Schaufenster im Wandel - Institut für Kunstpädagogik - Ludwig ...

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05.01.2015 Aufrufe

Öffentlichkeit, Künstler und Industrie vorantreiben und hohe und niedrige Kunst zusammenführen. 32 2.2.2 Dali, Salvador In den 30er Jahren hielt der Surrealismus in auf Formensprache reduzierter Form Einzug in die Schaufenster der New Yorker Warenhäuser. Er galt damit, ähnlich wie Comics, vorwiegend zur Unterhaltung. Dali, der als einer der ersten Vertreter des Surrealismus nach New York immigrierte, war zwar vertraut mit dem philosophischen Ursprung des Surrealismus, beschränkte sich aber bei seinen ersten Aufträgen auf diese ‚oberflächliche’ Form des Surrealismus. 33 Die Faszination bestand für ihn darin, Gegenstände durch die Präsentation im Schaufenster zu begehrenswerten Objekten zu verwandeln. Dieses Erweckungserlebnis, durch die Offenbarung einer Sache, wurde von vielen Künstlern des Surrealismus am Schaufenster festgemacht. 34 Zudem zählen zu den wichtigsten Motiven des Surrealismus das Fenster, das Mannequin und die Mode - ein weiterer Grund, weshalb das Schaufenster prädestiniert war als künstlerisches Medium für Surrealisten. Das Motiv des Fensters wurde im Ersten Surrealistischen Manifest (1924) von Andre Breton beleuchtet, welcher das Auftauchen eines unbewussten Bildes beschreibt und diesen Vorgang mit der Metapher: "ein Satz, möchte ich sagen, der ans Fenster klopfte" 35 umschreibt. Das Auftauchen des Fensters bezeichnet die Trennung von Bewusstsein und Unbewusstem, welches sich auch mit Bretons Beschreibung vom Akt des Sehens erklären lässt. Er setzt den Blick durch ein Fenster dem Blick in ein Gemälde gleich. So wird bei beiden nicht nur ein Anblicken, sondern auch ein Hindurchblicken angestrebt, was folglich zu einem inneren Bild führt, dem Imaginationsraum. 36 32 vgl. Kiesler, Frederick (1930), S.7 33 vgl. Schleif, Nina (2004), S.168 ff. 34 vgl. High & Low (1990), S.208 35 Schleif, Nina (2004), S.170 36 vgl. Schleif, Nina (2004), S.171 14

2 Schaufenster für Bonwit Teller, 1939 NY Dalis zweiter Schaufensterauftrag für Bonwit Teller war der erste Vorstoß, das Problem aufzuzeigen, welches in der Schaufensterkunst unumgänglich scheint. Es handelt sich um die problematische Vereinbarkeit von Kunst und Kommerz. Allerdings blieb dieser Vorstoß weitestgehend unentdeckt, weil Dalis Hang zu Skandalen und Selbstinszenierung dem Schaufenster die Show stahl. In den 30er Jahren hatten die Amerikaner, im Vergleich zu den Europäern, ein sehr pragmatisches Verhältnis zum Surrealismus. Der auf seine Formensprache reduzierte Surrealismus wurde den Amerikanern ähnlich wie das Art Deco über Magazine, Werbeanzeigen oder Modeartikel nahegebracht, weshalb sie diesen eher als Unterhaltungsfaktor wahrnahmen. Hatte sich Dali in seinem ersten Schaufensterauftrag für Bonwit Teller noch am Unterhaltungsfaktor orientiert, so versuchte er nun mit Hilfe seiner Schaufenster die Zuschauer mit ihrer Haltung zu konfrontieren. Die beiden Schaufenster mit den Titeln ‚Tag‘ und ‚Nacht‘ zeigen Analogien auf. Da es leider kein Bildmaterial in der ursprünglichen Fassung der Schaufenster gibt, folgt eine ausführliche Beschreibung. Das Tag-Fenster greift den Narziss-Mythos auf, welchen Dali auch schon in gleichnamigen Gemälden und Gedichten behandelt hatte. Nach Dali war es wie folgt gestaltet: Hier: "stieg eine dieser Puppen in eine mit Lammfell ausgeschlagene `haarige Badewanne`, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt war. Zwei wunderschöne, einen Spiegel hochhaltende Wachsarme ließen an den Narziss-Mythos denken; direkt aus dem Boden des Schlafzimmers und aus dem Mobiliar wuchsen richtige Narzissen" 37 . Zudem befanden sich im Wasser der Badewanne Narzissen, Spiegel an der gepolsterten, lilafarbenen Satin- Rückwand, die mit einem Pfauenfedermantel bekleidete Puppe hatte rosa Federn in ihrem langen Haar. Das Nacht-Schaufenster war nach Dali wie folgt ausgestattet: "Die Nacht wurde durch ein Bett symbolisiert, dessen Kopfteil aus einem schläfrigen 37 Dali, Salvador (1942), S. 458f. 15

2 <strong>Schaufenster</strong> für Bonwit Teller, 1939 NY<br />

Dalis zweiter <strong>Schaufenster</strong>auftrag für Bonwit Teller war der erste Vorstoß, das<br />

Problem aufzuzeigen, welches in der <strong>Schaufenster</strong>kunst unumgänglich<br />

scheint. Es handelt sich um die problematische Vereinbarkeit von Kunst und<br />

Kommerz. Allerdings blieb dieser Vorstoß weitestgehend unentdeckt, weil<br />

Dalis Hang zu Skandalen und Selbstinszenierung dem <strong>Schaufenster</strong> die Show<br />

stahl. In den 30er Jahren hatten die Amerikaner, <strong>im</strong> Vergleich zu den<br />

Europäern, ein sehr pragmatisches Verhältnis zum Surrealismus. Der auf<br />

seine Formensprache reduzierte Surrealismus wurde den Amerikanern<br />

ähnlich wie das Art Deco über Magazine, Werbeanzeigen oder Modeartikel<br />

nahegebracht, weshalb sie diesen eher als Unterhaltungsfaktor wahrnahmen.<br />

Hatte sich Dali in seinem ersten <strong>Schaufenster</strong>auftrag für Bonwit Teller noch<br />

am Unterhaltungsfaktor orientiert, so versuchte er nun mit Hilfe seiner<br />

<strong>Schaufenster</strong> die Zuschauer mit ihrer Haltung zu konfrontieren.<br />

Die beiden <strong>Schaufenster</strong> mit den Titeln ‚Tag‘ und ‚Nacht‘ zeigen Analogien<br />

auf. Da es leider kein Bildmaterial in der ursprünglichen Fassung der<br />

<strong>Schaufenster</strong> gibt, folgt eine ausführliche Beschreibung.<br />

Das Tag-Fenster greift den Narziss-Mythos auf, welchen Dali auch schon in<br />

gleichnamigen Gemälden und Gedichten behandelt hatte. Nach Dali war es<br />

wie folgt gestaltet: Hier: "stieg eine dieser Puppen in eine mit Lammfell<br />

ausgeschlagene `haarige Badewanne`, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt<br />

war. Zwei wunderschöne, einen Spiegel hochhaltende Wachsarme ließen an<br />

den Narziss-Mythos denken; direkt aus dem Boden des Schlafz<strong>im</strong>mers und<br />

aus dem Mobiliar wuchsen richtige Narzissen" 37 . Zudem befanden sich <strong>im</strong><br />

Wasser der Badewanne Narzissen, Spiegel an der gepolsterten, lilafarbenen<br />

Satin- Rückwand, die mit einem Pfauenfedermantel bekleidete Puppe hatte<br />

rosa Federn in ihrem langen Haar.<br />

Das Nacht-<strong>Schaufenster</strong> war nach Dali wie folgt ausgestattet: "Die Nacht<br />

wurde durch ein Bett symbolisiert, dessen Kopfteil aus einem schläfrigen<br />

37 Dali, Salvador (1942), S. 458f.<br />

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