Bbl 2005 3773 - admin.ch
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05.040<br />
Bots<strong>ch</strong>aft<br />
über die Genehmigung von zwei Abkommen<br />
betreffend das europäis<strong>ch</strong>e Patentsystem und<br />
über die Änderung des Patentgesetzes<br />
vom 18. Mai <strong>2005</strong><br />
Sehr geehrte Frau Präsidentin,<br />
sehr geehrter Herr Präsident,<br />
sehr geehrte Damen und Herren,<br />
mit dieser Bots<strong>ch</strong>aft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die<br />
Entwürfe zu zwei Bundesbes<strong>ch</strong>lüssen betreffend die Akte vom 29. November 2000<br />
zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er<br />
Patente (Europäis<strong>ch</strong>es Patentübereinkommen) sowie das Übereinkommen vom<br />
17. Oktober 2000 über die Anwendung des Artikels 65 des Übereinkommens über<br />
die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente und zu einer Revision des Patentgesetzes.<br />
Wir versi<strong>ch</strong>ern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr<br />
geehrte Damen und Herren, unserer vorzügli<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>tung.<br />
18. Mai <strong>2005</strong> Im Namen des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Bundesrates<br />
Der Bundespräsident: Samuel S<strong>ch</strong>mid<br />
Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz<br />
<strong>2005</strong>-0511 <strong>3773</strong>
Übersi<strong>ch</strong>t<br />
Mit dieser Vorlage unterbreitet der Bundesrat dem Parlament zwei Abkommen<br />
betreffend das europäis<strong>ch</strong>e Patentsystem zur Genehmigung und s<strong>ch</strong>lägt ihm die<br />
erforderli<strong>ch</strong>en Gesetzesanpassungen vor.<br />
Ausgangslage<br />
Die Rahmenbedingungen für das europäis<strong>ch</strong>e Patentsystem haben si<strong>ch</strong> seit dessen<br />
S<strong>ch</strong>affung mit dem Aufkommen neuer Te<strong>ch</strong>nologien und der Einbindung des europäis<strong>ch</strong>en<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssystems in den Welthandel beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> geändert. Diese Entwicklung<br />
sowie der Beitritt einer Reihe von weiteren Staaten ma<strong>ch</strong>ten eine Reform<br />
unumgängli<strong>ch</strong>. Die Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens<br />
vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente (EPÜ-Revisionsakte)<br />
und das Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die Anwendung des Artikels 65<br />
des Übereinkommens über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente (EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen)<br />
modernisieren das europäis<strong>ch</strong>e Patentsystem unter Wahrung der<br />
bewährten Grundlagen. Sie s<strong>ch</strong>affen die Voraussetzungen, damit das europäis<strong>ch</strong>e<br />
Patentsystem den hohen Ansprü<strong>ch</strong>en von Gegenwart und Zukunft entspre<strong>ch</strong>en kann.<br />
Die Übereinkommen wurden im Jahre 2000 ausgehandelt und von der S<strong>ch</strong>weiz<br />
unterzei<strong>ch</strong>net.<br />
Inhalt der Vorlage<br />
Mit der EPÜ-Revisionsakte wurde das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen annähernd<br />
30 Jahre na<strong>ch</strong> seiner Unterzei<strong>ch</strong>nung erstmals umfassend revidiert und<br />
modernisiert. Eine grosse Zahl der einstimmig angenommenen Änderungen betreffen<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Gesi<strong>ch</strong>tspunkte und Aspekte des Verfahrens. In Bezug auf das materielle<br />
Patentre<strong>ch</strong>t ist hervorzuheben, dass der S<strong>ch</strong>utz der weiteren medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Indikationen im Übereinkommen verankert wurde. Dabei wurde die Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung<br />
der Bes<strong>ch</strong>werdekammern des Europäis<strong>ch</strong>en Patentamts (EPA) und der grossen<br />
Mehrheit der nationalen Geri<strong>ch</strong>te kodifiziert. Um die Europäis<strong>ch</strong>e Patentorganisation<br />
politis<strong>ch</strong> besser zu verankern, sieht das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen neu<br />
die regelmässige Einberufung von Ministerkonferenzen vor.<br />
Mit dem fakultativen EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen sollen die dur<strong>ch</strong> Übersetzungen<br />
der Patents<strong>ch</strong>riften bedingten Kosten für europäis<strong>ch</strong>e Patente, die den Patents<strong>ch</strong>utz<br />
in Europa im Verglei<strong>ch</strong> zu den Vereinigten Staaten und Japan massiv verteuern, um<br />
ungefähr 50 % sinken. Die Unterzei<strong>ch</strong>nerstaaten verzi<strong>ch</strong>ten hierzu auf sämtli<strong>ch</strong>e<br />
Übersetzungserfordernisse eines in einer Amtsspra<strong>ch</strong>e des EPA (Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong>,<br />
Englis<strong>ch</strong>) erteilten Patents, wenn eine der Amtsspra<strong>ch</strong>en des EPA zuglei<strong>ch</strong><br />
eine nationale Amtsspra<strong>ch</strong>e ist. Tritt das Übereinkommen für die S<strong>ch</strong>weiz in Kraft,<br />
so werden europäis<strong>ch</strong>e Patente in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> ohne Übersetzung in<br />
eine Landesspra<strong>ch</strong>e in der S<strong>ch</strong>weiz Wirkung entfalten. In Geri<strong>ch</strong>tsverfahren soll der<br />
Patentinhaber indessen weiterhin verpfli<strong>ch</strong>tet werden können, auf eigene Kosten<br />
Übersetzungen des umstrittenen Patents in einer anerkannten Amtsspra<strong>ch</strong>e einzurei<strong>ch</strong>en.<br />
3774
Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis<br />
Übersi<strong>ch</strong>t 3774<br />
Abkürzungsverzei<strong>ch</strong>nis 3777<br />
1 Grundzüge der Verträge 3779<br />
1.1 EPÜ-Revisionsakte 3779<br />
1.1.1 Ausgangslage 3779<br />
1.1.2 Verlauf der Verhandlungen 3779<br />
1.1.3 Verhandlungsergebnis 3780<br />
1.1.4 Überblick über den Inhalt des Vertrags 3780<br />
1.1.5 Würdigung 3781<br />
1.1.6 Ergebnisse der Vernehmlassungen 3781<br />
1.1.7 Dringli<strong>ch</strong>keit 3782<br />
1.2 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen 3782<br />
1.2.1 Ausgangslage 3782<br />
1.2.2 Verlauf der Verhandlungen 3783<br />
1.2.3 Verhandlungsergebnis 3783<br />
1.2.4 Überblick über den Inhalt des Vertrags 3783<br />
1.2.5 Würdigung 3783<br />
1.2.6 Ergebnisse der Vernehmlassungen 3784<br />
2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verträge 3785<br />
2.1 EPÜ-Revisionsakte<br />
2.1.1 Institutionelle und politis<strong>ch</strong>e Reformen<br />
2.1.2 Materielles Re<strong>ch</strong>t<br />
2.1.3 Änderungen betreffend das Verfahren vor dem Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentamt<br />
2.1.4 Änderungen in der internen Organisation des Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentamtes<br />
2.1.5 Formelle Änderungen<br />
2.1.6 Vorbehalte<br />
3785<br />
3785<br />
3786<br />
3788<br />
3791<br />
3791<br />
3792<br />
2.2 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen 3792<br />
3 Auswirkungen 3793<br />
3.1 Auswirkungen auf den Bund 3793<br />
3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3793<br />
3.3 Auswirkungen auf die Volkswirts<strong>ch</strong>aft 3794<br />
3.4 Andere Auswirkungen 3796<br />
4 Verhältnis zur Legislaturplanung 3796<br />
5 Änderung des Patentgesetzes 3797<br />
5.1 Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte<br />
5.1.1 Die beantragte Neuregelung<br />
5.1.2 Begründung und Bewertung der vorges<strong>ch</strong>lagenen Lösung<br />
5.1.3 Umsetzung<br />
3797<br />
3797<br />
3797<br />
3798<br />
5.2 Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung des<br />
EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens 3798<br />
3775
5.2.1 Die beantragte Neuregelung 3798<br />
5.2.2 Begründung und Bewertung der vorges<strong>ch</strong>lagenen Lösung 3798<br />
5.2.3 Umsetzung 3799<br />
5.3 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 3799<br />
5.3.1 Änderungen zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte 3799<br />
5.3.2 Änderungen zur Ratifizierung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens 3804<br />
6 Re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Aspekte 3806<br />
6.1 Verfassungsmässigkeit 3806<br />
6.2 Erlassform 3806<br />
Bundesbes<strong>ch</strong>luss über die Genehmigung der Akte zur Revision<br />
des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens und<br />
über die Änderung des Patentgesetzes (Entwurf) 3809<br />
Akte zur Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1973<br />
über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente 3813<br />
Bundesbes<strong>ch</strong>luss über die Genehmigung des Übereinkommens über<br />
die Anwendung des Artikels 65 des Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommens und über die Änderung des Patentgesetzes<br />
(Entwurf) 3851<br />
Übereinkommen über die Anwendung des Artikels 65<br />
des Übereinkommens über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente 3853<br />
3776
Abkürzungsverzei<strong>ch</strong>nis<br />
Auslegungsprotokoll<br />
zu Artikel 69 EPÜ<br />
Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 des Übereinkommens<br />
über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente;<br />
SR 0.232.142.25<br />
Bots<strong>ch</strong>aft 1976 Bots<strong>ch</strong>aft des Bundesrates vom 24. März 1976 an die<br />
Bundesversammlung über drei Patentübereinkommen und<br />
die Änderung des Patentgesetzes; BBl 1976 II 1<br />
Bots<strong>ch</strong>aft 1993 Bots<strong>ch</strong>aft vom 18. August 1993 zu einer Änderung des<br />
Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente sowie<br />
zu einem Bundesbes<strong>ch</strong>luss über eine Änderung des Übereinkommens<br />
über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente;<br />
BBl 1993 III 706<br />
BV Bundesverfassung der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Eidgenossens<strong>ch</strong>aft<br />
vom 18. April 1999 (BV); SR 101<br />
EPA Europäis<strong>ch</strong>es Patentamt<br />
E-PatG Vorges<strong>ch</strong>lagene Änderung des Patentgesetzes<br />
EPO Europäis<strong>ch</strong>e Patentorganisation<br />
EPÜ-Revisionsakte Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens<br />
vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäis<strong>ch</strong>er<br />
Patente (Europäis<strong>ch</strong>es Patentübereinkommen)<br />
EPÜ-Spra<strong>ch</strong>en-<br />
übereinkommen<br />
Europäis<strong>ch</strong>es Patent-<br />
übereinkommen/EPÜ<br />
Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die Anwendung<br />
des Artikels 65 des Übereinkommens über die<br />
Erteilung europäis<strong>ch</strong>er Patente<br />
Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung<br />
europäis<strong>ch</strong>er Patente (Europäis<strong>ch</strong>es Patentübereinkommen);<br />
SR 0.232.142.2<br />
IGE Eidgenössis<strong>ch</strong>es Institut für Geistiges Eigentum<br />
OR Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung<br />
des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Zivilgesetzbu<strong>ch</strong>es (Fünfter<br />
Teil, Obligationenre<strong>ch</strong>t, OR); SR 220<br />
Parlamentsgesetz/ParlG Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung<br />
(Parlamentsgesetz, ParlG); SR 171.10<br />
Patentgesetz/PatG Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente<br />
(Patentgesetz, PatG); SR 232.14<br />
Patentverordnung/PatV Verordnung vom 19. Oktober 1977 über die Erfindungspatente<br />
(Patentverordnung, PatV); SR 232.141<br />
revEPÜ Siehe EPÜ-Revisionsakte<br />
TRIPS-Abkommen Abkommen vom 15. April 1994 über handelsbezogene<br />
Aspekte der Re<strong>ch</strong>te an geistigem Eigentum (Anhang 1C<br />
zum Abkommen zur Erri<strong>ch</strong>tung der Welthandelsorganisation);<br />
SR 0.632.20<br />
3777
Zentralisierungs-<br />
protokoll<br />
3778<br />
Protokoll vom 5. Oktober 1973 über die Zentralisierung<br />
des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems und seine Einführung<br />
(Zentralisierungsprotokoll); SR 0.232.142.24
Bots<strong>ch</strong>aft<br />
1 Grundzüge der Verträge<br />
1.1 EPÜ-Revisionsakte<br />
1.1.1 Ausgangslage<br />
Das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen sieht ein zentrales europäis<strong>ch</strong>es Patenterteilungsverfahren<br />
vor, das an die Stelle der nationalen Verfahren tritt. Den Anmeldern<br />
wird damit ermögli<strong>ch</strong>t, mittels einer einzigen Patentanmeldung in einer Vielzahl von<br />
Staaten glei<strong>ch</strong>zeitig S<strong>ch</strong>utz für ihre Erfindung zu erhalten. In den Vertragsstaaten,<br />
die der Anmelder na<strong>ch</strong> seiner Wahl bezei<strong>ch</strong>net, haben die europäis<strong>ch</strong>en Patente die<br />
glei<strong>ch</strong>e Wirkung wie nationale Patente und unterstehen vom Zeitpunkt der Erteilung<br />
dur<strong>ch</strong> das EPA an grundsätzli<strong>ch</strong> dem nationalen Re<strong>ch</strong>t.<br />
Dem Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommen gehören heute (Stand: 31.12.2004)<br />
30 Länder als Vertragsstaaten an, nämli<strong>ch</strong> die Mitgliedstaaten der Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Union (mit Ausnahme von Lettland und Malta) sowie die S<strong>ch</strong>weiz, das Fürstentum<br />
Lie<strong>ch</strong>tenstein, Bulgarien, Island, Monaco, Rumänien und die Türkei. Für die<br />
S<strong>ch</strong>weiz, die zu den Mitgliedern der ersten Stunde zählt, trat das Europäis<strong>ch</strong>e<br />
Patentübereinkommen am 7. Oktober 1977 in Kraft1. Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens sind in der Europäis<strong>ch</strong>en Patentorganisation<br />
(EPO) zusammenges<strong>ch</strong>lossen, wel<strong>ch</strong>e für die Administration und Fortentwicklung<br />
des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens zuständig ist.<br />
In den annähernd 30 Jahren seit der Unterzei<strong>ch</strong>nung des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens<br />
wandelten si<strong>ch</strong> die Rahmenbedingungen für das europäis<strong>ch</strong>e Patentsystem<br />
mit dem Aufkommen neuer Te<strong>ch</strong>nologien und der Einbindung des europäis<strong>ch</strong>en<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssystems in den Welthandel erhebli<strong>ch</strong>. In diesem dur<strong>ch</strong> den te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Forts<strong>ch</strong>ritt und zunehmenden internationalen wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wettbewerb geprägten<br />
Umfeld wurde ein wirksamer Patents<strong>ch</strong>utz zum S<strong>ch</strong>lüsselfaktor der Innovation. Dies<br />
führte in den vergangenen Jahren dazu, dass höhere Anforderungen und weitere<br />
Bedürfnisse an das europäis<strong>ch</strong>e Patentsystem gestellt wurden und die Zahl europäis<strong>ch</strong>er<br />
Patentanmeldungen rasant anstieg. Diese Entwicklung sowie der Beitritt einer<br />
Reihe von weiteren Staaten ma<strong>ch</strong>ten eine Reform unumgängli<strong>ch</strong>.<br />
1.1.2 Verlauf der Verhandlungen<br />
Den Grundstein für eine umfassende Modernisierung des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems<br />
legte eine Regierungskonferenz der Vertragsstaaten des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens<br />
in Paris im Juni 1999. Das Mandat dieser Konferenz, das die<br />
Leitlinien der Reform definierte, und ein in Expertenauss<strong>ch</strong>üssen ausgearbeiteter<br />
Basisvors<strong>ch</strong>lag bildeten die Grundlagen einer diplomatis<strong>ch</strong>en Konferenz der damals<br />
20 Vertragsstaaten des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens, die unter s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>em<br />
Vorsitz vom 20. bis 29. November 2000 in Mün<strong>ch</strong>en stattfand.<br />
1 AS 1977 1711<br />
3779
Die Delegierten hatten über einen Katalog von nahezu 100 Änderungsvors<strong>ch</strong>lägen<br />
zu Vors<strong>ch</strong>riften des Übereinkommens zu befinden. Die Verhandlungen verliefen<br />
angesi<strong>ch</strong>ts des überwiegend te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Charakters der Mehrzahl der Vors<strong>ch</strong>läge<br />
ohne grundlegende Kontroverse. Einzig zum Vors<strong>ch</strong>lag, die Nennung von Programmen<br />
zur Datenverarbeitung aus der Liste der Gegenstände und Tätigkeiten zu<br />
strei<strong>ch</strong>en, die ni<strong>ch</strong>t dem Erfindungsbegriff entspre<strong>ch</strong>en, kam keine Einigung zustande.<br />
Um einer vertieften Diskussion des Themas Raum zu lassen, spra<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> die<br />
Delegationen für den Beibehalt der bestehenden Re<strong>ch</strong>tslage aus, wel<strong>ch</strong>e die Patentierung<br />
von programmbezogenen Erfindungen in Anwendung der allgemeinen<br />
Voraussetzungen unter Vorbehalt eines te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Charakters zulässt. Ni<strong>ch</strong>t<br />
Gegenstand der Tagesordnung war die Patentierung biote<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>er Erfindungen.<br />
Au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>affung eines Gemeins<strong>ch</strong>aftspatents (eines für den Raum der Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft einheitli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utztitels) wurde an der Konferenz ni<strong>ch</strong>t<br />
behandelt.<br />
1.1.3 Verhandlungsergebnis<br />
Die Diplomatis<strong>ch</strong>e Konferenz zur Revision des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens<br />
fand mit der einstimmigen Annahme der EPÜ-Revisionsakte einen erfolgrei<strong>ch</strong>en<br />
Abs<strong>ch</strong>luss.<br />
1.1.4 Überblick über den Inhalt des Vertrags<br />
Die Reform des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens verfolgt vers<strong>ch</strong>iedene inhaltli<strong>ch</strong>e<br />
Stossri<strong>ch</strong>tungen: Sie umfassen politis<strong>ch</strong>e und institutionelle Reformen, materielle<br />
Änderungen, Änderungen im Verfahren vor dem EPA, Änderungen in der<br />
Organisation des EPA sowie re<strong>ch</strong>tste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Anpassungen im Übereinkommen.<br />
Von den politis<strong>ch</strong>en und institutionellen Reformen ist die Institutionalisierung von<br />
Ministerkonferenzen hervorzuheben. Sie sollen die Organisation politis<strong>ch</strong> besser<br />
verankern und ihr Impulse für ihre Fortentwicklung geben. Zu den institutionellen<br />
Reformen ist au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>affung eines vereinfa<strong>ch</strong>ten Me<strong>ch</strong>anismus zur Anpassung<br />
des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens zu re<strong>ch</strong>nen. Dieser will die s<strong>ch</strong>werfälligen<br />
Diplomatis<strong>ch</strong>en Konferenzen zur Revision des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens<br />
überwinden und künftig eine flexiblere Anpassung des Übereinkommens an die si<strong>ch</strong><br />
wandelnden internationalen Rahmenbedingungen unter Wahrung der Mitwirkungsre<strong>ch</strong>te<br />
der nationalen gesetzgebenden Organe gewährleisten. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> die Verankerung von fakultativen Zusatzübereinkommen zum Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommen zu erwähnen, die eine vertiefte Harmonisierung zwis<strong>ch</strong>en<br />
Teilen der Vertragsstaaten entspre<strong>ch</strong>end der innenpolitis<strong>ch</strong>en Willensbildung erlauben.<br />
Siehe Ziffer 2.1.1.<br />
Die materiellre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Reformen bes<strong>ch</strong>ränken si<strong>ch</strong> auf die ausdrückli<strong>ch</strong>e Regelung<br />
des S<strong>ch</strong>utzes von so genannten weiteren medizinis<strong>ch</strong>en Indikationen eines Stoffes<br />
(einer besonderen Anspru<strong>ch</strong>sform für <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Stoffe mit einges<strong>ch</strong>ränktem<br />
S<strong>ch</strong>utzumfang; Art. 54 Abs. 5 revEPÜ) sowie einer vertieften Harmonisierung des<br />
S<strong>ch</strong>utzumfangs europäis<strong>ch</strong>er Patente im Auslegungsprotokoll zu Artikel 69 EPÜ.<br />
Siehe Ziffer 2.1.2.<br />
3780
Eine wi<strong>ch</strong>tige Neuerung im Verfahren vor dem EPA ist das Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und<br />
Widerrufsverfahren (Art. 105a–105c revEPÜ). Dieses ermögli<strong>ch</strong>t dem Patentinhaber,<br />
sein Patent in einem <strong>admin</strong>istrativen Verfahren mit Wirkung für sämtli<strong>ch</strong>e<br />
benannten Staaten zu bes<strong>ch</strong>ränken oder zu widerrufen. Dies kann etwa bei einem<br />
na<strong>ch</strong> der Erteilung bekannt gewordenen Element des Stands der Te<strong>ch</strong>nik erforderli<strong>ch</strong><br />
sein, um einer Ni<strong>ch</strong>tigkeitsklage zu begegnen. Artikel 138 revEPÜ wurde<br />
sodann dahingehend abgeändert, dass der Inhaber eines europäis<strong>ch</strong>en Patents au<strong>ch</strong> in<br />
einem Ni<strong>ch</strong>tigkeitsverfahren vor nationalen Geri<strong>ch</strong>ten die Mögli<strong>ch</strong>keit erhält, sein<br />
Patent auf eigenen Antrag hin einzus<strong>ch</strong>ränken. Eine weitere Neuerung im Verfahren<br />
ist der Antrag auf Überprüfung, der ein Revisionsverfahren ins Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen<br />
einführt (Art. 112a revEPÜ). Siehe Ziffer 2.1.3.<br />
Die organisatoris<strong>ch</strong>e Reform zielt darauf ab, die historis<strong>ch</strong> gewa<strong>ch</strong>sene Arbeitsteilung<br />
zwis<strong>ch</strong>en der Zweigstelle des EPA in Den Haag und dem Sitz in Mün<strong>ch</strong>en<br />
effizient zu restrukturieren. Dadur<strong>ch</strong> werden Kapazitäten freigesetzt, die der Bewältigung<br />
des gesteigerten Arbeitsaufkommens dienen. Siehe Ziffer 2.1.4.<br />
Die re<strong>ch</strong>tste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Änderungen beinhalten eine redaktionelle und systematis<strong>ch</strong>e<br />
Bereinigung des Übereinkommenstextes. Siehe Ziffer 2.1.5.<br />
1.1.5 Würdigung<br />
Die EPÜ-Revisionsakte bringt eine Modernisierung des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems<br />
unter Wahrung der bewährten Grundlagen des materiellen Patentre<strong>ch</strong>ts und des<br />
Verfahrensre<strong>ch</strong>ts. Die vorgenommenen Anpassungen stellen institutionelle Rahmenbedingungen<br />
für den Patents<strong>ch</strong>utz in Europa si<strong>ch</strong>er, die au<strong>ch</strong> unter den Bedingungen<br />
eines zunehmend integrierten, in den Welthandel eingebetteten europäis<strong>ch</strong>en<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssystems leistungsfähig sind, und gewährleisten die Reformfähigkeit des<br />
europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems au<strong>ch</strong> in Zukunft. Die EPÜ-Revisionsakte leistet auf<br />
diese Weise einen wi<strong>ch</strong>tigen Beitrag für den Wirts<strong>ch</strong>aftsstandort Europa, der angesi<strong>ch</strong>ts<br />
der Integration der S<strong>ch</strong>weiz einen für sie sehr hohen Stellenwert hat.<br />
1.1.6 Ergebnisse der Vernehmlassungen<br />
Die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte war Gegenstand zweier Vernehmlassungsverfahren,<br />
die vom 11. Dezember 2001 bis zum 30. April 2002 und vom 1. Juli<br />
bis zum 31. Oktober 2004 dur<strong>ch</strong>geführt wurden. Dieses Anliegen war jeweils weitgehend<br />
unbestritten und wurde von einer deutli<strong>ch</strong>en Mehrheit der dazu eingegangenen<br />
Stellungnahmen begrüsst.<br />
Die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte wurde in der jüngsten Vernehmlassung<br />
von zwei Kantonen, zwei Parteien (FDP, GPS), vom S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Städteverband,<br />
von vier Spitzenverbänden (economiesuisse, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er Gewerbeverband,<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er Gewerks<strong>ch</strong>aftsbund und S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er Bauernverband),<br />
von Teilen der Wirts<strong>ch</strong>aftskreise, von der pharmazeutis<strong>ch</strong>en Industrie, von weiten<br />
Teilen der Fa<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tskreise sowie von einzelnen Vertretern der Fors<strong>ch</strong>ung befürwortet.<br />
Die GPS, santésuisse sowie zwei Konsumentens<strong>ch</strong>utzorganisationen spra<strong>ch</strong>en<br />
si<strong>ch</strong> allerdings gegen die Verankerung des S<strong>ch</strong>utzes medizinis<strong>ch</strong>er Indikationen<br />
(Art. 54 Abs. 5 revEPÜ) aus. Der Erhalt der Mitglieds<strong>ch</strong>aft der S<strong>ch</strong>weiz bei der<br />
3781
Europäis<strong>ch</strong>en Patentorganisation und die Re<strong>ch</strong>tspraxis in der S<strong>ch</strong>weiz lassen es aber<br />
ni<strong>ch</strong>t zu, von einem S<strong>ch</strong>utz medizinis<strong>ch</strong>er Indikationen abzusehen. Siehe Ziff. 2.1.2<br />
und 5.1.2.<br />
1.1.7 Dringli<strong>ch</strong>keit<br />
Artikel 172 Absatz 4 revEPÜ sieht vor, dass diejenigen Staaten, wel<strong>ch</strong>e die revidierte<br />
Fassung des Europäis<strong>ch</strong>en Übereinkommens im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ratifiziert haben, aus der Europäis<strong>ch</strong>en Patentorganisation auss<strong>ch</strong>eiden.<br />
Ziel dieser Vors<strong>ch</strong>rift ist es, die Einheitli<strong>ch</strong>keit des europäis<strong>ch</strong>en Patenterteilungsverfahrens<br />
und der Patentierungsvoraussetzungen si<strong>ch</strong>erzustellen.<br />
Die revidierte Fassung des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens tritt spätestens<br />
zwei Jahre na<strong>ch</strong> Hinterlegung der letzten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde von<br />
fünfzehn Vertragsstaaten in Kraft. Bislang haben 12 Staaten die EPÜ-Revisionsakte<br />
ratifiziert oder sind ihr beigetreten (Stand 31.12.2004). Es ist mit einem Inkrafttreten<br />
der EPÜ-Revisionsakte im Jahre 2007 zu re<strong>ch</strong>nen. Sollte die S<strong>ch</strong>weiz bis dahin die<br />
Akte ni<strong>ch</strong>t ebenfalls ratifiziert haben, wird das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen<br />
für sie ausser Kraft treten.<br />
Die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte bis 2007 kann indessen ni<strong>ch</strong>t gewährleistet<br />
werden, wenn sie zusammen mit den weiteren Teilaspekten der im Vernehmlassungsverfahren<br />
unterbreiteten Materie weiterverfolgt würde. Der Bundesrat unterbreitet<br />
deshalb mit der vorliegenden separaten Bots<strong>ch</strong>aft die Ratifizierung der EPÜ-<br />
Revisionsakte vorab zur Genehmigung. Wegen des inhaltli<strong>ch</strong>en Zusammenhangs<br />
era<strong>ch</strong>tet er es als sinnvoll, mit dieser Vorlage zuglei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die völlig unbestrittene<br />
Ratifizierung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens zu verbinden.<br />
1.2 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen<br />
1.2.1 Ausgangslage<br />
Artikel 65 EPÜ erlaubt jedem Vertragsstaat, als Voraussetzung für den Eintritt der<br />
Wirkung eines europäis<strong>ch</strong>en Patents eine Übersetzung der europäis<strong>ch</strong>en Patents<strong>ch</strong>riften<br />
in eine seiner Landesspra<strong>ch</strong>en zu verlangen. Gerade mit Blick auf die<br />
zunehmende Einbindung in den Welthandel erweist si<strong>ch</strong> dieser Vorbehalt von Übersetzungen<br />
als eine Unzulängli<strong>ch</strong>keit des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems. Artikel 65<br />
EPÜ führt dazu, dass die Kosten für ein europäis<strong>ch</strong>es Patent gegenwärtig drei bis<br />
fünfmal Mal höher sind als für ein amerikanis<strong>ch</strong>es oder japanis<strong>ch</strong>es Patent.<br />
Mit Artikel 65 EPÜ wollte man ursprüngli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erstellen, dass interessierte Drittpersonen<br />
europäis<strong>ch</strong>e Patente in einer ihnen vertrauten Spra<strong>ch</strong>e einsehen können.<br />
Die Praxis zeigt jedo<strong>ch</strong>, dass die grosse Mehrheit der Übersetzungen gar nie konsultiert<br />
wird. Übersetzungen sind folgli<strong>ch</strong> für Dritte bloss von geringer Bedeutung,<br />
verursa<strong>ch</strong>en dem Patentinhaber aber grosse Zusatzkosten. Diese Erkenntnis spra<strong>ch</strong><br />
dafür, den Übersetzungszwang in den Unterzei<strong>ch</strong>nerstaaten wesentli<strong>ch</strong> zu lockern<br />
und damit die Kosten für europäis<strong>ch</strong>e Patente merkbar zu senken. Die Kostensenkung<br />
wiederum soll den Erfindern bzw. Unternehmen den Zugang zum europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentsystem erlei<strong>ch</strong>tern und das ökonomis<strong>ch</strong>e Umfeld für Unternehmen in<br />
Europa gegenüber den USA und Japan verbessern.<br />
3782
1.2.2 Verlauf der Verhandlungen<br />
Die Pariser Regierungskonferenz vom 24./25. Juni 1999 beauftragte eine Arbeitsgruppe,<br />
einen Vors<strong>ch</strong>lag für ein fakultatives Zusatzabkommen zum Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommen zu unterbreiten, das eine Senkung der dur<strong>ch</strong> Übersetzungen<br />
bedingten Kosten für europäis<strong>ch</strong>e Patente um etwa 50 % ermögli<strong>ch</strong>en sollte. In<br />
weniger als einem Jahr arbeitete die zuständige Arbeitsgruppe das Übereinkommen<br />
über die Anwendung des Artikels 65 EPÜ (EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen) aus. Die<br />
Verhandlungen dazu verliefen ohne Kontroversen.<br />
1.2.3 Verhandlungsergebnis<br />
An der zweiten Regierungskonferenz der Vertragsstaaten des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens<br />
am 16./17. Oktober 2000 in London wurde das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen<br />
zur Unterzei<strong>ch</strong>nung aufgelegt und fand damit seinen erfolgrei<strong>ch</strong>en<br />
Abs<strong>ch</strong>luss.<br />
1.2.4 Überblick über den Inhalt des Vertrags<br />
Die angestrebte Senkung der Kosten für europäis<strong>ch</strong>e Patente wird dadur<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>t,<br />
dass ein Vertragsstaat auf sämtli<strong>ch</strong>e Übersetzungserfordernisse eines in einer Amtsspra<strong>ch</strong>e<br />
des EPA (Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong>, Englis<strong>ch</strong>) erteilten Patents verzi<strong>ch</strong>tet, wenn<br />
eine der Amtsspra<strong>ch</strong>en des EPA zuglei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> eine nationale Amtsspra<strong>ch</strong>e ist. Vom<br />
Übereinkommen gänzli<strong>ch</strong> unberührt bleibt jedo<strong>ch</strong> das Re<strong>ch</strong>t der Unterzei<strong>ch</strong>nerstaaten,<br />
den Patentinhaber im Falle von geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Streitigkeiten zu verpfli<strong>ch</strong>ten, auf<br />
eigene Kosten Übersetzungen des umstrittenen Patents in einer anerkannten Amtsspra<strong>ch</strong>e<br />
einzurei<strong>ch</strong>en. Siehe Ziffer 2.2.<br />
1.2.5 Würdigung<br />
Mit dem EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen können die Kosten für europäis<strong>ch</strong>e Patente<br />
erhebli<strong>ch</strong> reduziert werden, was zu einer Erhöhung der Attraktivität europäis<strong>ch</strong>er<br />
Patente und damit zu einer Stärkung des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems führt.<br />
Das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen hätte im Falle seines Inkrafttretens für die<br />
S<strong>ch</strong>weiz zur Folge, dass das IGE ni<strong>ch</strong>t mehr verlangen kann, dass der Anmelder<br />
oder Patentinhaber eine Übersetzung der Patents<strong>ch</strong>rift in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e<br />
einrei<strong>ch</strong>t, wenn ein europäis<strong>ch</strong>es Patent in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e veröffentli<strong>ch</strong>t<br />
wird.<br />
Der Verzi<strong>ch</strong>t auf eine Übersetzung in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e in Bezug auf<br />
ein in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e veröffentli<strong>ch</strong>tes europäis<strong>ch</strong>es Patent re<strong>ch</strong>tfertigt si<strong>ch</strong> aus<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Überlegungen: Wohl würden künftig S<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>te in unserem Land<br />
Wirkung entfalten, deren Inhalt und Umfang nur anhand englis<strong>ch</strong>er Texte erfasst<br />
werden können. Die Erfahrung des IGE zeigt aber, dass in der S<strong>ch</strong>weiz weniger als<br />
1 % der jährli<strong>ch</strong> eingerei<strong>ch</strong>ten Übersetzungen europäis<strong>ch</strong>er Patente tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
konsultiert werden. Von den pro Jahr über 5000 dem IGE eingerei<strong>ch</strong>ten Übersetzun-<br />
3783
gen europäis<strong>ch</strong>er Patente werden jährli<strong>ch</strong> ledigli<strong>ch</strong> ca. 20 eingesehen. Die entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Übersetzungen sind somit von marginaler praktis<strong>ch</strong>er Bedeutung, verursa<strong>ch</strong>en<br />
den Benutzern des Patentsystems jedo<strong>ch</strong> hohe zusätzli<strong>ch</strong>e Kosten, die kleinere<br />
und mittlere Betriebe und Einzelerfinder am härtesten treffen.<br />
Bereits aufgrund des geltenden Artikels 65 EPÜ ist es ni<strong>ch</strong>t zulässig, eine Übersetzung<br />
in alle Amtsspra<strong>ch</strong>en eines Landes zu verlangen. Bezogen auf die S<strong>ch</strong>weiz<br />
bedeutet dies, dass eine Übersetzung nur in eine der Amtsspra<strong>ch</strong>en gefordert werden<br />
kann. Von europäis<strong>ch</strong>en Patents<strong>ch</strong>riften in Deuts<strong>ch</strong> oder Französis<strong>ch</strong> dürfen daher<br />
keine Übersetzungen in die jeweils anderen Amtsspra<strong>ch</strong>en verlangt werden. Unabhängig<br />
von der Regelung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens werden europäis<strong>ch</strong>e<br />
Patente in deuts<strong>ch</strong>er oder französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e somit weder ins Italienis<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> in<br />
die jeweils andere Spra<strong>ch</strong>e übersetzt. Dies entspri<strong>ch</strong>t der Situation in Bezug auf<br />
nationale Patente: Diese werden ni<strong>ch</strong>t in alle Amtsspra<strong>ch</strong>en übersetzt, sondern liegen<br />
nur in der für das Erteilungsverfahren massgebenden Spra<strong>ch</strong>e vor. Den Benutzern<br />
des s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Patentsystems wird daher s<strong>ch</strong>on heute die Kenntnis aller Landesspra<strong>ch</strong>en<br />
abverlangt.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz befindet si<strong>ch</strong> gegenüber vers<strong>ch</strong>iedenen anderen Vertragsstaaten des<br />
EPÜ in einer privilegierten Situation, da do<strong>ch</strong> immerhin zwei der drei Amtsspra<strong>ch</strong>en<br />
des EPA (Französis<strong>ch</strong> und Deuts<strong>ch</strong>) unseren Landesspra<strong>ch</strong>en entspre<strong>ch</strong>en. Im Weiteren<br />
werden au<strong>ch</strong> in Zukunft die Patentansprü<strong>ch</strong>e englis<strong>ch</strong>er Patents<strong>ch</strong>riften stets in<br />
Französis<strong>ch</strong> und Deuts<strong>ch</strong> publiziert werden. Die Patentansprü<strong>ch</strong>e stehen als wesentli<strong>ch</strong>es<br />
Element zur Bestimmung des S<strong>ch</strong>utzgegenstands eines Patents na<strong>ch</strong> Inkrafttreten<br />
des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens somit stets in zwei nationalen Amtsspra<strong>ch</strong>en<br />
zur Verfügung (was für nationale Patente ni<strong>ch</strong>t der Fall ist). Es geht vorliegend<br />
nur um eine Regelung der Übersetzungserfordernisse für europäis<strong>ch</strong>e Patente; das<br />
Spra<strong>ch</strong>enregime mit Bezug auf nationale Patente oder internationale Anmeldungen<br />
ist ni<strong>ch</strong>t betroffen.<br />
Die Ausgestaltung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens als fakultatives Übereinkommen<br />
ermögli<strong>ch</strong>t es den Vertragsstaaten des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens,<br />
den Zeitpunkt des Beitritts entspre<strong>ch</strong>end der innenpolitis<strong>ch</strong>en Willensbildung<br />
zu wählen. Für die Vertragsstaaten, die vorderhand ni<strong>ch</strong>t dem EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen<br />
beitreten, bietet diese Vertragsausgestaltung die Mögli<strong>ch</strong>keit, si<strong>ch</strong> von<br />
der Effektivität des Übereinkommens zu überzeugen.<br />
Neben der S<strong>ch</strong>weiz haben 11 weitere Staaten das Übereinkommen unterzei<strong>ch</strong>net.<br />
Hervorzuheben ist, dass Deuts<strong>ch</strong>land, das Vereinigte Königrei<strong>ch</strong> und Frankrei<strong>ch</strong><br />
ebenfalls zu den Unterzei<strong>ch</strong>nerstaaten gehören. Damit ist ni<strong>ch</strong>t nur eine wesentli<strong>ch</strong>e<br />
Vorbedingung für das Inkrafttreten des Übereinkommens erfüllt, sondern au<strong>ch</strong><br />
si<strong>ch</strong>ergestellt, dass die Länder mit der hö<strong>ch</strong>sten Zahl an Benennungen in das neue<br />
Spra<strong>ch</strong>enregime potenziell eingebunden sind.<br />
1.2.6 Ergebnisse der Vernehmlassungen<br />
Die Ratifizierung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens war Gegenstand zweier<br />
Vernehmlassungsverfahren, die vom 11. Dezember 2001 bis zum 30. April 2002<br />
und vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2004 dur<strong>ch</strong>geführt wurden (vgl. Ziff. 1.1.6).<br />
Dieses Anliegen war jeweils weitgehend unbestritten und wurde in allen der dazu<br />
eingegangenen Stellungnahmen begrüsst.<br />
3784
Die Zustimmung wird mehrheitli<strong>ch</strong> mit den resultierenden Kostensenkungen, der<br />
internationalen Harmonisierung des Patenterteilungsverfahrens sowie dem Umstand<br />
begründet, dass die englis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e in te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gebieten bereits heute Standard<br />
ist. Die Ratifikation trage zudem den Interessen der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen und der KMU<br />
Re<strong>ch</strong>nung.<br />
2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Verträge<br />
2.1 EPÜ-Revisionsakte<br />
2.1.1 Institutionelle und politis<strong>ch</strong>e Reformen<br />
Art. 4a Institutionalisierung von Ministerkonferenzen<br />
Gestützt auf das Mandat der Pariser Regierungskonferenz, dessen dritter Punkt die<br />
Modernisierung der Ents<strong>ch</strong>eidungsverfahren der EPO vorsieht, wurde an der Diplomatis<strong>ch</strong>en<br />
Konferenz von November 2000 die Verankerung von Konferenzen der<br />
Vertragsstaaten auf der Ebene der für den gewerbli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz zuständigen<br />
Minister als eine ständige Einri<strong>ch</strong>tung bes<strong>ch</strong>lossen. Sol<strong>ch</strong>e Konferenzen sind zwar<br />
s<strong>ch</strong>on einberufen worden, ohne dass das Fehlen einer ausdrückli<strong>ch</strong>en Regelung<br />
Probleme aufgegeben hätte (so die Regierungskonferenzen von Paris im Jahre 1999<br />
und von London im Jahre 2000). Mit der Institutionalisierung in Artikel 4a revEPÜ<br />
wird indessen der politis<strong>ch</strong>e Führungsanspru<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t. Die Kompetenzen<br />
der Organe der EPO (das Amt und der Verwaltungsrat) bleiben von der Erri<strong>ch</strong>tung<br />
einer Ministerkonferenz unberührt. Es ist also ni<strong>ch</strong>t die Aufgabe der Ministerkonferenz,<br />
Bes<strong>ch</strong>lüsse mit verbindli<strong>ch</strong>er Wirkung für die EPO zu fassen. Ihre Aufgabe<br />
und Bedeutung ist vielmehr rein politis<strong>ch</strong>. Einerseits kann sie der EPO dur<strong>ch</strong> die<br />
Erteilung von Mandaten oder in anderer geeigneter Form bestimmte Ziele setzen,<br />
die deren Organe im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen anzustreben haben.<br />
Andererseits kann sie eine Zusammenarbeit der Vertragsstaaten einleiten, die über<br />
den Anwendungsberei<strong>ch</strong> des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens hinausgeht. Das<br />
Vorbild für beide Formen der politis<strong>ch</strong>en Wegweisung ist die von Frankrei<strong>ch</strong> im<br />
Juni 1999 einberufene Regierungskonferenz, die der EPO Mandate zur Reform<br />
erteilt und die Ausarbeitung von Vereinbarungen zwis<strong>ch</strong>en Vertragsstaaten in den<br />
Fragen der Übersetzungserfordernisse und der Streitregelung veranlasst hat.<br />
Art. 33 und 35 Vereinfa<strong>ch</strong>te Anpassung des Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommens an internationale Texte<br />
Na<strong>ch</strong> Artikel 172 EPÜ kann das Übereinkommen nur dur<strong>ch</strong> Konferenzen der Vertragsstaaten<br />
revidiert werden. Sol<strong>ch</strong>e Konferenzen sind in der Vorbereitung und<br />
Dur<strong>ch</strong>führung aufwendig. Als Instrument für Reformen erweisen sie si<strong>ch</strong> als zu<br />
s<strong>ch</strong>werfällig, um eine flexible Anpassung an die si<strong>ch</strong> wandelnden re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Rahmenbedingungen<br />
zu gewährleisten. Aus diesen Überlegungen wurde ein neuer<br />
Absatz 1 Bu<strong>ch</strong>stabe b in Artikel 33 EPÜ eingefügt, dem zufolge der Verwaltungsrat<br />
befugt ist, die materiell- und verfahrensre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Vors<strong>ch</strong>riften des Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommens anzupassen, um ihre Übereinstimmung mit internationalen<br />
Verträgen und den Re<strong>ch</strong>tsvors<strong>ch</strong>riften der Europäis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft (EG) auf dem<br />
Gebiet des Patentwesens zu gewährleisten. Der Verwaltungsrat kann von dieser<br />
Befugnis Gebrau<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, wenn ein internationaler Vertrag, ein Übereinkommen<br />
3785
oder ein Gemeins<strong>ch</strong>aftstext eine oder mehrere Vors<strong>ch</strong>riften enthält, die das Patentre<strong>ch</strong>t<br />
betreffen. Dieser vereinfa<strong>ch</strong>te Me<strong>ch</strong>anismus zur Anpassung des Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommens ist allerdings an strenge Voraussetzungen geknüpft (Art. 35<br />
Abs. 3 revEPÜ): (1) Der Bes<strong>ch</strong>luss des Verwaltungsrats bedarf der Einstimmigkeit;<br />
(2) alle Vertragsstaaten müssen bei der Bes<strong>ch</strong>lussfassung vertreten sein; (3) jeder<br />
Vertragsstaat verfügt über eine Frist von 12 Monaten na<strong>ch</strong> dem Datum der<br />
Bes<strong>ch</strong>lussfassung, innerhalb deren er erklären kann, dass der Bes<strong>ch</strong>luss ni<strong>ch</strong>t verbindli<strong>ch</strong><br />
sein soll. Diese Frist ermögli<strong>ch</strong>t den Vertretern der Vertragsstaaten im<br />
Verwaltungsrat, bei den nationalen gesetzgebenden Organen abzuklären, ob der<br />
Bes<strong>ch</strong>luss angenommen werden kann. Während der Konferenz wurde eine vierte<br />
Voraussetzung eingeführt: Der Verwaltungsrat kann erst dann einen Bes<strong>ch</strong>luss<br />
fassen, wenn der internationale Vertrag oder der Erlass der EG in Kraft getreten ist<br />
oder, falls Letzterer eine Frist für seine Umsetzung setzt, na<strong>ch</strong> Ablauf dieser Frist.<br />
Diese zusätzli<strong>ch</strong>e Voraussetzung stellt eine erhebli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung der Wirkung der<br />
neuen Bestimmung dar, wodur<strong>ch</strong> die Flexibilität im Verglei<strong>ch</strong> zur Einberufung einer<br />
Revisionskonferenz na<strong>ch</strong> Artikel 172 EPÜ weitgehend zurückgenommen wird.<br />
Art. 149a Verankerung von weiteren Übereinkommen im Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommen<br />
Ziel des neuen Artikels 149a revEPÜ ist es, eine klare Re<strong>ch</strong>tsgrundlage für das<br />
Übereinkommen über die Anwendung von Artikel 65 EPÜ sowie für künftige<br />
Übereinkommen zwis<strong>ch</strong>en den Vertragsstaaten zu Fragen der Streitregelung für<br />
europäis<strong>ch</strong>e Patente zu s<strong>ch</strong>affen. Mit der expliziten Einbindung sol<strong>ch</strong>er Zusatzübereinkommen<br />
in das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen dient diese Regelung der<br />
Klarstellung des gegenseitigen Verhältnisses. Absatz 2 stellt si<strong>ch</strong>er, dass au<strong>ch</strong> die<br />
Mitglieder der Bes<strong>ch</strong>werdekammern des EPA in einem in Zukunft mögli<strong>ch</strong>erweise<br />
eingesetzten gemeinsamen europäis<strong>ch</strong>en Patentgeri<strong>ch</strong>t tätig sein dürfen und das EPA<br />
seine Räumli<strong>ch</strong>keiten, die Unterstützung dur<strong>ch</strong> Personal und das notwendige Material<br />
für eine mögli<strong>ch</strong>e zukünftige Guta<strong>ch</strong>terstelle in Patentre<strong>ch</strong>tsfragen im Zusammenhang<br />
mit diesem Geri<strong>ch</strong>t für die Erfüllung der Aufgaben dieser Guta<strong>ch</strong>terstelle<br />
zur Verfügung stellen kann.<br />
2.1.2 Materielles Re<strong>ch</strong>t<br />
Art. 54 Abs. 5 S<strong>ch</strong>utz für weitere medizinis<strong>ch</strong>e Indikationen<br />
Na<strong>ch</strong> der geltenden Fassung von Artikel 54 Absatz 5 EPÜ werden Stoffe oder Stoffgemis<strong>ch</strong>e<br />
als neu behandelt, wenn sie zum ersten Mal in einem medizinis<strong>ch</strong>en Verfahren<br />
na<strong>ch</strong> Artikel 52 Absatz 4 EPÜ verwendet werden. Damit wird ein teilweiser<br />
Ausglei<strong>ch</strong> für den Auss<strong>ch</strong>luss medizinis<strong>ch</strong>er Verfahren von der Patentierung na<strong>ch</strong><br />
Artikel 52 Absatz 4 EPÜ ges<strong>ch</strong>affen, der seinerseits verhindern will, dass Ärztinnen<br />
und Ärzte dur<strong>ch</strong> bestehende Patente bei der Ausübung ihres Berufs behindert werden.<br />
In Anbetra<strong>ch</strong>t des Umstands, dass Artikel 54 Absatz 5 EPÜ den Auss<strong>ch</strong>luss<br />
medizinis<strong>ch</strong>er Verfahren nur zum Teil kompensiert, legte die Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer<br />
Artikel 54 Absatz 5 EPÜ weit aus. Dieser Auslegung zufolge erfasst diese<br />
Bestimmung jede weitere medizinis<strong>ch</strong>e Indikation, soweit si<strong>ch</strong> der fragli<strong>ch</strong>e Anspru<strong>ch</strong><br />
auf eine bestimmte Form bes<strong>ch</strong>ränkt, die als «s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Anspru<strong>ch</strong>sform»<br />
bezei<strong>ch</strong>net wird. Diese in der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Praxis begründete Anspru<strong>ch</strong>s-<br />
3786
form 2 lässt einen bes<strong>ch</strong>ränkten Anspru<strong>ch</strong> zu, insoweit er eine Verwendung eines<br />
Stoffes oder Stoffgemis<strong>ch</strong>es zur Herstellung eines Arzneimittels für eine bestimmte<br />
neue therapeutis<strong>ch</strong>e Anwendung darstellt. Diese Praxis wurde von der Grossen<br />
Bes<strong>ch</strong>werdekammer des EPA 3 sowie weitgehend dur<strong>ch</strong> die nationalen Geri<strong>ch</strong>te und<br />
Bes<strong>ch</strong>werdeabteilungen der Patentämter der Vertragsstaaten des Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommens übernommen. Abwei<strong>ch</strong>end hat allerdings das Distriktsgeri<strong>ch</strong>t<br />
von Den Haag am 16. Februar 2000 ents<strong>ch</strong>ieden. Es hielt dafür, dass die<br />
s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Anspru<strong>ch</strong>sform in Tat und Wahrheit ein medizinis<strong>ch</strong>es Verfahren<br />
beanspru<strong>ch</strong>e und daher ni<strong>ch</strong>t patentierbar sei 4. Der neue Artikel 54 Absatz 5 revEPÜ<br />
beseitigt nun jegli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tsunsi<strong>ch</strong>erheit betreffend die Patentierbarkeit von weiteren<br />
medizinis<strong>ch</strong>en Indikationen, die ni<strong>ch</strong>t zuletzt vor dem Hintergrund des letztgenannten<br />
Ents<strong>ch</strong>eids entstanden sind. Ein zweckgebundener Stoffs<strong>ch</strong>utz wird so<br />
unzweifelhaft für jede weitere medizinis<strong>ch</strong>e Anwendung eines Stoffes oder Stoffgemis<strong>ch</strong>es<br />
gewährt, der oder das als Arzneimittel bereits bekannt ist.<br />
Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ<br />
Das System des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens zielt darauf ab, einen einheitli<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>utz des europäis<strong>ch</strong>en Patents in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten.<br />
Dies setzt eine mögli<strong>ch</strong>st einheitli<strong>ch</strong>e Anwendung des materiellen Patentre<strong>ch</strong>ts,<br />
namentli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> eine übereinstimmende Bestimmung des S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>s voraus.<br />
Bei Verletzungsprozessen in Zusammenhang mit europäis<strong>ch</strong>en Patenten werden die<br />
Vors<strong>ch</strong>riften des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens von nationalen Geri<strong>ch</strong>ten<br />
angewendet, was dur<strong>ch</strong>aus dazu führen kann, dass einem europäis<strong>ch</strong>en Patent in den<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Vertragsstaaten ein unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>utzumfang zuerkannt wird.<br />
Das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen nimmt si<strong>ch</strong> im Artikel 69 und im dazugehörigen<br />
Auslegungsprotokoll des S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>s europäis<strong>ch</strong>er Patente an. Wie si<strong>ch</strong><br />
gezeigt hat, werden diese Vors<strong>ch</strong>riften dem angestrebten Ziel einer mögli<strong>ch</strong>st einheitli<strong>ch</strong>en<br />
Anwendung und Auslegung jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t im gewüns<strong>ch</strong>ten Mass gere<strong>ch</strong>t.<br />
Divergenzen bestehen insbesondere in Bezug auf die Behandlung so genannter<br />
Äquivalente (das sind Mittel, deren Benutzung im Wesentli<strong>ch</strong>en zum glei<strong>ch</strong>en<br />
Ergebnis führt wie die im Patentanspru<strong>ch</strong> genannten Mittel) und die Bedeutung<br />
früherer Angaben zur Gültigkeit des Patents, die der Anmelder bzw. Patentinhaber<br />
in der Anmeldung oder Patents<strong>ch</strong>rift, im Erteilungsverfahren vor dem EPA oder in<br />
Verfahren vor Geri<strong>ch</strong>ten gema<strong>ch</strong>t hat. Die Konferenz einigte si<strong>ch</strong> angesi<strong>ch</strong>ts der<br />
Komplexität dieser Problematik und der fehlenden Zeit für eine eingehende Erörterung<br />
des kurzfristig eingebra<strong>ch</strong>ten Vors<strong>ch</strong>lags darauf, eine minimale Regel in das<br />
Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen aufzunehmen und die Abklärungen zu dieser<br />
Frage weiterzuführen. Sie hat daher nur den Begriff des Äquivalents in das Auslegungsprotokoll<br />
zu Artikel 69 aufgenommen, ohne diesen zu definieren.<br />
2 Vgl. Re<strong>ch</strong>tsauskunft des Bundesamtes für Geistiges Eigentum vom 30. Mai 1984,<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Patent-, Muster- und Markenblatt (PMMBl) 1984 I 53.<br />
3 Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer, 5. Dez. 1984, Rs. G 5/83, ABl. EPA 1985, 64.<br />
4 European Intellectual Property Review 2000, N-125.<br />
3787
2.1.3 Änderungen betreffend das Verfahren<br />
vor dem Europäis<strong>ch</strong>en Patentamt<br />
Art. 68 Wirkung des Widerrufs oder der Bes<strong>ch</strong>ränkung eines europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patents<br />
Die Wirkungen des Ents<strong>ch</strong>eids einer Bes<strong>ch</strong>ränkung oder eines Widerrufs eines<br />
europäis<strong>ch</strong>en Patents treten na<strong>ch</strong> Artikel 68 revEPÜ mit deren Veröffentli<strong>ch</strong>ung<br />
rückwirkend für alle benannten Vertragsstaaten ein. D.h., das Patent gilt als von<br />
Anfang an bes<strong>ch</strong>ränkt oder widerrufen. Dieselben Wirkungen zeitigt au<strong>ch</strong> die Ni<strong>ch</strong>tigkeit<br />
inkl. Teilni<strong>ch</strong>tigkeit eines europäis<strong>ch</strong>en Patents. Die Wirkungen des Patents<br />
gelten au<strong>ch</strong> in diesem Fall als von Anfang an ni<strong>ch</strong>t eingetreten (vgl. hierzu die<br />
na<strong>ch</strong>stehenden Ausführungen zum Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und Widerrufsverfahren sowie<br />
zur Ni<strong>ch</strong>tigkeit europäis<strong>ch</strong>er Patente und die Ausführungen zu Art. 28a E-PatG,<br />
Ziff. 5.3.1).<br />
Art. 105a–105c Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und Widerrufsverfahren<br />
Na<strong>ch</strong> geltendem Re<strong>ch</strong>t ist es dem Inhaber eines europäis<strong>ch</strong>en Patents ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>,<br />
sein Patent zentral in einem <strong>admin</strong>istrativen Verfahren mit Wirkung für sämtli<strong>ch</strong>e<br />
benannten Staaten zu bes<strong>ch</strong>ränken oder zu widerrufen. Er muss daher eine entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Bes<strong>ch</strong>ränkung seines Patents in sämtli<strong>ch</strong>en Staaten separat vornehmen, in<br />
denen es Wirkung entfaltet hat. Im vorgesehenen erweiterten Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren<br />
(Art. 105a–105c revEPÜ) kann das europäis<strong>ch</strong>e Patent auf Antrag des Patentinhabers<br />
nun neu beim EPA mit rückwirkender Kraft (vgl. Art. 68 revEPÜ) bes<strong>ch</strong>ränkt<br />
oder widerrufen werden.<br />
Der Widerruf oder die Bes<strong>ch</strong>ränkung des europäis<strong>ch</strong>en Patents, die dur<strong>ch</strong> Änderung<br />
der Patentansprü<strong>ch</strong>e vorzunehmen ist, erfolgt auf gebührenpfli<strong>ch</strong>tigen Antrag des<br />
Patentinhabers. Zuständig für die Behandlung eines Antrags auf Bes<strong>ch</strong>ränkung bzw.<br />
Widerruf eines europäis<strong>ch</strong>en Patents ist eine Prüfungsabteilung des EPA. Der gegen<br />
europäis<strong>ch</strong>e Patente mögli<strong>ch</strong>e Einspru<strong>ch</strong> eines Bere<strong>ch</strong>tigten geht einer Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
bzw. einem Widerruf vor; damit wird widerspre<strong>ch</strong>enden Verfahrensausgängen<br />
vorgebeugt. Im Übrigen kann eine Bes<strong>ch</strong>ränkung oder ein Widerruf jederzeit beantragt<br />
werden (vgl. hierzu au<strong>ch</strong> die Ausführungen zu Art. 24 Abs. 2 PatG, Ziff. 5.3.1).<br />
Gegenüber nationalen Verfahren, insbesondere Ni<strong>ch</strong>tigkeitsverfahren, hat das europäis<strong>ch</strong>e<br />
Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren keinen Vorrang. Bei parallelen Verfahren, kann<br />
der Prozess vor nationalen Zivilgeri<strong>ch</strong>ten dur<strong>ch</strong> den Ri<strong>ch</strong>ter ausgesetzt werden (vgl.<br />
Art. 128 E-PatG; siehe hierzu au<strong>ch</strong> die Ausführungen zu Art. 127 E-PatG,<br />
Ziff. 5.3.1). Ist ein nationales Verfahren bereits abges<strong>ch</strong>lossen, so kann der Patentinhaber<br />
einerseits die dort vorgenommenen Änderungen der Patentansprü<strong>ch</strong>e auf dem<br />
Wege des europäis<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahrens au<strong>ch</strong> mit Wirkung für alle anderen<br />
Vertragsstaaten na<strong>ch</strong>vollziehen. Andererseits steht eine vor dem EPA erfolgte<br />
Bes<strong>ch</strong>ränkung des europäis<strong>ch</strong>en Patents einer weitergehenden Bes<strong>ch</strong>ränkung im<br />
nationalen Verfahren ni<strong>ch</strong>t entgegen.<br />
Na<strong>ch</strong> einer Formalprüfung ermittelt das EPA, ob die beantragte Änderung der<br />
Ansprü<strong>ch</strong>e tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> eine Bes<strong>ch</strong>ränkung des Patents bewirkt und ob die allgemeinen<br />
Erfordernisse an die Ums<strong>ch</strong>reibung der Patentansprü<strong>ch</strong>e eingehalten sind<br />
(Art. 105b Abs. 1 revEPÜ). Ni<strong>ch</strong>t geprüft wird, ob das Restpatent patentierbar ist<br />
und ob das mit der Bes<strong>ch</strong>ränkung verfolgte Ziel (z.B. eine Abgrenzung gegenüber<br />
3788
einem bestimmten Stand der Te<strong>ch</strong>nik) errei<strong>ch</strong>t wird. Der Ents<strong>ch</strong>eid der Prüfungsabteilung<br />
des EPA im Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren unterliegt der internen Bes<strong>ch</strong>werde.<br />
Zusammen mit der Veröffentli<strong>ch</strong>ung der Bes<strong>ch</strong>ränkung stellt das EPA eine geänderte<br />
Patents<strong>ch</strong>rift aus (Art. 105c revEPÜ). In Anwendung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
wird eine revidierte Patents<strong>ch</strong>rift in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e dabei ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e übersetzt werden müssen (vgl. hierzu die Ausführungen<br />
zum EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen, Ziff. 2.2).<br />
Die Wirkungen des Ents<strong>ch</strong>eids über eine Bes<strong>ch</strong>ränkung oder einen Widerruf eines<br />
europäis<strong>ch</strong>en Patents ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Artikel 68 revEPÜ (vgl. die vorstehenden<br />
Erläuterungen zu Art. 68 revEPÜ sowie die Ausführungen zu Art. 28a E-PatG,<br />
Ziff. 5.3.1).<br />
Art. 112a Antrag auf Überprüfung<br />
Mit dem Antrag auf Überprüfung von Ents<strong>ch</strong>eiden einer der Bes<strong>ch</strong>werdekammern<br />
des EPA wird neu ein Revisionsverfahren ins Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen<br />
eingeführt (Art. 112a revEPÜ). Zuständig zur Behandlung sol<strong>ch</strong>er Anträge ist na<strong>ch</strong><br />
Artikel 22 revEPÜ die Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer. Bisher hatte diese allein über<br />
Re<strong>ch</strong>tsfragen zu ents<strong>ch</strong>eiden, die ihr von Bes<strong>ch</strong>werdekammern oder vom Präsidenten<br />
des EPA vorgelegt wurden. Einer Überlastung der Grossen Bes<strong>ch</strong>werdekammer<br />
mit Anträgen auf Überprüfung wird dadur<strong>ch</strong> vorgebeugt, dass eindeutig unzulässige<br />
oder unbegründete Anträge bei Aufnahme des Verfahrens abgelehnt werden können.<br />
Zu diesem Zweck sollen spezielle Auss<strong>ch</strong>üsse gebildet werden, die bei Einstimmigkeit<br />
ihrer Mitglieder die Überprüfungsanträge zurückweisen. Über die Zulassung<br />
wird in einem s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en, summaris<strong>ch</strong>en Verfahren ents<strong>ch</strong>ieden, um im Interesse<br />
Dritter mögli<strong>ch</strong>st ras<strong>ch</strong> zu einem Urteil zu kommen.<br />
Die Überprüfung einer Ents<strong>ch</strong>eidung einer Bes<strong>ch</strong>werdekammer des EPA ist nur in<br />
sehr begrenztem Rahmen mögli<strong>ch</strong>. Artikel 112a Absatz 1 revEPÜ setzt voraus, dass<br />
das Bes<strong>ch</strong>werdeverfahren mit einem s<strong>ch</strong>werwiegenden Verfahrensmangel behaftet<br />
war oder dass eine Straftat die Ents<strong>ch</strong>eidung beeinflusst haben könnte. So könnte<br />
etwa ein Verstoss gegen das re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Gehör, die Ni<strong>ch</strong>tberücksi<strong>ch</strong>tigung eines<br />
Antrags eines Beteiligten, die si<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>eidend auf das Urteil ausgewirkt hat, die<br />
Mitwirkung eines Mitglieds der Bes<strong>ch</strong>werdekammer trotz dessen Ablehnung oder<br />
die Beeinflussung der Ents<strong>ch</strong>eidung dur<strong>ch</strong> eine kriminelle Handlung geltend<br />
gema<strong>ch</strong>t werden. Die Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer ist jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t befugt, festzustellen,<br />
ob ein bestimmtes Verhalten einen strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> relevanten Re<strong>ch</strong>tsverstoss<br />
darstellt. Folgli<strong>ch</strong> kann eine strafbare Handlung erst na<strong>ch</strong> einer re<strong>ch</strong>tskräftigen<br />
Verurteilung ein wirksamer Grund für einen Überprüfungsantrag sein. Diese<br />
bes<strong>ch</strong>ränkte Prüfungsbefugnis wird verhindern, dass der Antrag auf Überprüfung<br />
dazu instrumentalisiert wird, die Anwendung des materiellen Re<strong>ch</strong>ts dur<strong>ch</strong> die<br />
Bes<strong>ch</strong>werdekammern des EPA überprüfen zu lassen.<br />
Zur Einrei<strong>ch</strong>ung eines Antrags auf Überprüfung ist ein Verfahrensbeteiligter legitimiert,<br />
der dur<strong>ch</strong> den angefo<strong>ch</strong>tenen Ents<strong>ch</strong>eid bes<strong>ch</strong>wert ist. Der Antrag wird ins<br />
Europäis<strong>ch</strong>e Patentregister eingetragen. Als ausserordentli<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>tsbehelf soll<br />
ihm na<strong>ch</strong> Artikel 112a Absatz 3 revEPÜ aber keine aufs<strong>ch</strong>iebende Wirkung<br />
zukommen.<br />
Gibt die Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer dem Überprüfungsantrag statt, so hebt sie die<br />
angefo<strong>ch</strong>tene Ents<strong>ch</strong>eidung auf und ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens vor<br />
der Bes<strong>ch</strong>werdekammer an (Art. 112a Abs. 5 revEPÜ). Die Gutheissung einer<br />
3789
Wiederaufnahme des Verfahrens dur<strong>ch</strong> die Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer dur<strong>ch</strong>bri<strong>ch</strong>t<br />
die Re<strong>ch</strong>tskraft der aufgehobenen Ents<strong>ch</strong>eidung. Für den Fall, dass ein einmal verlorener<br />
Patents<strong>ch</strong>utz wiederauflebt, sieht Absatz 6 ein Weiterbenutzungsre<strong>ch</strong>t derjenigen<br />
Personen vor, die in der Zwis<strong>ch</strong>enzeit die Erfindung in gutem Glauben<br />
gewerbsmässig benutzt oder wirkli<strong>ch</strong>e und ernsthafte Anstalten dazu getroffen<br />
haben. Damit wird ein Interessenausglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en dem Patentinhaber und gutgläubigen<br />
Dritten ges<strong>ch</strong>affen.<br />
Art. 124 Auskünfte über den Stand der Te<strong>ch</strong>nik<br />
Auskünfte zum Stand der Te<strong>ch</strong>nik können bislang nur in einges<strong>ch</strong>ränktem Umfang<br />
beim Anmelder eingeholt werden. Na<strong>ch</strong> Artikel 124 EPÜ kann der Patentanmelder<br />
ledigli<strong>ch</strong> aufgefordert werden, die Staaten anzugeben, in denen er nationale Patentanmeldungen<br />
eingerei<strong>ch</strong>t hat. Neu soll das EPA die Mögli<strong>ch</strong>keit haben, vom<br />
Anmelder bezügli<strong>ch</strong> einer Erfindung, die Gegenstand einer europäis<strong>ch</strong>en Patentanmeldung<br />
ist, Auskünfte über den Stand der Te<strong>ch</strong>nik einzuholen, der in korrespondierenden<br />
Erteilungsverfahren herangezogen wurde. Dur<strong>ch</strong> die Bereitstellung sol<strong>ch</strong>er<br />
Informationen von Seiten des Anmelders verspri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> das EPA eine Bes<strong>ch</strong>leunigung<br />
des europäis<strong>ch</strong>en Erteilungsverfahrens und eine qualitative Verbesserung von<br />
Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e und Sa<strong>ch</strong>prüfung. Die Detailvors<strong>ch</strong>riften werden in der Ausführungsordnung<br />
geregelt werden.<br />
Art. 134 und 134a Berufsmässige Vertretung<br />
Die Artikel 134 und 134a revEPÜ regeln vers<strong>ch</strong>iedene Fragen der berufsmässigen<br />
Vertretung. Der bisherige Artikel 163 Absatz 6 EPÜ wurde dabei wegen seiner<br />
dauerhaften Bedeutung aus den Übergangsbestimmungen in Absatz 3 von Artikel<br />
134 überführt. Dieser Absatz sieht vor, dass während eines Zeitraums von einem<br />
Jahr ab dem Zeitpunkt, von dem an der Beitritt eines Staats zum EPÜ wirksam wird,<br />
die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter au<strong>ch</strong> von jeder natürli<strong>ch</strong>en<br />
Person beantragt werden kann, wel<strong>ch</strong>e die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats<br />
besitzt, ihren Ges<strong>ch</strong>äftssitz oder Arbeitsplatz in dem Staat hat, der dem Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patentübereinkommen beigetreten ist, und befugt ist, natürli<strong>ch</strong>e oder juristis<strong>ch</strong>e<br />
Personen auf dem Gebiet des Patentwesens vor der Zentralbehörde für den<br />
gewerbli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz dieses Staats zu vertreten. Unterliegt diese Befugnis<br />
ni<strong>ch</strong>t dem Erfordernis einer besonderen berufli<strong>ch</strong>en Befähigung, so muss die Person<br />
die Vertretung in diesem Staat mindestens fünf Jahre lang regelmässig ausgeübt<br />
haben. Da seit dem 1. Juli 2002 a<strong>ch</strong>t neue Staaten dem EPÜ beigetreten sind, kommt<br />
dieser Regel na<strong>ch</strong> wie vor besondere Bedeutung zu.<br />
Neu ist, dass der Verwaltungsrat ermä<strong>ch</strong>tigt wird, na<strong>ch</strong> dem Vorbild des amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Re<strong>ch</strong>ts für das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en Patentanwalt und Klient ein Zeugnisverweigerungsre<strong>ch</strong>t<br />
zu s<strong>ch</strong>affen. Dieses Re<strong>ch</strong>t soll auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> in Verfahren vor dem<br />
EPA gelten.<br />
Art. 138 Ni<strong>ch</strong>tigkeit europäis<strong>ch</strong>er Patente<br />
Mit der Revision von Artikel 138 EPÜ soll die Bes<strong>ch</strong>ränkung eines Patents dur<strong>ch</strong><br />
den Patentinhaber – eine in den meisten Vertragsstaaten anerkannte Praxis – festges<strong>ch</strong>rieben<br />
und der insoweit errei<strong>ch</strong>te Stand der Harmonisierung gesi<strong>ch</strong>ert und ausgebaut<br />
werden. Die S<strong>ch</strong>weiz kennt diese Form der Selbstbes<strong>ch</strong>ränkung im kontradikto-<br />
3790
is<strong>ch</strong>en Verfahren in Zusammenhang mit dem Teilni<strong>ch</strong>tigkeitsverfahren vor nationalen<br />
Geri<strong>ch</strong>ten na<strong>ch</strong> Artikel 27 PatG.<br />
Die Neufassung der Absätze 2 und 3 bestimmt einerseits, dass die Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
und Teilni<strong>ch</strong>tigkeit des europäis<strong>ch</strong>en Patents stets dur<strong>ch</strong> eine entspre<strong>ch</strong>ende Änderung<br />
der Patentansprü<strong>ch</strong>e zu erklären ist (vgl. oben die Ausführungen zum<br />
Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren). Andererseits wird der Grundsatz kodifiziert, wona<strong>ch</strong> der<br />
Patentinhaber angesi<strong>ch</strong>ts der gegen die Gültigkeit des Patents erhobenen Einwände<br />
sein Patent auf die Teile bes<strong>ch</strong>ränken kann, die von den Einwänden ni<strong>ch</strong>t betroffen<br />
sind. Dieser Grundsatz ist au<strong>ch</strong> von s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Geri<strong>ch</strong>ten anerkannt5. Die<br />
Ni<strong>ch</strong>tigkeit inkl. Teilni<strong>ch</strong>tigkeit eines Patents hat retroaktive Wirkung (vgl. oben die<br />
Ausführungen zu Art. 68 revEPÜ sowie die Erläuterungen zu Art. 28a E-PatG,<br />
Ziff. 5.3.1).<br />
2.1.4 Änderungen in der internen Organisation<br />
des Europäis<strong>ch</strong>en Patentamtes<br />
Art. 16–18 Eingangsstelle, Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>en- und Prüfungsabteilungen<br />
Aus historis<strong>ch</strong>en Gründen werden die Arbeiten im Zusammenhang mit der Erteilung<br />
eines europäis<strong>ch</strong>en Patents zwis<strong>ch</strong>en den Niederlanden und Deuts<strong>ch</strong>land geteilt. In<br />
Den Haag wird die Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e und in Mün<strong>ch</strong>en die Sa<strong>ch</strong>prüfung vorgenommen.<br />
Na<strong>ch</strong>dem es mit den elektronis<strong>ch</strong>en Instrumenten heute mögli<strong>ch</strong> ist, Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>en<br />
überall dur<strong>ch</strong>zuführen, ist die Teilung der Arbeiten ni<strong>ch</strong>t mehr notwendig. Diese<br />
Entwicklung war der Auslöser für das Projekt «BEST» (Bringing Examination and<br />
Sear<strong>ch</strong> Together). Von der Zusammenführung von Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e und Sa<strong>ch</strong>prüfung wird<br />
ni<strong>ch</strong>t nur eine Produktivitäts-, sondern au<strong>ch</strong> eine Qualitäts- und Effizienzsteigerung<br />
erwartet, da der Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>enprüfer au<strong>ch</strong> mit der Sa<strong>ch</strong>prüfung beauftragt wird. Als<br />
Konsequenz wurden die Artikel 16–18 EPÜ angepasst. Im Weiteren wurde das<br />
Zentralisierungsprotokoll so geändert, dass dem Amt freigestellt wird, eine geografis<strong>ch</strong>e<br />
Trennung in der Sa<strong>ch</strong>prüfung na<strong>ch</strong> te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gebieten zwis<strong>ch</strong>en Den Haag<br />
und Mün<strong>ch</strong>en vorzunehmen. Um den Bedenken der Niederlande in Bezug auf einen<br />
mit der Einführung dieses Verfahrens befür<strong>ch</strong>teten Abbau der Arbeitsplätze zu<br />
begegnen, wurde zudem ein Personalstandsprotokoll eingeführt. Dieses gewährleistet,<br />
dass der Anteil der Planstellen des EPA des Jahres 2000, der auf den Dienstort<br />
Den Haag entfällt, im Wesentli<strong>ch</strong>en unverändert bleibt.<br />
2.1.5 Formelle Änderungen<br />
Formelle Änderungen, die keine materiellre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Bedeutung haben, bilden die<br />
Mehrheit der knapp 100 Änderungsvors<strong>ch</strong>läge der Revision 2000. So wurde der<br />
Wortlaut der Konvention umfassend überarbeitet und dabei einfa<strong>ch</strong>er und klarer<br />
gefasst, insbesondere dur<strong>ch</strong> die Überführung gewisser verfahrenste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Vors<strong>ch</strong>riften<br />
des EPÜ in die Ausführungsordnung. Die Systematik und die Transparenz<br />
des Textes wurden zudem z.B. dur<strong>ch</strong> Zusammenführung von gewissen Artikeln<br />
5 Handelsgeri<strong>ch</strong>t ZH, Urteil vom 30. Juni 1988, SMI 1991, 185; Handelsgeri<strong>ch</strong>t BE, Urteil<br />
vom 12. Sept. 1989, SMI 1991, 179.<br />
3791
verbessert. Weiter wurde die Terminologie innerhalb des EPÜ vereinheitli<strong>ch</strong>t,<br />
Anpassungen an internationale Texte bzw. an die Praxis des EPA vorgenommen und<br />
der Text umfassend bereinigt (z.B. dur<strong>ch</strong> Strei<strong>ch</strong>ung der Übergangsbestimmungen)<br />
sowie zwecks Klarstellung neu formuliert.<br />
Betroffen sind folgende Artikel des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens: 14, 23,<br />
37, 38, 42, 50, 51, 52, 53, 54/4, 60, 61, 65, 67, 70, 75, 76, 77, 78, 80, 86, 87, 88, 90,<br />
92, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 101, 103, 104, 105, 106, 108, 110, 115, 117, 119, 120,<br />
123, 126, 127, 128, 129, 130, 133, 134, 134a, 135, 136, 137, 140, 141, 150–158,<br />
160–163 und 164.<br />
2.1.6 Vorbehalte<br />
Im Rahmen der Revision werden die Vertragsstaaten ni<strong>ch</strong>t ermä<strong>ch</strong>tigt, Vorbehalte<br />
anzubringen. Der geltende Artikel 167 EPÜ, der in der Revision gestri<strong>ch</strong>en wurde,<br />
bietet den Vertragsstaaten die Mögli<strong>ch</strong>keit, bei der Unterzei<strong>ch</strong>nung oder bei der<br />
Hinterlegung einer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde bestimmte Vorbehalte<br />
bezügli<strong>ch</strong> der Anwendung des EPÜ zu erklären. Das gilt aber nur für die Akte von<br />
1973. Neu beitretenden Vertragsstaaten ist die Erklärung von Vorbehalten na<strong>ch</strong><br />
Artikel 167 EPÜ au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gestattet, sodass Artikel 167 EPÜ gegenstandslos<br />
wurde.<br />
2.2 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen<br />
Das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen vom 17. Oktober 2000 umfasst 11 Artikel. Von<br />
materiellre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Natur sind dabei nur die beiden ersten Artikel. Die übrigen<br />
Bestimmungen befassen si<strong>ch</strong> mit formellen Aspekten des Übereinkommens (Unterzei<strong>ch</strong>nung,<br />
Beitritt, Auss<strong>ch</strong>luss von Vorbehalten, Geltungsdauer usw.). Auf ihre<br />
Erläuterung wird verzi<strong>ch</strong>tet, da auf den Übereinkommenstext verwiesen werden<br />
kann.<br />
Art. 1 Verzi<strong>ch</strong>t auf Übersetzungserfordernisse<br />
Na<strong>ch</strong> Artikel 1 Absatz 1 des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens verzi<strong>ch</strong>tet jeder Vertragsstaat<br />
des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens, der eine Amtsspra<strong>ch</strong>e mit einer<br />
der Amtsspra<strong>ch</strong>en des EPA gemein hat (Englis<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong> oder Deuts<strong>ch</strong>), auf<br />
die Übersetzungserfordernisse na<strong>ch</strong> Artikel 65 EPÜ. Unangetastet bleibt Artikel 14<br />
Absatz 7 EPÜ, dem zufolge die Veröffentli<strong>ch</strong>ung europäis<strong>ch</strong>er Patents<strong>ch</strong>riften eine<br />
Übersetzung der Patentansprü<strong>ch</strong>e in die beiden anderen Amtsspra<strong>ch</strong>en enthält, die<br />
ni<strong>ch</strong>t Verfahrensspra<strong>ch</strong>e waren. Hat ein Vertragsstaat keine Amtsspra<strong>ch</strong>e, die mit<br />
einer der Amtsspra<strong>ch</strong>en des EPA übereinstimmt, so verzi<strong>ch</strong>tet er aufgrund des<br />
Übereinkommens denno<strong>ch</strong> auf die in Artikel 65 EPÜ vorgesehenen Übersetzungserfordernisse,<br />
wenn das europäis<strong>ch</strong>e Patent entweder in der von diesem Staat benannten<br />
Amtsspra<strong>ch</strong>e des EPA (also erneut Englis<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong> oder Deuts<strong>ch</strong>) erteilt<br />
oder in diese Spra<strong>ch</strong>e übersetzt und die Übersetzung na<strong>ch</strong> Massgabe von Artikel 65<br />
EPÜ eingerei<strong>ch</strong>t worden ist (Art. 1 Abs. 2 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen). Die<br />
zuletzt angespro<strong>ch</strong>enen Staaten behalten na<strong>ch</strong> Artikel 1 Absatz 3 ledigli<strong>ch</strong> das<br />
Re<strong>ch</strong>t, eine Übersetzung der Patentansprü<strong>ch</strong>e (ni<strong>ch</strong>t aber der gesamten Patents<strong>ch</strong>rift)<br />
in eine ihrer Amtsspra<strong>ch</strong>en zu verlangen. Benennt zum Beispiel Italien die französi-<br />
3792
s<strong>ch</strong>e Verfahrensspra<strong>ch</strong>e, so kann es für den Eintritt der Wirkung von europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patenten in Englis<strong>ch</strong> oder Deuts<strong>ch</strong> eine Übersetzung der Patents<strong>ch</strong>rift auf Französis<strong>ch</strong><br />
sowie eine Übersetzung der Patentansprü<strong>ch</strong>e auf Italienis<strong>ch</strong> verlangen, vorausgesetzt<br />
natürli<strong>ch</strong>, dass Italien dem EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen beitritt.<br />
Art. 2 Übersetzungen im Fall von Streitigkeiten<br />
Vom Übereinkommen gänzli<strong>ch</strong> unberührt bleibt das Re<strong>ch</strong>t der Vertragsstaaten, den<br />
Patentinhaber im Falle von geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Streitigkeiten zu verpfli<strong>ch</strong>ten, auf eigene<br />
Kosten Übersetzungen des umstrittenen Patents in einer anerkannten Amtsspra<strong>ch</strong>e<br />
einzurei<strong>ch</strong>en (Art. 2 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen).<br />
Die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Geri<strong>ch</strong>te bleiben damit befugt, den Patentinhaber im Falle von<br />
Streitigkeiten über ein europäis<strong>ch</strong>es Patent zu verpfli<strong>ch</strong>ten, auf eigene Kosten eine<br />
vollständige Übersetzung in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e vorzulegen.<br />
Art. 6 Inkrafttreten<br />
Das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen tritt na<strong>ch</strong> Artikel 6 Absatz 1 am ersten Tag des<br />
vierten Monats na<strong>ch</strong> Hinterlegung der letzten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde<br />
von a<strong>ch</strong>t Vertragsstaaten des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens eins<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
der drei Staaten, in denen im Jahr 1999 die meisten europäis<strong>ch</strong>en Patente wirksam<br />
wurden (Deuts<strong>ch</strong>land, Vereinigtes Königrei<strong>ch</strong> und Frankrei<strong>ch</strong>) in Kraft. Bisher<br />
haben vier Staaten das Übereinkommen ratifiziert. Deuts<strong>ch</strong>land hat ein Gesetz<br />
verabs<strong>ch</strong>iedet, das die Umsetzung des Übereinkommens in die nationale Gesetzgebung<br />
drei Monate na<strong>ch</strong> dessen Inkrafttreten bewirkt (Stand 31.12.2004).<br />
3 Auswirkungen<br />
3.1 Auswirkungen auf den Bund<br />
Die Genehmigung der EPÜ-Revisionsakte und des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
hat keine personellen und finanziellen Konsequenzen für den Bund. Das revidierte<br />
EPÜ wird mehrheitli<strong>ch</strong> vom EPA vollzogen, das si<strong>ch</strong> aus Gebühreneinnahmen<br />
finanziert, sodass der Bundeshaushalt ni<strong>ch</strong>t belastet wird. Die Umsetzung des EPÜ-<br />
Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens bedeutet eine Vereinfa<strong>ch</strong>ung des Vollzugs in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Da dieser dem IGE obliegt, hat er ohnehin keine Auswirkungen auf den<br />
Bundeshaushalt, da das IGE betriebswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> autonom ist.<br />
3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden<br />
Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Kantone und die Gemeinden.<br />
3793
3.3 Auswirkungen auf die Volkswirts<strong>ch</strong>aft<br />
Notwendigkeit und Mögli<strong>ch</strong>keit staatli<strong>ch</strong>en Handelns<br />
Fragen des S<strong>ch</strong>utzes geistigen Eigentums sind in ihrem internationalen Kontext zu<br />
sehen. Die Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung von geistigen Eigentumsre<strong>ch</strong>ten<br />
wird von Privatfirmen als ein ents<strong>ch</strong>eidender Faktor des internationalen<br />
Handels angesehen. S<strong>ch</strong>weizer Unternehmen sind einem wa<strong>ch</strong>senden internationalen<br />
Wettbewerb ausgesetzt. Deshalb sind ein wirksamer Patents<strong>ch</strong>utz und klare<br />
Vors<strong>ch</strong>riften, die den konfliktfreien internationalen Handel begünstigen, S<strong>ch</strong>lüsselfaktoren<br />
für Innovation und zuglei<strong>ch</strong> eine Vorbedingung, um im internationalen<br />
Wettbewerb bestehen zu können.<br />
Innovation ist eine Hauptquelle für Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum, und das Patentsystem<br />
stellt eines der Hauptanreizinstrumente für Innovation dar. Unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e nationale<br />
Systeme von Immaterialgüterre<strong>ch</strong>ten und unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e nationale S<strong>ch</strong>utzniveaus<br />
bzw. unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keiten der Re<strong>ch</strong>tsdur<strong>ch</strong>setzung können ni<strong>ch</strong>ttarifäre<br />
Handelshemmnisse aufbauen6. Zur S<strong>ch</strong>affung eines wirksamen Patentsystems<br />
im Interesse der Wettbewerbsteilnehmer muss zudem si<strong>ch</strong>ergestellt sein, dass die<br />
re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Rahmenbedingungen auf die si<strong>ch</strong> wandelnden Anforderungen und<br />
Bedürfnisse des internationalen Handels mit der notwendigen Flexibilität angepasst<br />
werden können. Das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen ist ein wesentli<strong>ch</strong>es Instrumentarium,<br />
damit der Patents<strong>ch</strong>utz in Europa unter Berücksi<strong>ch</strong>tigung des si<strong>ch</strong><br />
dynamis<strong>ch</strong> entwickelnden wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und politis<strong>ch</strong>en Umfelds vereinheitli<strong>ch</strong>t<br />
werden kann. Somit hat die Genehmigung der EPÜ-Revisionsakte sowie des EPÜ-<br />
Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens eine hohe Bedeutung für die S<strong>ch</strong>weizer Industrie.<br />
Die Regulierungsmassnahmen bezwecken weniger, ein Marktversagen zu beheben,<br />
als vielmehr, den internationalen Re<strong>ch</strong>tsrahmen effizienter und kostengünstiger zu<br />
gestalten. Sie haben keine Auswirkungen auf den Zugang zu relevanten Te<strong>ch</strong>nologiemärkten<br />
als sol<strong>ch</strong>en, sondern verbessern das Patenterteilungsverfahren auf europäis<strong>ch</strong>er<br />
Ebene insgesamt. Bei der Revisionsvorlage handelt es si<strong>ch</strong> damit überwiegend<br />
um Massnahmen, die den S<strong>ch</strong>weizer Patentnutzern Kostenersparnisse bringen<br />
und die Effizienz des Patentsystems an si<strong>ch</strong> erhöhen.<br />
Ziel der vorgesehenen Massnahmen ist primär die re<strong>ch</strong>tzeitige Ratifizierung der<br />
EPÜ-Revisionsakte dur<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz. Eine Verfehlung dieses Ziels würde den<br />
Auss<strong>ch</strong>luss aus der Europäis<strong>ch</strong>en Patentorganisation bedeuten und somit den Auss<strong>ch</strong>luss<br />
aus einem funktionierenden europäis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tssystem mit negativen<br />
Auswirkungen auf die Integration der S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft in Europa. Beim EPÜ-<br />
Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen liegt die Notwendigkeit in der Aufwertung des Wirts<strong>ch</strong>aftsstandorts<br />
Europa gegenüber USA und Japan, wel<strong>ch</strong>e bedingt, dass die Kosten<br />
für den Innovationss<strong>ch</strong>utz gesenkt werden.<br />
Auswirkungen auf die einzelnen gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Gruppen<br />
Die Reform des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens gewährleistet dem Anmelder<br />
die zügige, effiziente und transparente Dur<strong>ch</strong>führung des Verfahrens vor dem EPA,<br />
wobei die anerkannten hohen Qualitätsstandards erhalten bleiben. Im Interesse des<br />
Anmelders sind dabei insbesondere der weitere Ausbau der Re<strong>ch</strong>tsbehelfe im Ver-<br />
6 Keith Maskus, Intellectual Property Rights in the Global Economy, Washington 2000,<br />
S. 110 ff.<br />
3794
fahren vor dem EPA und die Einführung eines zentralen Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahrens<br />
für europäis<strong>ch</strong>e Patente.<br />
Das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen ermögli<strong>ch</strong>t Nutzern des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems,<br />
Übersetzungskosten einzusparen. Das Übereinkommen bezweckt, die bisher<br />
anfallenden Übersetzungskosten für europäis<strong>ch</strong>e Patente um dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> 50 %<br />
zu senken und die si<strong>ch</strong> aus den Übersetzungskosten ergebenden Wettbewerbsna<strong>ch</strong>teile<br />
für die in der Fors<strong>ch</strong>ung tätigen Unternehmen zu reduzieren.<br />
Es wird vielfa<strong>ch</strong> kritisiert, dass das Patentsystem kleinen und mittleren Unternehmen<br />
(KMU) zu wenig Zugang gewähre, überwiegend aus Kostengründen und weil diesen<br />
Firmen oft die nötige Erfahrung und das nötige Fa<strong>ch</strong>wissen fehlen. Dies ist ni<strong>ch</strong>t<br />
zuletzt deshalb besonders bedauerli<strong>ch</strong>, da gerade bei den Firmen kleiner und mittlerer<br />
Grösse ein besonders hohes Innovationspotenzial besteht7. Die Förderung von<br />
KMUs sollte deshalb ein wesentli<strong>ch</strong>er Bestandteil einer anhaltenden Innovationspolitik<br />
sein. Die Genehmigung der EPÜ-Revisionsakte und des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
bringen namentli<strong>ch</strong> für KMUs einen finanziell und verfahrenste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong><br />
erlei<strong>ch</strong>terten Zugang zu einem effizienten S<strong>ch</strong>utzsystem für Innovationen. Dur<strong>ch</strong> die<br />
Revision werden keine zusätzli<strong>ch</strong>en Vollzugskosten bei den staatli<strong>ch</strong>en Ämtern<br />
anfallen.<br />
Mit der Ratifizierung des fakultativen Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens setzt die S<strong>ch</strong>weiz<br />
ein Signal für weitere Unterzei<strong>ch</strong>nerstaaten, ihrerseits die Spra<strong>ch</strong>enregelung in ihren<br />
nationalen Vors<strong>ch</strong>riften umzusetzen und das Übereinkommen zu ratifizieren. Damit<br />
wird die Integration auf dem Gebiete des Patentre<strong>ch</strong>ts im Interesse seiner Nutzer um<br />
einen weiteren S<strong>ch</strong>ritt vorangetrieben. Im Idealfall wird ein Anmelder in Zukunft<br />
hö<strong>ch</strong>stens zwei Übersetzungen der Bes<strong>ch</strong>reibung anfertigen müssen, um S<strong>ch</strong>utz in<br />
ganz Europa zu erlangen. Nur die Patentansprü<strong>ch</strong>e sind no<strong>ch</strong> in alle Amtsspra<strong>ch</strong>en<br />
zu übersetzen.<br />
Auswirkungen auf die Gesamtwirts<strong>ch</strong>aft<br />
Regulierungsmassnahmen im Patentre<strong>ch</strong>t haben als Ziel die Förderung von Fors<strong>ch</strong>ungstätigkeit<br />
und Innovation. Der Sinn und Zweck des Patentre<strong>ch</strong>ts ist die S<strong>ch</strong>affung<br />
von Anreizen in Fors<strong>ch</strong>ungs- und Entwicklungsinvestitionen und dient somit<br />
der Erhöhung des Innovationsaufkommens. Innovationen s<strong>ch</strong>affen Arbeitsplätze,<br />
fördern höheres Wa<strong>ch</strong>stum und tragen zu einer grösseren Attraktivität des Wirts<strong>ch</strong>aftsstandortes<br />
S<strong>ch</strong>weiz bei. Die ökonomis<strong>ch</strong>en Auswirkungen einzelner Regulierungsmassnahmen<br />
im Patentre<strong>ch</strong>t lassen si<strong>ch</strong> kaum konkret messen, insbesondere<br />
weil Innovation und Patents<strong>ch</strong>utz ni<strong>ch</strong>t als Glieder in einer linearen Kausalkette zu<br />
verstehen sind, sondern einem interaktiven Gefle<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>iedenster Faktoren8 des<br />
Innovationsprozesses unterliegen.<br />
Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Vorlage auf die Gesamtwirts<strong>ch</strong>aft ist zu<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen, dass es si<strong>ch</strong> bei dem Massnahmenkatalog überwiegend um Massnahmen<br />
der Feinregulierung handelt, die versu<strong>ch</strong>en, ein bestehendes und gut funktionierendes<br />
europäis<strong>ch</strong>es Patentsystem zu verbessern bzw. dieses behutsam zu<br />
7 Gemessen als Patentintensität, d.h. Anzahl Patente pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in<br />
Fors<strong>ch</strong>ung und Entwicklung, vgl. Resear<strong>ch</strong> and Patenting in Biote<strong>ch</strong>nology, A Survey in<br />
Switzerland, Bern 2003, S. 20.<br />
8 Vgl. das Modell von Stepen Kline / Nathan Rosenberg, An Overview of Innovation,<br />
Washington 1986, S. 275–305.<br />
3795
modernisieren und den aktuellen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en und re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Entwicklungen auf<br />
europäis<strong>ch</strong>er Ebene anzupassen.<br />
Die Reduzierung der Kosten des Systems verbessert insbesondere die Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
der Teilnahme von mehr kleinen und mittleren Unternehmen am Patentsystem und<br />
fördert insofern au<strong>ch</strong> den Innovationswettbewerb.<br />
Insgesamt ist zu erwarten, dass ein kostengünstigeres Patentsystem, das fest in einen<br />
europäis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tsrahmen eingebunden ist, zur Standortattraktivität der S<strong>ch</strong>weiz<br />
beiträgt.<br />
3.4 Andere Auswirkungen<br />
Alternative Regelungen<br />
Wird von der Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte abgesehen, so tritt das Europäis<strong>ch</strong>e<br />
Patentübereinkommen für die S<strong>ch</strong>weiz ausser Kraft. Um in der S<strong>ch</strong>weiz Patents<strong>ch</strong>utz<br />
für Erfindungen zu erlangen, steht dann nur no<strong>ch</strong> das nationale Erteilungsverfahren<br />
zur Verfügung. Vergli<strong>ch</strong>en mit dem Verfahren zur Erteilung europäis<strong>ch</strong>er<br />
Patente ist das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Erteilungsverfahren rudimentär. Während alle Erteilungsvoraussetzungen<br />
eins<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> der Neuheit und der erfinderis<strong>ch</strong>en Tätigkeit<br />
Gegenstand der Prüfung dur<strong>ch</strong> das Europäis<strong>ch</strong>e Patentamt sind (sog. volle Prüfung),<br />
prüft das IGE bei nationalen Patentgesu<strong>ch</strong>en aufgrund ausdrückli<strong>ch</strong>er Gesetzesvors<strong>ch</strong>rift<br />
(Art. 59 Abs. 4 PatG) ni<strong>ch</strong>t, ob eine Erfindung neu ist und ob sie si<strong>ch</strong> in<br />
naheliegender Weise aus dem Stand der Te<strong>ch</strong>nik ergibt. Die Prüfung bes<strong>ch</strong>ränkt si<strong>ch</strong><br />
demna<strong>ch</strong> im Wesentli<strong>ch</strong>en auf die folgenden Punkte: das Vorliegen einer Erfindung,<br />
das Fehlen eines Patentierungsauss<strong>ch</strong>lusses, die gewerbli<strong>ch</strong>e Anwendbarkeit, die<br />
Klarheit der Ansprü<strong>ch</strong>e und die hinrei<strong>ch</strong>ende Offenbarung. Die Einführung einer<br />
vollen Prüfung na<strong>ch</strong> einem Ausserkrafttreten des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz hätte zur Folge, dass die Erlangung eines S<strong>ch</strong>weizer Patents<br />
teurer würde als diejenige eines europäis<strong>ch</strong>en Patents; sie ist daher unrealistis<strong>ch</strong>.<br />
Zweckmässigkeit im Vollzug<br />
Die vorges<strong>ch</strong>lagenen Anpassungen des bestehenden Re<strong>ch</strong>tsrahmens bringen mehr<br />
Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit und ermögli<strong>ch</strong>en einen unkomplizierten und antizipierbaren Vollzug.<br />
Insbesondere die Konkretisierung des S<strong>ch</strong>utzes medizinis<strong>ch</strong>er Indikationen<br />
s<strong>ch</strong>afft klare Rahmenbedingungen für den Re<strong>ch</strong>tsvollzug. Die EPÜ-Revisionsakte<br />
sowie das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen haben als Kernanliegen die Vereinfa<strong>ch</strong>ung<br />
des europäis<strong>ch</strong>en Erteilungsverfahrens, die Erhöhung der Transparenz und den<br />
Ausbau der Re<strong>ch</strong>tsmittel im Verfahren. Mit den zur Ratifizierung der Übereinkommen<br />
notwendigen Änderungen des Patentgesetzes wird der Vollzug dur<strong>ch</strong> das IGE<br />
und die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Geri<strong>ch</strong>te optimiert.<br />
4 Verhältnis zur Legislaturplanung<br />
Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 2003–2007 als Ri<strong>ch</strong>tlinienges<strong>ch</strong>äft angekündigt<br />
(BBl 2004 1162, 1192).<br />
3796
5 Änderung des Patentgesetzes<br />
5.1 Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung<br />
der EPÜ-Revisionsakte<br />
5.1.1 Die beantragte Neuregelung<br />
Änderungen des Patentgesetzes zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte sind in<br />
erster Linie im Hinblick auf die Verankerung des S<strong>ch</strong>utzes der zweiten und weiterer<br />
medizinis<strong>ch</strong>en Indikationen und auf die Einführung eines Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und<br />
Widerrufsverfahrens notwendig. Die letztgenannten Verfahren ma<strong>ch</strong>en Anpassungen<br />
in Bezug auf den Teilverzi<strong>ch</strong>t, auf die Wirkung einer Änderung im Bestand<br />
eines nationalen bzw. europäis<strong>ch</strong>en Patents, auf die Einrei<strong>ch</strong>ung von Übersetzungen<br />
sowie auf das Verhältnis nationaler zu europäis<strong>ch</strong>en Verfahren erforderli<strong>ch</strong>. Siehe<br />
Ziffer 5.3.1.<br />
5.1.2 Begründung und Bewertung der vorges<strong>ch</strong>lagenen<br />
Lösung<br />
Die Änderungen des Patentgesetzes führen eine Übereinstimmung mit der EPÜ-<br />
Revisionsakte herbei, um deren Genehmigung zu ermögli<strong>ch</strong>en. Sie wurden in beiden<br />
Vernehmlassungen insgesamt positiv aufgenommen.<br />
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Patents<strong>ch</strong>utz für neue medizinis<strong>ch</strong>e<br />
Indikationen bekannter <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Stoffe in der zweiten Vernehmlassung teilweise<br />
auf Ablehnung stiess (Ziff. 1.1.6). Dieser S<strong>ch</strong>utz wird dur<strong>ch</strong> eine besondere Auslegung<br />
der Patentierungsvoraussetzung der Neuheit errei<strong>ch</strong>t und s<strong>ch</strong>afft einen Ausglei<strong>ch</strong><br />
für den Auss<strong>ch</strong>luss von Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik,<br />
die am mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en oder tieris<strong>ch</strong>en Körper angewendet werden (dazu Ziff. 5.3.1).<br />
Der Patents<strong>ch</strong>utz für die erste medizinis<strong>ch</strong>e Indikation ist seit 30 Jahren im Patentre<strong>ch</strong>t<br />
gesetzli<strong>ch</strong> verankert (siehe Art. 7c PatG, in Kraft seit 1. Jan. 19789, sowie<br />
Art. 54 Abs. 4 EPÜ), für die weiteren medizinis<strong>ch</strong>en Indikationen ergibt er si<strong>ch</strong> aus<br />
einer gefestigten Re<strong>ch</strong>tspraxis (dazu Ziff. 5.3.1). Der in der Vernehmlassung gewüns<strong>ch</strong>ten<br />
Strei<strong>ch</strong>ung konnte s<strong>ch</strong>on aufgrund dieser Umstände, aber au<strong>ch</strong> wegen der<br />
Verunmögli<strong>ch</strong>ung einer Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte ni<strong>ch</strong>t entspro<strong>ch</strong>en<br />
werden. Den zu Artikel 7d E-PatG geäusserten Bedenken wurde indessen mit einer<br />
Überarbeitung des Wortlauts der Bestimmung Re<strong>ch</strong>nung getragen. Dieser entspri<strong>ch</strong>t<br />
besser der mehrheitli<strong>ch</strong> verfolgten Absi<strong>ch</strong>t der Vertragsstaaten, mit Artikel 54<br />
Absatz 5 revEPÜ eine Kodifizierung der geltenden Re<strong>ch</strong>tspraxis herbeizuführen, die<br />
eine unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Behandlung von Erfindungen der ersten und von weiteren<br />
Indikationen hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> des Umfangs der gewährbaren Patentansprü<strong>ch</strong>e vorsieht.<br />
Weitere Änderungsvors<strong>ch</strong>läge in der Vernehmlassung betrafen die Auswirkungen<br />
der ursprüngli<strong>ch</strong>en Ni<strong>ch</strong>tigkeit eines lizenzierten S<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>ts. Einige Vernehmlassungsteilnehmer<br />
wüns<strong>ch</strong>ten die Aufnahme einer Bestimmung, der zufolge die Ni<strong>ch</strong>tigerklärung<br />
eines erteilten Patents dem Lizenznehmer das Re<strong>ch</strong>t gibt, den Lizenzvertrag<br />
mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Dem Ansinnen konnte ni<strong>ch</strong>t<br />
entspro<strong>ch</strong>en werden. Zwar ist zuzugeben, dass im Interesse der Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit eine<br />
gesetzli<strong>ch</strong>e Klärung wüns<strong>ch</strong>bar ist. Auf der anderen Seite wird dieses Ziel dur<strong>ch</strong> die<br />
9 AS 1977 1997<br />
3797
in den Vernehmlassungsantworten vorges<strong>ch</strong>lagene Regelung ni<strong>ch</strong>t ganz errei<strong>ch</strong>t<br />
(Ziff. 5.3.1). S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> bedeutete die Aufnahme dieser Thematik eine Ausweitung<br />
der mit dieser Vorlage unterbreiteten Materie, die angesi<strong>ch</strong>ts des fehlenden unmittelbaren<br />
Zusammenhangs und der zeitli<strong>ch</strong>en Dringli<strong>ch</strong>keit der Vorlage problematis<strong>ch</strong><br />
ers<strong>ch</strong>eint.<br />
5.1.3 Umsetzung<br />
Die vorges<strong>ch</strong>lagenen Änderungen erfordern nur geringfügige Anpassungen der<br />
Verordnung und haben keine nennenswerten Auswirkungen auf den heutigen Vollzug<br />
des Patentgesetzes dur<strong>ch</strong> das IGE und die Geri<strong>ch</strong>te. Aufgrund des zentralen<br />
Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahrens vor dem EPA dürfte die Zahl der Teilverzi<strong>ch</strong>tsverfahren<br />
na<strong>ch</strong> Artikel 24 PatG rückläufig sein.<br />
5.2 Grundzüge der Änderung zur Ratifizierung<br />
des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
5.2.1 Die beantragte Neuregelung<br />
Zur Ratifizierung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens wird vorges<strong>ch</strong>lagen, die<br />
Artikel 112–116 PatG als unmittelbare Folge der Verpfli<strong>ch</strong>tungen aus dem Übereinkommen<br />
aufzuheben. Siehe Ziffer 5.3.2.<br />
Das Übersetzungserfordernis soll jedo<strong>ch</strong> zeitglei<strong>ch</strong> mit Inkrafttreten des EPÜ-<br />
Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens (dazu Ziff. 2.2) für die S<strong>ch</strong>weiz entfallen, damit die<br />
S<strong>ch</strong>weiz keine einseitige Vorleistung erbringt. Der Bundesrat wird daher gestützt auf<br />
die beantragte Ermä<strong>ch</strong>tigung, den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen, die<br />
Artikel 112–116 PatG erst mit dem Inkrafttreten des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
aufheben und die Übergangsbestimmung (Art. 148 E-PatG) auf diesen Zeitpunkt in<br />
Kraft setzen.<br />
Auf diese Weise wird den Bedenken von Teilen der Fa<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tskreise Re<strong>ch</strong>nung<br />
getragen. Diese befür<strong>ch</strong>teten bei einer sofortigen Aufhebung des Übersetzungserfordernisses<br />
eine einseitige Bena<strong>ch</strong>teiligung der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft, solange<br />
die übrigen Signatarstaaten das EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t umgesetzt<br />
hätten.<br />
5.2.2 Begründung und Bewertung der vorges<strong>ch</strong>lagenen<br />
Lösung<br />
Die Senkung der Kostenhürde des europäis<strong>ch</strong>en Erteilungsverfahrens dur<strong>ch</strong> das<br />
EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen und die hierzu erforderli<strong>ch</strong>en Gesetzesanpassungen<br />
wurden in der Vernehmlassung generell positiv gewürdigt.<br />
Vereinzelt regten die Vernehmlassungsteilnehmer an, Englis<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> als Spra<strong>ch</strong>e für<br />
die Einrei<strong>ch</strong>ung nationaler Patentgesu<strong>ch</strong>e zuzulassen. Dies entspre<strong>ch</strong>e einem lang<br />
bestehenden Bedürfnis von Industrie und Anwalts<strong>ch</strong>aft und wirke einer dur<strong>ch</strong> die<br />
Ratifizierung des EPÜ Spra<strong>ch</strong>enprotokolls begründeten Re<strong>ch</strong>tsunglei<strong>ch</strong>heit zwis<strong>ch</strong>en<br />
nationalen Patentgesu<strong>ch</strong>en und europäis<strong>ch</strong>en Patentanmeldungen entgegen.<br />
3798
Englis<strong>ch</strong> sei heute der faktis<strong>ch</strong>e Standard in fast allen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Gebieten und die<br />
aufwendigen Übersetzungen trügen mehr zur Unsi<strong>ch</strong>erheit bei, als sie die Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit<br />
erhöhten. Soweit dieses Anliegen ledigli<strong>ch</strong> auf die Zuerkennung eines<br />
Anmeldedatums für ein Patentgesu<strong>ch</strong> in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e zielt, ist es im Rahmen<br />
der Umsetzung des Patentre<strong>ch</strong>tsvertrags (Patent Law Treaty, PLT) vom 1. Juni<br />
2000, namentli<strong>ch</strong> von dessen Artikel 5, zu prüfen, der die Voraussetzungen für die<br />
Zuerkennung des Anmeldedatums harmonisiert. Insofern der Wuns<strong>ch</strong> eines nationalen<br />
S<strong>ch</strong>utztitels in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e besteht, ist diesem entgegenzuhalten, dass die<br />
Anstellung der für das Erteilungsverfahren benötigten Fa<strong>ch</strong>kräfte eine Verteuerung<br />
der S<strong>ch</strong>utztitel zur Folge hätte, die unverhältnismässig wäre. Das Anliegen wird<br />
daher ni<strong>ch</strong>t weiterverfolgt.<br />
5.2.3 Umsetzung<br />
Die vorges<strong>ch</strong>lagenen Änderungen erfordern nur geringfügige Anpassungen der<br />
Verordnung und haben keine nennenswerten Auswirkungen auf den heutigen Vollzug<br />
des Patentgesetzes dur<strong>ch</strong> das IGE und die Geri<strong>ch</strong>te.<br />
5.3 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln<br />
5.3.1 Änderungen zur Ratifizierung<br />
der EPÜ-Revisionsakte<br />
Art. 7c und 7d Neue Verwendung bekannter Stoffe<br />
Mit dem Ziel, Ärztinnen und Ärzte in der Ausübung ihrer Berufstätigkeit ni<strong>ch</strong>t zu<br />
beeinträ<strong>ch</strong>tigen, s<strong>ch</strong>liesst das Patentgesetz in Artikel 2 Absatz 2 (entspre<strong>ch</strong>end<br />
Art. 53 Bst. c revEPÜ) Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik, die am<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en oder tieris<strong>ch</strong>en Körper angewendet werden, von der Patentierung aus.<br />
Um diesen extensiven Auss<strong>ch</strong>luss wenigstens teilweise zu kompensieren, wurde<br />
Artikel 7c PatG als nationales Gegenstück zur Regelung von Artikel 54 Absatz 5<br />
EPÜ bzw. Artikel 54 Absatz 4 revEPÜ ins Patentgesetz aufgenommen. Die mit<br />
dieser Norm verankerte Auslegung der Patentvoraussetzung der Neuheit erlaubt es,<br />
Stoffe oder Stoffgemis<strong>ch</strong>e als patentierbar zu qualifizieren, die zwar als sol<strong>ch</strong>e<br />
s<strong>ch</strong>on bekannt sind, aber mit Bezug auf deren Anwendung in einem Verfahren na<strong>ch</strong><br />
Artikel 2 Absatz 2 PatG neu sind. Der Erfinder muss aber in der Lage sein, die<br />
Substanz mit der neuen Anwendung in den Ansprü<strong>ch</strong>en zu definieren, und zwar in<br />
Form eines zweckgebundenen Stoffs<strong>ch</strong>utzes. Der Anwendungsberei<strong>ch</strong> dieses Artikels<br />
ist regelmässig auf die erste therapeutis<strong>ch</strong>e Anwendung eines Stoffes oder<br />
Stoffgemis<strong>ch</strong>es bes<strong>ch</strong>ränkt, da eine weitere Anwendung auf dem Gebiet der Therapie<br />
oder Diagnostik die Neuheit oft ni<strong>ch</strong>t mehr für si<strong>ch</strong> beanspru<strong>ch</strong>en kann10. Die<br />
Praxis lässt jedo<strong>ch</strong> die Patentierung von weiteren Anwendungen bes<strong>ch</strong>ränkt auf<br />
einen zweckgebundenen Stoffs<strong>ch</strong>utz in der äquivalenten Form eines «Verfahrens zur<br />
Herstellung eines Arzneimittels gegen …» (sog. s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Anspru<strong>ch</strong>sform) zu.<br />
10 Bots<strong>ch</strong>aft 1976, BBl 1976 II 1, 71.<br />
3799
In Anpassung an Artikel 54 Absatz 5 revEPÜ (vgl. Ziff. 2.1.2) wird mit Artikel 7d<br />
die gesetzli<strong>ch</strong>e Grundlage für den S<strong>ch</strong>utz weiterer medizinis<strong>ch</strong>er Indikationen im<br />
Patentgesetz ges<strong>ch</strong>affen. Damit wird die bisherige Praxis kodifiziert und die Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />
über die S<strong>ch</strong>utzwirkung der so genannten «s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Anspru<strong>ch</strong>sform»<br />
beseitigt.<br />
Art. 17 Voraussetzungen und Wirkung der Priorität<br />
In Anglei<strong>ch</strong>ung an Artikel 87 Absatz 1 revEPÜ wird Artikel 17 Absatz 1 PatG<br />
dahingehend klargestellt, dass eine Anmeldung in einem (oder mit Wirkung für ein)<br />
Mitgliedstaat der Welthandelsorganisation (WTO) in Bezug auf die Anerkennung<br />
von Prioritätsre<strong>ch</strong>ten dieselbe Wirkung hat wie eine Anmeldung in einem (oder mit<br />
Wirkung für ein) Land, für das die Pariser Verbandsübereinkunft gilt. Aufgrund der<br />
Artikel 2 Absatz 1 sowie 3 und 4 des TRIPS-Abkommens ist die S<strong>ch</strong>weiz heute<br />
s<strong>ch</strong>on verpfli<strong>ch</strong>tet, das Prioritätsre<strong>ch</strong>t allen Mitgliedstaaten der WTO einzuräumen11.<br />
Im Rahmen der Gesetzesanpassungen an das GATT/WTO-Übereinkommen<br />
wurden auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> jene Änderungen vorges<strong>ch</strong>lagen, die zur Ratifizierung des<br />
Übereinkommens unerlässli<strong>ch</strong> waren. Aus diesen Gründen sah man damals von<br />
einer Revision des Artikels 17 PatG ab. Zur Klarstellung und im Hinblick auf eine<br />
bessere Verständli<strong>ch</strong>keit des Gesetzes wird nunmehr Artikel 17 Absatz 1 PatG im<br />
erläuterten Sinn präzisiert.<br />
Art. 24 Teilverzi<strong>ch</strong>t<br />
Artikel 24 Absatz 2 PatG ermögli<strong>ch</strong>t dem Patentinhaber, Fehlbeurteilungen bei der<br />
Abfassung der Patentansprü<strong>ch</strong>e innert einer bes<strong>ch</strong>ränkten Frist wiedergutzuma<strong>ch</strong>en.<br />
Sobald ein Patentanspru<strong>ch</strong> auf anderem Weg als dur<strong>ch</strong> Aufhebung eines Anspru<strong>ch</strong>s<br />
oder dur<strong>ch</strong> Zusammenlegung eines unabhängigen Patentanspru<strong>ch</strong>s mit einem oder<br />
mehreren von ihm abhängigen Ansprü<strong>ch</strong>en (Art. 24 Abs. 1 Bst. a und b PatG) einges<strong>ch</strong>ränkt<br />
werden soll, ist der Patentinhaber an zwei Voraussetzungen gebunden.<br />
Erstens darf er eine sol<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ränkung nur einmal dur<strong>ch</strong>führen, und zweitens ist<br />
eine sol<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Ablauf von vier Jahren seit der Patenterteilung ausges<strong>ch</strong>lossen.<br />
Dagegen lässt das im EPÜ neu eingeführte Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren (vgl. hierzu die<br />
Ausführungen zu Art. 105a–105c revEPÜ, Ziff. 2.1.3) einen Antrag auf Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
des europäis<strong>ch</strong>en Patents jederzeit, d.h. ohne zeitli<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ränkung zu. Eine<br />
Beibehaltung der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Sonderregel in Absatz 2 ist daher ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
zweckmässig. Zwar kann der Standpunkt vertreten werden, dass ein Teilverzi<strong>ch</strong>t im<br />
Zusammenhang mit einem nationalen Patent oder einem für die S<strong>ch</strong>weiz Wirkung<br />
entfaltenden europäis<strong>ch</strong>en Patent au<strong>ch</strong> mit einem zentralisierten Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren<br />
mögli<strong>ch</strong> sein wird und daher ohne weiteres beibehalten werden könnte, do<strong>ch</strong><br />
ist die Umgehungsmögli<strong>ch</strong>keit mit Bezug auf europäis<strong>ch</strong>e Patente bei einer unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />
Regelung auf nationaler und auf europäis<strong>ch</strong>er Ebene offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Im<br />
Weiteren würden Inhaber von nationalen Patenten und sol<strong>ch</strong>e von europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patenten unglei<strong>ch</strong> behandelt. Absatz 2 von Artikel 24 PatG ist daher aufzuheben.<br />
11 Vgl. Bots<strong>ch</strong>aft vom 19. Sept. 1994 zur Genehmigung der GATT/WTO-Übereinkommen<br />
(Uruguay-Runde; GATT-Bots<strong>ch</strong>aft 1); BBl 1994 IV 1; Ziff. 2.4.4.2 und 2.4.8.1.<br />
3800
Art. 28a Wirkung der Änderung im Bestand des Patents<br />
Artikel 28a E-PatG stellt klar, dass na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>e Änderungen im Bestand des<br />
Patents Wirkung ex tunc, d.h. von Anfang an, haben. Dies gilt ni<strong>ch</strong>t nur für eine<br />
vom Ri<strong>ch</strong>ter festgestellte Ni<strong>ch</strong>tigkeit oder Teilni<strong>ch</strong>tigkeit, sondern au<strong>ch</strong> für den vom<br />
Patentinhaber beantragten Teilverzi<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Artikel 24 PatG. Mit der Einführung<br />
dieses Artikels wird einerseits die bundesgeri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung in Bezug auf<br />
Ni<strong>ch</strong>tigkeitsents<strong>ch</strong>eide kodifiziert, andererseits eine Anglei<strong>ch</strong>ung der Wirkung eines<br />
Teilverzi<strong>ch</strong>ts vor dem IGE an die Wirkung eines vor dem EPA bes<strong>ch</strong>ränkten oder<br />
widerrufenen Patents vorgenommen. Na<strong>ch</strong> Artikel 68 revEPÜ treten die Wirkungen<br />
der Ents<strong>ch</strong>eidung einer Bes<strong>ch</strong>ränkung oder eines Widerrufs eines europäis<strong>ch</strong>en<br />
Patents mit deren Veröffentli<strong>ch</strong>ung rückwirkend für alle benannten Vertragsstaaten<br />
ein. Mit Bezug auf den s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Teilverzi<strong>ch</strong>t bedeutet dies eine Abkehr von<br />
der bisherigen Re<strong>ch</strong>tspraxis, wel<strong>ch</strong>e die Wirkungen erst im Zeitpunkt des re<strong>ch</strong>tskräftigen<br />
Urteils hat eintreten lassen (Wirkung ex nunc). Die Wirkung ex tunc eines<br />
Teilverzi<strong>ch</strong>ts na<strong>ch</strong> Artikel 24 PatG wird dessen Sinn und Zweck besser gere<strong>ch</strong>t.<br />
Dur<strong>ch</strong> die freiwillig herbeigeführte Eins<strong>ch</strong>ränkung kann ein Patent, das wegen einer<br />
Fehlbeurteilung bei der Abfassung der Patentansprü<strong>ch</strong>e von Anfang an ni<strong>ch</strong>t in<br />
vollem Umfang re<strong>ch</strong>tsbeständig war, aufre<strong>ch</strong>t erhalten bleiben. Die Anglei<strong>ch</strong>ung an<br />
Artikel 68 revEPÜ vermeidet zudem, dass in Abhängigkeit vom gewählten Verfahren<br />
(national oder europäis<strong>ch</strong>) S<strong>ch</strong>utztitel mit zeitli<strong>ch</strong> divergierendem Geltungsberei<strong>ch</strong><br />
resultieren.<br />
Eine Regelung, wona<strong>ch</strong> der Patentinhaber au<strong>ch</strong> mit Wirkung ex nunc auf Patentansprü<strong>ch</strong>e<br />
verzi<strong>ch</strong>ten kann, ers<strong>ch</strong>eint aufgrund der Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung des Bundesgeri<strong>ch</strong>ts<br />
zu den Folgen der Ni<strong>ch</strong>tigkeit eines Immaterialgüterre<strong>ch</strong>ts ni<strong>ch</strong>t erforderli<strong>ch</strong>.<br />
Bere<strong>ch</strong>tigte Forderungen, basierend auf demjenigen Teil des Patents, auf den verzi<strong>ch</strong>tet<br />
worden ist, können au<strong>ch</strong> bei einem ex tunc wirkenden Teilverzi<strong>ch</strong>t geltend<br />
gema<strong>ch</strong>t werden. 12 Ob ein Teilverzi<strong>ch</strong>t zulässig war, kann ein Geri<strong>ch</strong>t sodann im<br />
Rahmen einer späteren Ni<strong>ch</strong>tigkeits- oder Verletzungsklage überprüfen und den<br />
Teilverzi<strong>ch</strong>t gegebenenfalls als unwirksam behandeln. 13 Im Interesse der Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit<br />
wird deshalb mit Artikel 28a E-PatG festgehalten, dass au<strong>ch</strong> ein Teilverzi<strong>ch</strong>t<br />
vor dem Institut Wirkung ex tunc entfaltet.<br />
In Bezug auf die Rückwirkung einer ri<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong> festgestellten Ni<strong>ch</strong>tigkeit eines<br />
Patents oder eines Verzi<strong>ch</strong>ts stellt si<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> dem Einfluss auf bereits<br />
bezahlte Jahresgebühren oder Lizenzgebühren. Jahresgebühren werden au<strong>ch</strong> beim<br />
Wegfall eines Patents mit rückwirkender Kraft ni<strong>ch</strong>t zurückbezahlt, denn ein im<br />
Zeitpunkt der Zahlung vorhandener Re<strong>ch</strong>tsgrund wird ni<strong>ch</strong>t rückwirkend beseitigt.<br />
Mit Bezug auf Lizenzverträge findet jedo<strong>ch</strong> eine differenzierte Lösung Anwendung:<br />
Na<strong>ch</strong> bundesgeri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung14 bildet das Bestehen des Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utzes<br />
regelmässig eine Grundlage des Lizenzvertrags. Erweist si<strong>ch</strong> das dem Lizenznehmer<br />
zur Verfügung gestellte Re<strong>ch</strong>t als ungültig, so fällt na<strong>ch</strong> herrs<strong>ch</strong>ender Ansi<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong><br />
der Lizenzvertrag dahin. Darüber, wie dieses Ergebnis re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zu begründen ist,<br />
finden si<strong>ch</strong> in Lehre und Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung vers<strong>ch</strong>iedene Lösungsansätze. So wird<br />
mehrheitli<strong>ch</strong> die Auffassung vertreten, die Ungültigkeit des S<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>ts führe dazu,<br />
dass die Leistung des Lizenzgebers objektiv unmögli<strong>ch</strong>, der Vertrag mithin na<strong>ch</strong><br />
Artikel 20 OR ni<strong>ch</strong>tig sei. Eine andere Ansi<strong>ch</strong>t geht dahin, dass der Lizenznehmer<br />
12 BGE 116 II 195 f.<br />
13 Vgl. ZH HG 4.6.1973, SMI 1974, 93.<br />
14 BGE 85 II 38; vgl. au<strong>ch</strong> BGE 116 II 191.<br />
3801
si<strong>ch</strong> auf einen Grundlagenirrtum berufen könne (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Denkbar<br />
ist au<strong>ch</strong> die Auflösung des Lizenzvertrages aus wi<strong>ch</strong>tigem Grund, wie es das Gesetz<br />
für andere Dauers<strong>ch</strong>uldverhältnisse vorsieht. 15 Die Beseitigung der Re<strong>ch</strong>tsunsi<strong>ch</strong>erheit<br />
betreffend die Re<strong>ch</strong>tsgrundlage für das Dahinfallen des Lizenzvertrages kann<br />
jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Gegenstand dieser Vorlage sein, wel<strong>ch</strong>e die erforderli<strong>ch</strong>en Änderungen<br />
des Patentgesetzes zur Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte bezweckt. Dies würde<br />
im Interesse der Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit vielmehr eine s<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tsübergreifende, allgemein<br />
gültige Regelung erfordern.<br />
Na<strong>ch</strong> gefestigter bundesgeri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Auffassung ist dem Umstand Re<strong>ch</strong>nung zu<br />
tragen, dass ein registriertes S<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>t trotz seiner Ni<strong>ch</strong>tigkeit zufolge seiner<br />
S<strong>ch</strong>einexistenz tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Wirkungen entfalten, die Konkurrenz blockieren und<br />
dem Lizenznehmer während einer bestimmten Zeit zum glei<strong>ch</strong>en Wettbewerbsvorsprung<br />
wie ein gültiges Re<strong>ch</strong>t verhelfen kann; eine vollständige Rückabwicklung<br />
des Vertrages wird si<strong>ch</strong> deshalb oft ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>tfertigen. 16 Die Rückerstattung der<br />
ohne Re<strong>ch</strong>tsgrund eingenommenen Lizenzgebühren erfolgt daher in der Regel ni<strong>ch</strong>t<br />
in ihrer Gesamtheit. Der Lizenzzahlungspfli<strong>ch</strong>t ist jedo<strong>ch</strong> spätestens dann die<br />
Grundlage entzogen, wenn die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Auswirkungen des S<strong>ch</strong>einre<strong>ch</strong>ts weggefallen<br />
sind, so wenn dieses formell ni<strong>ch</strong>tig erklärt worden ist oder von den Wettbewerbsteilnehmern<br />
allgemein ni<strong>ch</strong>t mehr bea<strong>ch</strong>tet wird. 17<br />
Art. 46a Weiterbehandlung<br />
Als Konsequenz der Aufhebung von Artikel 24 Absatz 2 PatG wird im Katalog der<br />
von der Weiterbehandlung ausgenommenen Fristen in Artikel 46a Absatz 4 PatG<br />
der Bu<strong>ch</strong>stabe e gestri<strong>ch</strong>en.<br />
Art. 110a Änderungen im Bestand des Patents<br />
Na<strong>ch</strong> Artikel 110 PatG sind die europäis<strong>ch</strong>e Patentanmeldung und das europäis<strong>ch</strong>e<br />
Patent in ihrer Wirkung nationalen Patentgesu<strong>ch</strong>en und Patenten glei<strong>ch</strong>zustellen<br />
(vgl. Art. 66 bzw. Art. 2 Abs. 2 EPÜ). Da die Wirkungen in Zusammenhang mit<br />
dem Einspru<strong>ch</strong>sverfahren und der Einführung des zentralen Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und<br />
Widerrufsverfahrens auf Antrag des Patentinhabers beim EPA im EPÜ analog sind<br />
(vgl. Art. 105b Abs. 3 revEPÜ), wird mit Artikel 110a E-PatG ein entspre<strong>ch</strong>ender<br />
Grundsatz für die Änderung im Bestand des europäis<strong>ch</strong>en Patents im Patentgesetz<br />
festgehalten.<br />
Art. 113 Vorbehalt von Übersetzungen<br />
Das mit den Artikeln 105a–105c revEPÜ neu eingeführte zentrale Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahren<br />
erfordert eine entspre<strong>ch</strong>ende Ergänzung von Artikel 113 Absatz 2 PatG.<br />
Im Falle des Bes<strong>ch</strong>ränkungsverfahrens wird die Frist für die Einrei<strong>ch</strong>ung der Übersetzung<br />
der Patents<strong>ch</strong>rift mit Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Hinweises auf die Patentbes<strong>ch</strong>ränkung<br />
im Europäis<strong>ch</strong>en Patentblatt ausgelöst.<br />
15 BGE 116 II 191, E. 3a.<br />
16 BGE 85 II 38, E. 6a und b; BGE 116 II 191, E. 3a und b.<br />
17 BGE 116 II 191, E3a.<br />
3802
Art. 121 Umwandlungsgründe<br />
Im Na<strong>ch</strong>gang zur Strei<strong>ch</strong>ung von Artikel 162 EPÜ sieht Artikel 135 Absatz 1 Bu<strong>ch</strong>stabe<br />
a revEPÜ nur no<strong>ch</strong> einen Fall der Zurücknahme der europäis<strong>ch</strong>en Anmeldung<br />
vor. Der Verweis in Artikel 121 Bu<strong>ch</strong>stabe a PatG entfällt deshalb. Artikel 121<br />
Absatz 1 Bu<strong>ch</strong>stabe c PatG beinhaltet einen weiteren Verweis, der na<strong>ch</strong> der Aufhebung<br />
des bisherigen Artikels 54 Absatz 4 EPÜ einer entspre<strong>ch</strong>enden Anpassung<br />
bedarf.<br />
Art. 127 und 128 Bes<strong>ch</strong>ränkung des Teilverzi<strong>ch</strong>ts und Aussetzen des Verfahrens<br />
Artikel 110 PatG hält fest, dass europäis<strong>ch</strong>e Patente na<strong>ch</strong> ihrer Erteilung in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz grundsätzli<strong>ch</strong> dieselben Wirkungen entfalten wie ein nationales Patent (vgl.<br />
Art. 2 Abs. 2 EPÜ). Dies wiederum hat zur Folge, dass der Patentinhaber von der<br />
re<strong>ch</strong>tswirksamen Erteilung des Patents an die ihm na<strong>ch</strong> Gesetz zustehenden Ansprü<strong>ch</strong>e<br />
auf dem Klageweg dur<strong>ch</strong>setzen kann (Art. 66 ff. PatG) und Dritte gegen ihn die<br />
Klage auf Ni<strong>ch</strong>tigerklärung des europäis<strong>ch</strong>en Patents erheben können (Art. 26<br />
PatG). Weiter kann der Patentinhaber na<strong>ch</strong> diesem Zeitpunkt unter gewissen Voraussetzungen<br />
auf entspre<strong>ch</strong>enden Antrag beim IGE hin ganz oder teilweise auf sein<br />
Patent verzi<strong>ch</strong>ten.<br />
S<strong>ch</strong>on im Zeitpunkt der Einführung von Artikel 128 PatG stellte si<strong>ch</strong> im Zusammenhang<br />
mit dem Einspru<strong>ch</strong>sverfahren vor dem EPA die Frage, ob im Fall der<br />
glei<strong>ch</strong>zeitigen Hängigkeit eines Einspru<strong>ch</strong>sverfahrens und eines Patentprozesses vor<br />
einem s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Geri<strong>ch</strong>t, bei dem die Gültigkeit des Patents streitig ist, das<br />
nationale Verfahren bis zur re<strong>ch</strong>tskräftigen Erledigung des Einspru<strong>ch</strong>sverfahrens<br />
ausgesetzt werden sollte. Diese Frage wurde bejaht, um divergierende Urteile zu<br />
verhindern. Glei<strong>ch</strong>zeitig wurde jedo<strong>ch</strong> festgehalten, dass die Aussetzung ni<strong>ch</strong>t<br />
zwingend sei und es daher dem Ri<strong>ch</strong>ter überlassen bleibe, ob er das Verfahren<br />
aussetze oder ni<strong>ch</strong>t. Mit Bezug auf das Teilverzi<strong>ch</strong>tsverfahren ging der Gesetzgeber<br />
einen S<strong>ch</strong>ritt weiter und ents<strong>ch</strong>ied, dass ein teilweiser Verzi<strong>ch</strong>t auf das europäis<strong>ch</strong>e<br />
Patent überhaupt ni<strong>ch</strong>t beantragt werden kann, solange ein Einspru<strong>ch</strong> beim EPA<br />
mögli<strong>ch</strong> oder aber in einem entspre<strong>ch</strong>enden Verfahren no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>tskräftig<br />
ents<strong>ch</strong>ieden worden ist. Grund dafür war, dass der Einspru<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Artikel 68<br />
revEPÜ zu einer rückwirkenden Eins<strong>ch</strong>ränkung des europäis<strong>ch</strong>en Patents führen<br />
kann und zudem der Grundsatz umgangen werden könnte, wona<strong>ch</strong> der Einspru<strong>ch</strong><br />
das europäis<strong>ch</strong>e Patent mit Wirkung für alle benannten Vertragsstaaten erfasst.<br />
Zwar hat au<strong>ch</strong> das europäis<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und Widerrufsverfahren gegenüber<br />
nationalen Verfahren (insbesondere Ni<strong>ch</strong>tigkeitsverfahren) keinen Vorrang. Die<br />
vorstehenden Überlegungen gelten denno<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> für das neu eingeführte Bes<strong>ch</strong>ränkungs-<br />
und Widerrufsverfahren sowie den Antrag auf Überprüfung einer Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
der Bes<strong>ch</strong>werdekammer dur<strong>ch</strong> die Grosse Bes<strong>ch</strong>werdekammer (Revision). Da<br />
das Bes<strong>ch</strong>ränkungs- und Widerrufsverfahren dem Einspru<strong>ch</strong>sverfahren na<strong>ch</strong>gebildet<br />
ist, erweist es si<strong>ch</strong> als zweckmässig, diese beiden Verfahren in die Artikel 127 und<br />
128 PatG einzubeziehen. Je na<strong>ch</strong> Verfahrensinhalt kann es zudem notwendig sein,<br />
bei einem der Grossen Bes<strong>ch</strong>werdekammer überwiesenen Antrag auf Überprüfung<br />
einer Ents<strong>ch</strong>eidung und einem parallel laufenden nationalen Zivilverfahren Letzteres<br />
auszusetzen. Weil jedo<strong>ch</strong> eine Überprüfung ni<strong>ch</strong>t unbedingt die Gültigkeit des<br />
Patents betreffen muss, wird es au<strong>ch</strong> bei der Behandlung eines Antrags auf Überprüfung<br />
mögli<strong>ch</strong> sein, einen Antrag auf Teilverzi<strong>ch</strong>t einzurei<strong>ch</strong>en. Ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>lossen<br />
ist damit selbstverständli<strong>ch</strong>, dass das IGE ein hängiges Teilverzi<strong>ch</strong>tsverfahren sistie-<br />
3803
en kann, soweit Fragen beim EPA behandelt werden, die au<strong>ch</strong> den Gegenstand des<br />
Teilverzi<strong>ch</strong>tsverfahrens betreffen.<br />
Redaktionelle Anpassungen<br />
Der Ausdruck «Patentfähigkeit» wird im Gesetz dur<strong>ch</strong> den Ausdruck «Patentierbarkeit»<br />
ersetzt, wie dies die EPÜ-Revisionsakte vorsieht. Es hat si<strong>ch</strong> nämli<strong>ch</strong> gezeigt,<br />
dass eine Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en diesen Begriffen ni<strong>ch</strong>t konsequent dur<strong>ch</strong>geführt<br />
werden kann. Eine materielle Änderung ist damit ni<strong>ch</strong>t verbunden. Betroffen sind<br />
ledigli<strong>ch</strong> die Artikel 1 Absatz 2 und Randtitel, 1a sowie 26 Absatz 1 Ziffer 1.<br />
In Artikel 1a wird der Ausdruck «Tierarten» im Gesetz dur<strong>ch</strong> den Ausdruck «Tierrassen»<br />
ersetzt, wie dies die EPÜ-Revisionsakte in Anpassung an die Regel 23c (b)<br />
EPÜ vorsieht.<br />
5.3.2 Änderungen zur Ratifizierung<br />
des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
Art. 112–116 Aufhebung<br />
Ist eine europäis<strong>ch</strong>e Patentanmeldung ni<strong>ch</strong>t in einer s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Amtsspra<strong>ch</strong>e<br />
(m.a.W. auf Englis<strong>ch</strong>) veröffentli<strong>ch</strong>t worden, so bestimmt Artikel 112 PatG, dass für<br />
einen S<strong>ch</strong>adenersatzanspru<strong>ch</strong> der Tag massgebend ist, an dem der Anmelder eine<br />
Übersetzung der Patentansprü<strong>ch</strong>e in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e dem Beklagten<br />
zugestellt oder der Öffentli<strong>ch</strong>keit dur<strong>ch</strong> Vermittlung des IGE zugängli<strong>ch</strong><br />
gema<strong>ch</strong>t hat. Anlässli<strong>ch</strong> der Einführung dieses Artikels ging der Gesetzgeber davon<br />
aus, dass die englis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e einem s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Anwender ni<strong>ch</strong>t zugemutet<br />
werden könne18. Diese Auffassung lässt si<strong>ch</strong> heute ni<strong>ch</strong>t mehr bestätigen. Es kann<br />
vielmehr davon ausgegangen werden, dass ein Anwender des europäis<strong>ch</strong>en Patentsystems<br />
über hinrei<strong>ch</strong>ende Kenntnisse der englis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e verfügt. Dafür spri<strong>ch</strong>t<br />
gerade der Umstand, dass Übersetzungen in der Praxis kaum je eingesehen werden,<br />
obs<strong>ch</strong>on weit über die Hälfte der europäis<strong>ch</strong>en Patentanmeldungen und Patente in<br />
Englis<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>t werden. Ausserdem werden Dritten bereits aufgrund der<br />
bestehenden Regelung weitgehende Spra<strong>ch</strong>kenntnisse zugemutet: Na<strong>ch</strong> Artikel 112<br />
PatG sind nämli<strong>ch</strong> nur die Patentansprü<strong>ch</strong>e, ni<strong>ch</strong>t aber die europäis<strong>ch</strong>e Patentanmeldung<br />
insgesamt in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e zu übersetzen. In Anbetra<strong>ch</strong>t<br />
der geänderten Sa<strong>ch</strong>umstände und der im Zuge der Ratifizierung des EPÜ-<br />
Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens notwendigen Aufhebung von Artikel 113 PatG sowie im<br />
Bestreben, die dur<strong>ch</strong> Übersetzungen bedingten Kosten zu reduzieren, ist Artikel 112<br />
PatG mit Inkrafttreten des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens für die S<strong>ch</strong>weiz zu strei<strong>ch</strong>en.<br />
Aus dem systematis<strong>ch</strong>en Zusammenhang ergibt si<strong>ch</strong>, dass die in Artikel 111<br />
Absatz 2 PatG für den Beginn der S<strong>ch</strong>adenersatzpfli<strong>ch</strong>t vorausgesetzte Kenntnis des<br />
Inhalts der europäis<strong>ch</strong>en Patentanmeldung jedenfalls dann gegeben ist, wenn dem<br />
Beklagten die Patentansprü<strong>ch</strong>e vorliegen. Mit der Aufhebung von Artikel 112 PatG<br />
sollen die Anforderungen an die Verwarnung na<strong>ch</strong> Artikel 111 Absatz 2 PatG ni<strong>ch</strong>t<br />
erhöht werden; die Strei<strong>ch</strong>ung versteht si<strong>ch</strong> vielmehr als Folge der Ratifizierung des<br />
EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens.<br />
18 Bots<strong>ch</strong>aft 1976, BBl 1976 II 1, 102.<br />
3804
Artikel 113 PatG setzt voraus, dass eine Übersetzung der Patents<strong>ch</strong>rift in einer<br />
Amtsspra<strong>ch</strong>e beim IGE eingerei<strong>ch</strong>t werden muss, wenn ein europäis<strong>ch</strong>es Patent in<br />
Englis<strong>ch</strong> seine Wirkung in der S<strong>ch</strong>weiz entfalten soll. Die Ratifizierung des EPÜ-<br />
Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens bedingt die Aufhebung von Artikel 113 PatG. Na<strong>ch</strong><br />
Artikel 1 des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens verzi<strong>ch</strong>tet nämli<strong>ch</strong> jeder Unterzei<strong>ch</strong>nerstaat<br />
auf die in Artikel 65 EPÜ vorgesehenen Übersetzungserfordernisse, soweit<br />
er eine Amtsspra<strong>ch</strong>e mit einer Amtsspra<strong>ch</strong>e des EPA gemein hat. Für die weitere<br />
Begründung kann auf die Ausführungen zum EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen<br />
(Ziff. 2.2) verwiesen werden.<br />
Bislang gibt Artikel 114 PatG den Anmeldern und Patentinhabern die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
die beim IGE eingerei<strong>ch</strong>ten Übersetzungen zu beri<strong>ch</strong>tigen. Aufgrund der Strei<strong>ch</strong>ung<br />
der Artikel 112 und 113 PatG wird dieser Artikel obsolet und wird daher gestri<strong>ch</strong>en<br />
(vgl. jedo<strong>ch</strong> die Ausführungen zu Art. 148 E-PatG).<br />
Au<strong>ch</strong> die Strei<strong>ch</strong>ung von Artikel 116 PatG ergibt si<strong>ch</strong> als Folge der Verpfli<strong>ch</strong>tung<br />
aus dem EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen. Bisher konnten si<strong>ch</strong> Dritte gegenüber dem<br />
Patentinhaber auf die na<strong>ch</strong> diesem Übereinkommen vorgesehene Übersetzung<br />
berufen, wenn der sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Geltungsberei<strong>ch</strong> der europäis<strong>ch</strong>en Patentanmeldung<br />
oder des europäis<strong>ch</strong>en Patents in dieser Fassung enger ist als in derjenigen der<br />
Verfahrensspra<strong>ch</strong>e. Da mit Inkrafttreten des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens auf<br />
Übersetzungen von englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Patenten verzi<strong>ch</strong>tet wird, erweist si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
dieser Artikel als ni<strong>ch</strong>t mehr erforderli<strong>ch</strong> (vgl. jedo<strong>ch</strong> die Ausführungen zum neuen<br />
Art. 148 PatG). Damit zusammenhängend ist au<strong>ch</strong> die Strei<strong>ch</strong>ung von Artikel 115<br />
PatG vorzunehmen. Dieser Artikel ist 1976 allein mit Rücksi<strong>ch</strong>t auf die Ausnahmeregel<br />
von Artikel 116 PatG aufgenommen worden19. Der Grundsatz von Artikel 115<br />
PatG, wona<strong>ch</strong> für den sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Geltungsberei<strong>ch</strong> der europäis<strong>ch</strong>en Patentanmeldung<br />
und des europäis<strong>ch</strong>en Patents die Fassung in der Verfahrensspra<strong>ch</strong>e des EPA<br />
verbindli<strong>ch</strong> ist, bleibt jedo<strong>ch</strong> erhalten. Er ergibt si<strong>ch</strong> bereits aus Artikel 70 Absatz 1<br />
EPÜ.<br />
Art. 148 Vorbehalt von Übersetzungen und verbindli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>en<br />
Na<strong>ch</strong> Artikel 148 Absatz 1 E-PatG brau<strong>ch</strong>t für europäis<strong>ch</strong>e Patente, die ni<strong>ch</strong>t in<br />
einer s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Amtsspra<strong>ch</strong>e veröffentli<strong>ch</strong>t werden, keine Übersetzung der<br />
Patents<strong>ch</strong>rift na<strong>ch</strong> Artikel 113 Absatz 1 PatG eingerei<strong>ch</strong>t zu werden, wenn die<br />
Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Hinweises auf die Patenterteilung im Europäis<strong>ch</strong>en Patentblatt<br />
oder, im Falle der Aufre<strong>ch</strong>terhaltung des Patentes mit geändertem Umfang, die<br />
Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Hinweises auf die Ents<strong>ch</strong>eidung über einen Einspru<strong>ch</strong> oder, im<br />
Falle der Bes<strong>ch</strong>ränkung des Patents, die Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Hinweises auf die<br />
Bes<strong>ch</strong>ränkung weniger als drei Monate vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt.<br />
Bisher standen na<strong>ch</strong> Artikel 113 Absatz 2 PatG drei Monate ab der Veröffentli<strong>ch</strong>ung<br />
des europäis<strong>ch</strong>en Patents in Englis<strong>ch</strong> zur Verfügung, um eine entspre<strong>ch</strong>ende Übersetzung<br />
in eine s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Amtsspra<strong>ch</strong>e einzurei<strong>ch</strong>en. Im Sinne einer benutzerfreundli<strong>ch</strong>en<br />
Regelung, die glei<strong>ch</strong>zeitig die Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit garantieren soll, ist es<br />
daher angemessen, die erwähnte Übersetzungspfli<strong>ch</strong>t drei Monate vor dem Inkrafttreten<br />
des revidierten Gesetzes dahinfallen zu lassen.<br />
19 Bots<strong>ch</strong>aft 1976, BBl 1976 II 1, 103.<br />
3805
Absatz 2 stellt klar, dass au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Inkrafttreten des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens<br />
sowohl die Beri<strong>ch</strong>tigung von Übersetzungen na<strong>ch</strong> Artikel 114 PatG als au<strong>ch</strong> die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit einer Berufung Dritter auf Übersetzungen und deren Wirkungen na<strong>ch</strong><br />
Artikel 116 PatG Anwendung finden sollen, solange Übersetzungen na<strong>ch</strong> Artikel<br />
112 PatG entweder dem Beklagten zuzustellen oder der Öffentli<strong>ch</strong>keit dur<strong>ch</strong> Vermittlung<br />
des IGE zugängli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en sind oder na<strong>ch</strong> Artikel 113 PatG dem IGE<br />
eingerei<strong>ch</strong>t werden müssen.<br />
6 Re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Aspekte<br />
6.1 Verfassungsmässigkeit<br />
Die Zuständigkeit des Bundes im Berei<strong>ch</strong> der auswärtigen Angelegenheiten resultiert<br />
aus den Artikeln 54 Absatz 1 und 184 BV.<br />
Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Vors<strong>ch</strong>riften über Erfindungspatente<br />
ergibt si<strong>ch</strong> aus Artikel 122 BV, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung im<br />
Zivilre<strong>ch</strong>t gibt. Diese Zuständigkeit umfasst au<strong>ch</strong> Änderungen des Patentgesetzes.<br />
6.2 Erlassform<br />
Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Genehmigung der EPÜ-<br />
Revisionsakte sowie des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens ergibt si<strong>ch</strong> aus Artikel 166<br />
Absatz 2 BV.<br />
Es bleibt zu prüfen, ob die Genehmigungsbes<strong>ch</strong>lüsse der Bundesversammlung na<strong>ch</strong><br />
Artikel 141 Absatz 1 Bu<strong>ch</strong>stabe d BV dem fakultativen Referendum zu unterstellen<br />
sind. Völkerre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Art. 141 Abs. 1<br />
Bst. d Ziff. 1 BV), die den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen<br />
(Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 2 BV) oder die wi<strong>ch</strong>tige re<strong>ch</strong>tsetzende Bestimmungen<br />
enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Art. 141<br />
Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 BV), sind dem fakultativen Referendum zu unterstellen.<br />
Die beiden in Frage stehenden internationalen Übereinkommen sind jederzeit kündbar<br />
(vgl. Art. 174 revEPÜ und Art. 8 EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommen). Da die<br />
S<strong>ch</strong>weiz bereits Vertragsstaat des Europäis<strong>ch</strong>en Patentübereinkommens ist, tritt sie<br />
mit der Ratifikation der EPÜ-Revisionsakte ni<strong>ch</strong>t erstmals der Europäis<strong>ch</strong>en Patentorganisation<br />
bei. Au<strong>ch</strong> die Ratifizierung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens ist<br />
ni<strong>ch</strong>t mit einem Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden, der die<br />
S<strong>ch</strong>weiz no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t angehört.<br />
Es bleibt daher zu bestimmen, ob die Übereinkommen wi<strong>ch</strong>tige re<strong>ch</strong>tsetzende<br />
Bestimmungen enthalten oder den Erlass von Bundesgesetzen erfordern. Unter<br />
re<strong>ch</strong>tsetzenden Bestimmungen versteht man gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes<br />
Bestimmungen, die in unmittelbar verbindli<strong>ch</strong>er und generellabstrakter<br />
Weise Pfli<strong>ch</strong>ten auferlegen, Re<strong>ch</strong>te verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.<br />
Als wi<strong>ch</strong>tig gelten im innerstaatli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t Bestimmungen, die gemäss Artikel<br />
164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.<br />
3806
Das Europäis<strong>ch</strong>e Patentübereinkommen wird dur<strong>ch</strong> die EPÜ-Revisionsakte formell<br />
vollständig revidiert, materiell handelt es si<strong>ch</strong> indessen um eine Teilrevision (siehe<br />
Ziff. 1.1.4). Eine inhaltli<strong>ch</strong>e Bewertung erweist si<strong>ch</strong> als s<strong>ch</strong>wierig: Auf der einen<br />
Seite beinhaltet die Reform eine grosse Zahl re<strong>ch</strong>tste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er bzw. verfahrenste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er<br />
Änderungen oder die Verankerung bewährter Praxis. Auf der anderen Seite<br />
sind einzelne Reformpunkte als bedeutend zu werten, so etwa die Institutionalisierung<br />
von Ministerkonferenzen oder die Einführung eines Bes<strong>ch</strong>ränkungs-, Widerrufs-<br />
und Revisionsverfahrens. Es brau<strong>ch</strong>t indessen ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>liessend geklärt zu<br />
werden, ob es si<strong>ch</strong> bei diesen Änderungen um wi<strong>ch</strong>tige re<strong>ch</strong>tsetzende Bestimmungen<br />
im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Bu<strong>ch</strong>stabe d Ziffer 3 BV handelt. In jedem<br />
Falle erfordert die Ratifizierung der EPÜ-Revisionsakte deren Umsetzung auf<br />
Gesetzesstufe. Daraus folgt, dass der Bundesbes<strong>ch</strong>luss zur Genehmigung der EPÜ-<br />
Revisionsakte dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen ist. Entspre<strong>ch</strong>endes gilt<br />
für die Genehmigung des EPÜ-Spra<strong>ch</strong>enübereinkommens.<br />
3807
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