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Lokales Jugendmilieu Essen-Katernberg-Nord<br />

im Spannungsfeld<br />

von Individualisierung und sozialer Ungleichheit<br />

Forschungsbericht<br />

zur Lehrforschung "Sozialraum <strong>Ruhr</strong>gebiet"<br />

an <strong>der</strong> <strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialwissenschaft</strong>en <strong>der</strong> <strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> Bochum<br />

Lars Czommer, David H. Gehne, Jutta Massner, Jennifer Neubauer<br />

Juli 1998


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Vorwort _____________________________________________________________ 3<br />

2. Theoretische Erklärungen sozialer Ungleichheit - ein Überblick ______________ 4<br />

2.1. Zentrale Fragestellungen/ leitendes Erkenntnisinteresse ____________________________ 4<br />

2.2. Ansätze zur Erklärung sozialer Ungleichheit______________________________________ 4<br />

2.2.1. Das Individualisierungstheorem (Beck) _____________________________________ 6<br />

2.2.2. Individualisierung und Solidarität (Strohmeier)________________________________ 7<br />

2.2.3. Die verwandelte Klassengesellschaft (Vester) ________________________________ 8<br />

2.2.4. Dimensionen sozialer Ungleichheit und Individualisierung______________________ 10<br />

3. Methode <strong>der</strong> Erhebung: Allein im Feld o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sprung ins kalte Wasser______ 11<br />

3.1. Defizite des empirischen Materi<strong>als</strong> ____________________________________________ 12<br />

3.2. Annäherung an das Material__________________________________________________ 14<br />

3.3. Erläuterungen zur Auswertungsstrategie ________________________________________ 16<br />

4. Lokales Jugendmilieu Essen-Katernberg-Nord _____________________________ 18<br />

4.1. Der Stadtteil <strong>als</strong> erlebte Gegenwart ____________________________________________ 18<br />

Allgemeine Meinung zum Stadtteil ___________________________________________ 18<br />

4.1.1. Lokales Jugendmilieu Essen Katernberg-Nord - Räumlicher und sozialer Bezug ____ 19<br />

4.1.2. Cliquen - informelle Sozialbeziehungen in <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe _____________ 21<br />

Jörg und Christian, "die Besucher" ___________________________________ 24<br />

Zusammenfassung _______________________________________________ 26<br />

4.1.3. Drogen im Alltag des Stadtteils und <strong>der</strong> Jugendlichen __________________________ 28<br />

4.2. Jugendzentren <strong>der</strong> Gegenwart und Zukunft ______________________________________ 32<br />

Biographie <strong>als</strong> Projektionsfläche <strong>für</strong> erlebte alltägliche Mangelsituation ________________ 35<br />

5. Cliquen - vorläufige Vergemeinschaftung und <strong>der</strong>en Erosion im Spannungsfeld<br />

von Individualisierung und sozialer Ungleichheit__________________________ 36<br />

Literatur________________________________________________________________ 39<br />

2


1. Vorwort<br />

Vom Strukturwandel des <strong>Ruhr</strong>gebiets ist heute vor allem unter ökonomischen und technologischen<br />

Gesichtspunkten die Rede. Der soziale und demographische Wandel des "Reviers"<br />

bleibt im öffentlichen Diskurs eher unterbelichtet. Die Verän<strong>der</strong>ungen örtlicher Sozi<strong>als</strong>trukturen<br />

in den Städten und Stadtteilen, die zunehmende Polarisierung zwischen den Vierteln <strong>der</strong><br />

wohlhabenden Etablierten und den Armutsinseln <strong>der</strong> "Außenseiter" und die Verän<strong>der</strong>ung<br />

lokaler sozialer Milieus waren Thema des Projekts "Sozialraum <strong>Ruhr</strong>gebiet".Unter diesem<br />

<strong>Titel</strong> hat im Wintersemester 1994/95 und in den folgenden drei Semestern (einschließlich<br />

eines erheblichen Teils <strong>der</strong> Ferien) eine Gruppe von 12 Studierenden <strong>der</strong> <strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialwissenschaft</strong><br />

Sozi<strong>als</strong>truktur, Milieu und lokale Sozialpolitik im Essener Stadtteil Katernberg<br />

untersucht. Im Zentrum standen einerseits die Lebenssituation <strong>der</strong> Jugendlichen in einem<br />

armen Viertel einer durch wachsende soziale Spaltung charakterisierten <strong>Ruhr</strong>gebietsstadt,<br />

an<strong>der</strong>erseits die Wirkungsweise städtischer Jugendpolitik im Rahmen eines integrierten<br />

Handlungskonzepts, das im Städtevergleich <strong>als</strong> ausgesprochen innovativ gelten kann und in<br />

hohem Maße auf die Partizipation und Mobilisierung aller Akteure im Stadtteil setzt.<br />

Die vorliegende Studie beleuchtet das sozialräumliche Wirkungsfeld "sozialer Kommunalpolitik"<br />

in einem Stadtteil mit beson<strong>der</strong>em Erneuerungsbedarf und sie identifiziert Probleme, die<br />

<strong>für</strong> die Implementation integrierter Handlungskonzepte <strong>der</strong> Stadtteilentwicklung möglicherweise<br />

symptomatisch sind. Im Gegensatz zum mittlerweile inflationären Gebrauch des Begriffs<br />

<strong>der</strong> "Vernetzung" erweist sich die Beteiligung aller relevanten Akteure "vor Ort", d.h. da<br />

wo gearbeitet wird, <strong>als</strong> nicht unproblematisch.<br />

Das Projekt war <strong>der</strong> Auftakt einer bislang überaus ertragreichen Kooperation zwischen <strong>der</strong><br />

<strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> Bochum, <strong>der</strong> <strong>Universität</strong>/GHS Essen und <strong>der</strong> Stadt Essen, die mittlerweile<br />

im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung läuft. Der Stadt Essen und dem Institut <strong>für</strong><br />

stadtteilbezogene Sozialarbeit und Beratung (ISSAB) <strong>der</strong> Essener <strong>Universität</strong> sei an dieser<br />

Stelle <strong>für</strong> die Unterstützung unserer Arbeit gedankt. Den Studierenden, die das Projekt, sei<br />

es über die gesamte Laufzeit o<strong>der</strong> nur über einen Teil <strong>der</strong> Wegstrecke, getragen haben, sei<br />

<strong>für</strong> ihre Arbeit gedankt, die durchaus professionelle Ansprüche erfüllt hat. Sie haben zudem<br />

in überzeugen<strong>der</strong> Weise unter Beweis gestellt, daß aktive und verantwortliche Beteiligung an<br />

<strong>der</strong> Forschung geeignet ist, die akademische Ausbildung entscheidend zu verbessern. Die<br />

<strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialwissenschaft</strong> hat dem inzwischen mit <strong>der</strong> Einführung von "Vertiefungsseminaren"<br />

mit Forschungscharakter in die seit 1996 geltende Diplomprüfungsordnung Rechnung<br />

getragen.<br />

3


Prof. Dr. K.P. Strohmeier<br />

2. Theoretische Erklärungen sozialer Ungleichheit - ein<br />

Überblick<br />

2.1. Zentrale Fragestellungen/ leitendes Erkenntnisinteresse<br />

Aus <strong>der</strong> Sichtung <strong>der</strong> stadtteilbezogenen sozi<strong>als</strong>trukturellen Merkmale ergibt sich die Annahme,<br />

daß ein Großteil <strong>der</strong> Katernberger Bevölkerung mit den Auswirkungen sozialer Ungleichheit<br />

zu kämpfen hat. Unser Hauptaugenmerk liegt hierbei bei <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> im<br />

Stadtteil lebenden Jugendlichen im Alter von 15 bis 21 Jahren. Wir gehen davon aus, daß<br />

diese Gruppe in einem beson<strong>der</strong>en Maße vom Prozeß <strong>der</strong> Individualisierung und den damit<br />

einhergehenden Ausprägungen von Desillusion, Demotivation, Desintegration und Orientierungslosigkeit<br />

betroffen ist.<br />

In diesem Zusammenhang gehen wir <strong>der</strong> Frage nach, inwieweit die uns bekannten theoretischen<br />

Modelle sozialer Ungleichheit die Realität abbilden und erfassen bzw., ob mit ihnen<br />

diese Ungleichheitsrelationen in einem speziellen Stadtteil erklärbar sind.<br />

2.2. Ansätze zur Erklärung sozialer Ungleichheit<br />

Für die Fragestellung nach <strong>der</strong> Betroffenheit Jugendlicher von Formen <strong>der</strong> sozialen Ungleichheit<br />

in Essen Katernberg sind <strong>für</strong> uns folgende Ansätze zentral:<br />

Dies ist zunächst die Studie von Dubet/Lapeyronnie (1994), die sich auf das Arbeiter/innenmilieu<br />

in französischen Vororten bezieht und dabei insbeson<strong>der</strong>e auf die Situation<br />

Jugendlicher eingeht. Die Ausgangspunkte scheinen uns auf das <strong>Ruhr</strong>gebiet übertragbar zu<br />

sein.<br />

Das Individualisierungstheorem von Beck stellt einen Ausgangspunkt unserer theoretischen<br />

Überlegungen dar. Die hieraus abgeleitete theoretische Annahme ist, daß Jugendlichen in<br />

Katernberg von den Folgen des Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesses in relativ einheitlichem Maße<br />

betroffen sind.<br />

Die theoretische Vielfalt von Handlungsoptionen, die aus dem Individualierungstheorem<br />

hervorgehen, bleiben einem alternativen Theoriestrang zufolge eingeschränkt. Gemeint ist<br />

4


das Konzept ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapit<strong>als</strong> von Bourdieu. Der unter-<br />

schiedliche Zugang zu den verschiedenen Kapitalressourcen bestimmt den Handlungsspielraum<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Personen und somit den Grad <strong>der</strong> Betroffenheit von Formen <strong>der</strong> sozialen<br />

Ungleichheit.<br />

Die Anwendung und Weiterentwicklung des Bourdieuschen Konzepts zum einen durch das<br />

Sinus-Institut, zum an<strong>der</strong>en durch Vester und <strong>der</strong> Hannoveranischen Forschungsgruppe<br />

bietet die begriffliche Hilfestellungen <strong>für</strong> eine grobe Voreinschätzung <strong>der</strong> sozialen Lage, des<br />

Lebensstils: danach dominiert in Essen-Katernberg das traditionslose Arbeiter/innenmilieu,<br />

zu einem kleinen Teil das traditionelle Arbeiter/innenmilieu. Allerdings ist es fraglich, inwiefern<br />

Migranten und Migrantinnen - v.a. <strong>der</strong> zweiten und dritten Generation - in diesem Raster<br />

einordbar sind. Fragen bezüglich <strong>der</strong> Geschlechterdifferenz ergeben sich ebenso.<br />

Mit welchen Modellen können Formen sozialer Ungleichheit beschreiben werden? Welche<br />

Aspekte werden hierbei berücksichtigt, welche Vor- und Nachteile bergen sie in sich? Den<br />

klassischen Diskurs über soziale Ungleichheit dominieren die Konzepte Klasse und Schicht.<br />

Während <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Klasse oftm<strong>als</strong> mit <strong>der</strong> marxistischen Klasssentheorie in Verbindung<br />

gebracht wird und somit einer politischen Wertung von bestehenden Ungleichheitsrelationen<br />

einer Gesellschaft gleich kommt, ist <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Schicht an die bundesrepublikanische<br />

Verhältnisse <strong>der</strong> 50/60er Jahre gekoppelt (Boltsche Zwiebel).<br />

Klasse stellt im marxistischen Sinne eine Einteilung <strong>der</strong> Gesellschaft in Produktionsmittelbesitzende<br />

und -nichtbesitzende Individuen dar. Soziale Ungleichheit bezieht sich demzufolge<br />

primär auf die ökonomische Dimension.<br />

Diese vertikale Sichtweise wurde im Schichtungskonzept beibehalten, jedoch fand hier zum<br />

einen eine Entpolitisierung, zum an<strong>der</strong>en eine Orientierung an <strong>der</strong> Mittelschichtsgesellschaft<br />

<strong>der</strong> 60er Jahre statt. Die ökomomische Dimension wurde vor allem mit den Variablen Einkommen,<br />

Bildung und Status beschrieben. Aus feministischer Sicht erfolgte eine Kritik insofern,<br />

<strong>als</strong> daß dieses Konzept eindimensional und erwerbsarbeitszentriert sei, da es sich an<br />

<strong>der</strong> männlichen Lebenswelt mit Erwerbsarbeit <strong>als</strong> zentralem Faktor orientiere. Der Hintergrund<br />

dieser Kritik ist die Unterteilung <strong>der</strong> Lebenswelten in einen Produktions- und einen<br />

Reproduktionsbereich .<br />

Die beiden dominanten Gesellschaftskonzepte <strong>der</strong> 80er Jahre sind zum einen die Zweidrittelgesellschaft<br />

(vgl. Glotz 1984), zum an<strong>der</strong>en die Risikogesellschaft (vgl. Beck 1986). Dabei<br />

hebt ersteres auf die Wie<strong>der</strong>betonung struktureller Ungleichheiten ab, die bei <strong>der</strong> Schichtungstheorie<br />

aus dem Blick gerieten. Das Konzept "Risikogesellschaft" hingegen betont die<br />

Individualisierung von Risiken jenseits von Klasse und Schicht.<br />

5


Das in den 70er Jahren vom SINUS-Institut entwickelte Milieukonzept wurde von <strong>der</strong> Hannoveranischen<br />

Forschungsgruppe abgeän<strong>der</strong>t und weiterentwickelt. Das Konzept, welches<br />

längere Zeit nur eine untergeordnete Position innerhalb <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion einnahm,<br />

hat mit Vesters pluralisierter Klassengesellschaft an Bedeutung gewonnen.<br />

"Als mit dem Mentalitätsbegriff verbundener Allgemeinbegriff <strong>für</strong> einen gesamtgesellschaftlichen<br />

Kohäsionszusammenhang war er [<strong>der</strong> Milieubegriff; d. Verf.] bereits 1894 bei Durkheim<br />

(1961) und wenig später bei Mauss (1969) wichtig. Die Wie<strong>der</strong>aufnahme des Begriffs, allerdings<br />

<strong>für</strong> kohäsive Großgruppen (vgl. Beck 1986, S. 140) o<strong>der</strong> Fraktionierung <strong>der</strong> Gesamtgesellschaft<br />

und meist ohne Bezug auf Durkheim, wird damit begründet, daß die herkömmlichen<br />

Klassen- und Schichtkonzepte soziales Verhalten immer weniger erklären, prognostizieren<br />

o<strong>der</strong> auch nur lebensnah beschreiben können." 1<br />

2.2.1. Das Individualisierungstheorem (Beck)<br />

Der Prozeß <strong>der</strong> Individualisierung ist ein Element des sozi<strong>als</strong>trukturellen Wandels <strong>der</strong> ehemaligen<br />

Industriegesellschaften hin zu Dienstleistungsgesellschaften. Er kann beschrieben<br />

werden <strong>als</strong> "die Fortsetzung des Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesses <strong>der</strong> Gesellschaften des Westens."<br />

Individualisierung meint zunächst den Prozeß <strong>der</strong> Auflösung traditioneller Lebensweisen und<br />

Orientierungsmuster. Dabei nehmen auf <strong>der</strong> einen Seite Handlungsoptionen <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong> zu, d.h. die Möglichkeiten einer relativ freien Wahl - hinsichtlich des<br />

beruflichen Werdegangs, des Wohnortes o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Lebensform - vergrößern sich.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wurden und werden die traditionell stark ausgeprägten sozialen Netze<br />

wie die des Arbeiter/innenmilieus zu Zeiten <strong>der</strong> Industriegesellschaft, die Verflechtungen von<br />

Familie und Nachbarschaft noch in den 70er Jahren <strong>als</strong> Resultat des Individualisierungsprozesses<br />

aufgelockert und zunehmend durch formelle Institutionen ersetzt.<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> nunmehr "individualisierten Lebensläufe" bedeutet dies, daß die eine<br />

verhaltenssteuernde und orientierende Funktion ausübenden traditionellen Arbeiter/innenmilieus<br />

wegfallen und eine Normierung <strong>der</strong> Lebensläufe entlang von Institutionen<br />

1 Vester, Michael (1994): Die verwandelte Klassengesellschaft. Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Sozi<strong>als</strong>truktur<br />

und Wandel <strong>der</strong> Mentalitäten in Westdeutschland, in: Mörth, Ingo/Fröhlich, Gerhard (Hg.): Das symbolische<br />

Kapital <strong>der</strong> Lebensstile. Zur Kultursoziologie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne nach Pierre Bourdieu, Ffm/New York,<br />

S. 134.<br />

6


verläuft. Beck spricht daher von institutionalisierten Lebensläufen.<br />

Daß diese institutionalisierten Lebensläufe zwar relativ einheitlich ein Durchlaufen bestimmter<br />

Institutionen bedeuten, sagt jedoch noch nichts aus über die Wege, die die Individuen<br />

gewählt haben o<strong>der</strong> wählen, um 'ihren' Platz in <strong>der</strong> Gesellschaft einnehmen zu können. Unter<br />

Individualisierungsbedingungen mangelt es oftm<strong>als</strong> an Orientierungshilfen. D.h., <strong>für</strong> die<br />

(heranwachsenden) Personen besteht eine (theoretische) Vielfalt an Handlungsoptionen,<br />

zwischen denen entschieden werden muß. Konkret kann <strong>der</strong> Entscheidungszwang bei <strong>der</strong><br />

Berufswahl fatale Folgen haben, da dies in einer Arbeitsgesellschaft schnell desintegrativ<br />

wirken kann.<br />

Durch die Zunahme von (theoretischen) Handlungsoptionen sind Lebensläufe nicht mehr<br />

festgelegt, durch den Wandel <strong>der</strong> ökonomischen Rahmenbedingungen (Arbeitsmarkt) oft<br />

auch nicht vorhersehbar. Es sind zukünftige Weichenstellungen, <strong>der</strong>en (Miß-)Erfolg sich erst<br />

im Nachhinein herausstellt. Somit werden über den Wegfall tradierter Orientierungsmuster<br />

und sozialer Rahmenbedingungen Chancen und Risiken von (Fehl-)Entscheidungen individualisiert.<br />

Die oft mit <strong>der</strong> 'Schattenseite' <strong>der</strong> Individualisierung bezeichneten Formen von<br />

Orientierungslosigkeit und Desintegration resultieren aus einer Überfor<strong>der</strong>ung des Individuums<br />

auf <strong>der</strong> einen Seite, aus mangelhaften sozioökonomischen Rahmenbedingungen<br />

an<strong>der</strong>erseits.<br />

Können Normalbiographien, die aufgrund eines 'institutionalisierten Lebenslaufes' erwartbar<br />

wären, nicht umgesetzt werden, so werden sie zu Bastelbiographien, Risikobiographien o<strong>der</strong><br />

auch zu Bruchbiographien.<br />

2.2.2. Individualisierung und Solidarität (Strohmeier)<br />

Strohmeier verbleibt nicht bei <strong>der</strong> o.g. Dichotomie. Er stellt die Frage nach dem 'Kitt', nach<br />

Solidarität innerhalb einer <strong>als</strong> individualisiert beschriebenen Gesellschaft. Denn wären die<br />

mo<strong>der</strong>nen (Dienstleistungs-)Gesellschaften in o.g. Form ausschließlich von Individualisierung,<br />

einem Aufbrechen sozialer Netze ohne Kompensierung von neuen Vergesellschaftungsformen<br />

betroffen, käme es zu dem was Durkheim <strong>als</strong> Anomie beschreibt. Festzustellen<br />

sei, daß die soziale Wirklichkeit auch unter Mo<strong>der</strong>nisierungsbedingungen Formen <strong>der</strong> Kohäsion<br />

aufweise. Verän<strong>der</strong>t hätten sich Formen und Werte sozialen Handelns: sie fände unter<br />

dem Gesichtspunkt des individuellen Nutzens statt.<br />

Mit dem Prozeß <strong>der</strong> Individualisierung entfalle das Selbstverständliche traditioneller Vorgaben<br />

jedwe<strong>der</strong> Art, es komme zu "Wahlvergemeinschaftungen": Lebensformen und Lebenswege<br />

würden zu Objekten rational kalkulieren<strong>der</strong> Entscheidungen.<br />

7


Familie sei <strong>der</strong> Ort, wo Solidarität primär gelebt und gelernt werde. Mit einem Schwinden <strong>als</strong><br />

hauptsächliche Option <strong>für</strong> Menschen mit traditionellen Wertemustern verschwinde langfristig<br />

auch "die Sozialform, die <strong>für</strong> die Bildung des Humanvermögens bislang die ausschlaggebende<br />

gewesen ist." Es stelle sich die Frage nach den Bedingungen, unter denen nachwachsene<br />

Generationen solidarisches Handeln lernen und leben. Werde die Option "Familie"<br />

immer seltener <strong>als</strong> anzustrebende Lebensform gewählt, könne sich tatsächlich ein anomisches<br />

Potential entwickeln. Forciert werden könne diese Entwicklung durch eine Überlastung<br />

und Disfunktionalität des Sozialhilfesystems ebenso wie durch eine mangelhafte Familienpolitik,<br />

die das Armutsrisiko "Kin<strong>der</strong>" nicht hinreichend absichert. Beim Zusammenfall <strong>der</strong><br />

Merkmale "hohe Kin<strong>der</strong>zahl" und "niedriger sozialer Status" käme dies einer Ausgrenzung<br />

<strong>der</strong> unteren sozialen 'Schichten' gleich. Individualisierung sei jedoch nicht die Ursache eines<br />

abnehmenden traditionellen Solidaritätspotenti<strong>als</strong>, son<strong>der</strong>n soziale Ausgrenzung infolge von<br />

Armut, Dauerarbeitslosigkeit und persönlicher Perspektivlosigkeit.<br />

Im Sinne unseres Erkenntnisinteresses ist zu fragen, inwiefern Jugendliche von den o.g.<br />

Phänomenen betroffen sind. Es sind Fragen nach Arten sozialer Netze, Orientierungen und<br />

Orientierungshilfen, Lebensplanungen, Einstellungen sowie nach Lebenswegen.<br />

2.2.3. Die verwandelte Klassengesellschaft (Vester)<br />

Vester und die Hannoveranische Forschungsgruppe entwickelten einen Ansatz, um den<br />

westdeutschen Strukturwandel zu erklären.<br />

Dabei verknüpfen sie das von Bourdieu verwendete Konzept des mehrdimensionalen sozialen<br />

Raumes mit dem Konzept <strong>der</strong> englischen Kulturalisten (Williams und Thompson), welche<br />

von einem bestehenden Eigensinn sozialer Mentalitäten und Milieus ausgehen. Somit<br />

werden hier neben den drei Ebenen Bourdieus (Kapitalvolumen, -struktur und Zeit) drei weitere<br />

Ebenen mit einbezogen: die soziale Lage, Mentalitäten sowie die Beziehungspraxis <strong>der</strong><br />

Milieus.<br />

Der Begriff des Milieus ist ein wesentlicher Bestandteil in Vesters Konzept. Der Milieubegriff<br />

soll die Verklammerung von Objektivität und Subjektivität darstellen. Vester unternimmt somit<br />

den Versuch, verschiedene Großgruppen <strong>der</strong> Gesellschaft mit ähnlichen Lebensbedingungen<br />

und gemeinsamen Lebensstilen zu erfassen. Milieus seien Interaktionszusammenhänge,<br />

die sich in Dialektik von Kohäsion und Abgrenzung konstituieren. Milieus sollen hier<br />

<strong>als</strong> historisch gewachsen angesehen werden.<br />

8


Nach Vester entspreche die Sozi<strong>als</strong>truktur <strong>der</strong> BRD einer "pluralisierten Klassengesellschaft".<br />

Eine Pluralisierung sei dabei im Sinne einer Differenzierung nach Graden <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

erkennbar. Vester betont, daß über die neuen sozialen Milieus hinaus eine Restrukturierung<br />

des sozialen Gesamtraums möglich sei. Mentalitätsformen können demnach sozi<strong>als</strong>trukturelle<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsprozezesse durchaus überdauern, indem sie sich den verän<strong>der</strong>ten<br />

Rahmenbedingungen anpassen. In den Untersuchungen <strong>der</strong> Hannoveranischen Forschungsgruppe<br />

sind Umrisse einer "Landkarte" <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nisierten Sozi<strong>als</strong>truktur zu erkennen.<br />

Anhand dieser Landkarte sei eine deutliche Zunahme des kulturellen Kapit<strong>als</strong> und <strong>der</strong><br />

damit verbunden verschiedenen Formen sozialer Ungleichheit zu entdecken. Auf <strong>der</strong> Ebene<br />

<strong>der</strong> Mentalitäten und Milieus polarisiere sich die Gesellschaft. Ein Fortwirken alter Klassenstrukturen<br />

(strukturelle, vertikale Ungleichheit) in pluralisierter Gestalt (horizontale Differenzierung)<br />

bliebe bestehen. Vester gelangt zu dem Schluß, daß innerhalb <strong>der</strong> westdeutschen<br />

Gesellschaft eine hochpriviligierte Spitze, ein gesicherter Kern sowie ein prekärer Rand <strong>der</strong><br />

Gesellschaftsstruktur auszumachen sei.<br />

9


Der Ansatz Bourdieus wurde <strong>für</strong> die Ebenen <strong>der</strong> Sozi<strong>als</strong>truktur, <strong>der</strong> Lebensstile und <strong>der</strong> In-<br />

teraktion in und zwischen den Milieus modifiziert. Die Grundhypothese war die <strong>der</strong> Pluralisierung<br />

<strong>der</strong> Klassenmilieus. Dabei wird angenommen, daß die Individuen in ihren Herkunftsmilieus<br />

relativ verankert bleiben und somit die Auswirkungen <strong>der</strong> Individualisierung und<br />

Pluralisierung <strong>der</strong> Lebensformen ihre Grenzen finden.<br />

Die Landkarte <strong>der</strong> vom Sinus-Institut entwickelten westdeutschen Sozialmilieus zeige, daß<br />

ihre Mo<strong>der</strong>nisierung die Grundmuster des Klassenhabitus nicht hat verschwinden lassen.<br />

Das hannoveranische Forschungsprojekt ist dieser Grundhypothese nachgegangen. Es galt<br />

die vom Sinus-Institut hervorgebrachte Typologie weiter zu entwickeln.<br />

Während das Sinus-Institut sein Hauptaugenmerk auf die alltagsweltlichen Präferenzen und<br />

Einstellungen legte, versuchte die Hannoveranische Forschungsgruppe, Einstellungen zur<br />

sozialen Ungleichheit, Dimensionen von Vergesellschaftung und Anomie sowie die Beziehungen<br />

zwischen den Gesellschafts-, Alters-, Geschlechts- und Ethnoklassen mit einzubeziehen.<br />

Aus <strong>der</strong> kategorialen Konzeption ergab sich die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Untersuchung nach<br />

den drei Handlungsebenen:<br />

• Sozi<strong>als</strong>trukturanalyse<br />

• Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Mentalitäten<br />

• neue soziale Milieus<br />

2.2.4. Dimensionen sozialer Ungleichheit und Individualisierung<br />

Wenn wir uns nun <strong>der</strong> Frage stellen, wie ein Mensch mit den Mo<strong>der</strong>nisierungs-, Pluralisierungs-<br />

und Individualisierungsprozessen umgeht, kommen wir nicht umhin, uns den bestehenden<br />

Formen vertikaler und horizontaler sozialer Ungleichheit zuzuwenden. Um beurteilen<br />

zu können, ob ein Mensch die Chancen, die die Individualisierung hinsichtlich <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Biographie zu bieten hat, nutzen kann, o<strong>der</strong> ob ein hohes Risiko besteht, unversehens<br />

im Sinne <strong>der</strong> oben erwähnten Bruchbiographie auf <strong>der</strong> Schattenseite <strong>der</strong> Individualisierungsverlierer<br />

zu landen, müssen wir uns den Dimensionen sozialer Ungleichheit zuwenden.<br />

In diesem Sinne formuliert Heitmeyer:<br />

"So wäre die Hypothese nicht ganz unplausibel, daß Verbesserungen von Lebenschancen<br />

und Erweiterung von Optionsspielräumen, wie sie mit gesellschaftlichen Individualisierungsschüben<br />

verbunden sind, nicht <strong>für</strong> alle Mitglie<strong>der</strong> einer Jugendgeneration gleichmäßig, son<strong>der</strong>n<br />

je nach Klassen-, Schicht-, Regions-, und Geschlechtszugehörigkeit in unterschiedli-<br />

10


cher Intensität wirksam werden." 2<br />

Wir wollen allerdings im weiteren von den Dimensionen Herkunftsmilieu (anstelle von Klasse<br />

und Schicht), Nationalität und Geschlecht ausgehen. Die Dimension Nationalität tritt <strong>als</strong><br />

zentrale Kategorie hinzu, da es in unserer Gesellschaft Chancen und Risiken stark beeinflußt,<br />

ob jemand Deutscher o<strong>der</strong> Deutsche ist, o<strong>der</strong> nicht.<br />

3. Methode <strong>der</strong> Erhebung: Allein im Feld o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sprung ins<br />

kalte Wasser<br />

Wir begriffen unser Vorhaben, die Lebenslagen und -bedingungen Jugendlicher aufzuzeigen,<br />

<strong>als</strong> eine handlungstheoretisch orientierte Vorgehensweise zur Erfassung sozialer Ungleichheit.<br />

Die Überprüfung des theoretischen Gerüstes sollte anhand einer qualitativen Befragung<br />

im Sinne einer hypothesengenerierenden Sozialforschung erfolgen. In <strong>der</strong> Aufarbeitung von<br />

Konzepten qualitativ orientierter Sozialforschung konnten Anregungen und Hinweise <strong>für</strong> das<br />

Design und die praktische Durchführung <strong>der</strong> Interviews gewonnen werden, aber wir orientierten<br />

uns an keiner speziellen Methode. Angesichts <strong>der</strong> kaum überblickbaren Vielfalt von<br />

methodischen Ansätzen qualitativer Sozialforschung 3 war unsere Aufnahme von Instrumenten<br />

und Vorgehensweisen selektiv:<br />

Im Vorfeld <strong>der</strong> Untersuchung haben wir <strong>für</strong> unser Instrument die Bezeichnung “qualitativ lebensgeschichtlich<br />

orientiertes Interview” 4 gewählt. Vorteilhaft bezüglich unserer Forschungsfragen<br />

schien dessen kommunikativer Charakter, <strong>der</strong> eine relative Nähe zum Alltagsgespräch<br />

erlaubt. Ebenso versprachen wir uns einen methodischen Zugang zu genaueren<br />

Informationen von den Befragten mit beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung ihrer Perspektive,<br />

ihrer Sprache und ihrer Bedürfnisse. 5 Im Vergleich zu quantitativen Instrumenten wie z.B.<br />

standardisierten Fragenbogen, zielten wir auf die Erweiterung des Antwortspielraums durch<br />

die zu Interviewenden und die Problem- und Bedürfnisangemessenheit des Instrumentes ab.<br />

Von den sechs Anwendungsmöglichkeiten, die Lazarsfeld (1944) aufführt, trifft die vierte direkt<br />

auf unsere Absicht zu, die in <strong>der</strong> "Analyse komplexer Einstellungsmuster" besteht und<br />

ermöglichen sollte, die motivationale Interpretation und die Bedeutung einer Antwort eines<br />

Befragten klären zu können. Im wesentlichen ging es uns um die "Analyse von Effekten und<br />

2<br />

AG Bielefel<strong>der</strong> Jugendforschung 1990, S.25.<br />

3<br />

vgl. Mayring 1993, S.9f.<br />

4<br />

auch: Tiefeninterview (Banaka, Gordon), Intensivinterview (Friedrichs), Offene Befragung, Zentriertes<br />

Interview o<strong>der</strong> focused interview (Merton&Kendall), Qualitatives Interview (Bureau). Hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Konzepte qualitativer Sozialforschung und <strong>der</strong>en Rezeptionsgeschichte möchten<br />

wir ausschließlich auf die in <strong>der</strong> Literaturliste angebenen <strong>Titel</strong> verweisen.<br />

5<br />

vgl. z.B. Friedrichs, J.(1980): Methoden <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung, S.224.<br />

11


Prozessen <strong>der</strong> individuellen Erfahrung <strong>als</strong> Reaktion auf bestimmte Situationen" (Merton&Kendall<br />

in Hopf/Weingarten 1979). Auch die Restriktionen <strong>der</strong> Anwendbarkeit stellten <strong>für</strong><br />

uns beson<strong>der</strong>e Orientierungsinformationen dar, insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die "Feldphase", d.h. <strong>für</strong><br />

die Auswahl <strong>der</strong> Befragten und die Durchführung <strong>der</strong> Interviews. Im Gegensatz zu standardisierten<br />

Befragungen erfor<strong>der</strong>n qualitative Instrumente im stärkerem Maße die Einwilligung<br />

<strong>der</strong> Personen, die eingehen<strong>der</strong>e Information über das Ziel des Interviews sowie einen höheren<br />

Zeitaufwand. Der (potentielle) Einfluß des Interviewers einerseits während des Gesprächs<br />

und an<strong>der</strong>erseits bei <strong>der</strong> Auswertung war zudem zu beachten. Der zeitliche Aufwand<br />

<strong>der</strong> Auswertung und die geringe Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Ergebnisse stellen Einschränkungen<br />

dar, die wir mit Blick auf die oben erwähnten Vorteile in Kauf nahmen. Um den Interviewer/innen<br />

die höchstmögliche Konzentration auf das Gespräch und den Befragten zu ermöglichen,<br />

die Selektion von Informationen durch den Protokollanten auszuschließen, möglichst<br />

viele Gesprächselemente (Sprechdauer, Länge und Zahl <strong>der</strong> Pausen, Stimme, Wortwahl<br />

etc.) zu dokumentieren und <strong>für</strong> die Auswertung zugänglich zu machen und um die InterviewerIn-Effekte<br />

zu ermitteln und die Erhebungssituation nachvollziehen zu können, entschlossen<br />

wir uns da<strong>für</strong>, um die Zustimmung zur Aufzeichnung durch ein Tonband zu bitten. 6<br />

In Orientierung an die o. g. Dimensionen sozialer Ungleichheit (Herkunftsmilieu, Nationalität,<br />

Geschlecht) sollte die Auswahl <strong>der</strong> Interviewpartner/innen stattfinden. Da wir von einem gemeinsamen<br />

Herkunftsmilieu ausgingen, ergab sich eine Aufteilung in vier Gruppen: deutsche/nichtdeutsche<br />

Frauen, deutsche/nichtdeutsche Männer. Im entwickelten Leitfaden waren<br />

folgende Lebensbereiche <strong>als</strong> Gesprächsthemen vorgesehen: Schule und Beruf, familärer<br />

Hintergrund und informelle Netzwerke, Freizeit und Konsumverhalten, insbeson<strong>der</strong>e Nutzung<br />

sozialer Infrastruktur und Bezug zum Stadtteil. Die Dauer <strong>der</strong> Interviews sollte die Länge von<br />

neunzig Minuten nicht überschreiten und jeweils von zwei Arbeitsgruppenmitglie<strong>der</strong>n durchgeführt<br />

werden. Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Jugendlichen waren uns die Mitarbeiter/innen des<br />

Stadtteilladens in Essen-Katernberg behilflich, denen wir an dieser Stelle nochm<strong>als</strong> herzlich<br />

<strong>für</strong> ihre Unterstützung danken wollen.<br />

3.1. Defizite des empirischen Materi<strong>als</strong><br />

Nachdem die Transkription aller Interviews abgeschlossen war, hatten wir zum ersten Mal<br />

die Möglichkeit, uns einen Gesamteindruck des Materi<strong>als</strong> zu verschaffen. Mehrere sich auch<br />

schon im Vorfeld andeutende Defizite wurden nun recht deutlich:<br />

6 Wobei wir uns in unserem Interesse durch Untersuchungen bestätigt sahen, die angeben, daß<br />

kaum Verzerrungen auftreten würden und sich stattdessen sogar die Mitarbeit <strong>der</strong> Befragten erhöht<br />

habe.<br />

12


• die eigentliche Zusammenstellung <strong>der</strong> InterviewpartnerInnen hinsichtlich <strong>der</strong> vorhandenen<br />

Hypothesen hatten wir nicht erreicht. Frauen waren unterrepräsentiert (3 Frauen, sieben<br />

Männer) und auch die erwünschte Auswahl nach Nationalität war nicht erfolgreich. Vor allem<br />

hatten wir keine nicht-deutschen Frauen interviewt, uns fehlt hier <strong>als</strong>o eine wichtige Facette<br />

des Gesamtbildes.<br />

• die Interviews sind von höchst unterschiedlicher Länge (von 278 bis 988 Zeilen ) und inhaltlicher<br />

Dichte. Trotz aller Versuche, den Leitfaden abzuarbeiten, war es uns nicht gelungen,<br />

über alle Themen Informationen und Aussagen zu erhalten. Auch waren die Themensetzungen<br />

und Themenschwerpunkte <strong>der</strong> Interviewten recht unterschiedlich, so finden sich<br />

z.B. in den Interviews 2 und 5 ausführliche Passagen zu den Themen "Schule, Ausbildung,<br />

Erwerbssituation" etc. , in an<strong>der</strong>en kaum. Das erhoffte Gesamtbild <strong>der</strong> gegenwärtigen persönlichen<br />

Situation inklusive Zukunfts-perspektiven ist kaum zu finden.<br />

• die Interviewsituationen sind schwer vergleichbar, einerseits haben wir Einzel- und Gruppeninterviews,<br />

an<strong>der</strong>erseits kommen wir in den Interviews 1 und 6 kaum über ein schlichtes<br />

"Fragen-und Antwort-Spiel" hinaus. Erzählsequenzen finden sich nur in den Interviews 2 und<br />

5. Interview 1 schien uns sogar völlig untauglich zu sein, so daß wir es gar nicht in die Auswertung<br />

einbezogen haben.<br />

Ursachen <strong>der</strong> Defizite<br />

Von einer Vielzahl möglicher und diskutierbarer Gründe, seien hier folgende hervorgehoben:<br />

• Die Interviewpartner/innen wurden uns durch den im Stadtteilladen arbeitenden Sozialarbeiter<br />

vermittelt. Dies hatte den Vorteil eines Vertrauensvorschusses, aber auch den Nachteil,<br />

daß wir im Zusammenhang mit <strong>der</strong> knappen Ressource Zeit nicht alle Gruppen abdecken<br />

konnten.<br />

• In manchen Interviews war es uns nicht möglich, eine gute Kommunikationssituation zu<br />

erzeugen. Das liegt sicher an mangeln<strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Intervierwer/in mit <strong>der</strong> Methode,<br />

13


aber auch an den wenig kommunikativen Interviewpartner/innen, die auf die Situation nicht<br />

eingegangen sind (eine unheilvolle Mischung aus Pech bei <strong>der</strong> Auswahl und methodischem<br />

Unvermögen).<br />

• Der Leitfaden war insgesamt gesehen zu breit angelegt, die Fülle <strong>der</strong> Themen war kaum<br />

mit einer <strong>für</strong> Interviewer/innen, Interviewten und Transkribenten erträglichen Interviewlänge<br />

vereinbar.<br />

Fazit<br />

Insgesamt gesehen ist die Materiallage allemal zufriedenstellend. Da es nicht möglich war,<br />

weitere Interviews durchzuführen, haben wir eine Auswertungs"strategie" entwickelt, die<br />

versucht, die thematischen Schnittbereiche aller Interviews zu erfassen (s.u. 3.3.). Die negative<br />

Folge dieser Vorgehensweise ist aber, daß wichtige und interessante Themen wie z.B.<br />

die familiäre Situation, Bildung und Ausbildung und ethnische Unterschiede hinsichtlich <strong>der</strong><br />

wahrnehmbaren Optionen <strong>der</strong> Jugendlichen außen vor bleiben und dadurch viele <strong>der</strong> aus<br />

<strong>der</strong> theoretischen Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Individualisierung und sozialer Ungleichheit gewonnenen<br />

Fragen vorerst unbeantwortet bleiben müssen.<br />

Tabelle 1: Interviewte und Angaben zur Person<br />

Int.-<br />

Nr.<br />

Int.-Datu<br />

m<br />

Code-na<br />

me<br />

Geschlecht Alter Nationale<br />

Herkunft<br />

14<br />

Schule/<br />

Ausbildung<br />

Interview-lä<br />

nge<br />

in Zeilen<br />

1 12.12.95 Michael männlich 16 "spanisch" 8 Karl-Meyer-Son<strong>der</strong>schule 431 Verweiger<br />

1 12.12.95 Beate weiblich 18 "spanisch" abgebrochen, Tempelhöfe 431 Verweigerin<br />

2 12.12.95 Tobias männlich 16 deutsch Gustav-Heinemann-Gesa 777 Newcomer/<br />

mtschule<br />

Einsteiger<br />

3 23.1.96 Andrea weiblich 15 deutsch Karl-Meyer-Son<strong>der</strong>schule 403 Wan<strong>der</strong>in<br />

3 23.1.96 Sabine weiblich 16 deutsch Gustav-Heinemann-Gesa<br />

mtschule<br />

403 Wan<strong>der</strong>in<br />

4 23.1.96 Christian männlich 17 polnisch Gustav-Heinemann-Gesa<br />

mtschule<br />

278 Besucher<br />

4 23.1.96 Jörg männlich 17 ("ost"-)deut Gustav-Heinemann-Gesa 278 Besucher<br />

sch mtschule<br />

5 9.1.96 Stefan männlich 18 deutsch Hauptschul-abschluß z.Zt.<br />

Ausbildungszentrum (Bau)<br />

988 Insi<strong>der</strong><br />

5 9.1.96 Murat männlich 18 marokkanis<br />

ch<br />

Hauptschulabschluß 988 Insi<strong>der</strong><br />

6 9.1.96 Tom männlich 16 deutsch Karl-Meyer-Gesamtschule 293 Schweiger<br />

3.2. Annäherung an das Material<br />

Nach <strong>der</strong> endgültigen Fertigstellung <strong>der</strong> Transkripte lagen uns eine hun<strong>der</strong>tseitige Text-<br />

7<br />

Interview 2 bis 5 nach ihrem Verhältnis zum Stadtteil, Interviews 1 und 6 in Bezug auf ihr Interviewverhalten.<br />

Typ 7


sammlung vor. Unser Wissen und unsere Übung in <strong>der</strong> Herangehensweise und die Auswertung<br />

eines solchen Typs von empirischen "Daten" war ebenso wenig ausgeprägt wie unsere<br />

Qualifikationen im Erhebungsbereich (s. Abschnitte 3. und 3.1.). Die Feststellung, daß das<br />

Wissen um das "Wie", d.h. das alleinige theoretische Anlesen <strong>der</strong> methodischen Kenntnisse<br />

beiweitem nicht ausreicht, um diese auch anwenden zu können, trifft in dieser Forschungsphase<br />

gleichermaßen den Kern <strong>der</strong> Probleme. Dennoch wagten wir die Annäherung: Nachdem<br />

eine ersten Lektüre- und Diskussionsrunde über Kategorien, die die Texte glie<strong>der</strong>n<br />

sollten, wurden diese in <strong>der</strong> fortwährenden Überprüfung gekürzt und konkretisiert. In den<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen über die Vergabe von Kategorien, diskutierten wir über die jeweiligen<br />

Textstellen sowohl auf <strong>der</strong> deskriptiven <strong>als</strong> auch auf <strong>der</strong> interpretatorischen Ebene. Im Laufe<br />

dieser Arbeit kristallisierten sich Themenbereiche und Analyseebenen heraus, die im Schaubild<br />

1 schematisch veranschaulicht werden sollen.<br />

Schaubild 1: Ausgangsebene <strong>der</strong> Auswertungsstrategie<br />

Katernberg -<br />

Zukunft <strong>als</strong> Kompensation<br />

Jugendzentren Wohnorte <strong>der</strong><br />

Zukunft<br />

• Sicherheit<br />

• Sauberkeit<br />

• Ruhe<br />

• Offenheit<br />

• kommerzielle<br />

Angebote<br />

• Holland<br />

• Oberhausen<br />

• Altenessen<br />

Das Schaubild 1 - unser erster diskursiver Quantensprung - stellte die Basis <strong>für</strong> die Ausarbeitung<br />

folgen<strong>der</strong> Auswertungsstrategie dar: Wir können zwei Zeitebenen unterscheiden: die<br />

erlebte Gegenwart im Stadtteil und die Vorstellung über Zukunft in- und außerhalb des<br />

Stadtteils. Prominente Themen im Kontext des "Stadtteils" sind die Cliquen, d.h. Gruppen<br />

von Gleichaltrigen, <strong>der</strong>en Hauptfunktion in <strong>der</strong> gemeinsamen Freizeitgestaltung besteht.<br />

Drogen bzw. die offene Drogenszene ist auch ein Merkmal <strong>der</strong> erlebten Gegenwart, aus einer<br />

denkbaren Zahl von sozialen Problemen sticht dies in <strong>der</strong> Wahrnehmung und Beschreibung<br />

<strong>der</strong> erlebten Gegenwart im Stadtteil beson<strong>der</strong>s heraus. In Beziehung zu beiden The-<br />

8 unglaubwürdige Angaben <strong>der</strong> Interviewten<br />

Katernberg -<br />

erlebte Gegenwart <strong>als</strong> Mangelsituation<br />

Drogen Cliquen<br />

Handel und<br />

Konsum<br />

15<br />

• Migranten<br />

• Gewalt/Vandalismus<br />

• Verortungen<br />

• sozialer Bezug<br />

Funktionen<br />

• Handlungssicherheit<br />

• Vergemeinschaftung<br />

↑Kontext des Themas "Stadtteil"↑


men stehen Migranten, Gewalt/Vandalismus, Verortung, sozialer Bezug und Bedrohung. Der<br />

Zeitbezug "Zukunft" findet sich in Gesprächsequenzen, die die soziale Infrastruktur, insbeson<strong>der</strong>e<br />

die lokalen Jugendzentren und die Lebensentwürfe thematisierten. Beide zeitlichen<br />

Ebenen haben einen Bezug zur erlebten Gegenwart im Stadtteil, da sie erfahrene Mängel<br />

kompensieren. Der Bezug <strong>der</strong> Aussagen zum Thema "Jugendzentren" ist direkt, die Antworten<br />

zu Fragen <strong>der</strong> Wohnortwahl könnten <strong>als</strong> konkretisierte Wünsche einer "Exit-Option" gedeutet<br />

werden.<br />

3.3. Erläuterungen zur Auswertungsstrategie<br />

Die Analyse-Themen "Stadtteil", "Drogen", "Cliquen" und "Jugendzentren" haben sich im<br />

Laufe <strong>der</strong> Diskussionen <strong>als</strong> wesentliche Gesprächspunkte, zu denen an<strong>der</strong>e in Beziehung<br />

gesetzt werden, herauskristallisiert. Sie bilden die Ausgangsperspektiven und Bezugsebenen<br />

unserer Fragestellungen.<br />

Zunächst haben wir zwei Analysefel<strong>der</strong> in unserer Frage nach den Aussagen <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

zum Stadtteil Katernberg unterschieden:<br />

1. Aussagen, die <strong>als</strong> Wünsche und Zukunftsperspektiven fomuliert sind.<br />

Dieser Typus ist hauptsächlich motiviert von den direkten Fragen <strong>der</strong> Interviewer, die sich<br />

auf folgende Aspekte bezogen:<br />

• wünschenswerte Verän<strong>der</strong>ungen im Stadtteil generell,<br />

• den wünschenswerter Charakter eines Jugendzentrums und auf<br />

• wünschenswerte zukünftige Wohnorte (Frage nach dem Verbleib im Stadtteil).<br />

Dem gegenüber stehen<br />

2. Aussagen (Beschreibungen und Stellungnahmen), die sich zeitlich auf die erlebte<br />

Gegenwart im Stadtteil beziehen:<br />

Diese sind im wesentlichen eigeninitiierte thematische Beiträge zu den Fragen nach:<br />

• <strong>der</strong> Stellung bzw. Meinung zum Stadtteil generell,<br />

• <strong>der</strong> Freizeitgestaltung.<br />

In diesen Zusammenhängen treten dann die Themen "Cliquen" und "Drogen" eigeninitiiert<br />

auf. 9<br />

Als dritte relevante Systematisierungsachse ergab sich <strong>der</strong> räumliche und soziale Bezug <strong>der</strong><br />

9<br />

Zusätzliche Motivation bestand lediglich in "Nachhakfragen" zu dem häufig assoziierten Thema<br />

"Drogen" und direkte Anregungen zu Stellungnahmen des gegenwärtigen Verhältnisses zu öffentlichen<br />

Jugendeinrichtungen im Stadtteil.<br />

16


Aussagen: Stadtteil, Clique o<strong>der</strong> eigene Person. 10<br />

Tabelle 2: Auswertungsstrategie - Ebenen des Zugangs/<strong>der</strong> Analyse<br />

(Die unmarkierten Fel<strong>der</strong> bedeuten die Nicht-Thematisierung innerhalb <strong>der</strong> Interviews. Somit gehen<br />

diese Zusammenhänge nicht in die Auswertung ein.)<br />

Themen Stadtteil Clique Indi-<br />

Zeitbezug<br />

Gegenwartsbezug Zukunftsbezug<br />

räumlicher/sozialer Bezug räumlicher/sozialer Bezug<br />

vi-duum<br />

Stadtteil Clique Indi-<br />

vi-duum<br />

Stadtteil ⎯ X X ⎯ X<br />

Cliquen X ⎯ X ⎯<br />

Drogen X X X<br />

Jugendzentren X X X X<br />

Orte <strong>der</strong> Zukunft X<br />

Wie in Tabelle 2 deutlich wird, unterscheiden sich die ausgewählten Themen hinsichtlich<br />

ihres Bezuges und weisen damit z.T. auch unterschiedliche Funktionen in <strong>der</strong> Thematisierung<br />

auf, was beson<strong>der</strong>s bei den Gesprächsfel<strong>der</strong>n "Jugendzentren" und "zukünftiger<br />

Wohnort" deutlich werden wird.<br />

Im folgenden werden wir versuchen nach <strong>der</strong> in Tabelle 2 dargestellten Bezugs-und Analysestrukturierung<br />

die Aussagen <strong>der</strong> Jugendlichen zu den Themen darzustellen und zu inter<br />

10<br />

Alle an<strong>der</strong>en von uns im Vorfeld zu Kategorien gesetzten Gesprächsthemen wie Gewalt, MigrantInnen,<br />

Freizeit, Mobilität, Kriminalität etc. lassen sich hier unterordnen, stehen <strong>als</strong>o in unserem Analyseversuch<br />

jeweils im unterschiedlichen Zusammenhang mit den "Hauptthemen".Wie diese unterschiedlichen<br />

Zusammenhänge in den Einzelinterviews ausgeprägt sind, welche daraus sich ergebenden<br />

individuellen Bedeutungszusammenhänge (Assoziationsketten) und Kausalitäten sich erschließen<br />

lassen, wird <strong>als</strong> zusätzliche Interpretationsebene nicht betrachtet. Hierzu müßten weitere<br />

Interviews durchgeführt werden. Im Rahmen <strong>der</strong> Lehrforschung ist dies aber nicht möglich.<br />

17


pretieren, und damit zu einer Beschreibung des lokalen Jugendmilieus Essen-Katernberg-Nord<br />

kommen, die aufgrund <strong>der</strong> o.g. (3.1.) Probleme keinen Anspruch auf<br />

Vollständigkeit erhebt.<br />

4. Lokales Jugendmilieu Essen-Katernberg-Nord<br />

Aufgrund <strong>der</strong> eingeschränkten Mobilitätsmöglichkeiten <strong>der</strong> Jugendlichen konstituiert sich ein<br />

lokal abgrenzbares Netz von Interaktions- und Integrations-zusammenhängen, das von Cliquen<br />

strukturiert wird. Deren habituelle Übereinstimmungen hinsichtlich Kleidung, Musikgeschmack<br />

o<strong>der</strong> Konsumgewohnheiten können hier nicht betrachtet werden, wohl aber ein<br />

beson<strong>der</strong>s problembehafteter Teil <strong>der</strong> gemeinsamen Handlungspraxis (vgl. 4.1.2.). Im folgenden<br />

wird <strong>der</strong> Versuch unternommen, das lokale Jugendmilieu anhand des vorliegenden<br />

Materi<strong>als</strong> und den damit vorgegeben inhaltlichen sowie methodischen Restriktionen im<br />

Rahmen unserer Auswertungsstrategie zu rekonstruieren.<br />

4.1. Der Stadtteil <strong>als</strong> erlebte Gegenwart<br />

Allgemeine Meinung zum Stadtteil<br />

Alle von uns befragten Jugendlichen außer Christian und Jörg wohnen im Norden von Katernberg<br />

rund um den Stadtteilladen. Sie sind <strong>als</strong>o BewohnerInnen und wir können davon<br />

ausgehen, daß sie sich zumindest vom Sehen kennen. Christian und Jörg, die wir auch die<br />

"Besucher" nennen wollen, haben aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Techno- Szene über den<br />

Stadtteil hinausgehende Interessen und daher auch einen weit größeren Aktionsradius <strong>als</strong><br />

die an<strong>der</strong>en befragten Jugendlichen. Ihre Beziehung zum Stadtteil ist vergangenheitsbezogen,<br />

sie halten sich nur noch selten in Katernberg auf.<br />

Gefragt nach ihrer allgemeinen Meinung zum Stadtteil ergibt sich ein homogenes Bild <strong>der</strong><br />

Beurteilungen:<br />

L.: Ja, wie gefällt Dir denn so Katernberg ?<br />

Tobias: Mmmh, wenn ich dat deutsch sagen kann, ... beschissen.<br />

L.: Warum ?<br />

Tobias: Ja ersmal is alles dreckich, und bei uns auf dem Spielplatz wird nie was gemacht, (...).<br />

Sabine: Katernberg find ich ziemlich öd. Einfarbig, hier kann man nichts machen. Außer Spielplatz,<br />

Kneipen, das war´s und Straßen.<br />

Christian: Katernberch, dat is ziemlich wenig, weil hier ist meistens nichts los.<br />

Lars: Ja und wat, Katernberg, wat fällt Dir dazu ein ?<br />

Stefan: Scheiß- Kaff !<br />

Lars: Warum ?<br />

Stefan: Ja, is nix los hier, is, is is, meine Einstelllung is, daß Katternberch die größte Mau-Mau is, die<br />

18


et überhaupt gibt.<br />

Gefragt nach einer Gesamtcharakteristik, bezeichnen die Interviewten den Stadtteil <strong>als</strong> "beschissen,<br />

öd, einfarbig", es sei langweilig und ein "Scheiß- Kaff". Beklagt werden mangelnde<br />

Freizeitangebote ("is nix los hier" , "hier kann man nichts machen" etc.) und mangelnde<br />

Sauberkeit stört die Jugendlichen ("ersmal is alles dreckich").<br />

Beson<strong>der</strong>e Merkmale des Stadtteils: Drogen, Cliquen, Freizeitangebot<br />

In <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Interviews fiel uns auf, daß drei Themen von den Jugendlichen mit dem<br />

Stadtteil in Verbindung gebracht werden: die Drogenszene, Cliquen und Freizeitangebot/<br />

Jugendzentren. Gerade aus <strong>der</strong> Palette <strong>der</strong> denkbaren sozialen Probleme sticht das Thema<br />

Drogen heraus, es ist in allen Interviews präsent und wird direkt mit dem Stadtteil assoziiert:<br />

es gibt vor Ort eine Drogenszene.<br />

Die Themen Cliquen und Freizeitangebot/Jugendzentren sind Kennzeichen des lokalen<br />

Jugendmilieus. Vor allem die mangelhafte Situation hinsichtlich des im Stadtteil vorhandenen<br />

Freizeitangebots steht in den Aussagen <strong>der</strong> Jugendlichen im Vor<strong>der</strong>grund. Wir werden uns<br />

diesen drei Merkmalen des Stadtteils in den folgenden Kapiteln näher widmen.<br />

4.1.1. Lokales Jugendmilieu Essen Katernberg-Nord - Räumlicher und sozialer Bezug<br />

Die Analyse <strong>der</strong> Interviews ergab, daß die von uns befragten Jugendlichen nicht nur im<br />

Stadtteil wohnen und eine Meinung zu bestimmten Themen haben, son<strong>der</strong>n daß sie vielfältige<br />

Beziehungen zu ihrem räumlichen und sozialem Umfeld haben (hier auch wie<strong>der</strong> mit den<br />

bekannten Ausnahmen Christian und Jörg). Sie kennen die Probleme und Möglichkeiten des<br />

Stadtteils und verbringen (gezwungenermaßen) einen großen Teil ihrer Freizeit dort, denn<br />

Freizeitmobilität ist teuer und bleibt eher die Ausnahme. Diesen räumlichen und sozialen<br />

Beziehungen, die das lokale Jugendmilieu charakterisieren, wollen wir uns näher widmen.<br />

Räumlicher Bezug- "Sich-Auskennen"<br />

Die interviewten Jugendlichen, abgesehen von Christian und Jörg, haben einen räumlichen<br />

Bezug zum Stadtteil. Dieser äußert sich darin, daß sie<br />

• einen großen Teil ihrer Freizeit im Stadtteil verbringen, abgesehen von samstäglichen<br />

Ausflügen in die Disco,<br />

• soziale Probleme und Bewohnergruppen im Stadtteil verorten können.<br />

Typisch <strong>für</strong> die Freizeitgestaltung ist Sabines Aussage:<br />

Sabine: Wir laufen den ganzen Tag rum, dann treffen wer mal da welche, dann unterhalten we uns da,<br />

bleiben da `n bißchen stehen, o<strong>der</strong> gehen bei meine Mutter kurz inne Kneipe.<br />

19


Sie und ihre Freundin Andrea "laufen rum", und treffen "mal da welche". Das "da" wird in<br />

dieser Aussage nicht näher bezeichnet, in diesem und den an<strong>der</strong>en Interviews werden aber<br />

<strong>für</strong> den Stadtteil typische Treffpunkte genannt: <strong>der</strong> Spielplatz, <strong>der</strong> Baum hinter dem Spielplatz,<br />

<strong>der</strong> Stromkasten.<br />

Vieles deutet darauf hin, daß die Freizeit auch hauptsächlich in <strong>der</strong> Gruppe bzw. Clique verbracht<br />

wird, dazu später mehr.<br />

Die Verortung von Problemen wird beson<strong>der</strong>s deutlich bei Aussagen zum Thema Drogen/Drogenszene<br />

und beim Thema ausländische Wohnbevölkerung :<br />

Auf die Frage nach Drogenkonsum im Stadtteil, antwortet Murat:<br />

Murat: Ja aber hier, dat is, da gibs auch manche Ecken hier- manche Ecken, wat weiß ich, zum<br />

Beispiel, wat weiß ich, da gibts auch hier sozusagen eine Ecke mit Heroin, eine Ecke mit Kokain, eine<br />

Ecke mit Haschisch, eine Ecke mit Tabletten.<br />

Er antwortet mit einer Zuordnung von bestimmten Drogen zu bestimmten Orten, die er hier<br />

zwar nicht nennt, die aber <strong>für</strong> ihn im Stadtteil einen Platz haben. Er kennt sich aus.<br />

Genauso funktioniert bei Andrea und Sabine die Zuordnung von Bewohnergruppen. Auf die<br />

Frage, ob sie in Katernberg wohnen bleiben wollen o<strong>der</strong> nicht, antworten die beiden:<br />

Sabine: Ich sach mal so, so hier in Katernberg möchte ich auch eigentlich bleiben, nur, es sind hier<br />

einige Straßen, da möcht ich nich hin.<br />

Andrea: Mehrbruch, boooah!<br />

Sabine: Also Mehrbruch, da würd ich schon mal gar nich hinziehen, weil ...( wird von Andrea<br />

unterbrochen)<br />

Andrea: ... wenne `n Nachbar hast, ist gleich `Türke.<br />

Für die beiden ist es wichtig, nicht mit Türken zusammen zu wohnen, sie verorten Türken im<br />

Mehrbruch (und in einer darauf folgenden Textstelle auch an<strong>der</strong>e MigrantInnen in an<strong>der</strong>en<br />

Straßen) und wissen, daß sie da nicht hinziehen wollen. Auch sie kennen sich hinsichtlich<br />

des <strong>für</strong> sie wichtigen Themas aus.<br />

Sozialer Bezug - "Je<strong>der</strong> kennt hier jeden"<br />

Mit den Aussagen zum "Sich-Auskennen" korrespondieren Aussagen bezüglich <strong>der</strong> Beziehungen<br />

untereinan<strong>der</strong>, des "Sich-Kennens":<br />

Tobias: Mich kennt schon je<strong>der</strong>. Müßen se mal hingehen bei uns, fragense, kennse Tobias? Ja, ja<br />

den kennwe, lassn se uns bloß in Ruh mit dem, sagen se.<br />

Was bei Tobias noch ein halb scherzhaftes Selbstzeugnis ist, ist <strong>für</strong> Murat schon eher ein<br />

Kennzeichen des Stadtteils:<br />

Murat : (...) , hier so, mit die, wat weiß ich, sagmer ma, wenn hier so eine Gruppe zusammen sind und<br />

wir sind ne an<strong>der</strong>e Gruppe, lassen wir die zufrieden, warum ? Weil wir die schon lange kennen, sehr<br />

lange schon, weil jetzt hier in Katernberg sieht man, wat weiß ich, jeden jeden, sozusagen, jeden<br />

jeden, wat weiß ich, da gehse jetzt so ausse Tür raus, Beispiel gehse jetzt ausse Tür raus, wat weiß<br />

ich, lauf ich jetzt da runter, kennse jeden - "ey Murat, hallo Marcus, hallo wat weiß ich"- so und dat is<br />

hier so.<br />

20


Diese Aussage Murats ist typisch : zumindest in <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe kennt "hier in<br />

Katernberg" je<strong>der</strong> jeden. Diesen Zustand empfindet er <strong>als</strong> positiv, Gruppen untereinan<strong>der</strong><br />

lassen sich zufrieden. Er kommt "gut klar hier in Katernberg". Welche weitergehende Bedeutung<br />

die auch von ihm erwähnten Gruppen bzw. Cliquen <strong>für</strong> die Jugendlichen haben, soll<br />

Thema des nächsten Abschnitts sein.<br />

Fazit<br />

Das Gesamtbild des Stadtteils fällt schlecht aus, es mangelt an Ruhe, Sicherheit und Sauberkeit.<br />

Es gibt jedoch räumliche und soziale Bezüge zum Stadtteil. Das Gefühl, "Sich<br />

auszukennen" und "Sich zu kennen" schafft ein Stück Handlungssicherheit und hilft, die erlebte<br />

Gegenwart im Stadtteil erträglicher zu machen.<br />

4.1.2. Cliquen - informelle Sozialbeziehungen in <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe<br />

Cliquen, d.h. Gruppen von Gleichaltrigen sind ein Kennzeichen des hier von uns beschriebenen<br />

lokalen Jugendmilieus. Sie sind sicher Formen von Vergemeinschaftung, jedoch mit<br />

hier relativ deutlichen Unterschieden in <strong>der</strong> Gewichtung und Beschreibung durch die Interviewten.<br />

Die ganze Bandbreite in <strong>der</strong> Beschreibung und Einschätzung des Phänomens "Cliquen"<br />

läßt sich an den folgenden zwei Äußerungen absehen:<br />

J.: Und wie is dat mit den Cliquen? O<strong>der</strong> bist du inner Clique?<br />

Stefan: Ich, ich, hier gibts viele Cliquen, <strong>als</strong>o ganz Katernberg is ne Clique, wenn man dat so sieht.<br />

L.: Habt Ihr denn auch so Eure Clique ?<br />

Sabine: Ja schon, aber was heißt Clique? Das kann man hier nirgendwo so nennen, weil ...<br />

Andrea: Je<strong>der</strong> geht hier mal auseinan<strong>der</strong>.<br />

Für Stefan sind "Cliquen" ein wichtiger Bestandteil des Katernberger Jugendmilieus. Sabine<br />

und Andrea lehnen die Bezeichnung "Clique" <strong>für</strong> die vorhandenen Gruppen ab und betonen<br />

dabei vor allem die Vorläufigkeit dieser Sozialbeziehung ("je<strong>der</strong> geht hier mal auseinan<strong>der</strong>").<br />

Im folgenden wollen wir zuerst die Aussagen <strong>der</strong> Einzelpersonen hinsichtlich "Cliquen" zusammenfassen,<br />

um in einem abschließendem Fazit die wichtigen Gemeinsamkeiten und<br />

Unterschiede in <strong>der</strong> Darstellung und Einschätzung <strong>der</strong> Cliquen darstellen.<br />

Tobias, <strong>der</strong> "Newcomer"<br />

Tobias ist Mitglied einer Clique. Er verbringt seine Freizeit mit seinen "Kollegen" und beschreibt<br />

episodenhaft bestimmte gemeinsame Erlebnisse, z.B. einen Ausflug zum Düsseldorfer<br />

Flughafen. Mehrm<strong>als</strong> und ausführlich schil<strong>der</strong>t er die regelmäßige gemeinsame Freizeitgestaltung:<br />

21


Tobias: Wir haben son, (...) , son Baum, <strong>der</strong> is so richtig dick.<br />

(...) Machen we manchmal `n Lagerfeuer am großen Baum, hörn we Musik, nehmen we `n<br />

Kassettenrekor<strong>der</strong> mit, o<strong>der</strong> ich CD`s. Trinken we da in Ruhe Cola, Fanta, Dunkelbier, rauchen uns in<br />

Ruhe eine, erzählen uns, wat we die Woche gemacht haben, wie inne Schule gelaufen is, dat mache<br />

we auch.<br />

Die hier beschriebene Geselligkeit hat <strong>für</strong> ihn einen hohen Stellenwert, zumal sie "in Ruhe"<br />

zusammen sein können. "Ruhe" im Sinne von "in Ruhe gelassen werden" ist <strong>für</strong> ihn ein Zustand,<br />

den er im Stadtteil vermißt. Er fühlt sich bedroht, vor allem von "Türken, die einen auf<br />

hart machen", d.h. an<strong>der</strong>e Cliquen, die mit seiner Clique Streit suchen, wobei allerdings die<br />

Frage, ob es rein türkische Cliquen in Katernberg gibt, sich nicht eindeutig beantworten läßt.<br />

Diese Auseinan<strong>der</strong>setzungen sind <strong>für</strong> ihn ein wichtiges Thema, da seine Rolle in diesen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen direkt mit seiner Position in <strong>der</strong> Clique verknüpft ist:<br />

Tobias (...) Ich will ja nich angeben, aber ich hab jetzt den braunen Gurt (in Karate) und aus unsere<br />

Clique bin ich <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> meisten Erfahrung. In Boxen und so. Die sagen immer, so geh du vor.<br />

L.: Biste auch in deiner Clique insgesamt gut angesehen ?<br />

Tobias: Ja sicha! Immer wenn wat zu boxen gibt, sagen se, so, Tobias, jetzt bist du dran.<br />

Seine Fähigkeiten im "Boxen" verschaffen ihm eine Position in <strong>der</strong> Gruppe und festigen sein<br />

Selbstbewußtsein. Aber an<strong>der</strong>erseits muß er auch <strong>für</strong> die an<strong>der</strong>en, die ihn vorschicken, den<br />

Kopf hinhalten, er muß sich seine Position erkämpfen. Deshalb bezeichnen wir ihn <strong>als</strong> den<br />

"Newcomer", den Gruppenneuling, <strong>der</strong> den an<strong>der</strong>en erst noch beweisen muß, was er kann.<br />

Deshalb spielen in seiner Darstellung <strong>der</strong> erlebten Gegenwart des Stadtteils auch Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

mit an<strong>der</strong>en Cliquen eine größere Rolle <strong>als</strong> bei den an<strong>der</strong>en Interviewten.<br />

Es gibt jedoch auch Schattenseiten ihrer "selbstgestalteten" Freizeit. Tobias berichtet von<br />

<strong>der</strong> Zerstörung eines Spielplatzes. Auf die Frage, wer es war, antwortet er:<br />

Tobias: Dat weiß ich nich, die sind, ... paar sind ausse Cliquen, wennse mal Scheiße gemacht haben,<br />

vonne Schule, dann gehense nach draußen, dann machen se dann da Randale. Aber ich bin nie<br />

dabei. Ab und zu.<br />

22


Was er hier schon indirekt zugibt, wird im weiteren Gesprächsverlauf noch deutlicher, auch<br />

er und seine Clique machen ab und zu "Randale" und sind deshalb auch <strong>der</strong> Polizei schon<br />

aufgefallen. Tobias sieht auch eine Verbindung von Cliquen und Drogen bzw. Drogenhandel,<br />

betont aber, daß die eigene Clique bis auf ein Mitglied nichts mit Drogen zu tun hat.<br />

Fazit<br />

Für Tobias erfüllt die Clique viele wichtige Funktionen. Die gemeinsam gestaltete und verbrachte<br />

Freizeit hilft ihm, mit <strong>der</strong> im Stadtteil vorherrschenden Mangelsituation im Freizeitangebot<br />

fertig zu werden. Er hat sich eine Position in <strong>der</strong> Gruppe erkämpft, seine Rolle in<br />

den Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit an<strong>der</strong>en Gruppen stärkt sein Selbstbewußtsein. Hier liegt<br />

aber auch ein Wi<strong>der</strong>spruch in seiner Haltung, er braucht gewalttätige Konflikte, um seine<br />

Position in <strong>der</strong> Gruppe zu sichern, vermittelt aber an<strong>der</strong>erseits den Eindruck <strong>als</strong> fühle er sich<br />

selbst latent bedroht. Eigentlich wünscht er sich nichts mehr, <strong>als</strong> in Ruhe gelassen zu werden.<br />

Andrea und Sabine, "die Wan<strong>der</strong>innen"<br />

Andrea und Sabine sind Freundinnen und verbringen jeden Tag ihre Freizeit miteinan<strong>der</strong>.<br />

Über dieses "wir" hinaus sind sie aber auch sporadisch Gruppenmitglie<strong>der</strong>. Die Bezeichnung<br />

"Clique" lehnen sie <strong>für</strong> ihre Gruppe jedoch ab, weil "je<strong>der</strong> geht hier mal auseinan<strong>der</strong>" (Zitat<br />

siehe oben). Gerade Sabine betont, daß sie sich nicht länger an eine bestimmte Gruppe<br />

binden will:<br />

Sabine: Weil sie (Andrea) ist eher ein Typ, <strong>der</strong> versteift sich eher auf bestimmte Personen, sie<br />

unternimmt nich so viel. Und ich bin wie<strong>der</strong>um, ich kann nich die ganze Zeit auf <strong>der</strong> gleichen Stelle<br />

bleiben, nach mindestens einem Jahr muß ich mich von <strong>der</strong> einen Clique zur nächsten. Ich kann nich<br />

die ganze Zeit an <strong>der</strong> selben Stelle bleiben.<br />

Diese ablehnende Haltung gegenüber einer bindenden Gruppenzugehörigkeit verbunden mit<br />

ihrer Hauptfreizeitbeschäftigung ("in <strong>der</strong> Gegend rumlaufen") führt zu <strong>der</strong> von uns gewählten<br />

Bezeichnung "die Wan<strong>der</strong>innen".<br />

Doch auch sie verbringen einen Teil ihrer Freizeit in einer Gruppe und nennen Orte im<br />

Stadtteil, an denen sie sich aufgehalten haben und aufhalten. Den Begriff Clique lehnen sie<br />

aber auch deshalb ab, weil sie eine Reihe von negativen Assoziationen damit verbinden.<br />

Direkt im Anschluß an die oben erwähnten Äußerung Andreas ("Je<strong>der</strong> geht hier mal auseinan<strong>der</strong>")<br />

sagt Sabine:<br />

Sabine: Weil, ich bin nun mal mehr so`n Typ, weil et können ja meinetwegen ne Menge netter<br />

Auslän<strong>der</strong> sein, aber hier in Katernberg sind et wirklich ganz viel schlimme. Dann auch mit den<br />

Drogen und so, da möchte man nicht unbedingt mit reingezogen werden und dat is nun mal im<br />

größten Teil <strong>der</strong> Cliquen, die hier in Katernberg verkehren, <strong>der</strong> Fall.<br />

Sie verbindet das Thema Cliquen hier direkt mit den <strong>für</strong> sie negativ belegten und bedrohlichen<br />

Themen Auslän<strong>der</strong> und Drogen. Hier kommt auch ein geschlechtsspezifischer Unter-<br />

23


schied zum Tragen. Beide fühlen sich häufig von Auslän<strong>der</strong>n belästigt, "betatscht", "begrapscht"<br />

und halten auch deshalb Abstand zu bestimmten Gruppen und Orten. Außerdem<br />

gehen wir davon aus, daß alle Cliquen im Stadtteil eher männlich dominiert sind und deshalb<br />

<strong>für</strong> Frauen auch nicht so attraktiv sind wie <strong>für</strong> Männer.<br />

Fazit<br />

Auch die beiden Wan<strong>der</strong>innen verbringen ihre Freizeit teilweise in <strong>der</strong> Gruppe, sie lehnen<br />

jedoch den Begriff "Clique" <strong>für</strong> die eigene Gruppe ab. Er ist <strong>für</strong> sie negativ belegt, außerdem<br />

betonen sie den vorläufigen Charakter dieser Gruppierungen generell. Die Belästigung durch<br />

Auslän<strong>der</strong> ist ein wichtiges Thema <strong>für</strong> sie, sie fühlen sich sexuell bedroht. Da sie die einzigen<br />

weiblichen Befragten sind, bietet sich uns auch keine an<strong>der</strong>e Informationsquelle zu diesem<br />

Thema. Um die Bedeutung dieses Problems <strong>für</strong> die Gleichaltrigengruppe im Stadtteil zu<br />

analysieren, müßten noch mehr Interviews mit weiblichen Jugendlichen durchgeführt werden.<br />

Jörg und Christian, "die Besucher"<br />

Christian und Jörg, die wir auch die "Besucher" nennen wollen, haben aufgrund ihrer Zugehörigkeit<br />

zur Techno-Szene über den Stadtteil hinausgehende Interessen und daher auch<br />

einen weit größeren Aktionsradius <strong>als</strong> die an<strong>der</strong>en befragten Jugendlichen. Ihre Beziehung<br />

zum Stadtteil ist vergangenheitsbezogen, sie verbringen nur noch selten ihre Freizeit in Katernberg.<br />

Auf die Frage, wie sie mit den Cliquen im Stadtteil zurecht kommen und ob sie mit<br />

diesen Kontakt haben, antworten sie:<br />

Christian: Ja sicha, wenn we so abends um 10 Uhr vonne Disko kommen, dann kommen we auch an<br />

irgendwelchen Leuten vorbei, und wenn wir dann noch Bock haben weiterzufeiern, ach, weiß ich nich,<br />

die türkischen Leute, die hier sind, die libanesischen, deutsche auch teilweise, wir haben keine<br />

Probleme damit.<br />

Jörg: Da kommt nur: Hallo, wie geht´s.<br />

Ihr Motto ist: "Leben und Leben lassen". Sie kommen mit den Leuten gut aus, da sie viele<br />

auch noch von früher kennen, sind aber auf die Gruppen nicht angewiesen. Auch Christian<br />

sieht eine Verbindung von Cliquen und Drogen, zumindest erwähnt er im Zusammenhang<br />

mit einer Frage nach Drogen im Stadtteil eine Clique, die "unangenehmer" ist und sich wohl<br />

auch stark nach außen abschottet:<br />

Christian: (...) Also mit denen komm ich persönlich nich so klar, mit den an<strong>der</strong>en, da sach ich noch so<br />

"Hallo und ´ Tüß" (...) und die an<strong>der</strong>en, die sind so irgendwie in einer Clique und da kommt<br />

irgendwie keiner rein und weiß ich nich.<br />

Fazit<br />

Die Besucher verbringen nur selten ihre Freizeit im Stadtteil. Sie kennen einige Cliquen,<br />

auch eine unangenehmere und sehen durchaus auch eine Verbindung zwischen den The-<br />

men Cliquen und Drogen. Ansonsten ist das Thema <strong>für</strong> sie nicht beson<strong>der</strong>s wichtig. Das la-<br />

24


tente Gefühl, bedroht zu sein, was vor allem Tobias, Andrea und Sabine zum Ausdruck<br />

bringen, findet sich bei ihnen nicht.<br />

Murat und Stefan, "die Insi<strong>der</strong>"<br />

Murat und Stefan sind Cliquen-Insi<strong>der</strong>. Einerseits verbringen auch sie einen großen Teil ihrer<br />

Freizeit in <strong>der</strong> Clique, an<strong>der</strong>erseits tauchen die noch bei Tobias so wichtigen Positionserwerbs<br />

und -festigungsprozesse gar nicht auf. Ein Indikator <strong>für</strong> ihre gefestigte Position in <strong>der</strong><br />

Gruppe ist die selbstbewußte Art, in <strong>der</strong> sie Ausschlußprozesse aus <strong>der</strong> jeweiligen Gruppe<br />

beschreiben:<br />

Murat: (...) sagn wa ma jetzt, einer von unsere Kollege, <strong>der</strong> wird sagn wa ma jetzt dat Zeug probieren<br />

o<strong>der</strong> wat so Heroin und Kokain (...) wird er sozusagen von uns abgestoßen, da wolle mer nix mehr mit<br />

uns zu tun haben.<br />

Stefan: Ich mein, Zankereien gibt et immer o<strong>der</strong> Meinungsverschiedenheiten, und genau wie, et gibt<br />

teilweise- so wie bei uns inne Gruppe, (...) ich mein, wenn einer meint, ihm paßt irgendwat nich, dann<br />

sacht er seine Meinung und entwe<strong>der</strong> er bleibt fern von uns, o<strong>der</strong> er bleibt und akzeptiert, wie wir sind.<br />

Sei es nun das Thema unerwünschter Drogenkonsum o<strong>der</strong> "Meinungsverschiedenheiten",<br />

beide erwecken den Eindruck, <strong>als</strong> hätten sie großen Einfluß auf die Definition und Auslegung<br />

von Regeln in <strong>der</strong> Gruppe und daß sie auch an <strong>der</strong> Ausübung von Sanktionen gegen an<strong>der</strong>e<br />

beteiligt sind.<br />

Neben Cliquen-Insi<strong>der</strong>n sind Murat und Stefan auch Stadtteil-Insi<strong>der</strong>, bei ihnen taucht das<br />

"Je<strong>der</strong> kennt jeden"-Motiv (s.o.) am stärksten auf. Gefragt, ob es Gewaltbereitschaft zwischen<br />

den Gruppen gibt, sagt Murat:<br />

Murat : (...) , hier so, mit die, wat weiß ich, sagmer ma, wenn hier so eine Gruppe zusammen sind und<br />

wir sind ne an<strong>der</strong>e Gruppe, lassen wir die zufrieden, warum ? Weil wir die schon lange kennen, sehr<br />

lange schon, weil jetzt hier in Katernberg sieht man, wat weiß ich, jeden jeden, sozusagen, jeden<br />

jeden, wat weiß ich, da gehse jetzt so ausse Tür raus, Beispiel gehse jetzt ausse Tür raus, wat weiß<br />

ich, lauf ich jetzt da runter, kennse jeden - "ey Murat, hallo Marcus, hallo wat weiß ich"- so und dat is<br />

hier so.<br />

Das "Sich-Kennen" führt aus Murats Sicht dazu, daß es kaum gewalttätige Konflikte zwischen<br />

den Cliquen gibt, die Cliquen untereinan<strong>der</strong> lassen sich zufrieden. Für Stefan sind<br />

Cliquen ein Hauptmerkmal des Stadtteils:<br />

Stefan: (...) hier gibt`s viele Cliquen, <strong>als</strong>o ganz Katernberg is ne Clique, wenn man dat so sieht, weil<br />

je<strong>der</strong> kennt jeden, dat isses eben.<br />

Für Murats Clique ist das Problem, keinen eigenen Raum zu haben, den sie in ihrer Freizeit<br />

nutzen können, beson<strong>der</strong>s schwerwiegend. Sie haben jedoch etwas unternommen, um einen<br />

Raum zu bekommen, das Ergebnis ist aber noch ungewiß. Das Thema Drogen ist<br />

einerseits <strong>als</strong> Merkmal des Stadtteils, an<strong>der</strong>erseits <strong>als</strong> persönliche Bedrohung auch <strong>für</strong> Murats<br />

und Stefans Cliquen präsent. Haschisch-Rauchen gehört eher zum normalen geselligen<br />

25


Beisammensein, harte Drogen sind verpönt (vgl. 4.1.2.).<br />

Fazit<br />

Stefan und Murat sind Cliquen-Insi<strong>der</strong>. Sie sind keinen Positionserwerbs- und Festigungsprozessen<br />

ausgesetzt und vertreten die Gruppenregel selbstbewußt. Sie sind hinsichtlich<br />

Alter und Lebensphase jedoch in einer an<strong>der</strong>en Situation <strong>als</strong> Tobias. Der Prozeß <strong>der</strong> Integration<br />

in den Arbeitsmarkt nimmt in <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung dieses Interviews großen Platz ein,<br />

sie haben, einfach ausgedrückt, an<strong>der</strong>e Probleme <strong>als</strong> Tobias, Andrea und Sabine. Jedoch<br />

hat auch <strong>für</strong> sie die gemeinsam im Sadtteil verbrachte Freizeit einen hohen Stellenwert, wobei<br />

bei Murats Clique im Moment <strong>der</strong> Wunsch nach einem eigenem Raum im Vor<strong>der</strong>grund<br />

steht.<br />

Zusammenfassung<br />

Cliquen - Merkmal des sozialen Bezugs zum Stadtteil<br />

Es gibt Cliquen in Essen- Katernberg- Nord, daran kann kein Zweifel herrschen. Sie sind ein<br />

wichtiges Merkmal des lokalen Jugendmilieus. Die hier beschriebenen Gruppen von Gleichaltrigen<br />

halten sich meist an bestimmten Orten im öffentlichen Raum auf. Eine <strong>der</strong> wichtigen<br />

Funktionen <strong>der</strong> Cliquen besteht darin, in ihnen gemeinsam und selbstgestaltet Freizeit zu<br />

verbringen. Es wird jedoch sehr deutlich, daß die Clique die Mängel des vorhandenen Freizeitangebots<br />

nicht o<strong>der</strong> nur unzureichend kompensiert. Die Ergänzung durch jugend- und<br />

jugendkulturorientierte Infrastruktur wird erwünscht.<br />

Cliquen - Ausdruck des sozialen Bezugs zum Stadtteil<br />

Die Cliquen sind sichtbarer Ausdruck des von fast allen Jugendlichen beschriebenen Zustand<br />

des "Sich-Kennens". Auf lokaler Ebene gibt es eine relativ überschaubare Anzahl von<br />

Personen und Gruppen. Auch wenn nicht je<strong>der</strong> diesen Zustand <strong>als</strong> positiv empfindet, so hilft<br />

er doch, Konflikte zu vermeiden, indem Orten und Cliquen aus dem Weg gegangen werden<br />

kann. Es ist jedoch wichtig festzustellen, daß alle Befragten außer Murat, kein besseres Gesamtbild<br />

des Stadtteils haben, obwohl sie den Zustand des "Sich-Kennens" positiv bewerten.<br />

Cliquen - Sicherheit und Bedrohung<br />

Mitglied einer Clique zu sein schafft Sicherheit. Die Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

mit dem Thema Drogen zeigt, wie durch einen gemeinsamen Verhaltenskodex (Unterscheidung<br />

von "guten" und "schlechten" Drogen, Ausschluß von gefährdeten Mitglie<strong>der</strong>n) <strong>der</strong><br />

Umgang mit den Risiken <strong>der</strong> offenen Drogenszenen im Stadtteil geregelt wird.<br />

Cliquen können aber auch zur Bedrohung werden, <strong>der</strong>en Präsenz im öffentlichen Raum, den<br />

26


sie quasi "besetzen", auch oft von an<strong>der</strong>en Bewohner/innen so wahrgenommen wird. Dazu<br />

tragen die teilweise auch gewalttätigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen <strong>der</strong> Cliquen untereinan<strong>der</strong><br />

und <strong>der</strong> mit Cliquen und ihrer selbstgestalteten Freizeit in Verbindung zu bringende Vandalismus<br />

bei.<br />

Cliquen - Vergemeinschaftungen mit vorläufigem Charakter<br />

Cliquen erfüllen in <strong>der</strong> erlebten Gegenwart im Stadtteil viele Funktionen <strong>für</strong> die befragten<br />

Jugendlichen. Die erlebte Gemeinsamkeit wird durchaus positiv empfunden, die Clique <strong>als</strong><br />

Gruppe von Gleichaltrigen hilft, im Stadtteil vorhandene Mängel zu kompensieren und schafft<br />

Handlungssicherheit aber auch Bedrohung, trotzdem hat sie aber auch einen gewissen vorläufigen<br />

Charakter:<br />

"Je<strong>der</strong> geht hier mal auseinan<strong>der</strong>."<br />

Vor allem scheint eine gewisse Abhängigkeit des Phänomens Clique in <strong>der</strong> o.g. Bedeutung<br />

mit <strong>der</strong> Lebensphase <strong>der</strong> Jugendlichen zu bestehen: wenn die Probleme <strong>der</strong> Integration in<br />

den Arbeitsmarkt entstehen und das Armutsrisiko wächst, ist diese hier beschriebene Form<br />

von Vergemeinschaftung wahrscheinlich überfor<strong>der</strong>t. Die Integrationsleistung, die im lokalen<br />

Jugendmilieu hinsichtlich <strong>der</strong> Kompensation <strong>der</strong> Mangelsituation im Freizeitangebot durch<br />

die Cliquen erbracht wird, wird nun fraglich.<br />

Auch in den individuellen Vorstellungen von Zukunft kommen die Cliquen nicht vor, die von<br />

manchen erträumte zukünftige Gemeinschaftsform ist die im Grünen wohnende Kleinfamilie.<br />

Sicher ist, es gibt Cliquen, sie sind ein Teil <strong>der</strong> erlebten Gegenwart in Essen-Katernberg-<br />

Nord.<br />

27


4.1.3. Drogen im Alltag des Stadtteils und <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

Daß die Interviewten von sich aus auf allgemein gehaltene Fragen zum Stadtteil das Thema<br />

"Drogen" ansprechen, läßt in <strong>der</strong> Lektüre <strong>der</strong> Skripte die jeweiligen Gesprächsbeiträge <strong>als</strong><br />

beson<strong>der</strong>s relevant <strong>für</strong> den Stadtteilalltag <strong>der</strong> Jugendlichen erscheinen. Nicht Gewalt o<strong>der</strong><br />

Kriminalität o.ä. werden primär assoziiert.<br />

Die Aussagen <strong>der</strong> Jugendlichen zu diesem Thema sind vielfältig: das Spektrum liegt zwischen<br />

Stellungnahmen zum Stellenwert des zumeist thematisierten Drogenszene im Alltag<br />

des Stadtteils generell (Globalaussagen) und <strong>der</strong> Demonstration <strong>der</strong> persönlichen alltäglichen<br />

Handhabung. Die Aussagen lassen sich somit hinsichtlich des räumlichen und des sozialen<br />

Bezuges unterscheiden.<br />

Drogen im Stadtteil - Wahrnehmungen <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

Die Allgegenwärtigkeit unterschiedlichster Erscheinungsformen vor allem des Drogenkonsums<br />

prägen in entscheidener Weise das lokale Jugendmilieu in Essen-Katernberg-Nord.<br />

Jede(r) Interviewte berichtet, wenn nicht von persönlichen Erfahrungen, so doch zumindest<br />

von Beobachtungen von Drogenkonsum und -handel im Stadtteil. Nach Angaben <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

könnten die Orte des Drogenhandels von jedem/je<strong>der</strong> genau benannt werden<br />

("Sich-Auskennen"), dies findet aber nicht in einer konkreten Benennung statt. Es wird in<br />

diesem Zusammenhang ausschließlich die große Bandbeite, die Verfügbarkeit und die<br />

Marktdifferenzierung nach Sorte und Orten betont.<br />

Stefan: (...) ich kenn keinen Platz in Katernberch, <strong>als</strong>o, wo ich keine Drogen kriegen könnte, <strong>als</strong>o hier<br />

in Katernberch kann ich fast alles kriegen, fast alles - so gesehen.<br />

Murat: Muß nur wissen wo, kriste alles hier, jede Sorte, wat du vorstellen kanns, außer Crack, ne, is<br />

nich hier im Umlauf. (...)<br />

Murat: (...) je<strong>der</strong>, je<strong>der</strong> hat seine Ecke sozusagen, je<strong>der</strong> hat seine Ecke , und so, (...)<br />

Entwe<strong>der</strong> sind es Freunde, Nachbarn o<strong>der</strong> Bekannte: Die Konsumenten und Händler <strong>der</strong><br />

lokalen Drogenszene sind BewohnerInnen des Stadtteils.<br />

Der Drogenhandel wird gemäß einigen Aussagen nicht von "zureisenden Auswärtigen" betrieben,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Begriff "Clique" findet immer wie<strong>der</strong> seinen Raum.<br />

Tobias: (...) dann hammse uns auch schon mal verhaftet, weil irgend einer gesacht hat, wir handeln<br />

mit Drogen, weil welche Clique macht dat normalerweise nich? (...)<br />

Sabine: (...) Dann auch mit den Drogen und so, da möchte man nicht unbedingt mit reingezogen<br />

werden und dat is nun mal im größten Teil <strong>der</strong> Cliquen , die hier in Katernberg verkehren <strong>der</strong> Fall. (...)<br />

Konkret wird nur von zwei Interviewten und nur am Ende eines Interviews, an dem <strong>der</strong><br />

Gesprächsfluß ungehemmter ist und das Vertrauen ausreichend aufgebaut zu sein scheint,<br />

<strong>der</strong> eigene Drogenhandel zugegeben. Dieser Handel diene aber im wesentlichen <strong>der</strong> Reisenkostendeckung<br />

und <strong>der</strong> Gewinn wird <strong>als</strong> erfreuliches Nebenprodukt denn <strong>als</strong> Ziel des<br />

(Haschisch-)Verkaufs betrachtet.<br />

28


Stefan:(...) abba da tut sich auch vom Sprit her dat Geld nich än<strong>der</strong>n dat Geld hasse hinterher auf<br />

jeden Fall widda drin.<br />

Murat: Ja, muß man abgezockt sein, hasse dat Geld auch widda drin .<br />

Stefan: Ja, da kaufse dat <strong>für</strong> drei Maak achtzich und verkäufse dat hier <strong>für</strong> zehn (...)<br />

Murat: Ja, kannse noch wat gewinn.<br />

Zumindest <strong>der</strong> Haschisch-Konsum scheint unter vielen Jugendlichen in Katernberg, wenn<br />

nicht regelmäßig täglich, so doch in <strong>der</strong> gemeinsamen Freizeitgestaltung, vor allem am Wochenende<br />

fest verankert zu sein.<br />

Stefan: (...) ich kenn keinen, so gut wie gar keinen in, obwohl et gibt Ausnahmen, aber ich kenn<br />

keinen in Katernberch unter den Jugendlichen, <strong>der</strong> keine Drogen nimmt, aber ich kenn keinen, <strong>der</strong><br />

sich wat spritzt (...)<br />

Wobei das Wissen um die Drogen und um die Gründe <strong>für</strong> den Konsum <strong>als</strong> beson<strong>der</strong>e, hervorzuhebende<br />

Fähigkeit <strong>der</strong> Katernberger Jugendlichen dargestellt wird.<br />

Stefan: (...) Weil, ich mein, die Jugendlichen, die hier in Katernberch Drogen nehmen, die wissen<br />

immerhin wat se nehmen und warum set tun.<br />

Die Ambivalenz zwischen einerseits dem Bewußtsein über die Probleme des Stadtteils und<br />

<strong>der</strong>en Auswirkungen auf den Alltag und an<strong>der</strong>erseits dem Stolz des "In-<strong>der</strong>-Szene-Seins",<br />

des Sichauskennens, <strong>der</strong> Überlebensfähigkeit wird zusätzlich in den Beschreibungen des<br />

persönlichen Umgangs mit Drogen deutlich.<br />

Die Wahrnehmung <strong>der</strong> Interviewten bezüglich des Drogenkonsums im Stadtteil reproduziert<br />

die auch in den öffentlichen Diskussionen vorherrschende Kategorisierung <strong>der</strong> Sorten in<br />

"gute" o<strong>der</strong> weniger gefährliche und "schlechte", d.h. in die Abhängigkeit und zur Kriminalität<br />

führende Drogen. Haschisch wird hier wie dort zwar <strong>als</strong> "Einstiegsdroge" betrachtet, erfährt<br />

aber dennoch das positive Stigma eines Bestandteils von Jugendkulturen und <strong>der</strong> geringen<br />

Gefährdung <strong>der</strong> Person und damit auch <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Durchweg stellen die Jugendlichen<br />

"die an<strong>der</strong>en" Drogenarten dem Haschisch gegenüber. Diese werden nicht dem persönlichen,<br />

son<strong>der</strong>n dem Stadtteilalltag zugeordnet. Ob die Präsenz des Konsums und Handels<br />

von Heroin (<strong>als</strong> Sammelbegriff aller "schlechten" Drogen) entgegen den Stellungnahmen<br />

dennoch <strong>als</strong> existentielle Bedrohung wahrgenommen wird, läßt sich nur hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Vehemenz <strong>der</strong> Aussagen bejahen. Jeglicher Kontakt mit Konsumenten werde direkt abgebrochen,<br />

die Orte würden gemieden.<br />

29


Interessant ist <strong>der</strong> kausale Zusammenhang (die Ursache-Wirkungskette), <strong>der</strong> von den Jugendlichen<br />

hinsichtlich des Drogenkonsums <strong>als</strong> Teil des Habitus <strong>der</strong> Jugendlichen und des<br />

Stadtteilcharakters hergestellt wird.<br />

Der Grund- o<strong>der</strong> Minimalkonsens im Verständnis von Sozialisation in <strong>der</strong> Soziologie beruht<br />

auf den Annahmen eines zunächst von außerpersonellen Instanzen vermittelten Wissensund<br />

Fähigkeitskomplexes mit dem Ziel <strong>der</strong> Herstellung einer subjektiven Handlungsfähigkeit<br />

(Soziabilisierung). Diese subjektive Handlungsfähigkeit, verstanden <strong>als</strong> "Basic personality<br />

structure", kommt dann in <strong>der</strong> sekundären Sozialisationsphase in <strong>der</strong> Konfrontation mit außerfamiliären<br />

Instanzen wie Schule und Berufsleben zu ihrer Entfaltung und wird durch die<br />

an Bedeutung gewonnene tertiäre Phase <strong>der</strong> weiteren Wechselbeziehung von Individuum<br />

und Gesellschaft zu einem lebenslangen Prozeß. Der Kategorie des Raumes - verschwindend<br />

gering <strong>als</strong> eigenständiges Medium <strong>der</strong> "Vergesellschaftung" betrachtet - kommt eine<br />

einflußnehmende und einflußaufnehmende (beeinflußbare) Bedeutung in <strong>der</strong> Sozialisation<br />

und Personalisation zu. Wesentlich <strong>für</strong> den hier betrachteten Zusammenhang ist die Annahme<br />

eines sich wechselseitig beeinflussenden Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft,<br />

vor allem nach Erreichung <strong>der</strong> grundlegenden "gesellschaftsfähig-machenden" Kompetenzen.<br />

Abweichend hiervon, aber gemäß den Phänomenen, die die Stadtsoziologie mit dem Begriff<br />

<strong>der</strong> Segregation umfaßt, beschreiben die Jugendlichen den Zusammenhang von milieuspezifischem<br />

Habitus (hier geht es immernoch um den Drogenkonsum) und dem Stadtteilcharakter.<br />

Stefan: (...) weil ich mein tief genuch inne Szene si sind wir alle weil sons würden wir alle hier nich<br />

wohn.<br />

Als Grund <strong>der</strong> Jugendlichen <strong>für</strong> den Wohnort Katernberg wird das "In-<strong>der</strong>-Szene-Sein" genannt.<br />

D.h., die Integration in den von Jugendlichen erlebten Stadtteil, das einerseits zur<br />

Teilhabe am, zur Orientierung im und zum Umgang mit dem lokalen Jugendmilieu notwendige<br />

Alltagswissen sei die Ursache <strong>der</strong> "Wahl" des Wohnortes, bzw. des Wohnens in Katernberg.<br />

Ausgeblendet bleibt hier die gesellschaftliche Komponente des eigenen Lebenszusammenhangs.<br />

Analog zu dieser Wahrnehmung läßt sich in keinem <strong>der</strong> Interviews an keiner Stelle die wohl<br />

mit Berechtigung zu vermutende pauschale Ursachenverortung anhand <strong>der</strong> Begriffe "die<br />

Stadt", "die Kirche", "die Politiker" o<strong>der</strong> "die Gesellschaft" o.ä. finden.<br />

30


Die Begründungen und Funktionen des Drogenkonsums werden nach <strong>der</strong> Perspektive<br />

"Ich-und-die-an<strong>der</strong>en" unterschiedlich zugeschrieben:<br />

• Der Konsum an<strong>der</strong>er wird mit Frustrationen familien- und/o<strong>der</strong> stadtteilbezogener Faktoren<br />

begründet.<br />

• Bezogen auf den eigenen Konsum wird immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geselligkeitsaspekt betont.<br />

Somit werden die problematischen Motive den an<strong>der</strong>en und die positiven, (ver-) harmlosen(den)<br />

sich selber zugeschrieben. (Die an<strong>der</strong>en haben Probleme, ich eigentlich nicht.)<br />

Der persönliche Konsum und seine Legitimation<br />

Die rote Linie aller Aussagen läßt sich wie folgt beschreiben:<br />

Die potentielle Drogenabhängigkeit, welche durch die intravenösen Heroinaufnahme symbolisiert<br />

wird, wird von den Jugendlichen nicht <strong>als</strong> akutes Problem <strong>der</strong> eigenen Person, nicht<br />

<strong>als</strong> unmittelbar bedrohende Gefährdung des eigenen Lebens wahrgenommen. Durch räumlichen<br />

und persönlichen Abstand zu "Trägern" dieser Einflüsse findet <strong>der</strong> Ausschluß statt.<br />

Jede(r) schreibt seiner eigenen Entscheidungs- und Ausschlußkraft die entscheidende Verantwortung<br />

zu und räumt sie sich <strong>als</strong> beson<strong>der</strong>e Stärke und persönliche (Überlebens-) Fähigkeit<br />

ein.<br />

Andrea: Und dann sind wir aber direkt rausgegangen. Weil wir wollten damit nix zu tun haben.(...)<br />

Murat: (...) sehr sehr viel mit Drogen, so, und so Leute möcht ich auch so wegbleiben von, möcht ich<br />

auch nix zu tun haben, und sozusagen meinen eigenen Weg gehen und so mit an<strong>der</strong>n Kollegen auch<br />

die sauber sind, (...) mit Leuten, wo ich auch unternehmen kann so<br />

Murat: (...) wird er sozusagen von uns abgestoßen, da wollen wer nix mehr mit uns zu tun habn<br />

Tobias: (...) so rauchen kannse, so West und Marlboro, dat is genauso wie wennse Haschisch rauchs.<br />

Immer dat gleiche.<br />

Jörg: Die Leute sind schon Abschreckung genug, wenn die Augen so fast rausfallen.<br />

L.: Also, da steht ihr nich so drauf?<br />

Jörg: Ne!<br />

Stefan: (...) Hasch is ne Einstiegsdroge, aber es is ne Einstellungssache.<br />

Stefan: (...)Weil wenn ich merk, dat et bei mir nix mehr bringt und so, dann mach ma ne Pause, und<br />

so. Weil ich hab et nich nötig, daß ich dann wat wat größeres nehm.<br />

Die persönlichen Drogenerfahrungen differieren unter den Interviewten sehr stark. Sie sind<br />

einerseits abhängig vom Alter und an<strong>der</strong>erseits von <strong>der</strong> Integration in das lokale Jugendmilieu.<br />

We<strong>der</strong> über regelmäßigen o<strong>der</strong> gelegentlichen, noch eine "Probe" des verbreiteten, <strong>als</strong><br />

harmlos etikettierten Haschisches berichten z.B. die "Wan<strong>der</strong>innen" und die "Besucher" in<br />

ihren Beiträgen.<br />

Die einen schließen jegliche Eventualität <strong>für</strong> sich aus, vermeiden konsequent den Kontakt zu<br />

Cliquen und Personen, bei denen ihnen <strong>der</strong> Drogenkonsum bekannt ist. Die an<strong>der</strong>en ziehen<br />

31


dies jedoch <strong>für</strong> die Zukunft in Betracht, was aber mit <strong>der</strong> Verbreitung von Aufputschdrogen in<br />

<strong>der</strong> Techno-Szene und nicht mit dem milieuimmanenten Habitus in Verbindung stehen mag.<br />

Christian: Bis jetzt noch ohne, aber da kommt man nicht drum rum, da sieht man einfach, die Leute<br />

nehmen das, da weiß man nie...<br />

Die Gefährdung durch Drogen über den <strong>als</strong> Bestandteil einer Jugendkultur hinausgehenden<br />

Haschisch-Konsums steigt mit dem Alter und dem Grad <strong>der</strong> Integration in das von Cliquen<br />

geprägten Stadtteilmilieu (und mit dem Grad <strong>der</strong> Einschränkung <strong>der</strong> Mobilitätschancen).<br />

Der "Newcomer" und beson<strong>der</strong>s die "Insi<strong>der</strong>" repräsentieren hier die Gruppe von Jugendlichen<br />

bei denen die Gefährdung am höchsten ist und die bei Hinzukommen von (an<strong>der</strong>en)<br />

Frustrationserfahrungen und Auswirkungen gesellschaftlicher Desintegration, sozialer Ungleichheit,<br />

z.B. einer fehlenden Integration in den Arbeitsmarkt, die Annahme nahelegen,<br />

daß sie versuchen sowohl die individuell-psychische wie auch die finanzielle Lebenslage<br />

über den Drogenkonsum und/o<strong>der</strong> -handel zu kompensieren.<br />

Beide Typen von Jugendlichen stehen in unterschiedlicher Nähe zum Drogenhandel, wenn<br />

auch in noch unprofessioneller Weise (s.o.): Dem einen wird dies zumindest nachgesagt, die<br />

an<strong>der</strong>en geben dies direkt zu. Die Hemmschwellen liegen hier niedriger <strong>als</strong> bei den an<strong>der</strong>en<br />

Interviewten.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend läßt sich zum Jugendmilieu Essen-Katernberg-Nord hinsichtlich des<br />

räumlichen und sozialen Bezuges <strong>der</strong> Aussagen zum Thema "Drogen", festhalten, daß<br />

• ein zwar in seiner Ausprägung nicht erfassbarer Drogenmarkt mit einem breiten Sortiment<br />

in Katernberg-Nord besteht,<br />

• dieser von den Jugendlichen <strong>als</strong> kennzeichnend <strong>für</strong> ihre Alltagswelt erfahren wird,<br />

• von diesem (zumindest) die Aneignung von Fähigkeiten und "Insi<strong>der</strong>-Wissen" begründet<br />

wird, um den Schutz <strong>der</strong> eigenen Person gewährleisten zu können,<br />

• diese im Lebensumfeld erworbenen Wissensbestände <strong>als</strong> beson<strong>der</strong>s qualifizierendes<br />

Merkmal <strong>der</strong> Jugendlichen im Stadtteil hervorgehoben werden,<br />

• dem individuellem Konsum die "Geselligkeit" zugeordnet wird,<br />

• <strong>der</strong> Zusammenhang von Drogen und Cliquen im Stadtteil, wenn auch unkonkretisiert, bedeutend<br />

<strong>für</strong> die Wahrnehmung des Stadtteils durch die Jugendlichen ist.<br />

4.2. Jugendzentren <strong>der</strong> Gegenwart und Zukunft<br />

Die Gesprächsbeiträge zu den Jugendzentren vor Ort und den Idealcharakter eines noch zu<br />

verwirklichenden einerseits und die Aussagen zu zukünftigen, wünschenswerten Wohnorten<br />

32


auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite, haben gemein, daß sie im Gegensatz zu den vorangegangenen<br />

Themen "Cliquen" und "Drogen" im wesentlichen Wunschcharakter und Zukunftsbezug haben.<br />

Von den Interviewer/innen nicht motiviert stellen sie ein eigenes Thema <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

dar.<br />

Die Trennung in <strong>der</strong> Darstellung des räumlichen und sozialen Bezugs lassen sich hier nicht<br />

so differenziert vornehmen wie bei den vorangegangenen Darstellungen. Die oben schon in<br />

den Vor<strong>der</strong>grund gestellte Achse des "Zeitbezugs" <strong>der</strong> Aussagen wird nun <strong>als</strong> Perspektive<br />

verwandt.<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> Gegenwart<br />

Jede(r) Interviewte hat persönliche Erfahrungen mit Besuchen in Jugendzentren, wovon eine<br />

Auswahl stets benannt werden kann, jedoch gehört keine(r) - u.U. mit Ausnahme von Tom -<br />

zu regelmäßigen NutzerInnen öffentlicher Jugendeinrichtungen.<br />

D.: Und so jugendzentrumsmäßig?<br />

Tobias: Gehn we nich hin.<br />

L.: Und was is mit Jugendzentren und so?<br />

Andrea: Ähhh! (leicht angewi<strong>der</strong>t) Gehen we nich hin.<br />

Christian: (...)Dat is nich mein Ding, deswegen gibt´s hier nich so viele Sachen, die ich machen kann<br />

hier in Kattenberch.<br />

L.: Gehse auch hin?<br />

Stefan: Ja, ich war einmal da (...)<br />

L.: Und wat is so mit (...) Jugendzentren (...), gehse da hin?<br />

Murat: Nee, überhaupt kein<br />

L.: Warße da schon mal?<br />

Murat: Ne, ja, wir warn ma paar Jugendzentren (...)<br />

Die Erfahrungen und die oft aus diesen resultierenden Gründe <strong>der</strong> Ablehnung beziehen sich<br />

auf eine allen gemeinsame Beobachtung: Die Jugendzentren, die Räume <strong>für</strong> die Freizeit(gestaltung)<br />

bieten, sind von an<strong>der</strong>en Jugendlichen besetzt.<br />

Als Hin<strong>der</strong>ungsgründe einer gemeinsamen Nutzung werden einmal zwei nicht zu vereinbarende<br />

Merkmale <strong>der</strong> "Besetzer" und <strong>der</strong> eigenen Person genannt: das Alter und die präferierte<br />

Musikrichtung. Zum an<strong>der</strong>en wird berichtet, daß <strong>der</strong> Aufenthalt "Frem<strong>der</strong>" <strong>als</strong> nicht erwünscht<br />

erscheint bzw. deutlich gemacht wird.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> konfessionellen Einrichtungen wird eingewendet, daß "da am Ende ja<br />

doch katholisch o<strong>der</strong> evangelisch bei rauskommt".<br />

Stefan: Das sind, weil in den Jugendzentren hier, Freie Jugend Essen o<strong>der</strong> Schalkerstr o<strong>der</strong> in<br />

Grenze Katernberg-Altenessen, Jugendhaus Nord, <strong>als</strong>o, da sind mehr so Jüngere und man will<br />

wenigstens seines Alters schon dabei haben.<br />

Christian: (...) Weil da alles so Punker und so Leute da hinkommen.<br />

33


Murat: (...) und die so "Ja, wir habn Grund, ja äh wir müssen so ne Gruppe abschließen" und "So ne<br />

Gruppe? Also, ihr guckt doch gerade Fernsehen, ihr seid doch nich am reden o<strong>der</strong> störn wir Euch? Ja,<br />

eigentlich nich und so, wir wolln alleine.." (...)<br />

Murat: (...) und - da sind Leute, die, wat weiß ich, schon 5, 6 Jahre da sind in dem Jugendzentrum,<br />

und kenn die Leute richtig korrekt und so.<br />

Insgesamt sind die Gesprächsbeiträge zum Thema Jugendzentren vor Ort und <strong>der</strong>en Nutzung<br />

durch die Befragten auf kurze Stellungnahmen beschränkt. Erst Nachfragen erweitern<br />

die Aussagen. Diese deutet auf die geringe subjektive Bedeutung <strong>der</strong> lokalen Jugendzentren<br />

<strong>für</strong> die Freizeitgestaltung <strong>der</strong> von uns Befragten hin.<br />

An<strong>der</strong>s verhält es sich mit den Antworten auf die Fragen nach Wünschen <strong>für</strong> den Stadtteil<br />

o<strong>der</strong> den wünschenswerten Charakter eines Freizeitraumes in Gestalt eines Jugendzentrums.<br />

Jugendzentren <strong>als</strong> Projektionsfläche <strong>für</strong> die Mängel des Stadtteils<br />

In <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Jugendlichen wird die Gegenwart <strong>als</strong> Mangelsituation beschrieben.<br />

Sie erfährt ihr Komplement in den Wünschen und Idealvorstellungen eines öffentlich bereitgestellten<br />

Aufenthaltsraumes <strong>für</strong> die Freizeit. Die gegenwärtig erfahrenen Mängel werden<br />

invertiert und zur Charakterisierung des Wünschenswerten herangezogen. Den primären<br />

Nachteil stellt - neben den Merkmalen "Unruhe" und "Dreck" - die Unsicherheit durch Drogenkonsum<br />

und<br />

-handel und die hiermit oft in Verbindung gesetzte Kriminalität dar.<br />

Der Schonraum eines <strong>als</strong> "eigen" empfundenen Jugendzentrums dient <strong>als</strong> Projektionsfläche<br />

<strong>für</strong> die gegenwärtig nicht zufriedengestellten Bedürfnisse wie Sicherheit, Sauberkeit, Ruhe<br />

und des Angebots von Räumen <strong>für</strong> die Freizeitgestaltung. Dort würde das gewährleistet sein,<br />

was gegenwärtig fehle.<br />

Tobias: Erstmal sauber, dat da nich überall so drangespritzt is, so Rave und so, weil ich bin auch<br />

Rave-Fan, aber trotzdem anne Wand und so, is doch Schweinerei sowat. (...)<br />

Tobias: (...) dat keine Drogen da so reingetuscht worden sind, so würd dat dann aussehen.<br />

Das Jugendzentrum, welches <strong>für</strong> die eigene Person zur Verfügung steht, soll neben <strong>der</strong> Sicherheit,<br />

einen Raum <strong>für</strong> die selbstgestaltete Freizeit bieten. Bestehende Angebote <strong>der</strong> örtlichen<br />

Träger werden <strong>als</strong> beschränkt auf die Bereitstellung von Räumen und Spielgeräten<br />

und die Veranstaltung von regelmäßigen Discoabenden beschrieben.<br />

Stefan: (...) Ich würd dann zum Beispiel eher sagen, daß in Katernberg eher mal ne vernünftige Disco<br />

gemacht wird.<br />

Christian: (...) so Tischtennistuniere, o<strong>der</strong> so Fußballtunier, da trifft man dann so alte Kollegen, mit die<br />

ich jetzt normal so, eigentlich nich sehe, aber kann man ja hingehen, vieleicht so`n bißchen kicken,<br />

wenn dazu Lust besteht.<br />

Murat: (...) und - möchte auch so, jetzt, Beispiel, `n Jugendzentrum, wo auch wir auch hin können. (...)<br />

Murat: (...) mit Disko, so, son Raum, besser gesagt son Raum, wo wir uns alle Kollegen treffen im<br />

Winter und im Sommer, so (...)<br />

34


Murat: Dat wir auch so n eigenes Jugendzentrum <strong>für</strong> uns haben so, weil sonst stehen wir so draußen<br />

so.<br />

Das Jugendzentrum <strong>der</strong> Katernberger Zukunft würde somit durch folgende Prädikate gekennzeichnet:<br />

Sicherheit, Sauberkeit, Ruhe, Offenheit (Möglichkeit einer ungeleiteten Nutzung<br />

<strong>der</strong> Räumlichkeiten ohne Zwang <strong>der</strong> Gruppenzugehörigkeit) und Dienstleitungen nach<br />

Vorbild <strong>der</strong> kommerziellen Anbieter (Veranstaltung von Diskoabenden etc.).<br />

Murat: Ja, dat wär ` n Traum, wenn wir dat kriegen würden, dat stimmt.<br />

Biographie <strong>als</strong> Projektionsfläche <strong>für</strong> erlebte alltägliche Mangelsituation<br />

Der Begriff des "Traumes" wird auch den Vorstellungen <strong>für</strong> die zukünftigen Wohnorte zugeschrieben.<br />

Die genannten Traumorte <strong>der</strong> Jugendlichen sind Holland, Oberhausen und Altenessen,<br />

in welchen ähnliche Vorzüge wie in den des Jugendzentrums projeziert werden.<br />

Holland <strong>als</strong> Sinnbild <strong>für</strong> Ruhe, Sicherheit vor Kriminalität, in dem die Landschaft <strong>für</strong> den Alltag<br />

einen positiven Rahmen setzt (und die Lebenshaltungskosten niedriger seien).<br />

Tobias: Aber sonst hier so ... ne! Ich will nur weg hier, nur weg. Später so, wenn ich so erwachsen bin,<br />

und meine Eltern immer noch hier so wohnen, pack ich meine Klamotten und geh nach Holland. Weil,<br />

da kann ich Auto halbe Stunde, drei Jahre offen stehen lassen, komm ich wie<strong>der</strong>, nix dran, alles noch<br />

da.<br />

Murat: Holland, a bor, dat is supa ey, dat is ne Traumstadt, da würd ich auch glücklich, da würd ich<br />

auch leben könn, auf jeden Fall.<br />

Stefan: Schon allein wegen <strong>der</strong> Landschaft, da is dat erheblich ruhiger.<br />

Die Vorzüge <strong>der</strong> Stadt Oberhausen und des Stadtteils Essen-Altenessen werden nicht detailliert<br />

geschil<strong>der</strong>t.<br />

Sabine: (...) und das is nich so ganz meine Gegend hier. Meine Traumwelt ... <strong>als</strong>o, ich bin in<br />

Oberhausen geboren.<br />

Stefan: Bochum, ja, Gelsenkirchen weniger, weil dat is direkt hier umme Ecke. Ich mein, ich kann<br />

auch tiefer o<strong>der</strong> wat nach Gelsenkirchen fahrn, aber wat hab ich von Gelsenkirchen? Wenn ich weg<br />

will, dann auch richtich weg, weil ob Oberhausen zum Beispiel is auch ne schöne Stadt.<br />

Wenn wir davon ausgehen, daß die Wahl <strong>der</strong> Orte eng mit <strong>der</strong> individuellen Biographie und<br />

mit dem Mobilitätsgrad <strong>der</strong> Jugendlichen zusammenhängt, sind folgende Gründe <strong>für</strong> die spezielle<br />

"Raumwahl" anzunehmen:<br />

Holland könnte die einzige Auslandserfahrung <strong>der</strong> Jugendlichen sein und Oberhausen durch<br />

seine Funktion <strong>als</strong> Ziel <strong>der</strong> Wochendausflüge in die Diskothek "Turbinenhalle" in die Auswahl<br />

fallen. Die Wahl von Altenessen könnte darin begründet sein, daß Katernberg nahe liegt, und<br />

damit die sozialen und räumlichen Bezüge trotz verän<strong>der</strong>ter Lebensbedingungen aufrecht<br />

erhalten werden können.<br />

35


Fazit<br />

Lokale Jugenzentren haben keinen Alltagswert<br />

Jugendzentren gehören nicht zu den alltäglichen Anlaufspunkten <strong>für</strong> die Freizeit(gestaltung),<br />

da diese Räume von an<strong>der</strong>en Jugendlichen genutzt werden und damit <strong>als</strong> besetzt gelten.<br />

Anscheinend haben beson<strong>der</strong>e Merkmale und Interessen "Frem<strong>der</strong>" <strong>für</strong> die befragten Jugendlichen<br />

exklusive Wirkung. Die defizitäre Integrationsleistung <strong>der</strong> Jugendarbeit vor Ort<br />

kommt auch in den Hinweisen auf die eigene Unerwünschtheit und in <strong>der</strong> Skepsis gegenüber<br />

konfessionellen Trägern zum Ausdruck.<br />

Lokale Jugendzentren sind <strong>als</strong> Mängel-Kompensation erwünscht<br />

Die Interviewten sind imstande, ihre Vorstellungen zu einem Jugendzentrum zu formulieren,<br />

welche sich an den erlebt-gegenwärtigen sozial- und infrastrukturellen Defiziten des Stadtteils<br />

orientieren. Sicherheit, Sauberkeit, Ruhe, Offenheit und <strong>der</strong> Dienstleistungscharakter<br />

des Angebots, <strong>der</strong> in erster Linie die Selbstgestaltung <strong>der</strong> Freizeit gewährleisten soll, stellen<br />

die wesentlichen Parameter dar.<br />

Die (individuelle) Zukunft liegt nicht in Katernberg<br />

Nur eine Interviewte (Andrea) thematisiert in ihrer vorgestellten Biographie nicht den Wegzug<br />

aus dem Stadtteil. Alle an<strong>der</strong>en möchten Katernberg verlassen, und projezieren (wie<strong>der</strong>rum)<br />

in die gewählten Orte die durch die aktuell erfahrenen Mängel herausgehobenen, aber ins<br />

positive verkehrten Merkmale. Insgesamt können die Aussagen nicht <strong>als</strong> "Aussteigertum"<br />

interpretiert werden, son<strong>der</strong>n sind noch in leicht überwindbarer Entfernung zum Stadtteil<br />

gewählt, was <strong>für</strong> den Stadtteil <strong>als</strong> Ort spricht, an dem die Jugendlichen sich (aus-)kennen<br />

und dadurch <strong>der</strong>zeit Lebens- und Handlungssicherheit gewinnen.<br />

5. Cliquen - vorläufige Vergemeinschaftung und <strong>der</strong>en Erosion<br />

im Spannungsfeld von Individualisierung und sozialer Un-<br />

gleichheit<br />

Eine <strong>der</strong> Fragen, die uns in <strong>der</strong> Konzeption <strong>der</strong> Untersuchung und <strong>der</strong> Aufarbeitung <strong>der</strong> Theorie<br />

zentral beschäftigte, war, ob es Jugendliche gibt, <strong>der</strong>en Risiko, in einer individualisierten<br />

Gesellschaft in <strong>der</strong> Verwirklichung ihrer Lebensvorstellungen zu scheitern, größer ist, da sie<br />

im Vergleich zu an<strong>der</strong>en stärker von sozialer Ungleichheit betroffen sind. Der <strong>für</strong> die Durchführung<br />

<strong>der</strong> Studie ausgewählte Stadtteil war Essen-Katernberg, ein Stadtteil mit besonde-<br />

36


em Erneuerungsbedarf, mit auf <strong>der</strong> Datenebene sich spiegelnden massiven sozialen Problemen.<br />

Was heißt es <strong>für</strong> Jugendliche, hier zu leben?<br />

Es ist uns nicht möglich, diese Frage in <strong>der</strong> Breite zu beantworten, die wir uns vorgenommen<br />

hatten, da die wichtigen Bereiche Ausbildung, Arbeit, familiärer Hintergrund und vor allem die<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Dimensionen Ethnie und Geschlecht auf das Leben <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

nicht vollständig erhoben werden konnten. Wir erhielten keinen Aufschluß über die zuvor<br />

theoretisch angenommene folgenreiche Wirkung <strong>der</strong> Mehrdimensionalität sozialer Ungleichheit.<br />

Durch die Rekonstruktion <strong>der</strong> Interaktions- und Integrationszusammenhänge erarbeiteten wir<br />

uns einen Eindruck vom lokalem Jugendmilieu Essen-Katernberg-Nord, welcher aufgrund<br />

<strong>der</strong> gewählten Methode und den damit verbundenen Anwendungsproblemen einen subjektiv-selektiven<br />

Charakter hat. Die primäre Betrachtung <strong>der</strong> Freizeitgestaltung ergab das Bild<br />

einer Mangelsituation hinsichtlich des Angebotes an sozialer jugendorientierter Infrastruktur.<br />

In diesem Zusammenhang kann von einer hohen Lebensqualität somit keine Rede sein.<br />

Trotzdem: Der Raum "Stadtteil" zählt, obwohl wenig positive Assoziationen und kaum affektive<br />

Bindungen in den räumlichen Beziehungen vorhanden sind, denn auch hier gibt es Formen<br />

sozialer Integration. Diese Integrationsleistung <strong>als</strong> bedeutendes Merkmal des Stadtteils<br />

<strong>für</strong> die ansässigen Jugendlichen ist einerseits Resultat <strong>der</strong> eingeschränkten Mobilität und<br />

an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> Versuch, den strukturellen Defiziten Handlungsstrategien entgegenzusetzen.<br />

Exemplarisch wurde dieser Sachverhalt am Thema "Drogen" verdeutlicht. Wobei den "Cliquen"<br />

<strong>als</strong> beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> sozialen Integration in <strong>der</strong> Transitionsphase Jugend beson<strong>der</strong>e<br />

Relevanz zukommt. Diese Form <strong>der</strong> Vergemeinschaftung schafft eine gemeinsame<br />

Handlungspraxis in Form von Regeln und Kontrollmechanismen, die durch Ausgrenzung von<br />

z.B. KonsumentInnen "harter" Drogen Risiken minimieren und Handlungssicherheit erzeugen<br />

können. Cliquen helfen, gegenwärtige Probleme erträglich zu machen, können aber nur beschränkt<br />

diese und neu hinzutretende lösen. Die Gebundenheit und damit Vorläufigkeit dieser<br />

Form <strong>der</strong> Vergemeinschaftung an die Lebensphase Jugend und Schule kann den Verän<strong>der</strong>ungen<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Arbeitsmarktintegration nicht standhalten. Die Integrationskraft<br />

<strong>der</strong> Cliquen wird durch die Wahlmöglichkeiten und Entscheidungszwänge, die <strong>der</strong> biografische<br />

Übergang von <strong>der</strong> Transitionsphase Jugend zum vom Arbeitsmarkt geprägten Erwachsenenalter<br />

erfor<strong>der</strong>t, überfor<strong>der</strong>t. Das Auftreten neuer Risiken kann im Falle des Scheiterns<br />

verstärkt zu Desintegrationsprozessen im Leben <strong>der</strong> Jugendlichen führen.<br />

Im Sinne einer "hypothesengenerierenden Sozialforschung" nehmen wir an, daß<br />

• Katernberg kein spezieller Einzelfall ist, folglich in sozial- und infrastrukturell ähnlich geprägten<br />

Stadtteilen vergleichbare Lebens- und Alltagsstrategien <strong>für</strong> diese bestimmte Le-<br />

bensphase von Jugendlichen entwickelt und angewandt werden.<br />

37


• Jugendliche aus bürgerlichen Milieus in ihrer Freizeit mobiler sind und daher die Orte <strong>der</strong><br />

erlebten Gegenwart nicht mit dem Wohnort identisch sind.<br />

• auch Cliquen bürgerlicher Jugendlicher Vergemeinschaftungsformen darstellen, ihre integrative<br />

Kraft aber stärker aus gemeinsamen Konsumgewohnheiten gewinnen.<br />

• Cliquen männlich dominiert sind und männliche Bedürfnisse befriedigen. Frauen konstituieren<br />

selten soziale Gruppen und bestimmen in ihrer Mitgliedschaft kaum die Gruppenregeln<br />

und <strong>der</strong>en Einhaltung.<br />

• Jugendzentren sich in ihrem Angebot im wesentlichen an Einzelpersonen richten und an<br />

<strong>der</strong> typischen und dominanten Vergemeinschaftungsform "Clique" ihrer Adressaten vorbeiarbeiten.<br />

Cliquen <strong>als</strong> Faktum, <strong>als</strong> entscheidende strukturelle Größe im Alltag von Jugendlichen und<br />

damit des Stadtteils sollte in <strong>der</strong> Planung und Gestaltung <strong>der</strong> Angebote entscheidend kooperativ<br />

berücksichtigt werden. Neben <strong>der</strong> höheren Inanspruchnahme durch die Jugendlichen,<br />

wird die Integration dadurch verstärkt, daß den Interessen und <strong>der</strong> Kompetenz <strong>der</strong><br />

Jugendlichen "handfeste" Bedeutung gegeben wird. Dies sollte nicht nur symbolisch geschehen.<br />

Die "Betroffenen" selbst müssen ihre Vorstellungen und ihr Engagement einbringen<br />

und verwirklichen können.<br />

Ein sich daraus ergebenes interessantes weiterführendes Forschungsprojekt wäre eine vergleichende<br />

Untersuchung bürgerlicher und/o<strong>der</strong> benachteiligter Stadtteile und <strong>der</strong> darin lebenden<br />

Jugendlichen hinsichtlich <strong>der</strong>en räumlichen und sozialen "Alltags-Risiken". Hie<strong>für</strong><br />

wäre in beson<strong>der</strong>er Weise eine Panel-Untersuchung geeignet, um<br />

• den Übergang von <strong>der</strong> Jugend- zur Arbeitsmarktphase,<br />

• die Hypothese des vorläufigen Charakters <strong>der</strong> Vergemeinsschaftungsform "Clique";<br />

• den prägenden und möglicherweise stigmatisierenden Einfluß <strong>der</strong> Lebens-bedingungen<br />

im Stadtteil auf persönliche Lebenswege<br />

erfassen zu können.<br />

38


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