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Der letzte Weg

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Euthanasie<br />

<strong>Der</strong><br />

<strong>letzte</strong><br />

<strong>Weg</strong><br />

Selten sind wir so gefordert wie dann, wenn die Entscheidung<br />

ansteht, das eigene Pferd für immer zu verabschieden.<br />

Gedanken über die <strong>letzte</strong>n Jahre und einen sanften Abschied<br />

24<br />

Nicht immer kommt der Tod<br />

so rasch und überraschend<br />

wie für Hickstead, der beim<br />

Weltcupspringen in Verona<br />

2011 vor laufenden Kameras zusammenbrach.<br />

Meist ist es an uns, den<br />

Pferdebesitzern und damit für das<br />

Wohl und Wehe unserer Pferde Verantwortlichen,<br />

zu entscheiden, wann<br />

das Leben für unser Pferd nicht mehr<br />

lebenswert ist. Für viele, die meisten,<br />

geht diese Entscheidung mit tausend<br />

Zweifeln und großer seelischer Pein<br />

einher.<br />

Wie kann man feststellen, dass der<br />

Zeitpunkt gekommen ist, den Vorhang<br />

gnädig fallen zu lassen Nutzbarkeit<br />

und Leistungsfähigkeit jedenfalls<br />

sind nicht die entscheidenden<br />

Kriterien, obwohl „Unbrauchbarkeit“<br />

für manche Pferdebesitzer Grund genug<br />

ist, eine Tötung in Erwägung zu<br />

ziehen, wie Dr. Constanze Zach, Österreichs<br />

ranghöchste FEI-Tierärztin,<br />

aus langjähriger Erfahrung weiß. „Dabei<br />

geht es meist darum, sich die Mühen<br />

des Alters zu ersparen. Ein Pferd<br />

nicht unnötig leiden lassen – dies wird<br />

nur allzu oft als Vorwand verwendet.“<br />

Klar ist: Weder darf ein Tier aufgrund<br />

seiner (Un-)Brauchbarkeit, seines<br />

Aussehens oder weil seine Haltung<br />

schlicht zu teuer ist getötet werden.<br />

<strong>Der</strong> Nutzwert eines Tieres entscheidet<br />

nicht über dessen Recht zu leben. Dies<br />

regelt das Tierschutzgesetz eindeutig,<br />

indem es besagt, dass ein Tier nur<br />

dann getötet werden darf, wenn ein<br />

„vernünftiger Grund“ vorliegt.<br />

pferderevue 12 | 2014<br />

Vom richtigen Zeitpunkt Was aber<br />

ist ein „vernünftiger Grund“, um ein<br />

Pferd zu töten Klinisch betrachtet ist<br />

es dann an der Zeit, sein Pferd zu erlösen,<br />

wenn „es keine Chance mehr<br />

darauf hat, ein pferdegerechtes Leben<br />

zu führen“, so Dr. Sonja Berger von<br />

der VetMed Uni Wien. Ähnlich sieht<br />

es die Pferde-Praktikerin Dr. Bernadette<br />

Linsbichler: „<strong>Der</strong> Zeitpunkt, zu<br />

euthanasieren, ist beim alten wie beim<br />

jungen Pferd dann erreicht, wenn der<br />

Gesundheitszustand nicht mehr mit<br />

einem Weiterleben vereinbar ist.“<br />

Was für das Pferd lebenswert und<br />

artgerecht ist, fasst Sonja Berger so zusammen:<br />

„Ein Pferd muss tief schlafen<br />

können. Das bedeutet, dass es sich hinlegen,<br />

sich in Seitenlage erholen und<br />

wieder aufstehen können muss. Pferde<br />

müssen im Liegen schlafen!“, betont<br />

die Tierärztin. „Wenn Pferde tagelang<br />

nicht abliegen, kann das Krankheitsbild<br />

Sleeping Disorder auftreten,<br />

eine Schlafstörung, die wirklich eine<br />

Gefahr für das Leben des Pferdes darstellt.<br />

Weiters soll sich das Tier wälzen<br />

können, es muss sich nicht mehr vollständig<br />

von einer Seite auf die andere<br />

rollen können, aber sich Wälzen ist<br />

wichtig. Ein Sozialleben muss möglich<br />

sein. Und eine annähernd normale<br />

Ernährung“, führt Berger aus. „Bei<br />

der Fütterung spielt die Raufaser die<br />

Hauptrolle. Sie ist wesentlich für einen<br />

gesunden Pferdedarm. Manchmal<br />

muss nur das Fütterungsmanagement<br />

angepasst werden, damit das Pferdeleben<br />

wieder Spaß macht.“


Euthanasie<br />

Euthanasie<br />

<strong>Der</strong> Nutzwert eines<br />

Tieres entscheidet nicht<br />

über dessen Recht zu leben.<br />

Die körperlichen Veränderungen, die alternde Pferde<br />

durchmachen, führen oft zu Verunsicherung und Missverständnissen<br />

– auch mit der Außenwelt. „Häufig sind<br />

sich Besitzer gerade bei sehr alten Pferden, die aufgrund<br />

ihres Altersgebisses häufig nur noch Weichfutter zu sich<br />

nehmen können und auch bei ausreichend Futteraufnahme<br />

körperlich abbauen, unsicher, wann der richtige Zeitpunkt<br />

gekommen ist“, erzählt Bernadette Linsbichler.<br />

„Diese Pferde sehen oft nicht mehr gesellschaftstauglich<br />

aus, und die Besitzer haben immer wieder mit Angriffen<br />

vermeintlicher Tierschützer zu kämpfen. Ich vergleiche<br />

diese Pferde mit sehr alten Menschen, die auch ab einem<br />

gewissen Alter ohne eine dramatische Erkrankung an<br />

Substanz verlieren, aber trotzdem noch gerne leben. <strong>Der</strong><br />

Zeitpunkt, diese Pferde zu euthanasieren, ist genauso wie<br />

beim jungen Pferd dann erreicht, wenn der Gesundheitszustand<br />

nicht mehr mit einem Weiterleben vereinbar ist.“<br />

Ein Tierarzt darf der Forderung nach Euthanasie nicht<br />

nachkommen, wenn ein Tier mit „zumutbarem Aufwand“<br />

therapiert werden kann. Bernadette Linsbichler<br />

erinnert sich: „Ich selbst habe auch schon einmal eine<br />

Euthanasie verweigert. Es handelte sich um ein etwa<br />

18-jähriges Pferd mit einem orthopädischen Problem.<br />

Das Pferd war im Schritt lahmheitsfrei, klinisch vollkommen<br />

in Ordnung und auch sonst bester Dinge. <strong>Der</strong><br />

Besitzer konnte das Pferd nicht mehr brauchen, weil<br />

er ausreiten gehen wollte. Ich hatte ihm angeboten, ihn<br />

bei der Suche nach einer geeigneten Pensionskoppel zu<br />

unterstützen. Das wollte er aus Kostengründen nicht. Ich<br />

habe später erfahren, dass sich ein anderer Tierarzt gefunden<br />

hat, der das Pferd euthanasiert hat.“<br />

„Ein Pferd zeigt, wann es gehen will.“ Davon sind<br />

Experten ebenso überzeugt wie Pferdebesitzer – ganz<br />

besonders jene, die ein inniges Verhältnis zu ihrem Tier<br />

haben. Diesen Zeitpunkt zu erwarten und zu erkennen,<br />

danach sollten wir trachten.<br />

Foto: Alessandra Sarti<br />

Umgang mit dem Altern Ganz wesentlich ist ein respektvoller<br />

Umgang in allen Lebensphasen des Pferdes.<br />

So das Pferdeleben einen natürlichen Verlauf nimmt, das<br />

Pferd 30 Jahre oder älter wird, muss im Alter individuell<br />

für sein Wohlbefinden gesorgt werden. „Wir wissen aus<br />

der Verhaltensforschung, dass Säugetiere ein ähnliches<br />

Gefühlsleben haben wie wir. Dass ihre Emotionen bis zu<br />

einem gewissen Grad ins Bewusstsein vordringen. Wir<br />

wissen nur nicht exakt, wie sie fühlen“, so Verhaltensforscher<br />

Kurt Kotrschal. Die Bindungstheorie, die auf<br />

der Annahme beruht, dass Menschen ein angeborenes<br />

Bedürfnis haben, enge und von intensiven Gefühlen geprägte<br />

Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen, kann<br />

auch auf sozial lebende Tiere angewandt werden. Das<br />

erklärt, warum wir mit Hunden, Katzen und Pferden in<br />

eine soziale Interaktion treten können – und es verpflichtet<br />

uns zu einem besonders sorgsamen Umgang mit dem<br />

Tier.<br />

pferderevue 12 | 2014 25


Euthanasie<br />

Ein Pferd zeigt,<br />

wann es gehen will.<br />

26<br />

pferderevue 12 | 2014<br />

Foto: Alessandra Sarti<br />

Tiere ticken gar nicht so viel anders als Menschen.<br />

Gemeinsame Erlebnisse machen Tiere<br />

ebenso glücklich wie uns, weiß die Verhaltensforschung.<br />

Stress hingegen mindert die geistige<br />

und soziale Leistungsfähigkeit. Das sollten wir<br />

unseren Alten nicht zumuten. Um seinem Oldie<br />

den Lebensabend so angenehm – und stressfrei<br />

– wie möglich zu gestalten, gibt es viele Möglichkeiten.<br />

Mit Willen und Wissen können wir<br />

die Lebensbedingungen unserer Pensionisten<br />

so gestalten, dass sie im Ruhestand gut versorgt<br />

und wertgeschätzt alt werden.<br />

Im Alter haben die sozialen Bedürfnisse des<br />

Pferdes mehr denn je oberste Priorität. Ob diese<br />

nun ein enger Pferdefreund erfüllt oder ob mehrere<br />

Artgenossen ins Sozialleben involviert sind,<br />

spielt keine wesentliche Rolle. Wir wissen von<br />

Pferden, die ihren Ruhestand wie ein altes Ehepaar<br />

verbracht haben. Wer erinnert sich nicht an<br />

Hugo Simons Springlegenden E.T. FRH (26)<br />

und seinen Kumpel Apricot D (29), die gemeinsam<br />

eingeschläfert wurden, nachdem sie ihren<br />

Lebensabend zusammen verbracht hatten<br />

Dass das Bewusstsein für die besonderen Bedürfnisse<br />

alter Pferde wächst, war an der überwältigenden<br />

Teilnahme am Herbstsymposium<br />

„Wenn Pferde älter werden“ an der VetMed Uni<br />

Wien zu erkennen. Zwei Hörsäle waren voll besetzt,<br />

und unzählige Fragen prasselten auf die<br />

ReferentInnen ein. Längst ist das Pferd vom<br />

Nutztier zum Kumpantier geworden. Wie beim<br />

Menschen so ist auch beim Pferd die Lebenserwartung<br />

gestiegen – und mit ihr das Bemühen<br />

um Lebensqualität in den <strong>letzte</strong>n Jahren.<br />

Das sieht auch Sabine Döring, Philosophieprofessorin<br />

an der Universität Tübingen und<br />

selbst begeisterte Reiterin, so. Wenngleich sie<br />

nicht glaubt, dass Pferde einen Begriff von der<br />

eigenen Zukunft haben, so ist sie davon überzeugt,<br />

dass ein Pferd in Würde unter Seinesgleichen<br />

altern möchte. „Beim Pferd können Artgenossen<br />

den Menschen eher ersetzen als beim<br />

Hund“. Sie passen sich an, finden neue Freunde,<br />

leben in Eintracht. Mehr Probleme mit dem langsamen<br />

Abschied habe meist die Menschen: Wir<br />

hängen an unseren Tieren, haben viel gemeinsam<br />

erlebt, wollen nicht loslassen. „Ein Pferd<br />

in Pension zu schicken und es dann regelmäßig<br />

zu besuchen, tut dem eigenen Seelenleben gut“,<br />

so Döring. „Ob das Pferd die menschliche Zuwendung<br />

tatsächlich braucht, sei dahingestellt.“<br />

Auch Pferde nehmen Abschied Sonja Berger<br />

kennt beide Seiten – die der professionellen<br />

Tierärztin und die der emotionalen Pferdebesitzerin.<br />

Sie hat sich intensiv mit dem Tod von<br />

Pferden (auch den eigenen) auseinandergesetzt<br />

und begleitet die Tiere wie deren Besitzer so<br />

behutsam wie möglich auf diesem <strong>letzte</strong>n gemeinsamen<br />

Lebensabschnitt. „Wir haben hier<br />

an der VetMed Uni schon viele Besitzergespräche<br />

geführt. Ich begrüße es, wenn die Besitzer


Euthanasie<br />

bei ihrem Pferd sind und sehen können,<br />

wie eine Euthanasie abläuft. Im Gespräch<br />

klären wir, was passieren wird und auch,<br />

ob der Pferdebesitzer eine Erinnerung wie<br />

etwa ein Zopferl von den Schweifhaaren<br />

oder ein Hufeisen mitnehmen will. Es gibt<br />

große Unterschiede bei der Trauerbewältigung.<br />

Manche Menschen sind psychisch<br />

sehr mitgenommen. Es gab auch schon<br />

Fälle, da mussten wir den Notarzt rufen.<br />

Ein Pferdebesitzerin war so verzweifelt,<br />

ihre <strong>letzte</strong>n Worte waren ,Bis bald‘. Da<br />

habe ich mir schon Sorgen gemacht. Zum<br />

Glück war ihr Partner mit. Alleine hätte ich<br />

sie nicht gehen lassen.“<br />

Es sind berührende Szenen, die Sonja<br />

Berger aus dem Klinikalltag beschreibt.<br />

Gar nicht so selten muss sie junge Pferde<br />

einschläfern, sogar Fohlen sind dabei.<br />

„Fohlen können schreckliche Koliken haben,<br />

etwa wenn sie stark verwurmt sind.<br />

Dann bilden sich richtige Wurmknäuel, die<br />

den Darm verstopfen. Oder eine Lungenentzündung,<br />

die kann für ein Fohlen ganz<br />

schnell ganz fatal ausgehen.“<br />

Wenn Fohlen sterben, ist das nicht nur<br />

für die Menschen belastend, auch die Mutterstuten<br />

leiden. „Hier an der Klinik lassen<br />

Richtlinien zur Euthanasie<br />

Zum korrekten Vorgehen bei einer Euthanasie gibt es klare Richtlinien<br />

(Fritz R. Ungemach, Leipzig, Tierärztekongress 2008).<br />

Laut Tierschutzgesetz darf ein Wirbeltier nur unter Betäubung oder unter Vermeidung von Schmerzen getötet<br />

werden und nur von Personen, die die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten dazu haben. Um einen „guten Tod“<br />

zu gewährleisten, müssen folgende Fakten immer in ihrer Gesamtheit erfüllt sein:<br />

➜➜Minimierung von Stress, Angst und Aufregung vor Eintritt der Bewusstlosigkeit<br />

➜➜rascher Bewusstseinsverlust<br />

➜➜Atem- und Herzstillstand nach Eintritt einer tiefen Narkose<br />

➜➜Verlust der Hirnfuntionen<br />

➜➜sichere Feststellung des Eintritts des Todes und der Irreversibilität<br />

➜➜keine Gefährdung von Beteiligten und anwesenden Personen durch das Tötungsverfahren<br />

wir die Mutterstute Abschied nehmen von<br />

ihrem Pferdekind, ansonsten sucht sie es<br />

verzweifelt“, so Berger. „Pferde sind hochsoziale<br />

Wesen und pflegen einen innigen<br />

Kontakt zueinander. Stuten spüren, wenn<br />

ihr Kind tot ist. Ich habe sogar schon erlebt,<br />

dass sie es mit Stroh bedecken. Wir<br />

geben ihnen etwa eine Stunde Zeit, sich zu<br />

verabschieden. Dass Pferde voneinander<br />

Abschied nehmen, das wissen wir. Wenn<br />

es möglich ist – etwa innerhalb einer gewachsenen<br />

Herde –, ist es sogar sinnvoll,<br />

altersschwache Pferde auf der Wiese zu<br />

euthanasieren. Das hat noch einen weiteren<br />

Vorteil: Fällt ein Pferd in die Wiese, ist der<br />

Aufprall des Körpers nicht so dramatisch<br />

laut. Psychologisch macht das einen großen<br />

Unterschied, auch wenn das Pferd im<br />

Moment des Fallens garantiert nichts mehr<br />

mitbekommt.“<br />

pferderevue 12 | 2014 27


Euthanasie<br />

Foto: Alessandra Sarti<br />

28<br />

„Ich persönlich<br />

finde, dass<br />

es ein Tier,<br />

genauso wie<br />

ein Mensch,<br />

verdient, bis<br />

zuletzt mit<br />

höchstem Respekt<br />

behandelt<br />

zu werden.“<br />

Pferdetierärztin<br />

Bernadette Linsbichler<br />

pferderevue 12 | 2014<br />

Ein sanfter Tod Wie sanft ein Pferd fällt, spielt im<br />

Bewusstsein der Besitzer eine große Rolle. Denn<br />

selbst wenn der Gehirntod im Moment des Aufschlagens<br />

schon eingetreten ist, erschüttern die<br />

Reflexe und das Zucken der Gliedmaßen den Menschen<br />

zutiefst. Berger ist überzeugt davon, dass ein<br />

professionell betreutes Pferd keinerlei Todeskampf<br />

führt.<br />

Um ein Pferd schonend einzuschläfern, wird es<br />

vor der endgültigen Injektion wie vor einer Operation<br />

in eine tiefe Narkose gelegt. Das bekannte (und<br />

relativ preiswerte) T61 allein ist als Tötungsmittel<br />

nicht erlaubt. <strong>Weg</strong>en seiner Nachteile (lokal reizend,<br />

stark schmerzhaft bei Fehlinjektionen) ist es<br />

tierschutzgerecht nur bei narkotisierten Tieren zu<br />

verabreichen. Zudem ist es ein Auslaufpräparat, da<br />

es nicht mehr produziert wird. <strong>Der</strong> Hersteller distanziert<br />

sich damit von der Verwendung des Mittels<br />

beim Menschen (Todesstrafe). „An der VetMed Uni<br />

werden die Letztbestände aufgebraucht. Die Kolleginnen<br />

und Kollegen in der freien Praxis verabreichen<br />

bereits überdosierte Barbiturate, was etwas<br />

mehr kostet“, so Berger.<br />

Pferdetierärztin Bernadette Linsbichler übt ihren<br />

Beruf als selbstständige Praktikerin in den Pferdeställen<br />

aus: „Ich persönlich finde, dass es ein Tier,<br />

genauso wie ein Mensch, verdient, bis zuletzt mit<br />

höchstem Respekt behandelt zu werden. Das gilt<br />

auch im Rahmen einer Euthanasie. Unter respektvoll<br />

verstehe ich, Leiden durch den unsachgemäßen<br />

Einsatz von Medikamenten oder von Schusswaffen<br />

zu verhindern und bei allen Arbeitsschritten nach<br />

den Regeln der Kunst vorzugehen. Um das zu gewährleisten,<br />

setze ich dem betroffenen Pferd immer<br />

einen Venenzugang, sediere mit einer Kombination<br />

aus einem stark sedierenden Mittel und einem starken<br />

Schmerzmittel, lege es anschließend in Vollnarkose<br />

und euthanasiere erst, wenn das Pferd tief<br />

und fest schläft.“<br />

Linsbichler achtet auch auf das Umfeld: „Wichtig<br />

ist für mich, dass absolute Ruhe herrscht – sowohl<br />

für das Pferd als auch für den Besitzer. Unbeteiligte<br />

Zuschauer sind ebenso unerwünscht wie eine laute<br />

Umgebung. Wenn das Pferd in Narkose liegt, gebe<br />

ich den Besitzern immer die Möglichkeit sich ein<br />

<strong>letzte</strong>s Mal zu verabschieden. War das Pferd vorher<br />

in einem festen Herdenverband oder im Offenstall,<br />

euthanasiere ich das betroffene Tier gerne in<br />

der Nähe seiner Herde, um den anderen Pferden die<br />

Möglichkeit zu geben, sich zu verabschieden oder<br />

den Tod ihres Artgenossen zur Kenntnis zu nehmen.<br />

Ich habe dabei schon viele wirklich berührende Situationen<br />

erlebt.“<br />

Kollegin Berger sediert vor der Narkose nur dann,<br />

wenn das Pferd extrem aufgeregt ist und sich beispielsweise<br />

den Venenkatheder nicht legen lässt.<br />

Bei an sich ruhigen Pferden verzichtet sie auf die<br />

Sedierung, da diese das Sterben auch verlängern


Euthanasie<br />

Euthanasie<br />

kann. Wenn der Kreislauf langsamer arbeitet, transportiert<br />

er das Barbiturat entsprechend langsamer ins Gehirn. „Eine<br />

tiefe Betäubung lässt das Pferd tiefe Atemzüge machen und<br />

die Muskulatur zittern“, erklärt die Tierärztin. <strong>Der</strong> Gerhirntod<br />

ist dann eingetreten, wenn das Pferd keinen Kornealreflex<br />

(Lidschutzreflex) mehr zeigt. Meist ist er bereits im Moment<br />

des Aufschlagens eingetreten, wird Berger nicht müde zu<br />

betonen. Das Herz kann dann noch rund zehn Minuten weiterschlagen<br />

und gelegentlich Reflexe verursachen. Für den<br />

Besitzer kein Grund sich zu sorgen, sein Pferd könnte unter<br />

Todeskrämpfen leiden.<br />

Eine Alternative zur medikamentösen Euthanasie ist die<br />

Tötung mittels eines Bolzenschussapparats. Mit einem korrekt<br />

ausgeführten Bolzenschuss ist das Pferd im Moment des<br />

Aufpralls zwar nicht tot, aber betäubt – es hat keine Sinnesempfindungen<br />

mehr. „<strong>Der</strong> Tod tritt erst mit dem Ausbluten<br />

des Tieres ein“, erklärt Tierärztin Berger den Unterschied.<br />

„Das ist aber erstaunlich sauber und geht ebenfalls sehr ruhig<br />

über die Bühne.“ Eine Schlachtung sei aber in der Tat nicht jedermanns<br />

Sache und darum in unseren Breiten eher unüblich.<br />

Euthanasierte bzw. tote Tiere dürfen in Österreich ausschließlich<br />

von der Tierkörperverwertung transportiert werden.<br />

<strong>Der</strong> Zeitpunkt des Einschläferns soll daher – soweit<br />

möglich – sorgsam gewählt werden. Denn ein Kadaver, der<br />

tagelang auf dem Gelände oder auf dem Hof liegt, ist untragbar<br />

für Mensch und Tier.<br />

Loslassen, endgültig Abschied nehmen von einem geliebten<br />

Wesen, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die uns in unserem<br />

Leben zuwächst. Wir können uns den Abschied etwas<br />

erträglicher machen und ihm Sinn verleihen, wenn wir ihn<br />

bewusst gestalten und den <strong>Weg</strong> dorthin mit Liebe und Respekt<br />

vor dem Leben gehen. <br />

Andrea Kerssenbrock<br />

Foto: Alessandra Sarti<br />

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