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BAURECHT - KWR

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<strong>BAURECHT</strong><br />

S T E V E B U M P H R E Y / I S T O C K P H O T O . C O M<br />

Unterschiedlich: Ob die Ausschreibung<br />

für eine Brücke<br />

mittels funktionaler oder konstruktiver<br />

Leistungsbeschreibung<br />

erfolgt, entscheidet über<br />

rechtliche Folgen.<br />

Kombiniert<br />

So werden Gewährleistung sowie Prüf- und<br />

Warnpflicht bei konstruktiven Ausschreibungen<br />

mit integrierten funktionalen Elementen gehandhabt.<br />

Ausschreibung ist nicht gleich Ausschreibung.<br />

Mal wird dem potenziellen<br />

Auftragnehmer Position für Position<br />

vorgegeben, wie er eine Leistung zu<br />

erbringen hat, mal ist nur das Ziel seiner Arbeit<br />

vorgegeben. Oft werden konstruktives<br />

Leistungsverzeichnis und funktionale Elemente<br />

kombiniert. Das hat Auswirkungen<br />

auf die Gewährleistung und auf die Prüfund<br />

Warnpflicht. Das folgende Beispiel<br />

SOLID April 2007 37


Konkret: Ein detailliertes Leistungsverzeichnis<br />

gibt dem Auftragnehmer vor, wie das Werk erstellt<br />

werden muss.<br />

(Teil A) zeigt, ob es trotz Aufnahme einer<br />

„Funktionalposition“ in einer konstruktiven<br />

Leistungsbeschreibung zu Mehrkosten<br />

kommen kann.<br />

Danach (Teil B) wird gezeigt, wie sich<br />

die konstruktive und die funktionale Leistungsbeschreibung<br />

grundsätzlich auf die<br />

Gewährleistung und die Prüf- und Warnpflicht<br />

des Auftragnehmers auswirken.<br />

Teil A<br />

Mit Fangnetz. Ein Vertrag enthält eine umfangreiche,<br />

in zahlreiche Positionen gegliederte<br />

Leistungsbeschreibung. Zusätzlich<br />

bedient sich der Auftraggeber eines „funktionalen<br />

Fangnetzes“: Als Abrundung jeder<br />

Ober- und Leistungsgruppe findet sich der<br />

Hinweis darauf, dass „alle zur Erreichung<br />

des Leistungsziels erforderlichen und notwendigen<br />

Teilleistungen zu erbringen<br />

sind“.<br />

Der zu einem Pauschalpreis zu erbringende<br />

Baugrubenverbau kann „nach Wahl<br />

des Auftragnehmers“ ausgeführt werden.<br />

Eine konstruktive (detaillierte) Leistungsbeschreibung<br />

dafür ist nicht vorhanden.<br />

Bodenuntersuchungen werden vom Auftraggeber<br />

zur Verfügung gestellt und in der<br />

vom Auftragnehmer offengelegten Kalkulation<br />

berücksichtigt. Jegliche Mehrkosten<br />

aus dem Titel „Bodenrisiko“ sind vertraglich<br />

ausgeschlossen. Aufgrund des Wasserandranges<br />

im Baugrund lässt sich der vom<br />

Auftragnehmer gewählte Baugrubenverbau<br />

nicht realisieren. Er muss eine andere Methode<br />

anwenden.<br />

Obwohl der Auftraggeber und sein Geologe<br />

ihrer Verpflichtung zur vollständigen<br />

Untersuchung und Beschreibung nachgekommen<br />

sind und der Auftragnehmer seine<br />

Prüf- und Warnpflicht erfüllt hat – er<br />

hat nicht gewarnt, musste es auch nicht, es<br />

war nichts zu erkennen –, stellen sich die<br />

Bodenverhältnisse anders dar als angenommen.<br />

Der Unternehmer begehrt die ihm dadurch<br />

entstehenden Mehrkosten.<br />

Andere Sphäre. Die Frage, welcher Vertragspartner<br />

die mit dem Bodenrisiko verbundenen<br />

Mehrkosten zu tragen hat, wird<br />

nach der Sphärentheorie beantwortet. Der<br />

Auftragnehmer soll nicht mit Risken belastet<br />

werden, für die er selbst nichts kann und<br />

S C A L E T<br />

die ihn grundsätzlich auch nicht zu interessieren<br />

haben. Es ist in Judikatur und Lehre<br />

unstrittig, dass der Baugrund der Sphäre des<br />

Auftraggebers zuzuordnen ist.<br />

Der Auftragnehmer kann seine Mehrkostenforderung<br />

auf § 1168 Abs. 1 2. Satz<br />

ABGB stützen. Darin ist geregelt, dass der<br />

Auftragnehmer, der wegen Umständen aus<br />

der Bestellersphäre durch Zeitverlust bei der<br />

Ausführung des Werkes „verkürzt“ wird,<br />

eine „angemessene“ Entschädigung verlangen<br />

kann. Ist die Ausführung nicht so wie<br />

geplant und vereinbart möglich, ist eine<br />

„Verkürzung“ nach § 1168 ABGB anzunehmen.<br />

In diesen Fällen hat der Auftraggeber<br />

das Bodenrisiko zu tragen. Das bedeutet,<br />

die Mehraufwendungen für die Verwirklichung<br />

eines anderen als des geplanten<br />

und vereinbarten Werkes sind abzugelten,<br />

wenn es aufgrund des Bodenrisikos nur<br />

anders oder unter erschwerten Umständen<br />

ausführbar ist.<br />

Pauschalierte Leistung. Das Wesen des<br />

Pauschalpreisvertrages besteht in der Pauschalierung<br />

des Preises – eine Abrechnung<br />

der Massen erfolgt nicht. Von der Frage der<br />

Pauschalierung des Preises ist jedoch die<br />

Pauschalierung der Leistung zu unterscheiden.<br />

Ob (auch) sie pauschaliert wurde, ist<br />

eine Frage der Vertragsauslegung. Wurde<br />

die Leistung mittels konstruktiver Leistungsbeschreibung<br />

vorgegeben, wird sie im<br />

Zweifel nicht pauschaliert sein. In diesem<br />

Falle sind eben nur die einzeln angeführten<br />

Leistungen von der Pauschale umfasst.<br />

Im beschriebenen Beispiel ist der Baugrubenverbau<br />

nicht konstruktiv beschrieben<br />

worden. Ihm liegt eine funktionale<br />

Leistungsbeschreibung zugrunde. In<br />

diesem Fall ist im Zweifel eine Pauschalierung<br />

der Leistung anzunehmen. Der<br />

Pauschalpreis ist für die funktional beschriebene<br />

Leistung „Baugrubenverbau“<br />

vereinbart.<br />

Fraglich ist, ob die vorgenommene Pauschalierung<br />

der Leistung dazu führt, dass der<br />

Auftragnehmer bei Eintritt unvorhergesehener<br />

Umstände, wie beim Bodenrisiko, eine<br />

Erhöhung des Werklohns fordern kann.<br />

Die Beantwortung hängt davon ab, ob<br />

man die Pauschalabrede als so genannte<br />

vertragliche Gefahrtragungsregel versteht –<br />

ob also der § 1168 ABGB abgeändert werden<br />

soll. Ist dem Bauvertrag zu entnehmen, dass<br />

die Vertragsparteien die Gefahrtragungsregel<br />

des § 1168 ABGB nicht wollen – wenn<br />

also der Auftragnehmer das Bodenrisiko<br />

übernehmen soll –, kann er die Mehrkosten<br />

nicht auf den Auftraggeber abwälzen.<br />

Das ist im beschriebenen Beispiel der<br />

Fall. Die Vertragsparteien haben das Bodenrisiko<br />

ausdrücklich auf den Auftragnehmer<br />

überwälzt: „Jegliche Mehrkosten aus dem<br />

Titel ‚Bodenrisiko‘ sind vertraglich ausgeschlossen.“<br />

Wäre die Klausel nicht ausdrücklich<br />

vereinbart worden, wäre aus der<br />

Pauschalierung der Leistung alleine nicht<br />

zwingend abzuleiten, dass das Bodenrisiko<br />

auf den Auftragnehmer übergegangen ist.<br />

Selbst wenn der Auftraggeber die Planung<br />

und damit die Bodenuntersuchungen im<br />

Rahmen einer funktionalen Ausschreibung<br />

auf den Auftragnehmer übertragen hätte,<br />

würde das Bodenrisiko beim Auftraggeber<br />

verbleiben, sofern sich die von ihm beauftragten<br />

Bodenuntersuchungen als unrichtig<br />

herausstellen.<br />

Teil B<br />

Konstruktiv und funktional. Bei der funktionalen<br />

Leistungsbeschreibung wird die<br />

Bauaufgabe nur so beschrieben, dass der<br />

Auftragnehmer alle für die Entwurfsbearbeitung<br />

und sein Angebot maßgebenden<br />

Bedingungen und Umstände erkennen<br />

muss. Zudem müssen der Zweck der fertigen<br />

Leistung und die an sie gestellten technischen,<br />

wirtschaftlichen, gestalterischen<br />

und funktionsbedingten Anforderungen<br />

angegeben sein.<br />

Während die funktionale Leistungsbeschreibung<br />

in der Beschreibung des „Zieles“<br />

besteht, gibt die konstruktive Leistungsbeschreibung<br />

auch den „Weg zum Ziel“, also<br />

die Art der Durchführung an. In den meisten<br />

Fällen wird die vom Auftragnehmer geschuldete<br />

Bauleistung durch ein detailliertes<br />

Leistungsverzeichnis umschrieben, wobei<br />

38 SOLID April 2007


die einzelnen Teilleistungen positionsweise<br />

aufgegliedert werden.<br />

In der Praxis kommen die beiden Methoden<br />

in ihrer reinen Form selten vor. Mischformen<br />

mit jeglicher Graduierung sind die<br />

Regel. Es ist normal, dass der Auftraggeber<br />

selbst zumindest einen Teil der Planung<br />

übernommen hat und die Ergebnisse dem<br />

Auftragnehmer „zur Verfügung stellt“.<br />

Gegen Kombinationen ist zivilrechtlich<br />

nichts einzuwenden. Im Schuldrecht gilt<br />

das Prinzip der Vertragsfreiheit: Es steht<br />

den Vertragsparteien offen, wie die Leistung<br />

beschrieben wird (Inhalts- und Gestaltungsfreiheit).<br />

Die Beschreibung muss nur klar<br />

und widerspruchsfrei sein.<br />

Auswirkungen auf Gewährleistung. Die<br />

Gewährleistung stellt im Gegensatz zum<br />

Schadenersatz eine verschuldensunabhängige<br />

Erfolgshaftung dar. Die Leistung<br />

ist dann mangelhaft, wenn sie nicht dem<br />

Vertrag entspricht. Der Auftragnehmer hat<br />

gemäß § 922 ABGB für die zugesicherten<br />

oder die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften<br />

des Werkes einzustehen. Da er den<br />

Erfolg schuldet, kann er sich zur Abwehr<br />

von Gewährleistungsansprüchen nicht darauf<br />

berufen, dass er die Regeln der Technik<br />

eingehalten hat.<br />

Hat der Auftragnehmer bei der konstruktiven<br />

Leistungsbeschreibung für den „Weg<br />

zum Ziel“ und das „Ziel“ gewährleistungsrechtlich<br />

einzustehen, so schuldet er bei<br />

der funktionalen Leistungsbeschreibung<br />

lediglich das „Ziel“. Bei der konstruktiven<br />

Leistungsbeschreibung schuldet er die im<br />

Leistungsverzeichnis zugesicherten, bei der<br />

funktionalen Leistungsbeschreibung die gewöhnlich<br />

vorausgesetzten Eigenschaften.<br />

Prüf- und Warnpflicht. § 1168a ABGB, der<br />

regelt, wer beim Werkvertrag das Risiko<br />

trägt, sieht vor, dass der Auftragnehmer für<br />

den Schaden verantwortlich ist, wenn das<br />

Werk infolge<br />

offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller<br />

beigegebenen Stoffes oder<br />

offenbar unrichtiger Anweisungen des<br />

Auftraggebers misslingt und<br />

er den Auftraggeber nicht gewarnt hat<br />

oder<br />

dieser trotz Warnung auf die Ausführung<br />

besteht.<br />

Funktional –<br />

abnormal<br />

In der Terminologie des Werkvertragsrechtes<br />

heißt der Bauherr<br />

„Werkbesteller“. Zu Recht:<br />

Er ist es, der die Bauleistung beim<br />

Unternehmer bestellt. Welche<br />

Leistung er unter welchen Bedingungen<br />

und zu welcher Zeit vom<br />

Unternehmer haben will, muss<br />

er diesem in der Ausschreibung<br />

mitteilen – woher soll der Unternehmer<br />

ansonsten wissen, was<br />

sich der Bauherr wünscht. In der<br />

Regel geschieht das mittels eines<br />

Leistungsverzeichnisses. Nun<br />

kommt es vor, dass der Bauherr<br />

die Leistung nicht exakt nach<br />

Maß, Zahl und Gewicht – also konstruktiv<br />

– beschreibt. Stattdessen<br />

beschreibt er, welche Funktion die<br />

fertige Leistung erfüllen muss: Er<br />

bestellt zum Beispiel ein Bauwerk,<br />

das, gestützt durch zwei Pfeiler,<br />

Kraftfahrzeugen die Überquerung<br />

eines Gewässers ermöglichen soll<br />

– also eine Brücke. Es ist nicht<br />

beschrieben, welche Beschaffenheit<br />

der für die Brückenpfeiler<br />

vorgesehene Baugrund aufweist.<br />

Manche Bauherren glauben, dass<br />

sie allein durch die funktionale<br />

Beschreibung das Baugrundrisiko<br />

auf den Unternehmer überwälzt<br />

haben. Irrtum!<br />

Der SOLID-Experte<br />

für Baurecht<br />

Mag. Wolfgang Müller<br />

Kanzlei Karasek,<br />

Wietrzyk Rechtsanwälte<br />

(<strong>KWR</strong>),<br />

Wien<br />

<strong>BAURECHT</strong><br />

Den Auftragnehmer trifft zwar die<br />

Prüf- und Warnpflicht hinsichtlich der<br />

vom Auftraggeber rührenden Anweisungen.<br />

Eine Warnpflichtverletzung führt allerdings<br />

nur zu einem Mitverschulden des<br />

Auftragnehmers. Der Auftraggeber muss<br />

zumindest einen Teil des Schadens selbst<br />

tragen. Solche Fälle enden nicht selten mit<br />

einer Aufteilung des Schadens im Verhältnis<br />

von 50:50.<br />

Von einer Anweisung spricht man,<br />

wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer<br />

nicht nur das „Ziel“ vorgibt, sondern<br />

auch die Art der Durchführung konkret<br />

und verbindlich vorschreibt. Die Art der<br />

Durchführung muss zum Vertragsinhalt<br />

werden.<br />

Der Auftraggeber schuldet dem Auftragnehmer<br />

Anweisungen über die Herstellung<br />

des Werkes nur in dem Maß, das<br />

notwendig ist, um die geschuldete Leistung<br />

erbringen zu können. In welchem<br />

Ausmaß der Auftraggeber fachlich in die<br />

Leistungserbringung durch Anweisungen<br />

eingreift, bleibt ihm überlassen. Es<br />

steht ihm frei, die Leistung nur grob zu<br />

umschreiben und die Detailplanung und<br />

Materialauswahl weitgehend dem Auftragnehmer<br />

zu überlassen – oder jedes<br />

technische Detail vorzugeben.<br />

Bei der rein funktionalen Leistungsbeschreibung<br />

gibt es keine Anweisung. Bei<br />

der konstruktiven Leistungsbeschreibung<br />

gibt der Auftraggeber mehr oder weniger<br />

detailliert vor, wie der Auftragnehmer den<br />

Erfolg herbeizuführen hat: Die konstruktive<br />

Leistungsbeschreibung ist ein „Klassiker“<br />

unter den möglichen Anweisungsvarianten.<br />

Kein Raum. Wie bei der Gewährleistung<br />

nicht jede Leistungsbeschreibung eine<br />

zugesicherte Eigenschaft ist, muss nicht<br />

jede Beschreibung eine Anweisung sein.<br />

Allgemein gilt: Je mehr der Auftraggeber<br />

durch die Vorgabe der Art der Durchführung<br />

in die Freiheit des Auftragnehmers<br />

und dessen „Unternehmensspielraum“<br />

eingreift, desto mehr rechtliche Verantwortung<br />

trägt er. Jede fehlerhafte Anweisung<br />

kann zu einem Mitverschulden des<br />

Auftraggebers führen.<br />

Gegenstand der Prüf- und Warnpflicht<br />

sind die zur Verfügung gestellten Ausführungsunterlagen<br />

wie Pläne, Maßangaben,<br />

Berechnungen, Gutachten,<br />

Leistungsverzeichnis etc. sowie die konkreten<br />

Vorgaben über die Ausführung.<br />

Mangels dieser Vorgaben liegen bei der<br />

funktionalen Leistungsbeschreibung<br />

keine Anweisungen vor, auf die sich die<br />

Prüf- und Warnpflicht beziehen kann.<br />

Die funktionale Leistungsbeschreibung<br />

bietet damit keinen Raum für die Anwendung<br />

der Prüf- und Warnpflicht des<br />

Auftragnehmers.<br />

<br />

SOLID April 2007 39

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