur</strong> „Agenda 2010“ (14. März 2003). Das Ziel, einen wachsenden Niedriglohn-Sektor mit<br />

Massenverarmung zu schaffen, wie es heute durch die Hartz-Gesetze verwirklicht ist, war dereinst <strong>von</strong><br />

rechten Sozialdemokraten noch nicht offen ausgesprochen worden. Der allgemeine <strong>Arbeit</strong>szwang ohne<br />

Zumutbarkeitsgrenzen für Erwerbslose war noch nicht zu befürchten, weder waren die Enteignung<br />

abhängig Beschäftigter <strong>von</strong> Versicherungsrechten oder die Senkung der <strong>Arbeit</strong>slosenhilfe unter<br />

Sozialhilfe-Niveau noch die folgenden massiven Mitglieder- und Stimmenverluste für die SPD absehbar.<br />

– Das hat mich nun im Jahre 2010 bewogen, den Text nur bezüglich der einzigen Reform, die zumindest<br />

für die Kinder seither eine Verbesserung gebracht hat, der letzten Rechtschreibreform, zu überarbeiten.<br />

1<br />

Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Hrsg. Giorgio Colli/<br />

Mazzino Montinari, dtv/ de Gruyter, München/ Berlin/ New York, 1988, [Fortan: KSA – Aus Texten<br />

Nietzsches werden sowohl die Schreibweise aus der Zeit vor der zweiten deutschen<br />

Rechtschreibreform <strong>von</strong> 1901 wie eventuelle Hervorhebungen in die Zitate übernommen.] KSA 3, S.<br />

154 (Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile, Drittes Buch, Art. 173).<br />

2<br />

Regius, Heinrich [Pseudonym <strong>von</strong> Max Horkheimer]: Dämmerung. Notizen in Deutschland, Oprecht &<br />

Helbling, Zürich, 1934, S. 181.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 2 �


Bedrohlich erheben sich klagende Stimmen und künden apokalyptisch: Der<br />

Gesellschaft geht die <strong>Arbeit</strong> aus! – Aber es kommt keine helle Freude auf. Was ist<br />

geschehen?<br />

Die Menschen spielten nicht Lotterie, wenn allein in der Erwerbsarbeit sie Erfüllung<br />

fänden. Wo sind sie, die das Dolcefarniente und das Dolce vita zu schätzen verstehen?<br />

– Jahrtausende galt die <strong>Arbeit</strong> 3 als <strong>von</strong> der Not erzwungene Mühsal. In der Bibel ist die<br />

<strong>Arbeit</strong> der Fluch Gottes, der quälend auf den aus dem Paradiese Vertriebenen lastet.<br />

Im griechischen Mythos sandte Zeus, um die Menschen für den <strong>von</strong> Prometheus<br />

begangenen Raub des Feuers zu strafen, die reizvolle Pandora. Aus ihrer Büchse<br />

kamen alle Übel außer der Hoffnung über die Menschen, darunter die Krankheiten<br />

und die beschwerliche <strong>Arbeit</strong>.<br />

Gewiss kannte das Altertum auch Tätigkeiten, die sich nicht der Not und dem<br />

Zwang schuldeten, doch galten diese weder als Sklaven- noch als Lohnarbeit. Der<br />

Muße und Feier gewogen, wurde solches Tun in der Antike klar <strong>von</strong> der <strong>Arbeit</strong><br />

getrennt.<br />

1. Mono- und polyzentrische Herrschaft im Altertum und der Wert<br />

der <strong>Arbeit</strong><br />

Mit machtvollen Monumentalbauten, deren Bau sie staatlich organisierten 4<br />

,<br />

schmücken sich monozentrische Despotien. Wo Gottkönige wie Cheops und<br />

Chephren sich eine Totenstätte errichteten, galt das Leben der Fronarbeiter und<br />

Sklaven wenig. Sklaven drohte die Kürzung der Wasserration, Meuterer wurden<br />

gepfählt. Etwa fünf Millionen Menschen sollen in der zweiten Hälfte des dritten<br />

Jahrtausends v. u. Z. ihr Leben bei der Bauarbeit an den beiden Pyramiden verloren<br />

haben. „Nicht <strong>von</strong> ungefähr bedeutet die Hieroglyphe für ‚Pyramide‘ gleichzeitig auch<br />

‚Leichenberg‘.” 5<br />

Wo jedoch die aristokratischen und demokratischen Kräfte es dem Staate versagten,<br />

unkontrollierte <strong>Macht</strong> über die Gesellschaft auszuüben, wie z. B. in Griechenland und<br />

3<br />

„<strong>Arbeit</strong>“, mittelhochdeutsch „arebeit“, stand für Not und Mühsal. Im Russischen leitet sich „rabot“<br />

<strong>von</strong> „rab“, dem Sklaven, her; auch der Begriff „Roboter“ wurde nach dieser Wurzel gebildet.<br />

4<br />

Vgl. Wittfogel, Karl August: Die Orientalische Despotie. Eine vergleichende Untersuchung totaler<br />

<strong>Macht</strong>. Kiepenheuer & Witsch, Berlin/ Köln, [Erstauflage in den USA 1957] 1962, S. 70–84.<br />

5<br />

Sträuli, Robert: „Wie teuer waren die Pyramiden?“, in: Museion 2000. Spezial I (1996), Zürich, ABZ, S.<br />

6–15, S. 11.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 3 �


Rom vor den Eroberungen Alexanders 6 , vermochte sogar das Sklavendasein Freuden<br />

zu bieten.<br />

Zu keiner Zeit wurde so viel gefeiert, war der Müßiggang so ausschweifend, wie in<br />

Rom um die Zeitenwende vor 2000 Jahren.<br />

„In der Tat verfügte der Römer, gleichgültig welchen Standes, über sehr viel<br />

Freizeit, in der Regel nämlich 17 oder 18 Stunden pro Tag. Da es zusätzlich eine<br />

schier unglaubliche Anzahl Festtage in Rom gab, lag die durchschnittliche<br />

<strong>Arbeit</strong>szeit in der Woche deutlich unter 30 Stunden, also weit unter dem, was<br />

heute in den Industriestaaten gearbeitet und als nicht zu unterschreitendes<br />

Mindestmaß angenommen wird.” 7<br />

Fast 200 Tage pro Jahr waren auch für Sklaven arbeits<strong>frei</strong> und dienten dem<br />

Vergnügen.<br />

„Trotz dieser ‚Freizeitmöglichkeiten’ gedieh die römische Wirtschaft gerade in<br />

dieser Epoche kurz vor und nach dem Jahre 0. Das ‚Bruttosozialprodukt’ lag<br />

respektabel hoch. Immer wieder überraschend und willkürlich wurden Feiertage<br />

eingeschoben, an denen man Volksbelustigungen veranstaltete.” 8<br />

In allen Zeiten gab es jedoch eine Minderheit, die ihr Einkommen dem dankte, was<br />

sie ohnehin mit Vergnügen erfüllte. Sie war „fast ausschließlich in den <strong>frei</strong>en Berufen,<br />

bei Gelehrten oder in der Politik zu finden […] So mochte sich Plinius der Ältere kaum<br />

in seiner Schreib- und Gedankenarbeit einschränken.” 9<br />

2. <strong>Arbeit</strong>smoral – die Religion des Kapitalismus?<br />

Erst in der Reformation wurde die Not der <strong>Arbeit</strong> allgemein <strong>zur</strong> Tugend gewendet,<br />

die <strong>Arbeit</strong> mit einer religiösen Gloriole umwölbt. 10 Kaum waren die Gläubigen dem<br />

katholischen Kontrollsystem der individuellen Gewissensbeichte entronnen, sollte die<br />

<strong>Arbeit</strong> den Kontrollverlust kompensieren.<br />

6<br />

Vgl. Wittfogel, Karl August: Die orientalische Despotie, a. a. O., S. 268–273.<br />

7<br />

Altendorf, Wolfgang: „35-Stunden-Woche. Bereits in der Antike ein alter Hut“, in: Das Parlament Nr.<br />

13, 20. März 1992, S. 21.<br />

8<br />

Ebenda.<br />

9<br />

Ebenda.<br />

10<br />

Im Christentum genoss die <strong>Arbeit</strong> zwar schon vor der Reformation Wertschätzung, doch blieb die<br />

moralische Überhöhung mit den asketischen Idealen des Mönchtums verbunden und gewann kaum<br />

allgemeine Bedeutung.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 4 �


Der Adel enthielt sich der Tugenden der Bürger und Bauern. Die Edlen wussten ihr<br />

Otium weiterhin zu schätzen.<br />

Mit dem Siege des Kapitalismus und der repräsentativen Demokratie büßte die<br />

religiöse Moral ihre Bindekraft ein. Karl Marx fasste den Prozess des Wertewandels<br />

1848 im „Kommunistischen Manifest”, die Permanenz bürgerlicher Revolution<br />

preisend, emphatisch in die Worte:<br />

„Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also<br />

die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse<br />

fortwährend zu revolutionieren. […] Alles Ständische und Stehende verdampft,<br />

alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre<br />

Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen<br />

anzusehen." 11<br />

Nüchternen Auges blickte Marx auf die <strong>Arbeit</strong> und sah sie als Notdurft, als<br />

Existenzbedingung des Menschen im Prozess zwischen Mensch und Natur. Die<br />

<strong>Arbeit</strong>smittel galten ihm als Gradmesser der Entwicklung menschlicher <strong>Arbeit</strong>skraft<br />

zum Zwecke der Naturbeherrschung. Der Kampf der <strong>Arbeit</strong>er um Verkürzung der<br />

<strong>Arbeit</strong>szeit findet ausführliche Würdigung im „Kapital” 12<br />

. Nach revolutionärer<br />

Überwindung des Kapitalismus glaubte Marx unter der Herrschaft der Produzenten ein<br />

Ende der Lohnarbeit vollbracht:<br />

„Einmal die <strong>Arbeit</strong> emanzipiert, so wird jeder Mensch ein <strong>Arbeit</strong>er, und<br />

produktive <strong>Arbeit</strong> hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein.” 13<br />

Ernüchterten Auges blickte Marx` Schwiegersohn, der französische Sozialist Paul<br />

Lafargue, auf die <strong>zur</strong>ückgewandte Forderung der Pariser Februar-Revolution <strong>von</strong> 1848.<br />

Die <strong>Arbeit</strong>er hatten ein „Recht auf <strong>Arbeit</strong>” proklamiert. Lafargue setzte diesem 1880<br />

sein „Recht auf Faulheit” als humorvolle Widerlegung entgegen.<br />

Ihm ging es nicht um die „Emanzipation der <strong>Arbeit</strong>”, sondern um die weitgehende<br />

Be<strong>frei</strong>ung aller Menschen <strong>von</strong> der <strong>Arbeit</strong>. Das Werk hebt mit den Worten an:<br />

„Eine seltsame Sucht beherrscht die <strong>Arbeit</strong>erklasse aller Länder, in denen die<br />

kapitalistische Zivilisation herrscht. Diese Sucht, die Einzel- und Massenelend<br />

<strong>zur</strong> Folge hat, quält die traurige Menschheit seit zwei Jahrhunderten. Diese<br />

Sucht ist die Liebe <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> […]. Statt gegen diese geistige Verirrung<br />

11<br />

Marx, Karl: Kommunistisches Manifest, in: Karl Marx /Friedrich Engels: Ausgewählte Schriften in zwei<br />

Bänden, Bd. I, Dietz, Berlin (Ost) 1971, S. 29.<br />

12<br />

Vgl. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Dietz, Berlin (Ost), I. Bd., 8. Kapitel,<br />

Unterpunkte 8. 6 und 8. 7, S. 294 ff.<br />

13<br />

Marx, Karl: Der Bürgerkrieg in Frankreich. In: Marx-Engels-Werke (MEW), Dietz, Berlin (Ost), 1956-<br />

1989, Bd. 17, S. 342.<br />

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anzukämpfen, haben die Priester, die Ökonomen und die Moralisten die <strong>Arbeit</strong><br />

heilig gesprochen. […] schwache und unwürdige Geschöpfe, haben das, was<br />

ihr Gott verflucht hat, wiederum zu Ehren zu bringen gesucht.” 14<br />

Lafargue stellt Fragen anhaltender Aktualität:<br />

„Und <strong>zur</strong> selben Zeit, wo […] die Produktivität der Maschine <strong>von</strong> Tag zu Tag<br />

wächst, wollen uns die Ökonomen […] die Religion der Enthaltsamkeit und das<br />

Dogma der <strong>Arbeit</strong> predigen?” 15<br />

Das „Dogma der <strong>Arbeit</strong>”, flankiert <strong>von</strong> der „Religion der Enthaltsamkeit” für die<br />

unteren Klassen, wird angesichts steigender Produktivität als die Ideologie eines<br />

konservativen Bürgertums entlarvt. Es hat seine revolutionäre Phase hinter sich<br />

gelassen und verteidigt nun seinerseits mittels Religion seinen Status in der<br />

strategischen Situation der Gesellschaft. Die Verinnerlichung des „Rechtes auf <strong>Arbeit</strong>”<br />

führt die <strong>Arbeit</strong>er in die Sklavenmoral 16<br />

, die vom Ressentiment getrieben auf Rache<br />

sinnt:<br />

„Das Proletariat proklamierte die Parole: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht<br />

essen.” „Die Proletarier haben sich in den Kopf gesetzt, den Kapitalisten zehn<br />

Stunden Schmiede oder Raffinerie aufzuerlegen – das ist der große Fehler, die<br />

Ursache der sozialen Gegensätze und der Bürgerkriege. Nicht auferlegen,<br />

verbieten muss man die <strong>Arbeit</strong>.” 17<br />

Lafargues großmütige Alternative:<br />

„Einmal überzeugt, dass man ihnen durchaus nichts Übles antun, sondern sie<br />

nur <strong>von</strong> der <strong>Arbeit</strong>, Überkonsumenten und Verschleuderer sein zu müssen,<br />

be<strong>frei</strong>en will, werden die Kapitalisten und Rentiers die ersten sein, die sich <strong>zur</strong><br />

Partei des Volkes schlagen.” 18<br />

In bemerkenswerter Nähe zu Friedrich Nietzsche unterzieht Lafargue die <strong>Arbeit</strong>, die<br />

das gute Gewissen auf ihrer Seite hat 19 , der Moralkritik. Beide Denker verhöhnen den<br />

naiven Fortschrittsglauben 20<br />

, verlachen jede naiv-gläubige Geschichtsteleologie, halten<br />

jedoch den bewussten Fortschritt und die bewusste Aufklärung für möglich. Wenn die<br />

Menschen sich mit nüchternen Augen in der strategischen Situation der Gesellschaft<br />

14<br />

Lafargue, Paul: Das Recht auf Faulheit. Widerlegung des „Rechts auf <strong>Arbeit</strong>” <strong>von</strong> 1848. In: Das Recht<br />

auf Faulheit und andere Satiren. Stattbuch, Berlin, 1991, S. 10.<br />

15<br />

Ebenda, S. 29.<br />

16<br />

Vgl. ebenda, S. 15: „Sklaven nur sind einer solchen Erniedrigung fähig.”<br />

17<br />

Ebenda, S. 43.<br />

18<br />

Ebenda, S. 44.<br />

19<br />

Nietzsche, Friedrich: KSA 3, S. 557, FW, IV, 329.<br />

20<br />

Vgl. Lafargue, Paul: Das Recht auf Faulheit ..., a. a. O., S. 17: „ekelerregende Loblieder auf den Gott<br />

Fortschritt, den ältesten Sohn der <strong>Arbeit</strong>”.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 6 �


zu betrachten und ihre <strong>Macht</strong> klug einzusetzen lernen, können sie „mit Bewusstsein<br />

beschließen, sich zu einer neuen Cultur fortzuentwickeln”, die „Erde als Ganzes<br />

ökonomisch verwalten, die Kräfte der Menschen überhaupt gegen einander abwägen<br />

und einsetzen". 21<br />

Lafargue schätzt die Faulheit als „Mutter der Künste und der edlen<br />

Tugenden”, seine Forderung zielt auf die gesetzliche Herabsetzung der <strong>Arbeit</strong> für alle<br />

auf drei Stunden pro Tag. Vorbild ist ihm England, das erste Industrieland der Welt,<br />

wo eine aristokratische Regierung immerhin wenigstens den Zehnstundentag<br />

gesetzlich eingeführt hatte 22<br />

.<br />

Gemeinsam ist Nietzsche und Lafargue, dass sie das Otium der Edlen 23<br />

als<br />

erstrebenswert erachten und erkennen, dass <strong>Arbeit</strong>smoral 24 , welche die Not der <strong>Arbeit</strong><br />

<strong>zur</strong> Tugend löge, im Kampfe um die Verbesserung der Lebensbedingungen der<br />

<strong>Arbeit</strong>er nie mehr als hinderlich sein könne. Im Lobe der <strong>Arbeit</strong> <strong>von</strong> seiten der<br />

Herrschenden sehen sie das ordnungspolitische Motiv, das sich aus der Furcht vor<br />

individualistischem Wertewandel speist.<br />

Der marxistische Ansatz wird durch Lafargue radikal <strong>von</strong> hegelschen und<br />

rousseauschen Implikationen be<strong>frei</strong>t, mithin der entschlossene Weg in bewussten<br />

Reformismus eröffnet, der die Chancen der Gegenwart nicht hinterschreitet: Die<br />

Fixierung auf eine eskalierende Verschärfung des Klassenkampfes und die historische<br />

Notwendigkeit einer Revolution entfällt. Undramatisch zeichnet Lafargue den Weg in<br />

eine „kommunistische Gesellschaft”: „wenn es geht friedlich, wenn nicht, mit<br />

Gewalt”! 25<br />

Die Umwertung der Werte: Billiger Fleiß in der Erwerbsarbeit schafft<br />

Überproduktionskrisen, also verschulden jene ihre Not, die ihre <strong>Arbeit</strong> nicht teuer<br />

verkaufen:<br />

„Solange die <strong>Arbeit</strong>skräfte ihre Dienste billig anbieten, wendet man sie im<br />

Übermaße an; werden sie teurer, so sucht man sie zu sparen.” 26<br />

Um effektiv auf die Preisbildung ihrer <strong>Arbeit</strong> Einfluss nehmen zu können, müssen<br />

sich <strong>Arbeit</strong>er organisieren, um ihre <strong>Macht</strong> zu bündeln. Bar des Glaubens an das<br />

Dogma der <strong>Arbeit</strong> und der Enthaltsamkeit gelänge es den <strong>Arbeit</strong>ern, den Preis der<br />

<strong>Arbeit</strong> zu steigern, Innovationen der <strong>Arbeit</strong>smittel zu stimulieren:<br />

21<br />

Nietzsche, Friedrich: KSA 2, S. 45, MA I, 24.<br />

22<br />

Vgl. Lafargue, Paul: Das Recht auf Faulheit ..., a. a. O., S. 39.<br />

23<br />

Vgl. Nietzsche, Friedrich: KSA 3, S. 408 f., FW 42; KSA 11, S. 224, NF Sommer–Herbst 1884, 26<br />

[281].<br />

24<br />

Auch Russell galt die <strong>Arbeit</strong>smoral ausdrücklich als „Sklavenmoral”, die der neuzeitlichen Welt<br />

unangemessen sei. Vgl. Russell, Bertrand: Lob des Müßiggangs. Wien/ Hamburg 1957.<br />

25<br />

Lafargue, Paul: Das Recht auf Faulheit ..., a. a. O., S. 8.<br />

26<br />

Ebenda, S. 40.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 7 �


„Um die Kapitalisten zu zwingen, ihre Maschinen <strong>von</strong> Holz und Eisen zu<br />

vervollkommnen, muss man die Löhne der Maschinen <strong>von</strong> Fleisch und Bein<br />

erhöhen und die <strong>Arbeit</strong>szeit derselben verringern.” 27<br />

Die Steigerung des allgemeinen Wohlstandes und die Verhinderung <strong>von</strong> Krisen liegt<br />

für Lafargue in der Verantwortung der <strong>Arbeit</strong>er. <strong>Arbeit</strong>slosigkeit wird als<br />

Verteilungsproblem erkannt:<br />

„Was die <strong>Arbeit</strong>er, verdummt durch ihr Laster, nicht einsehen wollen: man<br />

muss, um <strong>Arbeit</strong> für alle zu haben, sie rationieren wie Wasser auf einem Schiff<br />

in Not.” 28<br />

Eduard Bernstein gab 1884 die deutsche Ausgabe „Des Rechtes auf Faulheit” ohne<br />

eine Nennung seines Namens als Übersetzer in Zürich heraus. 1890 brachte Bernstein<br />

in seinen Artikeln in „Der Neuen Zeit” empirische Einwände gegen die marxistische<br />

Prognose einer zunehmenden proletarischen Verelendung vor. Seither war die Frage,<br />

ob der Kapitalismus notwendig seinen eigenen Zusammenbruch bewirke, ins Zentrum<br />

der Sozialismus-Diskussion gerückt. 29<br />

Der marxistische Anspruch objektiver<br />

ökonomischer Prognostik mit dem „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate” 30<br />

und damit die Notwendigkeit der Revolution gerieten in Zweifel.<br />

Wenn Gewerkschaften den Wert der <strong>Arbeit</strong> in marktförmiger Wirtschaft zu steigern<br />

vermögen und dieses Streben sich der Hebung des allgemeinen Wohlstandes<br />

innerhalb des Kapitalismus dienlich erweist, gelangt Marx` analytischer Irrtum in den<br />

Blick, Demokratie nur als juristisch-politische Form kapitalistischer Ausbeutung zu<br />

verstehen. Bernstein bemerkt 1902:<br />

„In dem Masse, wie die <strong>Arbeit</strong>erclasse heranreift, wird die Demokratie aus<br />

einem blossen Mittel ihrer Vorbereitung für die sociale Revolution, als welches<br />

Kautsky sie anerkennt, zum machtvollen Faktor ununterbrochenen socialen<br />

Fortschritts.” 31<br />

Zur Frage, ob die <strong>Arbeit</strong>smoral die Religion des Kapitalismus sei, ließe sich sagen:<br />

Die <strong>Arbeit</strong>smoral, die <strong>zur</strong> Tugend gelogene Not der <strong>Arbeit</strong>enden, kann nur unter<br />

27<br />

Ebenda, S. 40.<br />

28<br />

Ebenda, S. 38.<br />

29<br />

Vgl. Grossmann, Henryk: Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen<br />

Systems. (Schriften des Instituts für Sozialforschung an der Universität Frankfurt am Main ; Bd. 1) C. L.<br />

Hirschfeld, Leipzig, 1929. – Dieser erste Band der Schriften des Frankfurter Instituts für<br />

Sozialforschung beginnt mit einer Analyse der zu diesem Problem vorliegenden Literatur.<br />

30<br />

Siehe Elsenhans, Hartmut: „Lohnerhöhungen. Wachstumschance für den Kapitalismus. Eine Kritik am<br />

Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“, in: Forum DS. Zeitschrift für Theorie und Praxis des<br />

demokratischen Sozialismus. 1. Jg., Heft 2 (1976), S. 78–133.<br />

31<br />

Bernstein, Eduard: „Die neueste Prognose der socialen Revolution“, in: Socialistische Monatshefte.<br />

Internationale Revue des Socialismus, Hrsg. J. Bloch, Berlin, VI. Jahrgang No. 8, August 1902, S. 584–<br />

598, S. 589.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 8 �


Bedingungen annähernder Vollbeschäftigung überwunden werden. In dem Maße, wie<br />

die abhängig Beschäftigten sich des Funktionsmechanismus <strong>von</strong> Kapitalismus bewusst<br />

werden, wird auch die <strong>Arbeit</strong> ihres ideologischen Schleiers entkleidet.<br />

Entgegen der Befürchtung Lafargues ist <strong>Arbeit</strong>smoral nicht notwendig die Religion<br />

des Kapitalismus, denn in einem funktionierenden Kapitalismus mit zunehmender<br />

<strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung verlöre auch dieser Glaube seine Glaubwürdigkeit.<br />

3. Das „Dogma der <strong>Arbeit</strong>“ als ideologisches Instrument der<br />

antikapitalistischen Bewegungen gegen den Fortschritt bewusster<br />

Aufklärung<br />

Mit der Russischen Oktoberrevolution 1917 trat ein nicht nur erklärungsbedürftiges,<br />

sondern für Marxisten, die auf Weltrevolution setzten, überaus theoriewidriges<br />

Faktum in die Weltgeschichte. Ein jeglicher, wie auch immer akzentuierter Marxismus<br />

kam fortan nicht umhin, sich wertend auf diese „sozialistische Revolution” in einem<br />

ökonomisch rückständigen Lande beziehen zu müssen. Durch die kommunistischen<br />

Parteien wurde nach der <strong>Macht</strong>übernahme in der Sowjetunion die westliche<br />

<strong>Arbeit</strong>erbewegung nachhaltig geschwächt, denn das gewaltbejahende Modell spaltete<br />

die <strong>Arbeit</strong>erbewegung und einte ihre Gegner.<br />

Die deutsche Revolution 1918/19 ist <strong>von</strong> Anbeginn vom Problem Sowjetunion<br />

überschattet. Anfang 1919 vereinigt „Das Ziel” u. a. Beträge <strong>von</strong> Alfons Goldschmidt<br />

und Walther Rilla zu Lenins „Staat und Revolution”: Während Goldschmidt bekennt:<br />

„Hier ist das Ziel” 32<br />

. – „Es muß, als Voraussetzung, vorerst festgestellt werden: nicht<br />

der vollkommene Staat, der vollkommene M e n s c h ist Endziel.” 33 , erklärt hingegen<br />

Rilla, „der Staat hat dem Menschen nur die ungehemmte Möglichkeit zu solcher<br />

Entwicklung zu geben – ihre Verwirklichung muß der <strong>Initiative</strong>, der seelischen<br />

Vehemenz des einzelnen überlassen bleiben.” 34<br />

Bezüglich Lenins bemerkt Rilla: „Man argumentiert verbrecherisch – denn für die<br />

Gewißheit tatsächlicher Verruchtheit tauscht man nichts als die Gewißheit einer<br />

32<br />

Goldschmidt, Alfons: „Der Weg“, in: Das Ziel. Jahrbücher für geistige Politik, hrsg. <strong>von</strong> Kurt Hiller,<br />

Jahrbuch III, Kurt Wolff Verlag Leipzig, 1. Halbband 1919, S. 84–89, S. 87.<br />

33<br />

Rilla, Walther: „Der Irrtum Lenin´s“, in: Das Ziel. Jahrbücher für geistige Politik, hrsg. <strong>von</strong> Kurt Hiller,<br />

Jahrbuch III, Kurt Wolff Verlag Leipzig, 1. Halbband 1919, S. 63–69, S. 63 (Hervorhebung <strong>von</strong> W.<br />

Rilla.).<br />

34<br />

Ebenda, S. 64.<br />

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ebensolchen Verruchtheit ein mit dem vagen, völlig bedeutungslosen Plus eines<br />

‚Vielleicht – aber wissen kann ich es nicht'.” 35<br />

Nicht nur Kommunisten, auch die Vertreter der später Frankfurter Schule genannten<br />

klassischen Kritischen Theorie, erlebten die Gründung der Weimarer Republik als<br />

Niederlage der <strong>Arbeit</strong>erbewegung.<br />

Der Erste Weltkrieg wurde nicht machtanalytisch als riskantes Spiel des Ancien<br />

Régime in Mitteleuropa, das um seinen Bestand fürchtete, verstanden – weit eher als<br />

Phänomen des krisenhaften Kapitalismus. Im Jahre 1938 schreibt Horkheimer:<br />

„Noch das äußerste Entsetzen heute hat seinen Ursprung nicht 1933, sondern<br />

1919 in der Erschießung <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>ern und Intellektuellen durch die feudalen<br />

Helfershelfer der ersten Republik.” 36<br />

Die Beteiligung <strong>von</strong> Sozialdemokraten an der Niederschlagung der Revolution ließ<br />

diese als gescheiterte sozialistische und kaum als demokratisch-republikanische <strong>von</strong><br />

den linken Kräften erlebt werden, obwohl das Erreichte bedeutsam war.<br />

1918 wurde in der Sowjetunion der Subbotnik, die Samstagsarbeit, eingeführt und<br />

die Verbannten wurden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Die Mehrheit der Bevölkerung<br />

musste an großen Bauprojekten mitwirken, deren sich das Land zu jener Zeit rühmte<br />

wie im Altertum die tributären Despotien ihrer Pyramiden oder chinesischen Mauer.<br />

Noch war die Mumifizierung der „Führer der <strong>Arbeit</strong>erklasse” nicht abzusehen. Das<br />

Dogma der <strong>Arbeit</strong> wurde gewaltsam 37<br />

gefestigt. Die „Erziehung durch <strong>Arbeit</strong>” und die<br />

Vernichtung <strong>von</strong> Menschen durch <strong>Arbeit</strong> im GULag wurden Mittel despotischer Politik.<br />

Der Satz „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen” geriet als Bibel-Zitat in die<br />

Verfassung. 38 Vorbildliche Konforme wurden als „Helden der <strong>Arbeit</strong>” geehrt.<br />

Die UdSSR stellte nur die Abschaffung des Kapitalismus samt seiner<br />

Errungenschaften, des „divide et impera” <strong>von</strong> „unten”, der Nutzung des Marktes als<br />

Instrument <strong>zur</strong> Kontrolle der Privilegierten dar:<br />

„Konkurrenz im Kapitalismus hat als Konsequenz, dass die Privilegierten<br />

Mehrprodukt nur in dem Umfang aneignen können, wie insgesamt<br />

35<br />

Ebenda, S. 67.<br />

36<br />

Horkheimer, Max: Die Philosophie der absoluten Konzentration. Gesammelte Schriften, Bd. 4,<br />

Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1988, S. 303 f.<br />

37<br />

Vgl. Bolschaja Sowjetskaja Enzyklopädia [Große Sowjetische Enzyklopädie]. Art. „Prinuschdneje”<br />

[Zwang], 2. Aufl., Bd. 34, S. 529: „Im sozialistischen Staat wird Zwang gegenüber einer Minderheit<br />

angewendet, um im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft die sozialistische<br />

Rechtsordnung sowie die Disziplin und Organisiertheit, die für die erfolgreiche Errichtung des<br />

Kommunismus erforderlich sind, zu gewährleisten. Er wird <strong>von</strong> der Mehrheit der Gesellschaft<br />

unterstützt und ist durch die strengste Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit gekennzeichnet.<br />

Eine außerordentlich wichtige Besonderheit des Zwanges besteht im<br />

sozialistischen Staat darin, dass er mit der Überzeugung verbunden<br />

wird." [Hervorhebung v. O. K.]<br />

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Nettoinvestitionen für das Wachstum der Produktivkräfte vorgenommen<br />

werden, und dabei als je einzelne Kapitalisten in Bezug auf die Effizienz der<br />

Technologien und die Akzeptanz der Produkte am Markt kontrolliert<br />

werden.” 39<br />

Durch<br />

die geschwächte westliche <strong>Arbeit</strong>erbewegung, bemerkt Elsenhans,<br />

„konnten die objektiven Möglichkeiten zum Ausbau des Wohlfahrtsstaats und<br />

<strong>zur</strong> Steigerung der Realeinkommen in der Folge der sehr hohen<br />

Produktivitätssteigerungen der zwanziger Jahre nicht genutzt werden. Die<br />

Folge war eine unterkonsumtive Krise, die <strong>von</strong> den Vereinigten Staaten ihren<br />

Ausgang nahm, und<br />

die Überlebensfähigkeit des Kapitalismus in Frage zu<br />

stellen schien.” 40<br />

In Deutschland ebneten die konservativen Kräfte im Parlament den<br />

Nationalsozialisten den Weg <strong>zur</strong> <strong>Macht</strong>ergreifung. „<strong>Arbeit</strong> macht <strong>frei</strong>”, hieß die<br />

Losung des Reichsführers SS Heinrich Himmler, wie nicht nur am schmiedeeisernen Tor<br />

des KZ Sachsenhausen zu lesen ist. Der in der Weimarer Republik 1931 eingeführte<br />

„Freiwillige” <strong>Arbeit</strong>sdienst für Jugendliche, die keine Unterstützung bezogen, zum<br />

Niedrigstlohn für Kost und Logie, war 1932 bei gleichzeitiger<br />

Reduzierung der<br />

<strong>Arbeit</strong>sbeschaffungsmaßnahmen<br />

ausgeweitet worden.<br />

Bereits am 1. Februar 1933 verkündete Hitler im Rundfunk, innerhalb <strong>von</strong> vier<br />

Jahren werde die „Rettung des deutschen Bauern” und des „deutschen <strong>Arbeit</strong>ers”<br />

durch „einen gewaltigen und umfassenden Angriff gegen die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit” 41<br />

vollbracht sein. Für die umfangreichen <strong>Arbeit</strong>sbeschaffungsprojekte galt ausdrücklich,<br />

soweit möglich, ein Verzicht auf Maschinen zugunsten des Einsatzes menschlicher<br />

<strong>Arbeit</strong>skraft, begleitet <strong>von</strong> der Propaganda gegen den „Rationalisierungswahnsinn”.<br />

Oft wurden Hungerlöhne auf dem Niveau der <strong>Arbeit</strong>slosenunterstützung gezahlt. Am<br />

26. Juni 1935 wurde der <strong>frei</strong>willige in einen zwangsweisen Reichsarbeitsdienst<br />

umgewandelt. Die eingeführte Wehrpflicht, 1935 einjährig, 1936 zweijährig,<br />

integrierte Männer; ein „Ehestandsdarlehen” erhielten Frauen, die sich verpflichteten,<br />

nach der Heirat keine <strong>Arbeit</strong> mehr aufzunehmen. <strong>Arbeit</strong>slosigkeit schlug in<br />

38<br />

39<br />

40<br />

Siehe Verfassung der UdSSR, Artikel 12, Abs. 1.<br />

Elsenhans, Hartmut: „Kapitalismus und Massenkonsum – Eine Kritik der Marxschen politischen<br />

Ökonomie“, in: Comparativ 2 (1992), S. 7–29, S. 20; ebenda, S. 21: „Der Verzicht auf Konkurrenz <strong>zur</strong><br />

Kontrolle der Privilegierten führt im realen Sozialismus zu den <strong>von</strong> Marx beschriebenen Tendenzen der<br />

Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals (hoher Fixkapitaleinsatz im Verhältnis <strong>zur</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>, höhere Steigerung des Fixkapitaleinsatzes als der Produktion) und erforderte für die<br />

Aufrechterhaltung der Akkumulationsrate des Kapitals – wie <strong>von</strong> Marx vorhergesehen – verschärfte<br />

Ausbeutung.”<br />

Ebenda, S 20.<br />

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<strong>Arbeit</strong>skräftemangel um. Den „<strong>Arbeit</strong>sschlachten” sollten bald die militärischen<br />

folgen.<br />

Der 1890 erkämpfte „Tag der <strong>Arbeit</strong>” wurde 1933 erstmals als „Tag der nationalen<br />

<strong>Arbeit</strong>” zum gesetzlichen Staatsfeiertag unter Fortzahlung des Lohnes gefeiert.<br />

Goebbels sprach sich auf der Berliner Kundgebung dafür aus, „endgültig die Ideologie<br />

des Klassenkampfes zu zerstören und der neuen Idee der Verbundenheit und der<br />

Volksgemeinschaft die Bahn <strong>frei</strong>zulegen” 42 . Hitlers Motto des Tages hieß: „Ehret die<br />

<strong>Arbeit</strong> und achtet den <strong>Arbeit</strong>er!” 43<br />

Am Morgen darauf wurden die Büros und<br />

Redaktionen der Freien Gewerkschaften im ganzen Reichsgebiet <strong>von</strong> SS- und SA-<br />

Hilfspolizei besetzt. Als im Juni noch die christlichen Gewerkschaften zwangsweise der<br />

„Deutschen <strong>Arbeit</strong>sfront” eingegliedert worden waren, galt das Tarifsystem<br />

vollständig durch den faschistischen Korporatismus abgelöst. 44<br />

Der Kapitalismus war<br />

abgeschafft. Die Zerstörung des Parteienpluralismus folgte.<br />

Wer sich der Diktatur widersetzte, indem er in Ermangelung möglicher Organisation<br />

die auferlegte <strong>Arbeit</strong>spflicht individuell verletzte, wurde ab 1938 als<br />

„<strong>Arbeit</strong>sbummelant” oder „-scheuer” ins KZ Buchenwald eingewiesen. – „<strong>Arbeit</strong><br />

adelt!” hieß die an Zynismus nicht zu überbietende Losung für die „ehrlichen<br />

<strong>Arbeit</strong>er”. <strong>Arbeit</strong>er mit Galgenhumor fügten ihrem Namen den Titel „<strong>von</strong> Habenichts”<br />

bei.<br />

4. Das „Recht auf <strong>Arbeit</strong>“ in der Planwirtschaft der DDR<br />

Der Real-Sozialismus wird heute nicht nur <strong>von</strong> der PDS als zwar zugegebenermaßen<br />

diktatorisches, jedoch immerhin recht soziales System verklärt. Bot die DDR in<br />

einzelnen Punkten Vorteile gegenüber dem Kapitalismus?<br />

Dieser Frage kann weder widersprochen noch zugestimmt werden, da die<br />

Herauslösung <strong>von</strong> einzelnen Aspekten nur unter Einbeziehung der komplexen<br />

strategischen Situation der Gesellschaft für eine Wertung sinnvoll sein kann. Zum<br />

Vergleiche sei des <strong>Arbeit</strong>srechtes der Franco-Diktatur gedacht, es verband bis 1957<br />

das Streik-Verbot mit dem faktischen Verbot, einmal eingestellte <strong>Arbeit</strong>er wieder<br />

entlassen zu dürfen – doch wer wollte darin nicht Maßnahmen sehen, die dem<br />

41<br />

Domarus, Max (Hrsg.): Hitler, Reden und Proklamationen 1932 – 1945. Kommentiert <strong>von</strong> einem<br />

deutschen Zeitgenossen, Bd. 1, Süddeutscher Verlag, München, 1965, S. 191 ff.<br />

42<br />

Schulthess` Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge 49 (1933), S. 111.<br />

43<br />

44<br />

Domarus, Max (Hrsg.): Hitler, ... a. a. O., S. 261.<br />

Vgl. Eschmann, Ernst Wilhelm: Der faschistische Staat<br />

in Italien. Ferdinand Hirt, Breslau, 2. Aufl. 1933.<br />

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Ruhig-Halten<br />

der <strong>Arbeit</strong>er dienen sollten? Die klinische Betrachtung wohlsezierter<br />

Einzelaspekte kann das Gesamtsystem nicht aufwerten.<br />

Verschwiegen<br />

bleibt in der Verklärung der DDR, dass die sozialen Sicherheiten eben<br />

nur politisch notwendiges Beiwerk zum Erhalt der Entrechtung waren. Schon Voltaire<br />

wusste:<br />

„In manchen Ländern hat man angestrebt, daß es einem Bürger nicht gestattet<br />

ist, die Gegend, in der er zufällig geboren ist, zu verlassen. Der Sinn dieses<br />

Gesetzes liegt auf der Hand: ‚Dieses<br />

Land ist so schlecht und wird so schlecht<br />

regiert, daß wir jedem verbieten, es zu verlassen, weil es sonst die ganze<br />

Bevölkerung verlassen würde’." 45<br />

Wie im antiken Sparta die Freilassung der Heloten der Willkür des Staates oblag, so<br />

galt auch der Bürger in der DDR<br />

als entrechtetes Staatseigentum. <strong>Arbeit</strong>sfähige<br />

wurden<br />

beim Fluchtversuch erschossen; bereits die Vorbereitung einer<br />

„Republikflucht“ war strafbar. 46<br />

Das Modell eines <strong>Arbeit</strong>slagers genügt weithin zum Verständnis des Realsozialismus.<br />

Im Unterschied <strong>zur</strong> despotischen Sklaverei, die den Verschleiß an Menschenleben<br />

angesichts kostengünstigen Nachschubs effektiv einkalkulierte, kam der sozialistische<br />

Staat aus Eigeninteresse nicht umhin, die Reproduktion der Produzenten durch<br />

Sozialmaßnahmen zu fördern, 47 – zumal wenn viele Menschen Berufsverbote und<br />

Repressionen nicht scheuten, um den Staat noch vor der Altersrente verlassen zu<br />

können. Die Bildungsinstitutionen sorgten als Selektionsinstanzen für den Nachwuchs<br />

der Funktionselite der Staatsklasse. Nur wer nicht mehr als arbeitsfähig galt,<br />

nicht<br />

mehr<br />

in der <strong>Arbeit</strong>spflicht verwertbar war, durfte problemlos das Land verlassen, da<br />

Invaliden und Altersrentner als staatliche Leibeigene überaus unrentabel sind.<br />

Das „Recht auf <strong>Arbeit</strong>” galt in der DDR als „ehrenvolle Pflicht”, die „immer mehr zu<br />

einem inneren Bedürfnis” 48 werde. Der § 34 des Strafgesetzbuches ermöglichte die<br />

<strong>Arbeit</strong>splatzbindung <strong>zur</strong> Bewährung im Kollektiv. Der § 249 ahndete „asoziales<br />

Verhalten”. Wer sich „einer geregelten <strong>Arbeit</strong> entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist”,<br />

konnte mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe in der Verurteilung rechnen. 49 Erinnert sei<br />

45<br />

Voltaire: Abbé Beichtkind Cartesianer. Philosophisches Wörterbuch, Art. „Gleichheit“, Reclam,<br />

Leipzig, 1984, S. 173.<br />

46<br />

Eine bedeutsame humanitäre Leistung der Bundesrepublik war der Freikauf politischer Häftlinge: Von<br />

1964 bis 1990 sind fast 3,5 Milliarden DM für 33.755 Menschen gezahlt worden. (Whitney, Craig<br />

R.:<br />

Advocatus Diaboli. Wolfgang Vogel – Anwalt zwischen Ost und West. Siedler, Berlin, 1993, S. 400.)<br />

47<br />

Bei Ehepartnern galt die <strong>Arbeit</strong>spflicht nur für jeweils eine Person.<br />

48<br />

Kunz, Frithjof u. a.: Lexikon des <strong>Arbeit</strong>srechts der DDR. Staatsverlag, Berlin (Ost), 1972, S. 282.<br />

49<br />

Ab Mitte der achtziger Jahre konnte der berüchtigte Asozialitätsparagraph nicht mehr angewandt,<br />

Verurteilungen wegen Verletzung der <strong>Arbeit</strong>spflicht mussten nicht mehr gefürchtet werden.<br />

Schließungen einzelner Betriebe im Raum Berlin hatten zeitweilig un<strong>frei</strong>willige <strong>Arbeit</strong>slose <strong>zur</strong> Folge,<br />

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auch an jene Studenten, die politisch nonkonform aufgefallen waren und sich <strong>zur</strong><br />

Strafe befristet „in der Produktion bewähren” durften, wollten sie sich der Gnade der<br />

Bildung wieder würdig erweisen. Tiefer als in die vermeintlich „herrschende<br />

<strong>Arbeit</strong>erklasse” konnte im Sozialismus keiner fallen. Noch 1993 versagte sich die PDS<br />

nicht, öffentlich das Staatsrechtsverständnis der SED-Diktatur zu vertreten, die<br />

hegelsche dialektische Einheit und formale Identität <strong>von</strong> Recht und Pflicht: Im<br />

Bundestag erklärte die PDS, gegen eine <strong>Arbeit</strong>spflicht sei nichts einzuwenden, sofern<br />

im Grundgesetz auch das „Recht auf <strong>Arbeit</strong>" eingeführt werde. 50<br />

Ein Staat, der seine Legitimation allein auf Glauben gründet, vermag das<br />

Legitimationsdefizit nur durch umfassende Kontrollmaßnahmen zu kompensieren. In<br />

Ermangelung demokratischer Öffentlichkeit fällt allein dem Geheimdienst die Aufgabe<br />

zu, das Feedback der Regulationen der Regierung verlässlich zu erkunden, will sie<br />

organisiertem Widerstand frühzeitig entgegenwirken.<br />

Die subversiven Gruppen konnten daher mindestens da<strong>von</strong> ausgehen, dass ihre<br />

Aktivitäten – wie gering ihre aufklärerische und zu Widerstand ermutigende<br />

Breitenwirkung in den Anfängen auch gewesen sein mochte – <strong>zur</strong> Steigerung der<br />

Kontrollkosten des Staates beitragen mussten, somit auch den wirtschaftlichen<br />

Niedergang befördern konnten.<br />

Wie despotische Sklaverei sich theoretisch nicht mehr lohnte, wenn den Sklaven<br />

gelänge sich zu organisieren und deshalb die Zahl der Aufseher permanent gesteigert<br />

werden müsste, so war die Hoffnung in der DDR nicht unberechtigt, dass mit jeder<br />

staatskritischen Aktivität der Sicherheitsapparat <strong>zur</strong> Erweiterung stimuliert werde.<br />

Mithin war sowohl die Steigerung der Kontrollkosten wie das zunehmende<br />

Unbehagen der kontrollierten Mehrheit zu erwarten, wenngleich der Zeitpunkt<br />

gelingender Be<strong>frei</strong>ung für die Gruppen des organisierten Widerstandes ungewiss<br />

blieb.<br />

Hartmut Elsenhans analysierte die „Abhängigkeit der Entfaltung der inneren<br />

Widersprüche der Planwirtschaft <strong>von</strong> der konjunkturellen Entwicklung des<br />

Kapitalismus” 51<br />

:<br />

„Es gab Phasen, in denen der ‚reale Sozialismus’, die Planwirtschaft,<br />

wirtschaftlich überlegen schien, aber nur deshalb, weil im real existierenden<br />

Kapitalismus die ‚Kapital’-Interessen zu stark geworden waren. Die inneren<br />

wodurch die generelle Anwendung des Gesetzes unmöglich geworden war. So wurde Ende der<br />

achtziger Jahre möglich, dass eine Leipziger Bürger- und Menschenrechtsgruppe, der <strong>Arbeit</strong>skreis<br />

Gerechtigkeit, selbst Mitarbeiter anstellen und bezahlen konnte.<br />

50 Vgl. woche im bundestag (wib). 21 (1993), S. 61.<br />

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Widersprüche des realen Sozialismus mussten sich entfalten, wann immer im<br />

Kapitalismus <strong>Arbeit</strong> mächtig genug wurde, und über die Expansion ihrer<br />

Einkommen im Verhältnis <strong>zur</strong> geleisteten <strong>Arbeit</strong>szeit, also über<br />

tum sorgte.” 52<br />

Reallohnsteigerungen und <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung, für Wachs<br />

Anfang<br />

der achtziger Jahre sei die Situation erreicht worden:<br />

„Um der sinkenden Kapitalproduktivität entgegenzuwirken, wurde Technologie<br />

importiert. Man übersah dabei, dass der Kapitalismus nicht primär wegen<br />

seines technischen Wissens, sondern wegen der den ‚Privilegierten’<br />

aufgezwungenen Marktkonkurrenz knappe finanzielle Ressourcen (Kapital)<br />

kostengünstiger einsetzte, und dies, solange <strong>Arbeit</strong> stark genug war, um hohe<br />

Masseneinkommen durchzusetzen. Im planwirtschaftlichen System stoppten<br />

die Wachstumsprozesse ab, weil Akkumulation trotz stagnierenden Konsums<br />

nicht mehr finanzierbar war, während die Öffnung gegenüber dem Weltmarkt<br />

zum Zweck des Technologieimports <strong>zur</strong> Verschuldung führte.” 53<br />

Die im Sozialismus als Überlegenheit gelobten hohen Kapitalkoeffizienten und<br />

Investitionsquoten gerieten angesichts kapitalistischen wohlfahrtsstaatlichen<br />

Wachstums<br />

zum Ausdruck <strong>von</strong> „Ausbeutung durch Ineffizienz” 54<br />

.<br />

1982 lernte ich in einem Leipziger Café ein lebensfrohes älteres Paar kennen. Sie<br />

vertrauten mir beim Weine an, einen Ausreiseantrag gestellt zu haben. Auf meine<br />

Frage nach der Motivation antworteten sie lachend und beeindruckend bündig: „Wir<br />

sind <strong>Arbeit</strong>er und haben hier nichts zu verlieren. Marx hatte zumindest recht, dass wir<br />

nur unsere <strong>Arbeit</strong>skraft<br />

verkaufen können. Also wollen wir dort hin, wo wir mehr<br />

dafür bekommen.”<br />

51<br />

Vgl. Elsenhans, Hartmut: „Aufstieg und Niedergang des realen Sozialismus. Einige politökonomische<br />

Anmerkungen“, in: Comparativ. Heft 1 (1998), S. 122 - 132.<br />

52<br />

Ebenda, S. 122.<br />

53<br />

Ebenda, S. 130.<br />

54<br />

Vgl. Elsenhans, Hartmut: Abhängiger Kapitalismus oder bürokratische Entwicklungsgesellschaft.<br />

Versuch über den Staat in der Dritten Welt. Frankfurt a. M./ New York 1981, S. 90, Anm. 89; oder<br />

ders.: State, Class and Development. New Delhi/ London 1996, S. 144, Anm. 90.<br />

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5. Zu John Maynard Keynes` „General theory“<br />

Im Jahre 1931 geschrieben und 1936 veröffentlicht, stellte die „Allgemeine Theorie<br />

der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes” des Politökonomen John Maynard<br />

Keynes nicht nur die Verknüpfung <strong>von</strong> bis dahin ziemlich unabhängig nebeneinander<br />

bestehenden Theorien, der Zinstheorie, der Geldtheorie, der Produktionstheorie und<br />

der Lohntheorie dar. Sidney Pollard betont das besondere Novum:<br />

„Die bedeutendste theoretische Innovation dieses Werkes, […] war Keynes`<br />

implizite Verneinung des ‚Sayschen Gesetzes’, wonach jeder Verkauf<br />

gleichzeitig ein Kauf ist und somit kein Mangel an Gesamtnachfrage gegenüber<br />

dem Gesamtangebot entstehen kann. Nach Keynes kann es durch Sparen<br />

(Nicht-Ausgeben), mit Wirkung über den Geldmarkt, durchaus zu einem<br />

Nachlassen der allgemeinen wirksamen Nachfrage (‚effective demand’)<br />

kommen und somit zu einem länger anhaltenden stabilen Gleichgewicht bei<br />

einer Beschäftigung <strong>von</strong> weit unter 100%, also bei hoher <strong>Arbeit</strong>slosigkeit.” 55<br />

Aus der berechtigten Annahme, dass die Haushalte der Ärmeren weniger sparen als<br />

reichere, folgte ein starkes Argument für die Umverteilung der Einkommen zugunsten<br />

der Lohnarbeiter und ärmeren Schichten.<br />

„Ein ausgeglichener Staatshaushalt und a fortiori ein Etatüberschuß, einst die<br />

Wahrzeichen einer verantwortlichen Regierung, wurden nun für schuldig<br />

befunden, <strong>zur</strong> Verschlimmerung der Krise beizutragen. Stattdessen sollte der<br />

Staat Defizite auf sich nehmen, um damit die überschüssigen Ersparnisse im<br />

privaten Sektor aufzusaugen. Die geltenden Zinssätze sollten gesenkt werden.<br />

Da aber in den schlimmsten Stadien der Krise die Möglichkeit ins Auge gefaßt<br />

werden mußte, daß Unternehmer nicht einmal auf eine Zinsrate, die sich Null<br />

näherte, reagieren würden, hatte der Staat die Aufgabe, die Investitionen direkt<br />

zu steuern oder am Ende selbst Investitionen vorzunehmen. Last not least<br />

wurde die bisher allseits befürwortete Politik der Lohnsenkung <strong>zur</strong> Bewältigung<br />

der Krise als sinnwidrig verworfen.” 56<br />

Die bereits <strong>von</strong> Lafargue konzipierte Idee der Krisenprävention wurde <strong>von</strong> Keynes<br />

ökonomisch durchdacht, doch Keynes bejaht als Liberaler den Kapitalismus durchaus<br />

und seine Theorie zielt auf die funktionale Optimierung des Kapitalismus.<br />

55<br />

Pollard, Sidney: „Keynesianismus und Wirtschaftspolitik seit der Großen Depression“, in: Geschichte<br />

und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft, 10. Jg., Heft 2 (1984), Göttingen, S.<br />

185–210, S. 192.<br />

56<br />

Ebenda, S. 193.<br />

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Die Steigerung der Massen-Nachfrage nach seriellen, mit Maschinen gefertigten<br />

Produkten gilt als der Hebel <strong>zur</strong> Herausbildung marktförmiger Wirtschaftsweise.<br />

Da die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals <strong>von</strong> den Erwartungen abhängt, die<br />

bezüglich voraussichtlicher Erträge eines Kapitalwertes gehegt werden, sich also<br />

private Investitionen an den Absatzerwartungen orientieren, gilt:<br />

„Wollen wir nicht zum Kommunismus übergehen, so gibt es kein anwendbares<br />

Mittel, um der Unterbeschäftigung Herr zu werden, als den Unternehmern<br />

wieder eine angemessene Profitspanne zu verschaffen.” 57<br />

Demnach sollte der Staat in Krisen kurzfristig mit antizyklischer Fiskalpolitik<br />

gegensteuern, um mittels öffentlicher Investitionen die private Nachfrage zu steigern.<br />

Ist das Ziel der Vollbeschäftigung wieder annähernd erreicht, so sollte <strong>zur</strong> Vermeidung<br />

<strong>von</strong> Inflation in der Konjunkturphase zum Sparen angereizt und Lohnerhöhung<br />

begrenzt werden. Im reifen Kapitalismus wird Sparen hingegen dysfunktional, da es<br />

eine Nachfragelücke erzeugt. Unberechenbar bleibt stets die Dynamik technologischer<br />

Innovation, die Vervollkommnung der <strong>Arbeit</strong>smittel im Prozess der<br />

Naturbeherrschung.<br />

Keynes stellte das „fundamentale psychologische Gesetz” ins Zentrum seiner<br />

Theoriebildung, welches besagt, dass private Haushalte dazu neigen, das Bedürfnis<br />

nach Zukunftsvorsorge durch Sparen zu befriedigen. D. h. ehe der absolute<br />

Sättigungspunkt entsprechend der Grenznutzentheorie beim Konsum erreicht ist, wird<br />

ein mehr oder weniger großer Einkommensanteil für Ersparnis bzw. Vorsorge<br />

verwendet. 58<br />

Die Wirtschaft einer Bevölkerung, die dazu neigt, ihr Geld auszugeben,<br />

lässt sich aber leichter auf den Stand der Vollbeschäftigung bringen und halten. Dem<br />

hieraus für reife Volkswirtschaften erwachsenden ökonomischen Problem der<br />

Nachfragelücke kann nur entgegengewirkt werden, indem <strong>Arbeit</strong>slosigkeit vermieden<br />

wird und private Haushalte sich des Funktionsmechanismus <strong>von</strong> Kapitalismus bewusst<br />

werden, die Gewissheit gewinnen, dass wirtschaftliche Stabilität eine politische Frage<br />

demokratischer Steuerung ist.<br />

57<br />

58<br />

Keynes, John Maynard: „Proposals for a Revenue Tariff“, in: New Statesman and Nation, 7. 3. 1931,<br />

S. 53, deutsch in: Hofmann, Werner: Theorie der Wirtschaftsentwicklung vom Merkantilismus bis <strong>zur</strong><br />

Gegenwart (Sozialökonomische Studientexte, Bd. 3), Duncker u. Humblot, Berlin, 1966, S. 210.<br />

Die langfristige, stagnationswirksame Konsumabschwächung in reifen Volkswirtschaften bezeichnet<br />

Karl Georg Zinn als „Gossen-Keynessche Regel”. – Vgl. Zinn, Karl Georg: <strong>Arbeit</strong>, Konsum,<br />

Akkumulation. Versuch einer integralen Kapitalismusanalyse <strong>von</strong> Keynes und Marx. VSA-Verlag,<br />

Hamburg, 1986, S. 80 ff.<br />

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Bereits 1930 dachte Keynes im Essay „Ökonomische Möglichkeiten unserer Enkel” 59<br />

über das Zusammenwirken der beiden langfristigen Trends <strong>von</strong><br />

Produktivitätswachstum und relativer Sättigung der Konsumbedürfnisse nach. Er<br />

unterschied epikureisch absolute <strong>von</strong> relativen Bedürfnissen. Für die Befriedigung<br />

natürlicher oder „absoluter Bedürfnisse” 60<br />

, die unbefriedigt eine Not leiden lassen, in<br />

welcher sich die Betroffenen stark angeähnlicht fänden, könne im Kapitalismus<br />

Sättigung im Sinne der Grenznutzentheorie für alle erreicht werden. Das mit Sättigung<br />

der sogenannten „absoluten Bedürfnisse” aller einhergehende Absinken der<br />

Wachstumsraten wäre aus Keynes´scher Perspektive kein Problem, sondern ein<br />

menschheitlicher Erfolg, der die Überwindung des Problems der Knappheit bzw. des<br />

Mangels anzeigte. Er wäre Folge des produktivitätssteigernden Fortschrittes und damit<br />

einhergehender Umverteilung im Sinne der Nivellierung <strong>von</strong> Kaufkraft. Die<br />

Beschwerde der <strong>Arbeit</strong> – in der Grenznutzentheorie der „negative Nutzen” –<br />

verringerte sich für alle angesichts der Sättigungstendenz durch enorme<br />

<strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung. Lafargues Sehnen fände im Kapitalismus Erfüllung.<br />

Bei „relativen Bedürfnissen”, Bedürfnissen des Meinens, die aus dem Prestige- und<br />

Geltungsstreben, dem Überlegenheits- oder <strong>Macht</strong>streben erwachsen und im<br />

zwischenmenschlichen Vergleich den Rang bestimmen, bliebe Sättigung hingegen<br />

ausgeschlossen, denn dieser Wettkampf ist potentiell endlos, aber offen für<br />

Kultivierung und dies um so mehr angesichts eines hohen Maßes selbstbestimmter<br />

Zeit.<br />

Lord Keynes entwarf im Frühjahr 1943 61<br />

in der Konsequenz seiner Theorie eine<br />

Langfristprognose für die Nachkriegszeit, die drei Phasen aufzeigt, die weithin<br />

eingetreten sind. Keynes plädierte für ein Langfristprogramm gesamtwirtschaftlicher<br />

Investitionssteuerung, damit „es gar nicht erst zu größeren konjunkturellen<br />

Schwankungen kommt, sondern die kontinuierliche Absorption der Ersparnis durch<br />

die Investitionen gewährleistet ist” 62 .<br />

59<br />

Keynes, John Maynard: „Economic Possibilities for our Grandchildren“ [1930], in: ders.: Collected<br />

Writings, Bd. 9, London-Basingstoke 1972, S. 321–332; oder in: ders.: Essays in Persuasion, London<br />

1933, S. 358–378. Vgl. Zinn, Karl Georg: Die Wirtschaftskrise. Zum ökonomischen Grundproblem<br />

reifer Volkswirtschaften, BI-Taschenbuchverl., Mannheim/ Leipzig/ Wien/ Zürich 1994, S. 75 ff.<br />

60<br />

Vgl. ebenda, S. 326.<br />

61<br />

Keynes, John Maynard: The Long-term Problem of Full Employment. [1943] In: ders.: Collected<br />

Writings, Bd. 27, London-Basingstoke 1980, S. 320-325; deutsch unter dem Titel: Das langfristige<br />

Problem der Vollbeschäftigung, in: Karl Georg Zinn: Jenseits der Markt-Mythen. VSA-Verlag,<br />

Hamburg, 1997, S. 153-156.<br />

62<br />

Zinn, Karl Georg: Keynes` Langfristprognose, in: Jenseits der Markt-Mythen, VSA-Verlag, Hamburg,<br />

1997, S. 150-152, S. 151.<br />

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Kurz gefasst, sah Keynes für die erste Phase des Wiederaufbaus noch die<br />

Notwendigkeit staatliche Kontrollen des Verbrauchs und der Investitionstätigkeit, für<br />

die zweite die Aufhebung dieser Kontrollen sowie ein langfristig angelegtes<br />

Investitionsprogramm unter öffentlicher Kontrolle, um Schwankungen im privaten<br />

Sektor durch gegenläufige Bewegungen zu korrigieren. Im Übergang <strong>zur</strong> dritten Phase<br />

sei unter Bedingungen der Vollbeschäftigung notwendig,<br />

„sinnvollen Konsum zu ermutigen, vom Sparen ab<strong>zur</strong>aten und einen Teil des<br />

unerwünschten Surplus durch vermehrte Freizeit zu absorbieren – mehr Urlaub<br />

(eine wunderbare Art, Geld loszuwerden!) und weniger <strong>Arbeit</strong>sstunden”. 63<br />

Langfristig müsse Ziel sein, „die Nettoinvestitionen zu reduzieren und den<br />

Verbrauch (oder, alternativ, die Freizeit) zu steigern”. 64<br />

Bedingung für die dritte Phase ist die gelingende Aufrechterhaltung <strong>von</strong><br />

Vollbeschäftigung.<br />

Wird die Prognostik der empirischen Wirtschaftsentwicklung konfrontiert, lässt sich<br />

sagen, dass in den 50er und 60er Jahre Wachstumsraten bis um 10% auftraten. Viele<br />

Wissenschaftler gingen noch in den 60er Jahren da<strong>von</strong> aus, das Bruttoinlandsprodukt<br />

könne jährlich real um 4% wachsen, woraus sie folgerten, alle <strong>Arbeit</strong>suchenden seien<br />

allein durch Wirtschaftswachstum in den <strong>Arbeit</strong>smarkt zu integrieren, doch es ließ<br />

gemäß der Prognose <strong>von</strong> Keynes deutlich nach. Nach Abbau des Nachfrageüberhangs<br />

im Wiederaufbaubedarf traten in wohlhabenderen Haushalten <strong>von</strong> den 70er Jahren an<br />

die <strong>von</strong> Keynes erwarteten Sättigungserscheinungen ein. Die Nachfragedynamik der<br />

Besserverdienenden ließ nach. Der leichte Anstieg der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit führte bei<br />

<strong>Arbeit</strong>slosen zu Einkommensausfällen mit entsprechendem erneuten<br />

Nachfragerückgang. Der Prozess <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit zu Einkommensrückgang zu<br />

Nachfrageüberhang zu erneuten Beschäftigungseinbußen führte seither zu steigender<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit.<br />

Rechnet man alle Wachstumsraten der OECD-Staaten zusammen, gab es nur einmal<br />

in den 80er Jahren ein reales Wachstum <strong>von</strong> 4%, auch Deutschland lag unter dieser<br />

Marke (nur die deutsche Vereinigung sorgte ab 1990 vorübergehend für bessere<br />

Ergebnisse). Die realen Wachstumsgrößen bewegen sich seit den 80er Jahren um die<br />

2% (nur im Jahre 2000 bei 3% infolge des niedrigen Wechselkurses des eingeführten<br />

Euro), worin die nachfrageorientierte Theorie den Beleg sieht, dass mit Wachstum die<br />

<strong>Arbeit</strong>smarktlage nicht zu bewältigen ist.<br />

63<br />

Keynes, John Maynard: „Das langfristige Problem der Vollbeschäftigung“, in: Zinn, Karl Georg:<br />

Jenseits der Markt-Mythen. VSA-Verlag, Hamburg, 1997, S. 155.<br />

64<br />

Ebenda, S. 156.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 19 �


Die Prognostik spricht angesichts der realen Wirtschaftsentwicklung dann nicht<br />

gegen die nachfrageorientierte Theorie, wenn das Ausbleiben des ”goldenen<br />

Zeitalters” mit Freizeit und allgemein steigendem Wohlstand hinreichend mit der nicht<br />

aufrechterhaltenen Bedingung der Vollbeschäftigung erklärt werden kann.<br />

Die dritte Phase, in der wir uns heute befinden, ist gekennzeichnet durch ständig<br />

sinkende Wachstumsraten, wie in den OECD-Staaten in den letzten 25 Jahren erfolgt.<br />

Drei wirtschaftspolitische Maßnahmen empfahl Keynes für diese Phase<br />

(1.) die Ausgabenausweitung des Staates zugunsten des<br />

gemeinschaftsorientierten Bedarfs,<br />

(2.) eine gleichmäßigere Einkommensverteilung, um zu vermeiden, dass sich<br />

Geld in oberen Einkommensschichten sammelt, wo es nicht mehr für<br />

Massenprodukte nachfragewirksam ist, hingegen in den unteren für den<br />

Konsum fehlt, und<br />

(3.) kontinuierliche <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung.<br />

Aus der Perspektive der Theorie <strong>von</strong> Keynes erweist sich die heute populäre<br />

Angebotspolitik, welche auf Steuerentlastungen zugunsten der Unternehmen, auf<br />

Lohnspreizung und Lohn<strong>zur</strong>ückhaltung setzt, angesichts sinkender Wachstumsraten<br />

entweder als illusionär, sofern sie Beschäftigung steigern zu können glaubt, oder als<br />

allein interessegeleitete ideologische Suggestion, sofern sie eigentlich auf Erhalt und<br />

Steigerung der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit zielt, um die organisierte Verhandlungsmacht der<br />

Gewerkschaften in der Preisbildung für <strong>Arbeit</strong> weiter zu schwächen.<br />

6. Die Offensive der reaktionären Konter-Reformen<br />

Im Zeichen keynesianischer Wirtschaftspolitik erreichte der Westen in den<br />

Nachkriegsjahren ein ungeahntes Wachstum. Mit der Krise in den 70er Jahren verlor<br />

der Keynesianismus an Einfluss, obwohl sich diese Krise hinreichend aus der<br />

inkonsequenten Ausführung des Keynesianismus erklären lässt. Die Ursachen für die<br />

Abkehr vom Keynesianismus sind daher im außerökonomischen Bereich zu suchen.<br />

Im Nachgang der im Revolutionieren zwischenmenschlicher Verhaltensformen<br />

durchaus siegreichen, doch in der offiziellen Politik in ihren Ansprüchen scheiternden<br />

Studentenbewegung gelang den Konservativen international die Offensive 65 .<br />

65 Vgl. Borchert, Jens: Die konservative Transformation des Wohlfahrtsstaates: Großbritannien, Kanada,<br />

die USA und Deutschland im Vergleich. Campus, Frankfurt a. M./ New York, 1995.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 20 �


Die „Trilateral Commission” nutzte gerade die ökonomische Krise der 70er Jahre,<br />

um Demokratie und die Ausweitung der Staatsaufgaben zu deren Ursachen zu<br />

stilisieren. Sie postulierte:<br />

„Das Streben nach den demokratischen Tugenden Gleichheit und<br />

Individualismus hat allgemein die Delegitimation der Autorität und den Verlust<br />

des Vertrauens in Führerschaft <strong>zur</strong> Folge gehabt. Die demokratische<br />

Ausweitung politischer Partizipation und Einbeziehung hat eine ‚Überlastung’<br />

des Staates und die instabile Ausdehnung der Regierungsaktivitäten erzeugt,<br />

welche die inflationären Tendenzen in der Wirtschaft steigern.” 66<br />

Der 1972 erschienene erste Bericht an den Club of Rome mit dem Titel „Die<br />

Grenzen des Wachstums” drohte die globale Katastrophe an, sofern nicht umgehend<br />

auf Wachstum verzichtet werde. Für allejene, die für statistische Hochrechnungen im<br />

simulierten Weltmodell, welches nicht nur technologische Innovationen methodisch<br />

vernachlässigt, die adäquate Entsprechung <strong>zur</strong> kommenden Wirklichkeit annahmen,<br />

verdüsterte sich die Zukunft der modernen Industriegesellschaften jäh.<br />

Gerade diejenigen Linken, die sich im „Spätkapitalismus” wähnten und den<br />

geschichtsphilosophischen Pessimismus der Frankfurter Schule teilten, durften sich <strong>von</strong><br />

konservativen Technokraten bestätigt fühlen. Der <strong>frei</strong>heitliche Impuls der 68er geriet in<br />

die Defensive.<br />

Die Hegemonie des Neoliberalismus hob an. Unisono tönt heute aus der<br />

überwiegenden Mehrheit der Medien, das sinkende Quantum der <strong>Arbeit</strong> sei eine<br />

Katastrophe für die Gesellschaft. „Sachzwänge” wurden organisiert, die sich wie ein<br />

vermeintliches Fatum gegen den Sozialstaat kehrten, der nicht mehr zu retten sei.<br />

Bisweilen wird das „Gespenst der Globalisierung” 67 beschworen, will eine Regierung<br />

ihren politischen Willen <strong>zur</strong> Umverteilung zugunsten <strong>von</strong> Unternehmen mit<br />

Alternativlosigkeit vor einer vermeintlich höheren <strong>Macht</strong> ideologisch vor den Bürgern<br />

rechtfertigen. Was Lafargue die „Religion des Kapitalismus” hieß, erheischt wieder<br />

Glauben und inszeniert das Schicksalsdrama vom Staate in Nöten.<br />

66<br />

Crozier, Michel/ Huntington, Samuel P./ Watanuki, Joji: The Crisis of Democracy. Report on the<br />

Governability of Democracies to the Trilateral Commission, New York University Press, New York<br />

1975, S. 161.<br />

67<br />

Der gebotenen Kürze wegen sei zu dieser Thematik nur verwiesen auf: Elsenhans, Hartmut: „Das<br />

Gespenst der Globalisierung“, in: Jahrbuch <strong>Arbeit</strong> und Technik, Bonn 1996, S. 25–36; ders.:<br />

„Konzepte und Chancen nationaler Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im Zeitalter der<br />

Globalisierung“, in: Jahrbuch <strong>Arbeit</strong> und Technik, Bonn, 1997, S. 147–158 sowie Bourdieu, Pierre:<br />

Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstandes gegen die neoliberale Invasion, UVK-<br />

Verlag, Konstanz, 1998.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 21 �


Die reformistische Bejahung des auf Massenkonsum beruhenden Kapitalismus 68 , als<br />

beste aller bekannten Formen <strong>von</strong> Gesellschaft, bedeutet nicht das Ende der<br />

Ideologiekritik wie einst die Frankfurter Schule wähnte. Vielmehr lassen sich<br />

Lohnverzichts- und Standort-Appelle oder Lohnabstandsgebote und<br />

Sozialhilfekürzungen 69<br />

erst aus erkenntnisoptimistischer Perspektive als ideologische<br />

Strategeme <strong>zur</strong> Entwertung <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong> durchschauen.<br />

Dem neoliberalen Denken ist eine antiindividualistische religiöse Struktur eigen.<br />

Unter Aufgabe des Vollbeschäftigungszieles werden abhängig Beschäftigte zu<br />

„<strong>Arbeit</strong>splatzbesitzern” geadelt, um sie gegen <strong>Arbeit</strong>slose auszuspielen und das<br />

Durchschnittsniveau der Reallöhne zu senken. Das Ressentiment der <strong>Arbeit</strong>enden<br />

gegen die <strong>Arbeit</strong>slosen und umgekehrt wird geschürt, um beide zu schwächen. Wer<br />

den Glauben hegt, der Besitz eines <strong>Arbeit</strong>splatzes sei eine ihm zuteil werdende Gnade,<br />

dem soll es an Dank, verächtlich auf <strong>Arbeit</strong>slose oder Sozialhilfeempfänger<br />

hinabblicken zu dürfen, nicht fehlen. Ihn beschleicht nur die Furcht, der Investor<br />

könne dem „Standort” 70<br />

seinen monetären Segen entziehen, sich einladenderen<br />

Gefilden mit lohn-anspruchsloseren <strong>Arbeit</strong>swilligen zuwenden. Der Faktor <strong>Arbeit</strong> wird<br />

im Produktionsprozess in Kapital, in „Humankapital”, uminterpretiert. Fast ist der<br />

bloße <strong>Arbeit</strong>splatz schon eine Form des Lohnes.<br />

Bisweilen ließen sich Betriebsräte gegen Tarifvereinbarungen in die Konkurrenzlogik<br />

des Kapitals einbinden, um ihrer Kollegen „<strong>Arbeit</strong>splätze zu sichern”. Wenn der IG-<br />

Metall-Vorsitzende jedoch das defensive „Bündnis für <strong>Arbeit</strong>” ausruft, so kündigt er<br />

die Funktion einer Gewerkschaft schlicht auf. – Er degradiert sie zu etwas wie einem<br />

National–Betriebsrat, der sich um die „nationale <strong>Arbeit</strong>” und gegen den<br />

„<strong>Arbeit</strong>splatzexport” aus der „Deutschland AG” 71 müht. 72 Der politische Wortschatz<br />

wurde um zahlreiche skurrile Ideologeme bereichert.<br />

Die Fixierung auf „<strong>Arbeit</strong> um jeden Preis” entkoppelt die Löhne weiter der<br />

Produktivität. „Bündnis für <strong>Arbeit</strong>” – Wer will sich da mit wem und gegen wen<br />

verbünden? Ließe sich auch ein Streik zum „finanziellen Sachzwang” stilisieren? –<br />

68<br />

Siehe Elsenhans, Hartmut: Grundlagen der Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft. In:<br />

Senghaas, Dieter (Hrsg.): Kapitalistische Weltökonomie. Kontroversen über ihren Ursprung und ihre<br />

Entwicklungsdynamik. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1979, S. 101–148.<br />

69<br />

Vgl. Steffen, Johannes: „Fatale Billig-Lohn-Ökonomie – Wer die Sozialhilfe kürzt, hat die Löhne im<br />

Visier“, in: Soziale Sicherheit 10 (1994), S. 372–379.<br />

70<br />

Siehe Elsenhans, Hartmut: „Durch Standortsicherung <strong>zur</strong> Weltwirtschaftskrise“, in: Zeitschrift für<br />

sozialistische Politik und Wirtschaft, Heft 82 (1995), S. 22–27.<br />

71<br />

Ein Wort aus dem Munde des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD).<br />

72<br />

Vgl. hingegen Krugmann, Paul: Der Mythos vom Globalen Wirtschaftskrieg. Eine Abrechnung mit den<br />

Pop-Ökonomen. Campus, Frankfurt a. M., 1999.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 22 �


Neoliberale Glaubensangebote erweisen sich nützlich <strong>zur</strong> Substitution, nicht nur <strong>von</strong><br />

Handlungsrationalität sondern auch <strong>von</strong> Lohn!<br />

7. „Beschäftigungsförderung“ in Leipzig<br />

Am Augustusplatz, jenem Platze, über den im Herbst 1989 allmontäglich die<br />

Menschen demonstrierten, um die SED-Herrschaft zu brechen, steht ein Hochhaus aus<br />

des Jahrhunderts Beginn. Am Giebel dieses Krochschen Hochhauses, der antikisierend<br />

das Tympanon eines Tempels imitiert, prangt die lateinische Inschrift „Omnia vincit<br />

labor” [Die <strong>Arbeit</strong> besiegt alles]. Zwei große <strong>Arbeit</strong>erplastiken stehen darüber, die<br />

abwechselnd mit schweren Hämmern die gusseiserne Glocke zwischen ihnen<br />

schlagen, um den Leipzigern die Zeit ertönen zu lassen. Vergils Lehrgedicht Georgica<br />

lieh dem Giebel den Spruch. Wie der antike Dichter des Bauern <strong>Arbeit</strong> pries, so das 19.<br />

Jahrhundert das „Dogma der <strong>Arbeit</strong>” für Industriearbeiter.<br />

An Leipzig lässt sich exemplarisch zeigen, in welche Bahnen neoliberales Denken die<br />

Gesellschaft treiben kann. Ein deutschlandweit in seinem Umfang einmaliger<br />

kommunaler „Betrieb für Beschäftigungsförderung” (bfb) expandiert vor sich hin. Der<br />

einst langjährige Vorsitzende der Jungen Union aus Hannover, Matthias <strong>von</strong><br />

Hermanni, gründete und leitete den „bfb“. Er bekannte in PDS-Manier, <strong>Arbeit</strong> sei<br />

genug da, sie müsse nur bezahlt werden. Bezahlung in seinem Sinne meinte<br />

bestenfalls den hauseigenen Tarif 73 .<br />

Sozialhilfeberechtigte werden in Leipzig vor die Alternative gestellt, im „bfb“ zu<br />

arbeiten oder die Kürzung der Sozialhilfe bis <strong>zur</strong> Streichung hinnehmen zu müssen.<br />

Viele Studenten, nach dem Studium Sozialhilfeempfänger, fliehen die Stadt, wenn sie<br />

nicht andere <strong>Arbeit</strong> finden.<br />

Das „<strong>Arbeit</strong>shaus”, wie es das 19. Jh. kannte, war noch ein Instrument <strong>zur</strong><br />

Umverteilung zugunsten der Verarmten, solang kein Netz sozialer Sicherungen<br />

bestand. Hingegen dienen die „<strong>Arbeit</strong>shäuser” des „bfb“ gerade dem Ausschluss<br />

derer aus dem bestehenden Netz sozialer Sicherungen, die sich <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> im „bfb“<br />

nicht bereit finden.<br />

73 Vgl. Lachmann, Harald: „ABM-Stützpunkt in Leipzig bastelt sich eigenen Tarifvertrag. Größter<br />

<strong>Arbeit</strong>geber will ÖTV-Verbund verlassen“, in: Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 17. Dez. 1996.<br />

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Von Hermanni, der geistige Vater des Projekts, erklärte:<br />

„Es gibt gewisse Parallelen zum <strong>Arbeit</strong>sdienst im Dritten Reich. Aber deswegen<br />

bin ich doch kein Nationalsozialist.” 74<br />

Alimentierung <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit wollte er abbauen: „Gegen<br />

Massenarbeitslosigkeit hilft nur Massenarbeit.” 75<br />

Er genoss ästhetisch: „Ich übe<br />

meinen Traumjob aus. Mich befriedigt körperliche <strong>Arbeit</strong>, und mich befriedigt es,<br />

körperliche <strong>Arbeit</strong> anzuschauen.” 76<br />

Mit Fördermitteln wurde 1991 in Leipzig ein sogenannter ABM-Stützpunkt<br />

aufgebaut. 77<br />

Kaum war das „Gesetz <strong>zur</strong> Umsetzung des Föderalen<br />

Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993” verabschiedet, schon erhielten 500<br />

Sozialhilfeberechtigte ein Faltblatt mit dem Titel „<strong>Arbeit</strong>en statt einfach nur Sozialhilfe<br />

beziehen, denn arbeiten ist mehr als nur Geldverdienen”. Im Faltblatt war die Pflicht<br />

gemäß §§ 19, 20 des BSHG zu lesen, aber auch „Motivierendes” wie „<strong>Arbeit</strong>en ist,<br />

am Abend zu wissen, warum man am Morgen aufgestanden ist”, um für 40 Stunden<br />

pro Woche die Sozialhilfe um 80,- DM Aufwandsentschädigung zu erhöhen. Morgens<br />

7 Uhr Antreten der Brigaden zum Zähl-Appell!<br />

Bis 1994 wurde Leipzig im Stadtrat <strong>von</strong> einer Allparteien-„Sachkoalition” mit SPD-<br />

Mehrheit unter OBM Dr. Hinrich Lehmann-Grube regiert – das ideale Feld für<br />

antidemokratische Experimente. Seit Jahren lockte die CDU-Landesregierung mit dem<br />

Fördertopf „<strong>Arbeit</strong> statt Sozialhilfe” (1994: 1,4 Millionen) die Kommunen. Auch<br />

Rainer Müller, einst Mitarbeiter in der DDR-Opposition, der nun nach dem Studium<br />

Sozialhilfe bezog, erhielt das Faltblatt. Er sorgte für Öffentlichkeit. 78<br />

Es gelang, ein<br />

internes Papier der Stadtverwaltung zu veröffentlichen, worin bereits 5.000<br />

74<br />

Schulz, Christian: „Dunkle Wolken am Boomtown-Himmel“, in: Kreuzer – Leipziger Stadtmagazin.<br />

Heft 2 (1994), S. 16.<br />

75<br />

Ebenda.<br />

76<br />

Ebenda.<br />

77<br />

Dort wurden zwischen 1000 und 1500 Menschen und weitere ca. 1500 Personen für die<br />

Stadtverwaltung in ABM beschäftigt.<br />

78<br />

Vgl. Müller, Rainer: „Von einem, der herangezogen wurde, bei der <strong>Arbeit</strong> das Fürchten zu lernen. Ein<br />

Erfahrungsbericht zu ‚<strong>Arbeit</strong> ohne Lohn’ in Leipzig“, in: quer, Heft 12, Frankfurt a. M. Dezember<br />

1993, S. 7;<br />

ders.: „Zwangsarbeit. Bericht eines Leipziger Sozialhilfeempfängers“, in: telegraph 11 (1993), Berlin,<br />

S. 26 f.; ders.: „Zwangsarbeit. Bericht eines Leipziger Sozialhilfeempfängers“, in: zeitlupe, 12 (1993),<br />

Leipzig, S. 7; ders.: „<strong>Arbeit</strong>szwang“, in: Neues Forum Bulletin 27, 25. Oktober 1993, S. 2 f.;<br />

Witzel, Holger: „Stadt macht Druck: Gemeinnützige <strong>Arbeit</strong> oder Sozialhilfe weg. 500 Betroffene<br />

sollen ABM-Kräfte ersetzen“, in: Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 17. September 1993;<br />

Teske, Alexander: „Zwangsarbeit mit Zähl-Appell“, in: Leipziger Morgenpost vom 20. Oktober 1993;<br />

Witzel, Holger: „Der Sozialhilfestreit. <strong>Arbeit</strong> oder Stütze“, in: LVZ vom 23./ 24. Oktober 1993, S. 14.<br />

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Zwangsverpflichtete eingeplant wurden – eine Nachricht für die Titelseite der<br />

Frankfurter Rundschau. 79<br />

Fünf Verweigerern wurde die Sozialhilfe gekürzt. Anlässlich der Veranstaltungen<br />

zum 4. Jahrestag der entscheidenden Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989<br />

verteilte das dereinst in Leipzig außerparlamentarische Neue Forum ein Flugblatt<br />

„Schluss mit der Zwangsarbeit in Leipzig” 80<br />

. Damit war eine politische Diskussion<br />

eröffnet. Am Anfang stand der bloße Verwaltungsakt, viele Stadtverordneten wussten<br />

<strong>von</strong> diesem Vorgehen nichts, so stellten sich anfangs auch Bündnis 90/ Die Grünen<br />

entschieden auf die Seite der Gegner des „bfb“. 81<br />

Die Stadtverwaltung bestritt die<br />

monatelang geübte Praxis, alle Sozialhilfekürzungen wurden <strong>zur</strong>ückgenommen und<br />

zum Übereifer <strong>von</strong> Sozialamtsmitarbeitern erklärt. Das interne Papier sollte nun bloße<br />

Diskussionsgrundlage gewesen sein. Im November wurden 1000 einjährig befristete<br />

<strong>Arbeit</strong>sverträge für Sozialhilfeberechtigte angekündigt, 82<br />

die nach dreimonatiger<br />

„Probezeit“ bei Mehraufwandsentschädigung <strong>von</strong> 1,- bis 3,- DM pro Stunde<br />

abgeschlossen werden sollten. Die ÖTV drückte die naheliegende Befürchtung aus,<br />

bald könnten aus dem öffentlichen Dienst Entlassene die gleiche <strong>Arbeit</strong> zum Billigst-<br />

Lohn wieder aufnehmen, denn Leipzig plante bereits die Entlassung <strong>von</strong> 2000<br />

städtischen Bediensteten.<br />

Mit dem Jahresbeginn 1994 setzte die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung wieder<br />

Sozialkürzungen 83<br />

in kraft, doch gelang ihr dies nicht in jenem Umfang, wie er im<br />

Leipziger Planungspapier erhofft worden war: die allgemeine <strong>Arbeit</strong>slosenhilfe wurde<br />

nicht zeitlich begrenzt. 84<br />

Im April nahm die Polemik der Bundesregierung 85<br />

wieder<br />

79<br />

Siehe Wagner, Wolfgang: „Sozialhilfeempfänger sollen für Bonner Kürzungspläne büßen. Leipzig<br />

plant, gemeinnützige <strong>Arbeit</strong> auszuweiten“, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 241, 16. Okt. 1993, S. 1.;<br />

vgl. Brachthäuser, Uli: „(Zwangs-) <strong>Arbeit</strong> für Leipzig”, in: quer. 11 (1993), Frankfurt a. M., S. 6–8 und<br />

in: express. 11 (1993), Offenbach, S. 9.<br />

80<br />

Vgl. Neues Forum Bulletin. Nr. 27, Berlin, 25. Oktober 1993, S. 3 f.<br />

81<br />

Vgl. Koch, Michael/ Nuss, Sabine: „500 Sozialempfänger sollten arbeiten. Nur 5 kamen zum Teich-<br />

Entschlammen“, in: Bild Leipzig, 18. Oktober 1993, S. 10.<br />

82<br />

Vgl. Witzel, Holger: „<strong>Arbeit</strong> für ein Jahr: Stadt nimmt tausend Sozialhilfeempfänger. Nach Streit um<br />

‚Zwangsarbeit’ jetzt <strong>Arbeit</strong>sverträge“, in: LVZ, 29. Oktober 1993, S. 17;<br />

Witzel, Holger: „<strong>Arbeit</strong> macht Freude”, in: LVZ, 29. Oktober 1993, S. 17: „Es war offensichtlich ein<br />

Versuch, ob in einer sozialdemokratisch regierten Stadt ein uraltes CDU-Konzept heimlich und ohne<br />

Opposition durchgeht.”;<br />

Brachthäuser, Uli: „Leipzig ´94: 1000 kriegen Billig-Jobs, 2000 verlieren ihre reguläre <strong>Arbeit</strong>“, in: quer<br />

12 (1993), S. 8;<br />

Nuss, Sabine: „Sozialhilfe: Leipzig legt Bonn aufs Kreuz“, in: Bild Leipzig, 29. Oktober 1993, S. 3.<br />

83<br />

Vgl. Steffen, Johannes: Sozialabbau – Das Bonner Spar-Paket für 1994, Bremen, 1993.<br />

84<br />

Unter allgemeiner <strong>Arbeit</strong>slosenhilfe sei hier jene verstanden, die nach mindestens einjähriger<br />

Beschäftigung nach Auslaufen des <strong>Arbeit</strong>slosengeldes gezahlt wird. Befristet wurde jedoch die<br />

sogenannte „originäre <strong>Arbeit</strong>slosenhilfe“ nach Beschäftigung unter der Frist eines Jahres.<br />

85<br />

Vgl. Löwisch, Manfred: Wiedereinführung <strong>von</strong> Gemeinschaftsarbeiten für Bezieher <strong>von</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>slosengeld und <strong>Arbeit</strong>slosenhilfe. Gutachten, erstattet dem Bundesminister für Wirtschaft,<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 25 �


deutlich nationalistische Züge an, <strong>Arbeit</strong>slosenhilfebezieher mussten als Erntehelfer in<br />

die Landwirtschaft, damit nicht Polen, für die sich diese <strong>Arbeit</strong> aufgrund des<br />

Wechselkurses lohnte, in der Landwirtschaft arbeiten konnten.<br />

Im Leipziger Stadtrat kam die Vorlage „Auswirkungen <strong>von</strong> Dauerarbeitslosigkeit und<br />

Maßnahmen” 86<br />

am 16. März 1994 <strong>zur</strong> Abstimmung. Namentlich stimmten 67<br />

Stadträte mit Ja, 26 mit Nein und 5 enthielten sich. Nicht alle aus der SPD stimmten<br />

mit Ja, nicht alle Bündnisgrünen Nein. Die Erpressung mit Streichung der Sozialhilfe<br />

war beschlossen. Nach einer dreimonatigen Probezeit sollten die Zugewiesenen im<br />

„bfb“ ein Jahr mit Vertrag untertariflich arbeiten, hernach bestehe fünf Monate<br />

Anspruch auf <strong>Arbeit</strong>slosengeld und dann auf -hilfe. Bis Ende 1996 stieg die Zahl der<br />

beschäftigten Sozialhilfeempfänger auf 1.300, jeder dritte Zugewiesene wollte sich<br />

nicht mit dem Zwang abfinden. 87<br />

1997 wurden 2.573 zugewiesen 88<br />

, 1998 schon<br />

3.875.<br />

„Beim größten <strong>Arbeit</strong>geber Leipzigs sind derzeit rund 3.500 Menschen in<br />

<strong>Arbeit</strong>sbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt, zudem 2.000<br />

Sozialhilfeempfänger sowie 500 ehemalige <strong>Arbeit</strong>slose, die ein Grundgehalt<br />

<strong>von</strong> der Stadt und einen Lohnkostenzuschuss vom <strong>Arbeit</strong>samt bekommen” 89 ,<br />

berichtete die LVZ im Februar 1999. Von Hermanni erklärte:<br />

„Im letzten Jahr hat die Kommune einen <strong>Arbeit</strong>splatz beim bfb mit 3.200 DM<br />

subventioniert. Und wenn ich jetzt mal vergleiche: Die Planstelle vom Affen im<br />

Leipziger Zoo wird mit 4.788 DM deutlich höher subventioniert. […] Wir haben<br />

letztes Jahr 2.000 Menschen zusätzlich beschäftigt, dafür bekam der bfb eine<br />

Summe <strong>von</strong> brutto 3,4 Millionen DM. Das entspricht, wie man aus den Medien<br />

erfuhr, der Nettoabfindung <strong>von</strong> Frau Wohlfarth, deren Abgang als Vorsitzende<br />

der Leipziger Messegesellschaft mit zwei Millionen bezahlt wurde.” 90<br />

Freiburg ,1. Juni 1993, Punkt VI: „Die Wiedereinführung <strong>von</strong> Gemeinschaftsarbeit für <strong>Arbeit</strong>slose ist<br />

verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie auf zusätzliche <strong>Arbeit</strong>en beschränkt wird.”<br />

86<br />

Vgl. Kloss, Oliver: „Zwangsarbeit in Leipzig. Erpressung <strong>zur</strong> Billigarbeit“, in: express 2 (1994), S. 8 und<br />

in: direkte aktion. Nr. 103, 18. Jg., März/ April 1994, S. 4.<br />

87<br />

Vgl. Müller, Thomas: „<strong>Arbeit</strong> für ein Jahr. Schon 2800 sind <strong>von</strong> der Sozialhilfe weg“, in: LVZ vom 27.<br />

Dez. 1996.<br />

88<br />

Vgl. Müller, Thomas: „Job statt Sozialhilfe - immer mehr machen mit“, in: LVZ vom 7. Oktober 1997,<br />

S. 11.<br />

89<br />

Sywottek, Christian: „Sozialhilfeempfänger sollen für ihr Geld auch etwas tun“, in: LVZ vom 11.<br />

Februar 1999.<br />

90<br />

Sturm, Daniel: Interview mit Matthias <strong>von</strong> Hermanni. „Der Affe im Zoo ist teurer”, in: Kreuzer –<br />

Leipziger Stadtmagazin. Heft 2 (1999), S. 18.<br />

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Gewiss hebt die <strong>Arbeit</strong> im „bfb“ Menschen aus der Sozialhilfe in die Bezüge vom<br />

<strong>Arbeit</strong>samt und kann so im Einzelfall die finanzielle Lage verbessern. 91<br />

Läge der<br />

Stadtverwaltung an diesem Angebot, bedürfte sie nicht der Erpressung. Der Haustarif<br />

darf als schlicht rechtswidrig gelten, da der „bfb“ in der Struktur der Stadtverwaltung<br />

wie eine beliebige Abteilung des öffentlichen Dienstes gestellt ist; auch im<br />

Betriebsausschuss des „bfb“ sitzen Stadträte. Bedroht werden durch den Haustarif<br />

reguläre <strong>Arbeit</strong>splätze nicht nur im öffentlichen Dienst. Gefährdet werden jene<br />

Handwerksbetriebe, die nicht korporatistisch durch Ausbildungsverträge o. ä. am<br />

„bfb“ beteiligt sind. Der Zwang und die Billig-Löhne verschaffen dem „bfb“ als<br />

Konkurrenten zum privaten Sektor eine exklusive Position. 92 Außerdem bleibt das<br />

Wozu vieler körperlicher <strong>Arbeit</strong>en überaus fragwürdig und der „bfb“ ist stets auf der<br />

Suche nach neuen Beschäftigungsfeldern für die zahlreichen Mitarbeiter.<br />

Zeit lässt sich immer mit gedehnter <strong>Arbeit</strong> füllen, sagt der Humor des<br />

Parkinsonschen Gesetzes und wo Konkurrenz und Fristen nicht drängen, gilt das<br />

Gesetz. Die tendenzielle Monopolisierung der <strong>Arbeit</strong>sbeschaffungsmaßnahmen (ABM)<br />

des <strong>Arbeit</strong>samtes im „bfb“ bedroht auch die Vereine, <strong>frei</strong>en Träger und<br />

Kulturprojekte, wo die <strong>Arbeit</strong> auch und nicht nur den Beschäftigten sinnvoll sein kann.<br />

Einzelne Vereine wurden in das Modell hinein-korrumpiert, indem sie nur noch<br />

<strong>Arbeit</strong>sbeschaffungsmaßnahmen für Mitarbeiter erhielten, wenn diese dem „bfb“<br />

unterstanden und gleichsam <strong>zur</strong> Beschäftigung delegiert worden waren.<br />

Die Unterstützung der Landesregierung 93 war dem CDU-Mitglied Matthias <strong>von</strong><br />

Hermanni gewiss, er missionierte unermüdlich 94<br />

: „Jede Woche schleusen wir zwei bis<br />

drei Besuchergruppen durch den Betrieb.” 95<br />

Im Muldentalkreis und im Kreis Leipziger<br />

Land wurden ähnliche Projekte gegründet. Bundespolitisch sprach sich <strong>von</strong> Hermanni<br />

gegen <strong>Arbeit</strong> ohne Sozialbeitragspflicht wie die 630-DM-Jobs aus.<br />

91<br />

Von den Bündnisgrünen werden unterschiedliche Haltungen zum bfb bezogen:<br />

Annette Körner befürwortet das Vorgehen des „bfb“, weil kein Protest <strong>von</strong> den Betroffenen ausgehe<br />

und fragt sich zugleich, was aus denjenigen werde, die den Zwang verweigern.<br />

Vgl. Körner, Annette: „Beschäftigungsförderung in Leipzig. <strong>Arbeit</strong> statt Sozialhilfe“, in: Alternative<br />

Kommunalpolitik [AKP]. Heft 2 (1998), S. 24 f. –<br />

Entgegnung dazu <strong>von</strong> Künkler, Martin: „<strong>Arbeit</strong>szwang für Sozialhilfeberechtigte. Die Würde des<br />

(armen) Menschen ist angreifbar“, in: AKP. Heft 3 (1998), S. 8 f.<br />

Vgl. Müller, Thomas: „Grüne fordern stärkere Kontrolle des bfb“, in: LVZ vom 28. Mai 1999.<br />

92<br />

Vgl. Handwerk fürchtet unfaire Konkurrenz, in: handwerk magazin. Heft 6 (1998), S. 36–38.<br />

93<br />

Vgl. Stüting, Manfred G.: „Aufgaben für Langzeitarbeitslose. Freistaat will Leuten ohne Job mit<br />

neuem Pilotprojekt wieder sinnvolle Tätigkeit verschaffen“, in: LVZ vom 23. April 1999, S. 4.<br />

94<br />

Vgl. Müller, Thomas: „Leipzigs Beschäftigungsbetrieb sorgt für Aufsehen/ ... Bonner SPD-Fraktionsvize<br />

Schreiner“, in: Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 13. März 1998.<br />

95<br />

Sywottek, Christian: „Sozialhilfeempfänger sollen für ihr Geld auch etwas tun“, in: LVZ vom 11.<br />

Februar 1999.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 27 �


Seine Vision <strong>von</strong> der „<strong>Arbeit</strong>spflicht für alle <strong>Arbeit</strong>sfähigen” wurde <strong>von</strong> der<br />

Hoffnung auf die Krise genährt: „Die nächste wirtschaftliche Rezession wird uns in<br />

Deutschland zum Handeln zwingen.” 96 Besonders geehrt fühlte sich M. v. Hermanni<br />

durch die empfehlende Erwähnung des „bfb“ in der Haushaltsrede <strong>von</strong> Bundeskanzler<br />

Helmut Kohl.<br />

1999 erhielt der „bfb“ Aufträge der Stadt in Höhe <strong>von</strong> 11 Millionen DM sowie<br />

einen Zuschuss <strong>von</strong> 60 Millionen. Ein <strong>von</strong> der stadteigenen Beratungsgesellschaft BBVL<br />

im Januar 1997 erstelltes Prüfungspapier wurde unter Verschluss gehalten.<br />

„So monierten die Prüfer ‚undurchsichtige Kalkulationen‘ sowie Übernahme<br />

neuer Aufgaben und Erwerb <strong>von</strong> Unternehmensbeteiligungen, ohne dass der<br />

Stadtrat informiert wurde. Auf Unverständnis stieß auch, dass der bfb<br />

mittlerweile nicht nur das Monopol am zweiten <strong>Arbeit</strong>smarkt der Stadt habe,<br />

sondern auch die Mittelvergabe an andere Beschäftigungsgesellschaften<br />

beeinflusse – ‚ein unhaltbarer Zustand‘.” 97<br />

Über zwei Jahre lief ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den wegen<br />

Betrugs- und Untreueverdachts suspendierten Gründer des „bfb“. Nach dessen<br />

Verhaftung wurden „bfb“-Mitarbeiter während der <strong>Arbeit</strong>szeit <strong>zur</strong> Protestaktion am<br />

29. November 1999 vor das Landgericht geschickt. Nur etwa 400 (<strong>von</strong> 5.500 rund<br />

7%) der Beschäftigten erschienen. Mit betriebseigenen Bussen, Lastkraftwagen und<br />

Baggern wurde über eine Stunde der Verkehr in der Innenstadt blockiert. Der<br />

Staatsschutz ermittelte wegen Nötigung der Staatsanwaltschaft gegen „bfb“-<br />

Mitarbeiter. 98<br />

Als einzige vom „bfb“ unabhängige demokratische Instanz erwies sich in Leipzig die<br />

Justiz. An die Stelle des Leiters traten im „bfb“ zwei Nachfolger, was bisher an der<br />

Funktionsweise nichts verändert hat. Eine politische Diskussion, inwiefern die durch<br />

das korporatistische Politikmodell des einstigen OBM Lehmann-Grube gewährten<br />

Möglichkeiten die Straftaten erst ermöglicht haben könnten, wird bisher nicht geführt.<br />

Kritische Informationen über den „bfb“ gelangen nur in Gestalt einzelner Skandale in<br />

die Medien. 99<br />

96<br />

Ebenda.<br />

97<br />

Wassermann, Andreas: „Spontaner Aufruhr“, in: Der Spiegel. Nr. 50, 13. Dezember 1999, S. 56.<br />

98<br />

Milde, Ulrich/ Dunte, Andreas: „Staatsschutz ermittelt wegen Nötigung gegen bfb-Mitarbeiter“, in:<br />

LVZ vom 29. Februar 2000.<br />

99<br />

Vgl. z. B.: Dunte, Andreas: „bfb kontrolliert Telefone – wer hat Kontakt <strong>zur</strong> Presse?“, in: LVZ vom 17.<br />

Januar 2001, S. 7.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 28 �


8. Nur die <strong>Macht</strong> der <strong>Arbeit</strong> macht <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong><br />

Es ist Unternehmern nicht moralisch zu verübeln, dass sie den Preis der <strong>Arbeit</strong> zu<br />

senken erstreben. Kein Unternehmer „schafft <strong>Arbeit</strong>splätze”, sondern er kauft <strong>Arbeit</strong>,<br />

sofern ihn eine Profiterwartung lockt oder ihn ein dahingehender Irrtum narrt. Der<br />

Wettbewerb unter ökonomischen Konkurrenten erfordert Kostenersparnis. Der Preis<br />

für <strong>Arbeit</strong> ist aus Perspektive der Unternehmer daher verständlicherweise stets zu<br />

teuer.<br />

Von Unternehmen kann daher nicht erwartet werden, dass sie sich für die<br />

Aufrechterhaltung der Funktionsbedingungen des Kapitalismus engagieren, selbst<br />

wenn sie um die Tatsache wissen, dass ohne Lohnsteigerungen kapitalistisches<br />

Wachstum nicht möglich ist.<br />

Der ökonomische Sinn der Flächentarifverträge besteht gerade darin, dass im<br />

jeweiligen Sektor unrentable Unternehmen im Spiel der Konkurrenz auch verlieren<br />

dürfen. Wer sich die <strong>Arbeit</strong> der anderen nicht mehr leisten kann, muss im<br />

schlechtesten Falle versuchen, die seine zu verkaufen. Technologische Innovation kann<br />

anders nicht stimuliert werden – d. h. anders kann das Quantum an <strong>Arbeit</strong> in einer<br />

kapitalistischen Gesellschaft nicht weiter verringert bzw. Freizeit und allgemeiner<br />

Wohlstand nicht weiter gesteigert werden. Gerade in dieser Möglichkeit, das Otium<br />

der Edlen für alle zu erkämpfen, liegt der unschätzbare Vorteil marktförmiger<br />

Wirtschaft.<br />

Konservativen bedeuteten Demokratie und Individualismus sowie die daraus<br />

erwachsende Chancengleichheit stets die Gefährdung ihrer Positionen. Der<br />

Neoliberalismus verweist in die Sphären des Glaubens an das „Dogma der <strong>Arbeit</strong> und<br />

der Enthaltsamkeit“, zielt auf die Entwertung des Faktors <strong>Arbeit</strong>. Wie einst die<br />

<strong>Macht</strong>haber im Realsozialismus ihre Interessen hinter „historischen Notwendigkeiten”<br />

zu verbergen suchten, so dienen heute die „Sachzwang”-Behauptungen <strong>zur</strong> Tarnung<br />

eines politischen Willens. In letzterer Konsequenz untergräbt der Neoliberalismus die<br />

kapitalistischen Errungenschaften: die Demokratie und den Wohlfahrtsstaat.<br />

Auch wenn sich heute die Künder der „Zweiten Moderne” oder die „Kommission<br />

für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen” der Frage nach der Zukunft<br />

der <strong>Arbeit</strong> annehmen, fällt vor allem auf, wie unökonomisch sie sich eines<br />

politökonomischen Problems zu bemächtigen verstehen.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 29 �


Mit hohem Aufwand werden Anspruchslosigkeit und <strong>Arbeit</strong>smoral angepriesen,<br />

wird die Frage nach dem Sinn <strong>von</strong> abhängiger <strong>Arbeit</strong> umgangen. 100<br />

Der Soziologe Ulrich Beck wirkt an beiden Projekten aktiv mit. Trefflich bemerkt er<br />

am Anfang eines seiner zahlreichen Artikel zu diesem Thema:<br />

„Die Deutschen sind zu fleißig. In Deutschland nahm das Bruttoinlandprodukt<br />

in den letzten 20 Jahren um zwei Drittel zu; zugleich sank das <strong>Arbeit</strong>svolumen<br />

(gemessen an bezahlter <strong>Arbeit</strong>szeit pro Beschäftigten) um rund ein Fünftel. Wir<br />

arbeiten uns selbst überflüssig. […] Wiederum auf Deutschland bezogen: Die<br />

Einkommen aus bezahlter <strong>Arbeit</strong> sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten um<br />

real zwei Prozent kaum gewachsen, während im selben Zeitraum die<br />

Einkommen aus Kapital um 59 Prozent sozusagen Flügel bekommen haben.” 101<br />

Aus solchem Wissen heraus müsste sich <strong>Arbeit</strong> als ein einfaches Verteilungsproblem<br />

begreifen lassen. Ulrich Beck entdeckt hingegen ein neues „Entwicklungsgesetz einer<br />

schrumpfenden Erwerbsarbeitsgesellschaft mit dramatisch zunehmenden sozialen<br />

Ungleichheiten” 102 . Er räsoniert, dass Deutsche ein schlechtes Gewissen hätten, sich<br />

die Schuhe putzen zu lassen, und erkennt doch:<br />

„Im übrigen wird selbst, wenn alle <strong>Arbeit</strong>slosen sich als Schuhputzer verdingen,<br />

nicht das Gesetz steigender Produktivität bei schrumpfender <strong>Arbeit</strong> außer Kraft<br />

gesetzt” 103 .<br />

Sich der nächstliegenden Schlussfolgerung wacker verschließend, hebt Beck in<br />

Theorien sozialkulturellen Wandels ab, so meine Individualisierung nicht<br />

Selbstverwirklichung etc. Da sich Beck <strong>Arbeit</strong>slose ohne leidvolle Langeweile offenbar<br />

nicht vorstellen kann, rät der Soziologe zum Ehrenamt und <strong>zur</strong> Politik:<br />

„Was die Attraktivität <strong>von</strong> Alternativen <strong>zur</strong> Erwerbsarbeit betrifft, so wird dies<br />

zweifellos <strong>zur</strong> Schlüsselfrage einer Politik gegen die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit, die den<br />

Denkkäfig der Vollbeschäftigungspolitik verläßt.” 104<br />

Damit verrät er die Bedingung seines vermeintlich universal gültigen<br />

„Entwicklungsgesetzes einer schrumpfenden Erwerbsarbeitsgesellschaft mit<br />

dramatisch zunehmenden sozialen Ungleichheiten”.<br />

100<br />

Vgl. Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen: Erwerbstätigkeit und<br />

<strong>Arbeit</strong>slosigkeit in Deutschland. Entwicklung, Ursachen und Maßnahmen, Teil III: Maßnahmen <strong>zur</strong><br />

Verbesserung der Beschäftigungslage. Bonn 1997, bes. S. 67 ff., Kap. Belastung der Wirtschaft<br />

vermindern; S. 110 ff., Kap. <strong>Arbeit</strong>skosten senken.<br />

101<br />

Beck, Ulrich: „Zukunft der <strong>Arbeit</strong> – <strong>Arbeit</strong> der Zukunft“, in: Kulturchronik. Heft 2 (1997), Hrsg. Inter<br />

Nationes e.V., Bonn, S. 49–51, S. 49.<br />

102<br />

Ebenda.<br />

103<br />

Ebenda.<br />

104<br />

Ebenda, S. 51.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 30 �


Die Bedingung heißt: Abkehr vom keynesianischen Vollbeschäftigungsziel, also<br />

Schwächung der Gewerkschaften im Kampf um <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung.<br />

In Becks Werk <strong>von</strong> 1999 findet der Gegner der Vollbeschäftigungspolitik folgerichtig<br />

das Ideal der „Risikogesellschaft” in den Ländern „der sogenannten ‚Vormoderne’” 105<br />

verwirklicht. Der Weg aus der Moderne des wohlfahrtstaatlichen Kapitalismus wird in<br />

die Zustände der Vormoderne gewiesen. Das ist weder originell noch neu. Dass sich<br />

hinter der Propaganda für die „Zweite Moderne” nicht mehr verbirgt als der Wunsch<br />

nach Vormoderne, mag gut nicht sein, doch gut zu wissen.<br />

Ulrich Beck lehrt: „Die ungewollte Folge der neoliberalen Utopie des <strong>frei</strong>en Marktes<br />

ist die Brasilianisierung des Westens”. Weshalb diese Folge ungewollt sein sollte, bleibt<br />

bei Beck so unklar wie Ziel und Sinn neoliberaler Utopie 106 , wenn die Folgen tatsächlich<br />

ungewollt wären. „Brasilianisierung” bedeutet für Beck, dass immer mehr Menschen<br />

ohne sozialen Schutz, als Scheinselbständige oder als Schwarz-<strong>Arbeit</strong>er tätig sind, dass<br />

oft mehrere Jobs zum Überleben notwendig sind und dass Gewerkschaften nichts<br />

mehr zu sagen haben. Darin – so meint Beck – lägen Chancen, die nur <strong>zur</strong><br />

„Tätigkeitsgesellschaft” gestaltet werden müssten. Der Wille <strong>zur</strong> Not für die Vielen<br />

lässt sich dergestalt „schön-gedacht“ als ein risikofreudiges und schöpferisches Projekt<br />

feiern, solang die risikoscheue Sinn-Frage „Wozu und zu wessen Gunsten eigentlich?”<br />

nicht störend aufkommt. – Wenngleich Becks Texte eher vom Mut <strong>zur</strong> Abstrusität als<br />

<strong>von</strong> kritischem Erkenntnisinteresse geleitet scheinen, entlarven sie doch unwillentlich<br />

sehr deutlich die Alternative <strong>zur</strong> Strategie der <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung.<br />

Je höher die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit steigt, um so geringer wird die Verhandlungsmacht der<br />

Gewerkschaften, <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung und Lohnerhöhung zu erstreiten. Die<br />

Forderung nach annähernder Vollbeschäftigung ist kein „Denkkäfig” im Dienste der<br />

<strong>Arbeit</strong>smoral, sondern die Bedingung der Möglichkeit, den Preis für <strong>Arbeit</strong> zu heben,<br />

d. h. <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzungen und Lohnsteigerungen zu erreichen.<br />

Vollbeschäftigung ist taktisch unaufgebbar, soll das Quantum der <strong>Arbeit</strong> für alle<br />

verringert, sollen die Einkommen der Einzelnen erhöht werden und die Kaufkraft<br />

nivelliert werden können. Erwerbsarbeit und Einkommen bleiben die umkämpften<br />

Verteilungsprobleme.<br />

105<br />

106<br />

Vgl. Beck, Ulrich: Schöne neue <strong>Arbeit</strong>swelt. Vision: Weltbürgergesellschaft. Campus, Frankfurt a. M./<br />

New York, 1999.<br />

Vgl. Bergmann, Joachim: „Die negative Utopie des Neoliberalismus oder die Rendite muß stimmen.<br />

Der Bericht der bayrisch-sächsischen Zukunftskommission“, in: Leviathan. Heft 4 (1998), S. 319–340;<br />

bzw. in: Hirsch-Kreinsen, Hartmut/ Wolf, Harald (Hrsg.): <strong>Arbeit</strong>, Gesellschaft, Kritik – Orientierungen<br />

wider den Zeitgeist. Edition Sigma, Berlin 1998.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 31 �


Die in Großbritannien und Deutschland inzwischen populäre New-Labour-Ideologie<br />

sozialdemokratischer „neuer Mitte” schmiegt sich geschmeidig in den Strom<br />

neoliberalen Denkens und stellt den größten Überzeugungserfolg der Konservativen<br />

im Bereich ihrer Gegner dar.<br />

Auch die konflikt-scheue New-Labour-Ideologie versagt es sich, Unternehmen unter<br />

Kostendruck zu setzen. Solange nur „mehr <strong>Arbeit</strong>” gefordert wird, ist der Bannkreis<br />

des Neoliberalismus nicht durchbrochen, denn Projekte wie jenes in Leipzig sind<br />

möglich.<br />

Immerhin steht im Grundsatzprogramm der SPD:<br />

„Der gesellschaftliche Reichtum, den wir durch die Entfaltung der<br />

Produktivkräfte erreicht haben, ermöglicht drastische Verkürzungen der<br />

Erwerbsarbeitszeit und erweitert die Möglichkeiten <strong>zur</strong> Verbesserung der<br />

<strong>Arbeit</strong>s- und Lebensverhältnisse. Damit können alte sozialdemokratische Ziele<br />

Wirklichkeit werden".<br />

Prokapitalistische Ziele wie<br />

„allgemeiner Wohlstand und soziale Sicherheit", „gerechte Verteilung der<br />

<strong>Arbeit</strong>s- und Lebenschancen", „mehr Zeit für Familien- und Privatleben, für<br />

Muße und Gemeinschaftsarbeit" sowie „schöpferische Aktivität und Teilhabe<br />

am kulturellen Leben"<br />

werden seitens der SPD aufgegeben, wenn sie sich der antikapitalistischen Ideologie<br />

des Neoliberalismus unterwirft.<br />

Wer statt staatlicher Maßnahmen <strong>zur</strong> Vollbeschäftigung, die Kostendruck auf<br />

Unternehmen erzeugten, zu Maßnahmen greift, die Druck auf <strong>Arbeit</strong>slose und<br />

Sozialhilfeempfänger ausüben, sollte wenigstens die Redlichkeit besitzen, diese nicht<br />

als Maßnahmen gegen die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit auszugeben.<br />

Nur ein konsequenter Reformismus als „permanente liberale Revolution” 107 , der auf<br />

die Stärkung der Individuen zielt und den Kapitalismus und dessen Errungenschaften<br />

verteidigt, kann neoliberaler Strategie zuwider laufen.<br />

Der neoliberale Angriff auf den kapitalistischen Wohlfahrtsstaat beruft sich auf die<br />

Selbstverantwortung der Einzelnen nur, um zunehmende soziale Ungleichheit und<br />

damit Abhängigkeit zu rechtfertigen. Hingegen verringern die für alle erlangten<br />

Rechte die individuellen Abhängigkeiten und erweitern damit das<br />

Möglichkeitsspektrum selbstverantworteter Entscheidungen.<br />

107 Flores d`Arcais, Paolo: Die Linke und das Individuum. Ein politisches Pamphlet, Wagenbach, Berlin<br />

1997, S. 58.<br />

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Bürgerrechtsbewegungen gewinnen dann Bedeutung, wenn der Wahlbürger Politik<br />

als etwas Äußerliches erlebt, wenn er spürt, dass „Mehrheit und Opposition in einer<br />

Dämmerung, in der alle Katzen grau sind, einander immer ähnlicher werden und ihm<br />

seine <strong>Macht</strong> zu wählen und zu kontrollieren entziehen" 108 .<br />

Als die <strong>Arbeit</strong>slosenbewegung in Frankreich das „Dogma der <strong>Arbeit</strong>” aufgab und<br />

redlich für mehr Geld kämpfte, war sie erfolgreich. In Frankreich wurden<br />

<strong>Arbeit</strong>szeitverkürzungen durchgesetzt.<br />

Die Zukunft bietet die Alternativen, wieder hinter den bewussten Fortschritt<br />

kapitalistischer Gesellschaft <strong>zur</strong>ückzufallen oder auf dessen Grundlage machtvoll das<br />

Otium der Edlen für alle zu erkämpfen.<br />

108 Ebenda, S. 41.<br />

Oliver Kloss � 2001 � <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? � 33 �


Medienliste<br />

Kloss, Oliver: <strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>? Ein Versuch über den Wert der Erwerbsarbeit. In: Bernd<br />

Gehrke/ Wolfgang Rüddenklau (Hrsg.): Das war doch nicht unsere Alternative. Westfälisches<br />

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http://www.<strong>otium</strong>-bremen.de/texte/kloss.pdf (seit Anfang 2001 bis heute)<br />

trend online Zeitung. 07/ 08 (2001), trend c/o Anti-Quariat Oranienstr. 45, D-10969 Berlin<br />

http://www.infopartisan.net/trend/trd7801/t447801.html (seit Juli 2001 bis heute)<br />

GRIN Verlag, Seminararbeit bei Dr. Georg Quaas, 2001, ISBN (E-Book) 978-3-640-74411-4:<br />

http://dx.doi.org/10.3239/9783640744114<br />

Titelbild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:<strong>Macht</strong>_<strong>Arbeit</strong>_Frei%3F3.JPG<br />

Das Bild der Skulptur „<strong>Macht</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>frei</strong>?“ des Künstlers Yigal Tumarkin aus dem Abu<br />

Nabut Park in Tel Aviv-Yaffo ist über Wikimedia Commons zu erreichen.<br />

�<br />

Altendorf, Wolfgang: „35-Stunden-Woche. Bereits in der Antike ein alter Hut“, in: Das<br />

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Beck, Ulrich: Schöne neue <strong>Arbeit</strong>swelt. Vision: Weltbürgergesellschaft. Campus, Frankfurt a.<br />

M./ New York, 1999.<br />

Beck, Ulrich: „Zukunft der <strong>Arbeit</strong> – <strong>Arbeit</strong> der Zukunft“, in: Kulturchronik. Heft 2 (1997), Hrsg.<br />

Inter Nationes e.V., Bonn, S. 49–51.<br />

Bergmann, Joachim: „Die negative Utopie des Neoliberalismus oder die Rendite muß stimmen.<br />

Der Bericht der bayrisch-sächsischen Zukunftskommission“, in: Leviathan. Heft 4 (1998), S.<br />

319–340 bzw. in: Hirsch-Kreinsen, Hartmut/ Wolf, Harald (Hrsg.): <strong>Arbeit</strong>, Gesellschaft, Kritik<br />

– Orientierungen wider den Zeitgeist. Edition Sigma, Berlin, 1998.<br />

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Texten Nietzsches werden sowohl die Schreibweise aus der Zeit vor der zweiten deutschen<br />

Rechtschreibreform <strong>von</strong> 1901 wie eventuelle Hervorhebungen in die Zitate übernommen.]<br />

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Anhang: Eine erste Kritik kam am 16. Oktober 2001 <strong>von</strong> den Futuristen in der SPD<br />

Sie bietet Anregung wie Widerspruch und sei abschließend gekürzt wiedergegeben:<br />

Lieber Oliver Kloss,<br />

[…] Von deinem klugen Papier <strong>zur</strong> <strong>Arbeit</strong> bin ich ganz begeistert, es ist das beste, was ich<br />

bisher zum Thema gelesen habe, und dies in verhältnismäßig knapper und gut<br />

verständlicher Form. Inhaltlich wertvoll und anregend in unserem Zusammenhang war für<br />

mich auch der Verweis auf Nietzsche und seine Verteidigung des Individuums; das scheint in<br />

unserem Futuristen-Papier zwar auch immer wieder auf, trifft offenbar einen sehr zentralen<br />

Punkt: Am gefährlichsten ist das Individuum, das „<strong>frei</strong>“ handelt, gewünscht ist der<br />

konforme Massenmensch; genauso ist dies vielfältig bei Hannah Arendt beschrieben, die so<br />

in mancher Hinsicht ein „missing link“ in deinem Text bildet. Im Anschluss an ihre<br />

Überlegungen könnte man, was du an mehreren Stellen „strategisch“ nennst mit gutem<br />

Grund „politisch“ nennen, und im einzelnen ließe sich daraus nicht weniger für uns<br />

entwickeln als die Wiederaneignung eines sozialdemokratischen Programms, was mir sehr<br />

am Herzen läge.<br />

Was ebenso überzeugt in deinem Papier, ist die Darstellung historischer Kontinuitäten -<br />

etwa wie in totalitären Regimen <strong>Arbeit</strong> als Strafe fungierte und diese Funktion bis heute<br />

erhalten wird, was leider auch gerade eine Eigenart der Linken geblieben ist. In diesem<br />

Sinne kranken auch sämtliche Diskussionen zum Thema an einem unklaren <strong>Arbeit</strong>sbegriff,<br />

der einerseits die fast nicht zu entwirrende Ambivalenz des Themas mit sich führt, wie sie<br />

auch bei Marx erscheint, andererseits sehr deutlich zeigt, dass der Sieg des animal laborans,<br />

<strong>von</strong> dem Hannah Arendt spricht, nahezu vollkommen ist und wir kaum noch in der Lage<br />

sind, uns anders als durch „<strong>Arbeit</strong>“ zu definieren und unserem Leben Würde zu verleihen.<br />

Angesichts dessen vertrittst du einen wünschenswert klaren <strong>Arbeit</strong>sbegriff in<br />

ideologiekritischer Rücksicht: <strong>Arbeit</strong>smoral als „die <strong>zur</strong> Tugend gelogene Not der<br />

<strong>Arbeit</strong>enden“.<br />

Äußerst originell und zudem „strategisch“ wertvoll die Interpretation des Neoliberalismus<br />

als antikapitalistischer Kraft. Damit hätten wir zwei Pole zusammenhängender Begriffe: auf<br />

der einen Seite Antikapitalismus, <strong>Arbeit</strong>, Konformität, Zwang, Erpressung, Lohndumping,<br />

Neoliberalismus. Auf der anderen Seite Kapitalismus, Individuum, Solidarität, Kreativität.<br />

Es ginge darum, seine <strong>Arbeit</strong>skraft möglichst teuer zu verkaufen und damit Innovation,<br />

mithin die Steigerung der Produktivkräfte, durchaus zu stimulieren, es ginge darum<br />

(entgegen dem Trend) Tarifverträge und Gewerkschaften wieder zu stärken, statt absurde,<br />

sich volksgemeinschaftlich gerierende „Bündnisse für <strong>Arbeit</strong>“ zu schließen.<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob, jenseits der notwendigen und<br />

wünschenswerten Forderung nach <strong>Arbeit</strong>szeitverkürzung, das für dich unabdingbare Ziel<br />

der Vollbeschäftigung, tatsächlich erreichbar und erstrebenswert erscheint. Unser Vorschlag<br />

ist ja ein anderer: Wir fordern ein solidarisches Bündnis <strong>von</strong> <strong>Arbeit</strong>slosen und <strong>Arbeit</strong>enden,<br />

in welchem stets die jeweils <strong>Arbeit</strong>enden ihre eigene (oder andere), wie auch immer<br />

motivierte Abwesenheit vom <strong>Arbeit</strong>smarkt subventionieren. Dies wäre der Beginn des<br />

Reiches der Freiheit, <strong>von</strong> Emanzipation, <strong>von</strong> ungeahnten Möglichkeiten, <strong>von</strong> Faulheit auch<br />

als unbekannter Produktivkraft … […]<br />

Mit besten Grüßen Sylvia Zeller (Futuristen in der SPD/ Berlin)<br />

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