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2 + 11<br />

104. Jahrgang<br />

Februar 2009, S. A20-A21<br />

Februar 2009, S. 105-112<br />

November 2009, S. 747-753<br />

Beton- und<br />

Stahlbetonbau<br />

Sonderdruck<br />

- Zement und Beton:<br />

Umwelteffizienz und besondere Anforderungen an Bauwerke<br />

- Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

- Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken


Zement/Beton<br />

Zement und Beton: Umwelteffizienz und<br />

besondere Anforderungen an Bauwerke<br />

Die Herstellung von Baustoffen, ihre Verarbeitung und die<br />

Nutzung der daraus entstandenen Bauwerke bedeuten immer<br />

Eingriffe in die Umwelt. Den gewünschten und mit dem Bauwerk<br />

geplanten Wirkungen stehen Eingriffe gegenüber, die<br />

nicht erwünscht, aber notwendig sind, um die Baustoffe zu<br />

produzieren und zu verarbeiten. Das Ziel muss sein, die unerwünschten<br />

Wirkungen so gering wie möglich zu halten.<br />

Manchmal heißt das auch sich von Vertrautem zu lösen und<br />

neue Wege zu gehen. Als Hersteller von Zement und Beton<br />

stellt sich CEMEX dieser Herausforderung.<br />

Unterzieht man die zementgebundene Betonbauweise einer<br />

Lebenszyklusanalyse, kommt man zu dem Ergebnis, dass es sich<br />

um eine effektive und damit nachhaltige Technologie handelt.<br />

Die Basis der Zementproduktion bildet die Herstellung von<br />

Portlandzementklinker, ein Prozess, der stoff- und energiebedingt<br />

mit einer CO 2 -Emission verbunden ist. Die Verwendung<br />

von CEM II- und CEM III-Zementen unterstützt die Umwelteffizienz<br />

der Betonbauweise durch eine zusätzliche Verbesserung<br />

der CO 2 -Bilanz.<br />

Für CEM II- und CEM III-Zemente von CEMEX werden<br />

neben Portlandzementklinker die Hauptbestandteile Hüttensand<br />

(S) und Kalkstein (LL) verwendet. Gleichzeitig verfügen<br />

diese Hauptbestandteile über spezielle Eigenschaften, die genutzt<br />

werden, um qualitativ hochwertige und gleichmäßige<br />

Zemente herzustellen. Hinsichtlich der Zementart und der verwendeten<br />

Hauptbestandteile sind dabei auch die jeweils an den<br />

Produktionsstandorten verfügbaren Rohstoffe entscheidend.<br />

Um CEM II- und CEM III-Zemente erfolgreich einsetzen<br />

zu können, müssen diese modernen Betonkonzepten und Verarbeitungstechnologien<br />

gerecht werden. Gleichzeitig sind in den<br />

Bauprozessen gewonnene Erfahrungen und gewohnte Handlungsweisen<br />

zu berücksichtigen. Die Verarbeitbarkeit des<br />

Frischbetons und die Festigkeitsentwicklung sind dabei zwei der<br />

wesentlichen Aspekte. Um leistungsfähige CEM II-/CEM III-<br />

Zemente für die Bauindustrie bereitzustellen, hat CEMEX Zement<br />

eine umfangreiche Produktpalette entwickelt. Beispielhaft<br />

seien hier der CEM III/A 52,5 N-HS/NA, der CEM II/B-S 42,4<br />

R-NA und der CEM II/B-M(S-LL) 32,5 R-AZ genannt – Zemente,<br />

die über die Normenanforderungen hinaus aufgrund bauaufsichtlicher<br />

Zulassungen ihre Eignung für vielfältige Anwendungen<br />

unter Beweis gestellt haben. Grundlage für diese Zulassungen<br />

waren umfangreiche Entwicklungen und Prüfungen.<br />

CEMEX Zement und CEMEX Transportbeton sind seit<br />

Jahrzehnten führend bei der Produktion und Anwendung von<br />

Portland-Komposit- und Hochofenzementen und tragen so<br />

schon lange zur CO 2 -Reduktion bei. Die folgenden Beispiele<br />

zeigen, wie Umwelteffizienz und besondere Anforderungen an<br />

Bauwerke sich sinnvoll ergänzen können.<br />

Flugbetriebsflächen Köln-Bonn<br />

Der Flughafen Köln/Bonn ist das größte Low-Cost-Drehkreuz<br />

in <strong>Deutschland</strong>. Die hoch beanspruchten Flugbetriebsflächen<br />

müssen dauerhaft tragfähig und verkehrssicher sein. 2008 wurden<br />

685 m der bestehenden 50 m breiten Start- und Landebahn<br />

entsprechend der Vorgaben des Regelwerkes durch eine 45 m<br />

breite Start- und Landebahnbefestigung aus Beton sowie zwei<br />

7,50 m breite Schultern aus Rasengittersteinen ersetzt. Zur Ausführung<br />

gelangte ein modifizierter Aufbau der ARGE Gebrüder<br />

von der Wettern (vdw)/Strabag Bau <strong>AG</strong> mit einer Gesamtdicke<br />

von 81 cm:<br />

– 36 cm Betondecke C 35/45<br />

– 15 cm HVT im Baumischverfahren<br />

– 30 cm Verfestigung des anstehenden Bodens<br />

Für die Baumaßnahme lieferte die CEMEX HüttenZement<br />

GmbH in Dortmund ca. 5000 t Portlandhüttenzement<br />

CEM II/A-S 42,5 N (st) mit einem Spitzenversand von 837 t am<br />

5. Mai 2008. Der CEM II/A-S 42,5 N (st) wird dabei sowohl bei<br />

der Fremdüberwachung (Verein Deutscher Zementwerke) als<br />

auch in der Eigenüberwachung hinsichtlich der zusätzlichen Anforderungen<br />

aus der Feuchtigkeitsklasse WS bzw. des Einsatzes<br />

als Fahrbahndeckenzement geprüft.<br />

Betondecken werden als biegebeanspruchte Bauteile bemessen.<br />

Folglich ist die Biegezugfestigkeit des Betons von maßgeblicher<br />

Bedeutung. Die hohe Biegezugfestigkeit des Deckenbetons<br />

mit CEM II/A-S 42,5 N (st) bedeutet eine effektiv erhöhte<br />

Tragfähigkeit und bietet Festigkeitsreserven für ggf. noch zunehmende<br />

Verkehrsbelastung.<br />

Kühlturm-Neubau im Braunkohlekraftwerk Boxberg<br />

Bei modernen Kohlekraftwerken werden die gereinigten Verbrennungsgase<br />

i. d. R. nicht durch einen Schlot, sondern durch<br />

den Kühlturm abgeführt. Weil dabei die Bildung von schwachen<br />

Säuren und deren Niederschlag auf der Kühlturmschale nicht<br />

ausgeschlossen werden kann, wurden derartige Kühltürme in<br />

der Vergangenheit mit Kunststoffen beschichtet. Die Beschichtungen<br />

mussten regelmäßig erneuert werden, was entsprechende<br />

Betriebsstillstände nach sich zog. Vermeiden kann man diesen<br />

unerwünschten Aufwand, indem man für die Tragkonstruktion<br />

einen Beton mit einem erhöhten Widerstand gegenüber Säureangriff<br />

verwendet. Dieser ist mittels Performance-Test nachzuweisen.<br />

Ein erster solcher Kühlturm entstand im Kraftwerk Niederaußem<br />

(1999/2000), gefolgt von den Kühltürmen des Kraftwerks<br />

Neurath. Dabei kam noch Portlandzement CEM I 42,5R-<br />

HS/NA in Verbindung mit Mikrosilika und Schmelzkammerflugasche<br />

<strong>zum</strong> Einsatz. Beim Kühlturm des Kraftwerkes Boxberg<br />

(2007/2008) wurde erstmals die Kombination CEM II/B-S<br />

42,5R-NA, Feinstflugasche und Trockenfeuerungsflugasche ver-<br />

Bild 1. Umwelteffizienz von Zement: Ressourcenaufwand bei der Portlandklinker-,<br />

Zement- und Betonproduktion sowie Erstellungsaufwand für das Bauwerk bei Sicherung<br />

der erforderlichen Bauwerkdauerhaftigkeit<br />

Bild 2. Anteil der in <strong>Deutschland</strong> hergestellten Zementarten am Inlandsversand<br />

(2007) und Produktion von CEMEX-Zement (Stand 2008)<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2 3


Zement/Beton<br />

Bild 3. Flugbetriebsfläche Flughafen Köln-Bonn<br />

Bild 5. O 2 World – eine Arena der Superlative, Betonfestigkeitsklassen bis zu C<br />

100/115 (Grafiken/Fotos: CEMEX <strong>Deutschland</strong>)<br />

Fazit<br />

Die gebauten Erfahrungen belegen, dass Portland-Kompositzemente<br />

ihren Weg in die Baupraxis gefunden haben. Die genannten<br />

Beispiele zeigen exemplarisch, dass mit diesen Zementen<br />

Beton für höchste Beanspruchungen der verschiedensten Art<br />

sicher und qualitätsgerecht herstellbar ist. Portland-Kompositzemente<br />

ergänzen das seit Jahrzehnten bewährte Sortiment der<br />

Hochofenzemente und sind im Begriff, die Portlandzemente im<br />

Bereich des Transportbetons vollständig abzulösen.<br />

Dipl.-Ing. Peter Lyhs, CEMEX OstZement GmbH;<br />

Prof. Dr.-Ing. Rolf Silbereisen, CEMEX <strong>Deutschland</strong> <strong>AG</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

CEMEX <strong>Deutschland</strong> <strong>AG</strong>,<br />

Daniel-Goldbach-Straße <strong>25</strong>, 40880 Ratingen,<br />

Tel. (033638) 54-220, Fax (033638) 54-299,<br />

info.de@cemex.com,www.cemex.de<br />

Bild 4. Kühlturm Boxberg – Beton mit erhöhtem Widerstand gegen Säureangriff<br />

wendet, die auch für den Kühlturm des Kraftwerkes Lünen<br />

(2009) vorgesehen ist. Dieser Austausch der Betonbestandteile<br />

bringt auch hier zusätzliche Vorteile: Der Beton erfüllt alle Kriterien<br />

der erhöhten Säurebeständigkeit des Betons, ist darüber<br />

hinaus jedoch pumpfähig, was den Baufortschritt deutlich beschleunigt.<br />

O 2 World Berlin<br />

Für diese Arena der Superlative wurden ca. 35 Tm 3 Beton der<br />

Festigkeitsklassen C12/15 bis C50/60 sowie ca. 580 m 3 hochfester<br />

Beton der Klassen C60/75 bis C100/115 benötigt. Während<br />

die Normalbetone auf den Zementsorten CEM II/B-M(S-<br />

LL)32,5R-AZ, CEM II/A-M(S-LL)42,5R und CEM III/A 32,5<br />

N-LH-NA basieren, kam für die hochfesten Betone der Zement<br />

CEM III/A 42,5 R, ab der Festigkeitsklasse C 80/95 in Kombination<br />

mit CEM II/B-S 52,5 R, zur Anwendung. Damit konnte<br />

selbst Beton der höchsten standardisierten Druckfestigkeitsklasse<br />

nach DIN EN 206-1/DIN 1045-2 als Innenbauteil (Feuerwiderstandsklasse<br />

F 90) ohne die Verwendung von Portlandzement<br />

hergestellt werden. Auch bei diesem Bauvorhaben, das<br />

im besonderen Brennpunkt der Öffentlichkeit entstand, bewährten<br />

sich die Portland-Komposit- und Hochofenzemente.<br />

4 Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2


Fachthemen<br />

DOI: 10.1002/best.200900655<br />

Christoph Müller<br />

Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen<br />

im Betonbau<br />

Nachhaltige Lösungen für das Bauen mit Beton<br />

Im Hinblick auf die Verminderung der klimarelevanten CO 2 -Emissionen<br />

in der Zementindustrie kommt der Herstellung von Zementen<br />

mit mehreren Hauptbestandteilen eine besondere Bedeutung<br />

zu. Ein Grund dafür liegt – verglichen mit „traditionellen“ CEM I-<br />

Zementen (Portlandzementen) – im energieeffizienteren und ökologischeren<br />

Herstellungsverfahren. Aber auch die Dauerhaftigkeit<br />

und die Leistungsfähigkeit beim Einsatz in Betonbauwerken<br />

sorgen dafür, dass Portlandkompositzemente (CEM II) und Hochofenzemente<br />

(CEM III) mittlerweile auch in <strong>Deutschland</strong> einen<br />

Marktanteil von rd. 65% erreichen. Europaweit werden schon seit<br />

einigen Jahren nur noch annähernd 30% Portlandzement eingesetzt<br />

– bei stetig sinkender Tendenz. Nachfolgend werden die anwendungstechnischen<br />

Eigenschaften, die Anwendungsmöglichkeiten<br />

sowie die ökologischen Vorteile der bisher in <strong>Deutschland</strong><br />

eingesetzten Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen dargestellt<br />

und anhand von zwei Praxisbeispielen verdeutlicht. Mit Beispielen<br />

für die Leistungsfähigkeit neuer Zemente im Beton erfolgt<br />

ein Ausblick in mögliche weitere Entwicklungen.<br />

Cements with Several Main Constituents in Concrete Construction<br />

– Sustainable Solutions for Building with Concrete<br />

In view of the reduction of climate-related CO 2 emissions in the<br />

cement industry the manufacture of cements with several main<br />

constituents is of particular significance. One reason is the production<br />

process, which is more energy-efficient and more ecological<br />

compared to “traditional” CEM I-cements (Portland<br />

cements). But also the durability and performance in their use in<br />

concrete constructions are reasons why Portland-composite<br />

cements (CEM II) and blastfurnace cements (CEM III) have<br />

meanwhile reached a market share of about 65% in Germany. For<br />

a few years now, approximately only 30% Portland cements have<br />

been used throughout Europe – with a continuous downward<br />

trend. The application-specific properties, the possible areas of<br />

use as well as the ecologic advantages of the cements with several<br />

main constituents used in Germany so far are described in<br />

the following and illustrated by two practical examples. An outlook<br />

into possible further developments is given by examples of<br />

the performance of new cements in concrete.<br />

1 Einleitung<br />

Zu allen Zeiten wurden in <strong>Deutschland</strong> auf der Basis der<br />

regional verfügbaren Rohstoffe leistungsfähige Zemente<br />

für eine sichere Betonbauweise hergestellt. Insofern hat<br />

die Verwendung von Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen<br />

in <strong>Deutschland</strong> eine lange und erfolgreiche<br />

Tradition. Aufgrund der stetig steigenden Anforderungen<br />

an den Umweltschutz kommt heute der Herstellung und<br />

Verwendung von Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen<br />

wegen ihrer ökologischen Vorteile eine immer größere<br />

Bedeutung zu.<br />

Bezogen auf die Verhältnisse in <strong>Deutschland</strong> belegt<br />

der erfolgreiche Einsatz in der Baupraxis die Leistungsfähigkeit<br />

von CEM II- und CEM III-Zementen für anspruchsvolle<br />

und dauerhafte Betonbauwerke. Nachfolgend<br />

werden die anwendungstechnischen Eigenschaften<br />

dieser Zemente, ökologische Vorteile ihrer Verwendung<br />

sowie praktische Anwendungsbeispiele vorgestellt. Darüber<br />

hinaus wird die Situation in <strong>Deutschland</strong> mit den gesamteuropäischen<br />

Verhältnissen verglichen. Abgeschlossen<br />

wird der Beitrag mit einem Ausblick auf die Leistungsfähigkeit<br />

möglicher neuer Zemente im Beton. Weitere Informationen<br />

<strong>zum</strong> Thema bietet die aktuelle Broschüre<br />

„CEM II- und CEM III/A-Zemente im Betonbau – Nachhaltige<br />

Lösungen für das Bauen mit Beton“ des Vereins<br />

Deutscher Zementwerke e. V. (VDZ) [1], die in Teilen als<br />

Grundlage für diesen Beitrag diente.<br />

2 Ökologische Anforderungen<br />

Die Anforderungen an die Schonung der Ressourcen, an<br />

die Verringerung des Energieeinsatzes und an den globalen<br />

Klimaschutz sowie steigende Energiepreise stellen alle<br />

Industrien vor erhebliche Herausforderungen. Als energie-<br />

und rohstoffintensive Industrie ist die Zementindustrie<br />

hiervon in ganz besonderem Maße betroffen. Die Zementhersteller<br />

stellen sich dieser Herausforderung, indem<br />

sie ihre Herstellprozesse im Hinblick auf Rohstoff- und<br />

Energieeinsatz in den vergangenen Jahren fortlaufend optimiert<br />

haben.<br />

Der Einsatz natürlicher Rohstoffe und der Brennstoffenergiebedarf<br />

für die Zementherstellung sind in erster Linie<br />

durch die Herstellung des Zementklinkers bedingt.<br />

Dieses gilt auch für die CO 2 -Emissionen, zu denen prozessbedingt<br />

die CO 2 -Emissionen aus den eingesetzten<br />

Kalksteinen als Rohmaterialkomponente beitragen. Darüber<br />

hinaus wird CO 2 aufgrund des Einsatzes der fossilen<br />

Brennstoffe emittiert. In den vergangenen Jahren hat die<br />

Zementindustrie ihren Brennstoffenergiebedarf deutlich<br />

gesenkt und dabei ein verfahrenstechnisches Optimum<br />

nahezu erreicht. Insofern kommt für eine weitere Reduzierung<br />

der CO 2 -Emissionen bei der Zementherstellung solchen<br />

Zementen eine besondere Bedeutung zu, die neben<br />

© 2009 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2<br />

5


Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

Tabelle 1. Baustoffprofile Zement und Transportbeton der Jahre 1995/1996 und 2006 in <strong>Deutschland</strong> [4], [5]<br />

Table 1. Environmental building materials profile cement and ready-mixed concrete from 1995/1996 and 2006<br />

in Germany [4], [5]<br />

Parameter Zement Transportbeton<br />

Auswertung Primärenergie<br />

C20/<strong>25</strong><br />

1996 2006 1995 2006<br />

Primärenergie nicht erneuerbar 4.355 2.713 1.350 1.024<br />

Primärenergie erneuerbar k. A. 55 k. A. 19<br />

Wirkungsabschätzung<br />

Treibhauspotenzial (GWP) CO 2 -Äq. 872 670 242 196<br />

Ozonabbaupotenzial (ODP) R11-Äq. 0,0 1,6 · 10 –5 0,0 0,52 · 10 –5<br />

Versauerungspotenzial (AP) SO 2 -Äq. 1,68 0,92 0,560 0,36<br />

Eutrophierungspotenzial (NP) PO 4 -Äq. 0,20 0,12 0,071 0,050<br />

Photooxidantienpotenzial (POCP) C 2 H 4 -Äq. 0,07 0,10 0,035 0,036<br />

k. A.: keine Angabe<br />

Erläuterungen zu Tabelle 1:<br />

MJ/t<br />

kg/t<br />

Baustoffprofil Zement:<br />

Betrachtetes Produkt:<br />

Zement mit einem mittleren Klinkergehalt von<br />

85 M.-% (1996) bzw. 71,4 (2006)<br />

Die Gehalte der verschiedenen Zementbestandteile entsprechen<br />

den über die gesamte deutsche Zementproduktion gemittelten<br />

Anteilen des Klinkers und der anderen verwendeten Stoffe<br />

Bilanzobjekt: Zementherstellung<br />

Bezugseinheit: 1 Tonne Zement<br />

Systemgrenzen:<br />

Input – Ressourcen<br />

Bezugsjahre: 1996 bzw. 2006<br />

Output – Werktor Zementwerk<br />

Baustoffprofil Transportbeton<br />

Betrachtetes Produkt:<br />

Betone C20/<strong>25</strong> mit folgenden Zusammensetzungen<br />

in kg/m 3 :<br />

Bestandteil 1996 2006<br />

Gesteinskörnung 1.840 1.880<br />

Zement 260 260<br />

Wasser 185 170<br />

Flugasche 80 40<br />

Betonverflüssiger – 1,3<br />

Bilanzobjekt: Herstellung Transportbeton<br />

Bezugseinheit: 1 m 3 Transportbeton<br />

Systemgrenzen:<br />

Input – Ressourcen<br />

Bezugsjahre: 1995 bzw. 2006<br />

Output – Werktor Transportbetonwerk<br />

Klinker noch andere Hauptbestandteile enthalten. Zemente<br />

mit mehreren Hauptbestandteilen – in <strong>Deutschland</strong><br />

im wesentlichen CEM II- und CEM III-Zemente –<br />

erfüllen daher auch die ökologischen Anforderungen an<br />

umwelt- und ressourcenschonende Baustoffe. Vor diesem<br />

Hintergrund hat sich der Inlandsversand der in <strong>Deutschland</strong><br />

hergestellten Zemente in den letzten Jahren deutlich<br />

verändert (Abschn. 3.1). Die positive ökologische Wirkung<br />

dieser Entwicklung zeigt sich in der Veränderung<br />

der Baustoffprofile für eine Tonne Zement und einen Kubikmeter<br />

Transportbeton in <strong>Deutschland</strong> (Tabelle 1). Aufgeführt<br />

werden die Ergebnisse der Wirkungsabschätzung<br />

sowie der Aufwand an Primärenergie, der aus nicht erneuerbaren<br />

bzw. erneuerbaren Energieträgern gedeckt wird.<br />

Solche Baustoffprofile können nicht dazu herangezogen<br />

werden, um einzelne Baustoffe miteinander zu verglei-<br />

chen, da diese i. d. R. keine vergleichbare Funktion bzw.<br />

Leistungsfähigkeit aufweisen.<br />

3 Normen und Marktsituation<br />

3.1 Zementarten<br />

Grundlage für die in <strong>Deutschland</strong> zulässigen und <strong>zum</strong><br />

Einsatz kommenden CEM II- und CEM III-Zemente bildet<br />

die aktuelle europäische Zementnorm DIN EN 197-1.<br />

Diese definiert die zulässigen Hauptbestandteile des Zements<br />

– z. B. Portlandzementklinker, Hüttensand, Flugasche,<br />

Kalkstein oder gebrannter Ölschiefer. Tabelle 2<br />

gibt eine beispielhafte Übersicht der in <strong>Deutschland</strong> eingesetzten<br />

CEM II- und CEM III/A-Zemente. Die europäische<br />

Zementnorm DIN EN 197-1 definiert den Begriff<br />

„Portlandkompositzement“ in zweifacher Hinsicht. Zum<br />

6<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2


Tabelle 2. In <strong>Deutschland</strong> verwendete CEM II- und CEM III/A-Zemente (Auszug aus DIN EN 197-1)<br />

Table 2. CEM II and CEM III/A-cements used in Germany (extract from DIN EN 197-1)<br />

Zement<br />

Zusammensetzung (Massenanteile in Prozent)<br />

Hauptbestandteile<br />

Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

Kalkstein<br />

K S D V T LL<br />

CEM II/A-S Portland- 80–94 6–20 – – – –<br />

CEM II/B-S hüttenzement 65–79 21–35 – – – –<br />

CEM II/A-T Portland- 80–94 – – – 6–20 –<br />

CEM II/B-T schieferzement 65–79 – – – 21–35 –<br />

CEM II/A-LL<br />

CEM II/A-D<br />

80–94 – – – – 6–20 0,5<br />

90–94 – 6–10 – – –<br />

CEM II/A-M* Portland- 80–94 6–20<br />

CEM II/B-M* kompositzement 65–79 21–35<br />

CEM III/A<br />

35–64 36–65 – – – –<br />

Auszug aus der DIN EN 197-1: In <strong>Deutschland</strong> verwendete CEM II- und CEM III/A-Zemente<br />

(* Derzeit in <strong>Deutschland</strong> nur als CEM II-M (S-LL), (V-LL) und (S-D) hergestellt.)<br />

Portland-<br />

Flugasche Gebr.<br />

Hüttensand Silicastaub<br />

zementklinker (kieselsäurereich) Ölschiefer<br />

Portlandkalksteinzement<br />

Portlandsilicastaubzement<br />

Hochofenzement<br />

Nebenbestandteile<br />

61,7<br />

42,1<br />

35,5<br />

23,9<br />

23,9<br />

45,1<br />

40<br />

CEM I CEM II CEM III<br />

2000<br />

2007<br />

29,6<br />

19,4<br />

14,4 17,9 14,4<br />

56,1<br />

5,7 6,0<br />

2,6<br />

CEM I CEM II CEM III CEM IV CEM V<br />

und<br />

andere<br />

Bild 1. Inlandsversand der 2000 und<br />

2006 in <strong>Deutschland</strong> hergestellten<br />

Zemente (l.) sowie die 2005 in Europa<br />

hergestellten Zemente (r.) nach Zementarten,<br />

Anteile in % [2], [5], [12]<br />

Fig. 1. Share of cement types in the domestic<br />

dispatch of cements manufactured<br />

in Germany in 2000 and 2006 (left)<br />

and of cements manufactured in<br />

Europe in 2005 (right), share in % [2],<br />

[5], [12]<br />

einen wird er als Oberbegriff für die gesamte Gruppe der<br />

CEM II-Zemente verwendet. Hierzu gehören z. B. die<br />

Portlandhüttenzemente CEM II-S, darüber hinaus Portlandschieferzement<br />

CEM II-T und Portlandkalksteinzement<br />

CEM II-LL mit jeweils einem weiteren Hauptbestandteil<br />

neben Portlandzementklinker. Außerdem wird<br />

der Begriff „Portlandkompositzement“ für die CEM II-M-<br />

Zemente verwendet, bei denen neben Portlandzementklinker<br />

mehrere Hauptbestandteile miteinander kombiniert<br />

werden. Bild 1 zeigt, in welchen Anteilen die verschiedenen<br />

Zementarten in <strong>Deutschland</strong> und Europa<br />

eingesetzt werden. Der Vergleich zur gesamteuropäischen<br />

Situation ergibt sich anhand der Daten des Dachverbands<br />

der europäischen Zementindustrie CE<strong>MB</strong>UREAU.<br />

Danach werden in Europa bereits wesentlich mehr<br />

CEM II-Zemente als CEM I-Zemente verwendet. Bild 1<br />

zeigt, dass diese Entwicklung auch in <strong>Deutschland</strong> fortschreitet.<br />

3.2 Anwendungsregeln<br />

Die aktuellen Betonnormen DIN EN 206-1 und<br />

DIN 1045-2 enthalten die Anwendungsregeln für Normzemente<br />

in Abhängigkeit von den Expositionsklassen.<br />

Zum Zeitpunkt der Einführung dieser Normen galten für<br />

einige Normzemente Anwendungsbeschränkungen, die<br />

vor allem auf die in <strong>Deutschland</strong> noch nicht hinreichenden<br />

praktischen Erfahrungen zurückzuführen waren. In<br />

diesen Fällen wurde der Nachweis der Eignung für die Anwendung<br />

in bestimmten Expositionsklassen durch eine<br />

allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (Anwendungszulassung<br />

AZ) des Deutschen Instituts für Bautechnik<br />

(DIBt) erbracht.<br />

Aktuell dürfen folgende Zementarten in allen Expositionsklassen<br />

verwendet werden:<br />

– Portlandzement CEM I<br />

– Portlandhüttenzemente CEM II/A-S und CEM II/B-S<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2<br />

7


Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

Tabelle 3. Vergleich der Anwendungsregeln für Zemente im Rahmen nationaler Anhänge zur europäischen Betonnorm<br />

DIN EN 206-1 am Beispiel eines Außenbauteilbetons<br />

Table 3. Comparison of the application rules for cements laid down in national application documents to European concrete<br />

standard EN 206-1 based on the example of a concrete for external components<br />

Land max min z CEM I CEM II CEM III CEM IV CEM V<br />

(w/z) eq in kg/m 3 S LL M<br />

A B A B A B A B A B A B<br />

Österreich 0,55 300 × × × – – – (×) × (×) – – –<br />

Belgien 0,55 300 × × × × × × × × × – – (×) –<br />

Dänemark 0,55 150 (×) – – (×) – – – – – – – – –<br />

Finnland 0,60 270 × × × × – × – × × – – – –<br />

<strong>Deutschland</strong> 0,60 280 × × × × ❍ (×) (×) × × ❍ (×) (×) (×)<br />

Irland 0,60 300 × – – – – – – – – – – – –<br />

Italien 0,50 320 × × × × × × × × × × × × ×<br />

Niederlande 0,55 300 × × × (×) (×) (×) (×) × × (×) (×) (×) (×)<br />

Norwegen 0,60 <strong>25</strong>0 × × – × – – – – – – – – –<br />

Großbritannien 0,60 280 × × × × – – – × × (×) (×) – –<br />

× erlaubt; (×) mit Einschränkungen; – nicht erwähnt; ❍ nicht erlaubt<br />

– Portlandschieferzemente CEM II/A-T und CEM II/B-T<br />

– Portlandkalksteinzemente CEM II/A-LL<br />

– Portlandflugaschezemente CEM II/A-V und CEM<br />

II/B-V<br />

– Portlandkompositzemente CEM II/A-M mit den weiteren<br />

Hauptbestandteilen S, LL, T, D bzw. V<br />

– Portlandkompositzemente CEM II/B-M mit allgemeiner<br />

bauaufsichtlicher Zulassung (Anwendungszulassung<br />

AZ)<br />

– Hochofenzemente CEM III/A *)<br />

Seit dem Jahr 2004 wurden insgesamt 17 allgemeine bauaufsichtliche<br />

Anwendungszulassungen für CEM II/B-M<br />

(S-LL) und zwei Zulassungen für CEM II/B-M (V-LL) erteilt.<br />

Neben den Zulassungen für die CEM II/B-M (V-LL)<br />

sind aktuell 15 Zulassungen für CEM II/B-M (S-LL) gültig.<br />

In allen Zulassungen wird einheitlich die Verwendung<br />

in Beton, Stahlbeton und Spannbeton nach DIN EN 206-1<br />

in Verbindung mit DIN 1045-2 für die Expositionsklassen<br />

XC3, XC4, XD1 bis XD3, XS1 bis XS3, XF1 bis XF4, XA1<br />

bis XA3, XM1 bis XM3 in Ergänzung zu den bereits in<br />

DIN 1045-2 erlaubten Expositionsklassen X0, XC1 und<br />

XC2 zugelassen. In allen Zulassungen wird noch Bezug<br />

genommen auf die Anwendung in Mörtel und Beton nach<br />

der alten DIN 1045:1988 und der früheren Spannbetonnorm<br />

DIN 4227-1. Nicht erlaubt ist die Verwendung in<br />

Einpressmörtel für Spannglieder nach DIN EN 447. In<br />

insgesamt vier Zulassungen wurde zwischenzeitlich auch<br />

die Verwendung für die Herstellung von Bohrpfählen<br />

nach DIN EN 1536 in Verbindung mit dem DIN-Fachbericht<br />

129 und zur Herstellung von flüssigkeitsdichtem Beton<br />

(FD-Beton) nach der DAfStb-Richtlinie „Betonbau<br />

*) Expositionsklasse XF4: CEM III/A der Festigkeitsklasse<br />

≥ 42,5 N oder der Festigkeitsklasse 32,5 R mit bis zu<br />

50 M.-% Hüttensand<br />

beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ aufgenommen.<br />

Die Erweiterung gilt technisch für alle diese Zulassungen.<br />

Es bedarf allerdings formal eines Antrags beim<br />

DIBt durch den Zulassungsinhaber. In Ergänzung zu den<br />

genannten Anwendungsgebieten können CEM II-M-Zemente<br />

mit allgemeiner bauaufsichtlicher Anwendungszulassung<br />

in allen Bereichen eingesetzt werden, in denen das<br />

entsprechende Regelwerk einen Bezug auf Zement nach<br />

DIN EN 197-1, nach DIN 1164 oder Zement mit allgemeiner<br />

bauaufsichtlicher Zulassung enthält und keine speziellen<br />

Anwendungsbeschränkungen aufführt. Die nachfolgende<br />

Aufzählung zeigt einige Beispiele:<br />

– DIN 1053-1 Mauerwerk<br />

– DIN 4158 Zwischenbauteile aus Beton für Stahlbetonund<br />

Spannbetondecken<br />

– DIN EN 12843 Betonmaste<br />

– DIN 4261-1 Kleinkläranlagen<br />

– DIN 18551 Spritzbeton<br />

– DIN 18148 (DIN 18162) Hohlwandplatten aus Leichtbeton<br />

(unbewehrt)<br />

– DAfStb-Richtlinie „Herstellung und Verwendung von<br />

Trockenbeton und Trockenmörtel“ (Trockenbeton-<br />

Richtlinie)<br />

– DAfStb-Richtlinie „Herstellung und Verwendung von<br />

zementgebundenem Vergussbeton und Vergussmörtel“<br />

Eine weiterführende Übersicht über die Verwendung von<br />

Zement nach EN 197-1 findet man in der Bauregelliste A<br />

Teil 1 Anlage 1.33 (2006/1). Beim Bau von Ingenieurbauwerken<br />

im Bereich von Bundesfernstraßen (ZTV-ING)<br />

bedarf die Verwendung von CEM II-M-Zementen noch<br />

der Zustimmung des Auftraggebers. Trotz der Einschränkung<br />

belegen auch in diesem Anwendungsbereich mittlerweile<br />

zahlreiche Praxisbeispiele die Eignung der CEM<br />

II/B-M-Zemente mit Anwendungszulassung [1]. Langfristig<br />

sollte dieser Zusatz daher entfallen können.<br />

8<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2


Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

Eine Arbeitsgruppe des CEN/TC 104/SC1 „Beton“<br />

hat eine Synopse der nationalen Anwendungsdokumente<br />

(NAD) zur europäischen Betonnorm EN 206-1 erarbeitet.<br />

Dabei zeigten sich <strong>zum</strong> Teil deutliche Unterschiede für die<br />

Zementanwendung. Hier spiegeln sich neben den traditionell<br />

unterschiedlichen Gegebenheiten des Markts und der<br />

Baupraxis ebenfalls Philosophien der Regelsetzung wider<br />

(Tabelle 3). Während in der deutschen Anwendungsnorm<br />

DIN 1045-2 für alle 27 Grundzementarten und zusätzlich<br />

eine Reihe von CEM-II-M-Zementen Festlegungen für<br />

deren Anwendung getroffen wurden, regeln andere NAD<br />

die Anwendung nur einiger weniger Zementarten, die<br />

traditionell im jeweiligen nationalen Markt eine Rolle<br />

spielen.<br />

4 Zementeigenschaften<br />

Die Eigenschaften von CEM II- und CEM III/A-Zementen<br />

wurden im Zuge der technischen Entwicklung der<br />

Herstellungsverfahren ständig verbessert, den aktuellen<br />

Anforderungen der Praxis angepasst und dadurch die<br />

Bandbreite der Anwendungen deutlich erweitert. Insbesondere<br />

hinsichtlich ihrer Anfangsfestigkeit sind CEM IIund<br />

CEM III/A-Zemente von den Herstellern so eingestellt,<br />

dass sie vergleichbar zu den CEM I-Zementen eingesetzt<br />

werden können (Bild 2).<br />

5 Baupraktische Betoneigenschaften<br />

5.1 Allgemeines<br />

Über die umweltschonende Herstellung hinaus haben<br />

CEM II- und CEM III/A-Zemente aufgrund ihrer Zusammensetzung<br />

insbesondere unter den immer differenzierteren<br />

betontechnologischen Vorgaben bei der Anwendung<br />

in Frisch- bzw. Festbeton eine Reihe von Vorteilen. Für<br />

spezifische Einsatzbereiche – vom Brückenbau über den<br />

Tunnel- bis <strong>zum</strong> Straßen- und Gebäudebau – lassen sich<br />

optimal abgestimmte Betone produzieren. Nachfolgend<br />

einige wichtige Eigenschaften im Überblick.<br />

5.2 Festigkeitsentwicklung<br />

Die Festigkeitsentwicklung von Betonen mit CEM II- und<br />

CEM III/A-Zementen ist unter baupraktischen Bedingungen<br />

vergleichbar mit der von CEM I-Betonen. Um den Anforderungen<br />

der Praxis an die Frühfestigkeit zu genügen,<br />

werden CEM II/B- und CEM III/A-Zemente auch in der<br />

Festigkeitsklasse 42,5 N angeboten. In Bild 3 ist die relative<br />

Druckfestigkeitsentwicklung von Betonen auf Basis<br />

handelsüblicher CEM I-, CEM II- und CEM III/A-Zemente<br />

bei vergleichbaren Betonzusammensetzungen und<br />

Lagerungsbedingungen beispielhaft dargestellt. Die Relativwerte<br />

ergeben sich aus dem Bezug der Betondruckfestigkeit<br />

im Alter von 2, 7 bzw. 28 Tagen auf die 28-Tage-<br />

Druckfestigkeit des Betons. Zum Vergleich sind ergänzend<br />

die Prüfwerte für einen CEM III/A 32,5 N enthalten.<br />

Die ausgewiesenen Ergebnisse ermöglichen die Einstufung<br />

der untersuchten Betone in die mittlere bzw. langsame<br />

Festigkeitsentwicklung. Dem entsprechend ist hier<br />

der Beton mit dem Zement CEM III/A 32,5 N als langsam<br />

einzustufen. Diese Einstufung ist maßgebend für die Dauer<br />

der Nachbehandlung.<br />

Zementfestigkeit in N/mm²...<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2d<br />

CEM I<br />

32,5 R<br />

5.3 Dauerhaftigkeit<br />

28d<br />

CEM II/A<br />

32,5 R<br />

CEM II/B<br />

32,5 R<br />

CEM II/B<br />

42,5 N<br />

CEM III/A<br />

42,5 N<br />

Bild 2. Mittelwerte der Normdruckfestigkeiten verschiedener<br />

Zementarten auf der Basis der Ergebnisse der Fremdüberwachung<br />

[1], [7]<br />

Fig. 2. Mean values of the standard compressive strengths<br />

of different types of cements based on the results of the third<br />

party inspection [1], [7]<br />

Relative Betondruckfestigkeit...<br />

1,1<br />

1,0<br />

0,9<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0,0<br />

w/z = 0,50 - 0,60<br />

z = 300 bis 320 kg/m³<br />

CEM I 32,5 R<br />

CEM II/A-S 42,5 N<br />

CEM II/A-LL 32,5 R<br />

CEM II/B-S 42,5 N<br />

CEM II/B-T 42,5 N<br />

CEM II/B-M (S-LL) 32,5 R<br />

CEM II/B-M (V-LL) 32,5 R<br />

CEM III/A 42,5 N<br />

CEM III/A 32,5 N<br />

0 10 20 30<br />

Alter in Tagen<br />

Bild 3. Relative Druckfestigkeit von Betonen mit verschiedenen<br />

CEM II- und CEM III/A-Zementen im Vergleich <strong>zum</strong><br />

CEM I-Beton [1], [8]<br />

Fig. 3. Relative compressive strength of concretes with different<br />

CEM II and CEM III/A-cements compared with CEM I-<br />

concretes [1], [8]<br />

Die Dauerhaftigkeit des Betons ist eine der zentralen Anforderungen<br />

an jedes Bauwerk. Dabei geht es vor allem<br />

darum, dass die <strong>zum</strong> Einsatz kommenden Betonbauteile<br />

bei ausreichender Wartung und Instandhaltung über den<br />

geplanten Nutzungszeitraum widerstandsfähig gegen Lasten<br />

und Umwelteinflüsse sein müssen.<br />

Carbonatisierung<br />

Untersuchungen an Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken,<br />

die mit Betonen verschiedener Festigkeitsklassen und<br />

unterschiedlicher Zusammensetzung hergestellt wurden,<br />

haben gezeigt, dass bei im Freien bewitterten Bauteilen<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2<br />

9


Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

kein Einfluss der in <strong>Deutschland</strong> üblicherweise eingesetzten<br />

Zementarten auf das Carbonatisierungsverhalten zu<br />

erkennen ist [3]. Obwohl sich an trockenen Innenbauteilen<br />

höhere Carbonatisierungsfortschritte ergeben können,<br />

besteht aufgrund des geringen Feuchtegehalts dieser Bauteile<br />

kein Risiko der Korrosion der Bewehrung.<br />

Chlorideindringwiderstand<br />

Die Verwendung hüttensand- und flugaschehaltiger Zemente<br />

führt aufgrund der Verfeinerung des Porensystems<br />

<strong>zum</strong> Teil zu einer deutlichen Erhöhung des Widerstands<br />

des Betons gegen das Eindringen von Chloriden (Bild 4).<br />

Bei Betonen für massige Bauteile nach DAfStb-Richtlinie<br />

und bei Verwendung eines CEM III/A- oder CEM III/B-<br />

Zements in den Expositionsklassen XD3 und XS3 kann<br />

der höchstzulässige Wasserzementwert von 0,45 auf 0,50<br />

bei gleich bleibendem Korrosionsschutz der Bewehrung<br />

erhöht werden.<br />

Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand<br />

Bei sachgemäßer Zusammensetzung, Verarbeitung und<br />

Nachbehandlung nach DIN 1045 weisen Betone mit<br />

CEM II- und CEM III/A-Zementen zuverlässig einen hohen<br />

Frost- sowie Frost-Tausalz-Widerstand auf. Besonders<br />

für Ingenieurbauwerke oder Verkehrsflächen sind diese<br />

daher sehr gut geeignet. Lediglich CEM III/A der Festigkeitsklasse<br />

32,5 N sowie CEM III/A 32,5 R mit mehr als<br />

50 M.-% Hüttensand sind für die Expositionsklasse XF4<br />

ausgeschlossen. In Bild 5 sind beispielhaft Ergebnisse aus<br />

Frost-Tausalz-Prüfungen mit dem CDF-Verfahren an Betonen<br />

mit verschiedenen Zementen dargestellt. Sofern die<br />

Prüfung des Frost-Tausalz-Widerstands gefordert ist, wird<br />

zur Beurteilung der Ergebnisse i. A. folgendes Bewertungskriterium<br />

verwendet: die Abwitterung nach 28 Frost-<br />

Tau-Wechseln darf für einen Beton mit ausreichendem<br />

Frost-Tausalz-Widerstand nicht größer als 1.500 g/m 2<br />

sein. Das entspricht einer Abwitterungstiefe von nur ca.<br />

0,6 mm. Dieses Kriterium kann nicht für an Bauwerken<br />

entnommene Proben angewendet werden.<br />

6 Anwendungsbeispiele<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Chlorideindringen (Migrationskoeffizient D Cl,M in 10 -12 m 2 /s)<br />

Betonalter: 35 d<br />

z = 320 kg/m³<br />

w/z = 0,50<br />

Wasserlagerung<br />

Erhöhung des<br />

Chlorideindringwiderstands<br />

CEM I CEM II-LL CEM II-M CEM II-M CEM II-S CEM III<br />

(V-LL) (S-LL)<br />

Bild 4. Einfluss der Zementart auf den Chlorideindringwiderstand<br />

von Beton (Prüfung mittels Schnelltest) [1], [9],<br />

[10]<br />

Fig. 4. Influence of the cement type on the resistance to<br />

chloride penetration of concrete (examination by means of<br />

accelerated test) [1], [9], [10]<br />

Abwitterungen in g/m² (CDF-Test)...<br />

1800<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

CDF-Bewertungskriterium für Laborprüfkörper: ≤ 1500 g/m²<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

CEM III/A CEM II/B-S CEM II/B-T CEM II/A-LL CEM II/B-M CEM II/B-M<br />

(S-LL)<br />

(V-LL)<br />

Bild 5. Frost-Tausalz-Widerstand von Luftporenbetonen bei<br />

Prüfung mit dem CDF-Verfahren, Zementgehalt 320 bis<br />

365 kg/m 3 ; w/z-Wert 0,41 bis 0,50; Festigkeitsklassen der<br />

Zemente: 32,5 R und 42,5 N [1], [8]<br />

Fig. 5. Resistance to freeze-thaw with de-icing salt of airentrained<br />

concrete tested according to the CDF method,<br />

cement content 320 to 365 kg/m 3 ; w/c ratio 0.41 to 0.50;<br />

strength classes of the cements: 32.5 R and 42.5 N [1], [8]<br />

Die bisher in <strong>Deutschland</strong> produzierten und im Betonbau<br />

eingesetzten CEM II- und CEM III/A-Zemente haben<br />

sich im Hinblick auf ihre Verarbeitungseigenschaften, die<br />

Festigkeitsentwicklung und die Dauerhaftigkeit des Betons<br />

in jahrzehntelangem Praxiseinsatz bewährt. Die aktuelle<br />

VDZ Broschüre „CEM II- und CEM III/A-Zemente<br />

im Betonbau – Nachhaltige Lösungen für das Bauen mit<br />

Beton“, enthält zahlreiche Praxisbeispiele aus verschiedenen<br />

Bereichen des Betonbaus, von denen zwei Beispiele<br />

hier zur Veranschaulichung dargestellt werden [1].<br />

Praxisbeispiel „Saalebrücke Beesedau“<br />

1999 wurde im Zuge des Baus der BAB A14 die Vorlandbrücke<br />

der Saalebrücke Beesedau errichtet (Bild 6). Das<br />

insgesamt 495 m lange Baustück wurde mit insgesamt<br />

15.000 m 3 Beton realisiert, wobei drei unterschiedliche<br />

Zemente <strong>zum</strong> Einsatz kamen. Der Pfeilerbeton wurde mit<br />

CEM III/A-Zement hergestellt, während beim Beton für<br />

den Überbau und die Kappen (in Richtung Magdeburg)<br />

CEM II/B-S-Zement verarbeitet wurde. In einem in 2006<br />

Bild 6. Die Saalebrücke Beesedau im Zuge der Bundesautobahn<br />

BAB A14 (Vorlandbrücke) [1]<br />

Fig. 6. Saale River Bridge at Beesedau. Part of motorway<br />

A14 (foreshore bridge) [1]<br />

10<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2


Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

Bild 7. Die BAB A44: Das deutschlandweit erste Autobahnteilstück<br />

in CEM III/A-Beton [1]<br />

Fig. 7. Motorway A44: The first motorway section in CEM<br />

III/A concrete in Germany [1]<br />

nach sieben Jahren Nutzung erstellten Gutachten (WTI-<br />

Bau Dr.-Ing. Löffler GmbH Unterwellenborn) ließ sich<br />

hinsichtlich des Qualitätszustands der Brücke unter anderem<br />

feststellen, dass die Kappen aus CEM II-Beton mit<br />

denen aus CEM I-Beton qualitativ über weite Bereiche<br />

vergleichbar sind und die festgestellten kleineren Schäden<br />

wie Abwitterungen und Kantenabplatzungen unabhängig<br />

von der Zementart zu sehen sind. Die Betone mit CEM IIund<br />

CEM III/A-Zementen wiesen also keinerlei Nachteile<br />

im Vergleich <strong>zum</strong> „klassischen“ Portlandzementbeton auf<br />

[1].<br />

Praxisbeispiel „Fahrbahndecke BAB A44“<br />

Als erste Fahrbahndecke einer Autobahn wurde im Jahr<br />

2002 die A 44 vom Autobahnkreuz Unna-Ost bis <strong>zum</strong><br />

Autobahnkreuz Werl auf 7 km Länge mit 27.000 m 3<br />

CEM III/A-Beton realisiert (Bild 7). Im 22 cm dicken<br />

Unterbeton und 8 cm dicken Oberbeton wurden bei einer<br />

Überprüfung in 2007 trotz enormer Beanspruchung durch<br />

den PKW- und LKW-Verkehr keinerlei Mängel festgestellt.<br />

Obwohl Unter- und Oberbeton nur mit 340 kg/m 3<br />

Zement hergestellt wurden (Mindestzementgehalt gemäß<br />

Ausschreibung), ist die gute Verarbeitbarkeit bzw. Geschmeidigkeit<br />

des Betons hier besonders hervorzuheben.<br />

Als vorteilhaft erwies sich bei den hochsommerlichen<br />

Temperaturen während der Baumaßnahme der durch das<br />

langsame Abbinden des Betons vergleichsweise größere<br />

Verarbeitbarkeitszeitraum [1].<br />

7 Hinweise für die Praxis<br />

Bei der Umstellung auf CEM II- und CEM III/A-Zemente<br />

sind gegenüber anderen Normzementen i. d. R. keine Anpassungen<br />

der herstellungstechnischen Abläufe des Betons<br />

– z. B. im Transportbetonwerk – erforderlich. Wie bei<br />

jeder Änderung der Ausgangsstoffe des Betons sind Erstprüfungen<br />

durchzuführen. Im Rahmen dieser Eignungsprüfung<br />

wird z. B. auch die Wirkung von Zusatzmitteln in<br />

Verbindung mit den verwendeten Ausgangsstoffen nachgewiesen.<br />

Vor allem bei Verwendung von Betonverflüssigern<br />

(BV) oder Fließmitteln (FM) auf Basis von Polycarboxylatethern<br />

(PCE) ist zu beachten, dass beim Wechsel<br />

des Zements unabhängig von der verwendeten Zementart<br />

geprüft werden muss, ob das verwendete PCE geeignet ist.<br />

Für einen ausreichenden Frost-Tausalz-Widerstand ist ein<br />

entsprechendes Mikroluftporengefüge im Beton ausschlaggebend,<br />

das über die Zugabe von LP-Bildnern erreicht<br />

wird. Zur Sicherstellung des erforderlichen Luftporengehalts<br />

kann bei Einsatz von Zementen mit mehreren<br />

Hauptbestandteilen eine geringfügig höhere LP-Mittel-<br />

Dosierung erforderlich sein.<br />

Der übliche Baubetrieb nimmt eine eventuell langsamere<br />

Festigkeitsentwicklung i. A. erst bei einer Umstellung<br />

auf CEM III/A-Zemente insbesondere bei kühleren<br />

Witterungsbedingungen wahr. Bauweisen und Bauaufgaben,<br />

die sensibel gegenüber geringen Veränderungen<br />

der Verarbeitungszeiten und der Frühfestigkeiten sind, wie<br />

z. B. der Gleitschalungsbau oder das Betonieren in engen<br />

Zeit- bzw. Abschnittstakten, erfordern bei Zementumstellungen<br />

eine enge Abstimmung mit dem Baubetrieb. In vielen<br />

Fällen ist eine etwas längere Verarbeitungszeit gewünscht<br />

oder baubetrieblich günstig, vor allem in der warmen<br />

Jahreszeit und bei der Herstellung großer Bauteile.<br />

Die Nachbehandlungszeiten sind für alle normativ<br />

zugelassenen Betone in DIN 1045-3 festgelegt. Die erforderliche<br />

Nachbehandlungszeit ist von den Temperaturverhältnissen<br />

und der Erhärtungscharakteristik (r-Wert)<br />

des Betons abhängig. Der r-Wert ist im Regelfall der Quotient<br />

aus der 2-Tage-Festigkeit und der 28-Tage-Festigkeit<br />

eines Betons. An Betonen, die vereinbarungsgemäß zu einem<br />

späteren Zeitpunkt geprüft werden (56 Tage, 90 Tage,<br />

etc.), wird die 2-Tage-Festigkeit durch die nach dieser Zeit<br />

ermittelte Festigkeit dividiert. In diesem System sind alle<br />

in <strong>Deutschland</strong> marktüblichen Zemente erfasst, so dass<br />

sich bei Beachtung der Normvorgaben stets die technisch<br />

richtigen Nachbehandlungszeiten ergeben und im Weiteren<br />

nicht gesondert auf die verwendete Zementart eingegangen<br />

werden muss. Gleichwohl erfordern Betone mit<br />

CEM II- und CEM III/A 42,5 N-Zementen in der frühen<br />

Erhärtungsphase eine sorgfältige Nachbehandlung.<br />

Die Herstellung von hochwertigen Sichtbetonbauteilen<br />

lässt eine Änderung der Zementart ohne die Absicherung<br />

der Farbgleichheit nicht zu. Grundsätzlich muss bei<br />

jeder Zementumstellung mit farblichen Veränderungen<br />

gerechnet werden. Bei Verwendung von CEM II- und<br />

CEM III/A-Zementen ergeben sich dabei vielfach bessere<br />

und robustere Ansichtsflächen als mit CEM I-Zementen.<br />

Durch die meist hellere Färbung der fertigen Flächen entsprechen<br />

diese Zemente dem aktuellen architektonischen<br />

Gestaltungstrend, der möglichst helle Flächen verlangt<br />

[1].<br />

8 Ausblick<br />

Als energie- und rohstoffintensive Industrie ist die Zementindustrie<br />

von Anforderungen an die Schonung der<br />

Ressourcen, an die Verringerung des Energieeinsatzes und<br />

an den globalen Klimaschutz in ganz besonderem Maße<br />

betroffen. Die Zementhersteller stellen sich dieser Herausforderung,<br />

indem sie ihre Herstellprozesse im Hinblick<br />

auf Rohstoff- und Energieeinsatz in den vergangenen Jahren<br />

fortlaufend optimiert haben. Aus dem Ziel, diesen<br />

Weg konsequent weiter zu beschreiten, erwächst auch die<br />

Frage nach neuen Zementarten, die bisher in der europäischen<br />

Zementnorm DIN EN 197-1 nicht enthalten sind,<br />

da sie in ihrer speziellen Zusammensetzung bisher nicht<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2<br />

11


Chr. Müller · Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen im Betonbau<br />

D Cl, M in 10 -12 m²/s<br />

35<br />

30<br />

<strong>25</strong><br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Zemente<br />

mit:<br />

20% LL<br />

30% V<br />

35 d 98 d<br />

20% LL<br />

20% V<br />

20% LL<br />

20% S<br />

w/z = 0,50<br />

z = 320 kg/m³<br />

20% LL<br />

30% S<br />

Bild 8. Chloridmigrationskoeffizienten von Betonen in Abhängigkeit<br />

vom Prüfalter, Zemente der Festigkeitsklasse<br />

32,5 R nach DIN EN 197-1 [11]<br />

Fig. 8. Chloride migration coefficients of concretes depending<br />

on testing age, cements of strength class 32.5 R according<br />

to DIN EN 197-1 [11]<br />

Abwitterungen in kg/m²<br />

2,00<br />

1,75<br />

1,50<br />

1,<strong>25</strong><br />

1,00<br />

0,75<br />

0,50<br />

0,<strong>25</strong><br />

0,00<br />

Zemente mit:<br />

Bewertungskriterium: < 1,5 kg/m² nach 28 FTW<br />

20% LL 30% V<br />

20% LL 20% V<br />

20% LL 20% S<br />

w/z = 0,50<br />

z = 320 kg/m³<br />

LP = 4,5 - 5,5 Vol.-%<br />

0 7 14 21 28<br />

Anzahl der Frost-Tau-Wechsel (FTW)<br />

Bild 9. Abwitterungen von Luftporenbetonen im CDF-<br />

Verfahren in Abhängigkeit von der Anzahl der Frost-Tau-<br />

Wechsel, Zemente der Festigkeitsklasse 32,5 R nach<br />

DIN EN 197-1 [11]<br />

Fig. 9. Scaling of air-entrained concretes depending on the<br />

number of freeze-thaw cycles (CDF method), cements of<br />

strength class 32.5 R according to DIN EN 197-1 [11]<br />

als „traditionell“ und „bewährt“ gelten können, auch wenn<br />

ihre Zusammensetzung sich nicht zwangsläufig deutlich<br />

von den Zementen der DIN EN 197-1 unterscheidet. Die<br />

Zementnorm DIN EN 197-1 definiert die Zusammensetzung<br />

von Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen,<br />

deren Dauerhaftigkeit und Leistungsfähigkeit in der Praxis<br />

nachgewiesen wurden. Hierzu gehören derzeit Zemente<br />

mit 20 M.-% Kalkstein (LL) in Kombination mit 20 bzw.<br />

30 M.-% Flugasche (V) bzw. Hüttensand (S) nicht. Untersuchungen<br />

im Forschungsinstitut der Zementindustrie<br />

(FIZ) zeigen, dass Betone mit solchen Zementen – die<br />

entsprechend ihrer vorgesehenen Verwendung chemischmineralogisch<br />

bzw. granulometrisch optimiert wurden –<br />

dauerhaftigkeitsrelevanten Anforderungen genügen können.<br />

Die hier untersuchten Betone wiesen im Alter von 98<br />

Tagen einen hohen Chlorideindringwiderstand auf, der etwa<br />

mit Hochofenzementbetonen (CEM III/A) vergleichbar<br />

ist (Bild 8). In der Prüfung des Frost-Tausalz-Widerstands<br />

erreichten LP-Betone Ergebnisse deutlich unter<br />

den in <strong>Deutschland</strong> gebräuchlichen Bewertungskriterien<br />

– vgl. Abschnitt 5.3 „Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand“<br />

(Bild 9). Die dargestellten Ergebnisse können derzeit<br />

nicht verallgemeinert werden. Sie können aber als Grundlage<br />

für weitere Entwicklungsarbeiten genutzt werden.<br />

Literatur<br />

[1] CEM II- und CEM III/A-Zemente im Betonbau – Nachhaltige<br />

Lösungen für das Bauen mit Beton (2008) – zu beziehen<br />

über www.beton.org.<br />

[2] Daten des CE<strong>MB</strong>UREAU, 2005.<br />

[3] Schröder, F., Smolczyk, H.-G., Grade, K., Vinkeloe, R. und<br />

Roth, R.: Einfluss von Luftkohlensäure und Feuchtigkeit auf<br />

die Beschaffenheit des Betons als Korrosionsschutz für Stahleinlagen.<br />

Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Schriftenreihe<br />

(1967) 182.<br />

[4] Verein Deutscher Zementwerke: Zement-Taschenbuch<br />

50. Ausgabe (2002).<br />

[5] Verein Deutscher Zementwerke: Zement-Taschenbuch<br />

51. Ausgabe (2008).<br />

[6] Verein Deutscher Zementwerke: Tätigkeitsbericht 2005–<br />

2007.<br />

[7] Verein Deutscher Zementwerke: Mittelwerte der Druckfestigkeiten<br />

für verschiedene Zemente und Betone. Ergebnisse<br />

aus der Prüfdatenbank des Forschungsinstituts der Zementindustrie<br />

(unveröffentlicht).<br />

[8] Verein Deutscher Zementwerke: Ergebnisse aus den Prüfdatenbanken<br />

der VDZ-Mitgliedsunternehmen (unveröffentlicht).<br />

[9] Müller, C.: Performance of Portland-composite cements.<br />

Cement International (4), Heft 2, S. 112–119 (2006).<br />

[10] Müller, C. und Severins, K.: Dauerhaftigkeit von Betonen<br />

mit flugaschehaltigen Zementen. beton 57 (2007) Nr. 3,<br />

S. 119–126.<br />

[11] Müller, C. und Severins, K.: Ökologisch und technisch optimierte<br />

Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen – Forschungsprojekt<br />

im Rahmen des B<strong>MB</strong>F Förderprogramms<br />

Klimazwei – Förderkennzeichen 01LK0502 (unveröffentlicht)<br />

– www.klimazwei.de.<br />

[12] Verein Deutscher Zementwerke: Tätigkeitsbericht 1999–<br />

2001.<br />

Dr.-Ing. Christoph Müller<br />

Verein Deutscher Zementwerke e.V.<br />

Forschungsinstitut der Zementindustrie<br />

Tannenstraße 2<br />

40476 Düsseldorf<br />

mc@vdz-online.de<br />

12<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 2


Fachthemen<br />

DOI: 10.1002/best.200900058<br />

Peter Schießl<br />

Till Felix Mayer<br />

Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

Dem Lebensdauermanagement von Infrastrukturbauwerken<br />

kommt vor dem Hintergrund knapper Ressourcen eine steigende<br />

Bedeutung zu. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Bausteine<br />

eines modernen Lebensdauermanagementsystems für<br />

Stahlbetonbauwerke vorgestellt. Zentrales Element ist eine Lebensdauerbemessung,<br />

die in Abhängigkeit von den maßgebenden<br />

Schädigungsmechanismen mit unterschiedlichen Detaillierungsgraden<br />

durchgeführt werden kann. Dies ermöglicht eine<br />

Ausnutzung von Optimierungspotentialen durch Rezepturoptimierung<br />

und Bindemittelwahl. Durch geeignete Methoden während<br />

der Ausführung und nach Fertigstellung kann die tatsächliche<br />

Qualität kontrolliert werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen<br />

während der Planungs- und Ausführungsphase werden in einem<br />

Geburtszertifikat zusammengefasst, das die Grundlage für den<br />

Wartungsplan bildet. Die Ergebnisse der Inspektionen werden<br />

herangezogen, um die Prognose der Zustandsentwicklung während<br />

der Nutzung kontinuierlich zuzuschärfen.<br />

Life Cycle Management of Concrete Structures<br />

On the background of scarce public resources, life cycle management<br />

of infrastructure systems has gained increasing importance.<br />

This paper presents the core components of a state-ofthe-art<br />

life cycle management system for reinforced concrete<br />

structures. A service life design is one of the key elements. Depending<br />

on the governing deterioration mechanisms, it can be<br />

carried out on different levels of detail and thus enables an optimisation<br />

of durability by means of optimised concrete composition<br />

and choice of binder. Quality control tools during construction<br />

and after completion allow for an assessment of the actual<br />

quality. The results of the design and construction stage are then<br />

summarised in a so-called birth certificate which forms the basis<br />

for future inspection and maintenance planning. The results of<br />

the inspection again can be used to update the original service<br />

life design throughout the service life of the structure.<br />

1 Einführung<br />

Die Instandsetzung von Schäden an Infrastrukturbauwerken<br />

im Bundesfernstraßennetz, die durch eine unzureichende<br />

Dimensionierung der Betondeckung, ungeeignete<br />

Baustoffwahl oder mangelhafte Berücksichtigung der tatsächlichen<br />

Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden,<br />

verursacht jährliche Kosten von mehr als <strong>25</strong>0 Mio. Euro<br />

[1]. Trotz der übergeordneten Bedeutung, die der Dauerhaftigkeit<br />

von Bauwerken in diesem Zusammenhang zukommt,<br />

erfolgte die Dauerhaftigkeitsbemessung im Rahmen<br />

der Planung bisher ausschließlich auf Grundlage empirischer<br />

„deemed-to-satisfy“-Ansätze. Die Entwicklung<br />

von Lebensdauerbemessungsmodellen erlaubt heute eine<br />

Dauerhaftigkeitsbemessung für die maßgebenden Schädigungsmechanismen<br />

unter Berücksichtigung wirklichkeitsnaher<br />

Kennwerte für den Bauteilwiderstand gegenüber<br />

Umwelteinwirkungen und quantifizierter Einwirkungskennwerte<br />

[2]. Die Widerstandskennwerte können anhand<br />

von Eignungsprüfungen bestimmt und ihre Einhaltung<br />

während der Bauphase durch laufende Qualitätskontrollen<br />

und im Rahmen der Abnahme am fertig gestellten<br />

Bauwerk überprüft werden. Die Ergebnisse der Qualitätskontrollen<br />

können gemeinsam mit den Resultaten aus<br />

Bauwerksinspektionen während der Nutzung, die Aufschluss<br />

über die Wechselwirkungen zwischen Bauwerk<br />

und realen Umwelteinwirkungen geben, herangezogen<br />

werden, um die ursprüngliche Lebensdauerbemessung<br />

laufend zu aktualisieren und zu verbessern.<br />

Lebensdauerbemessung, Qualitätskontrolle während<br />

der Ausführung und zyklische Zustandserfassungen während<br />

der Nutzung stellen gemeinsam mit Planungswerkzeugen<br />

für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen die<br />

zentralen Elemente moderner Lebensdauermanagementsysteme<br />

(LDMS) für Stahlbetonbauwerke dar [3], Bild 1.<br />

Derartige LDMS bieten erhebliche Optimierungspotentiale<br />

beim Entwurf und Betrieb von Stahlbetonbauwerken<br />

und sind somit ein wesentliches Element des Nachhaltigen<br />

Bauens mit Beton. Die zentralen Bausteine eines derartigen<br />

Lebensdauermanagementsystems werden im Folgenden<br />

beschrieben.<br />

2 Bausteine eines Lebensdauermanagementsystems<br />

2.1 Übersicht<br />

LDMS finden vorwiegend für anspruchsvolle Bauwerke<br />

mit langen Nutzungsdauern Anwendung, die dauerhaftigkeitsrelevanten<br />

Umwelteinwirkungen ausgesetzt sind. Die<br />

Bausteine eines LDMS werden erstmals in der Richtlinie<br />

GruNaBau („Grundlagen des Nachhaltigen Bauens mit<br />

Beton“) des DAfStb definiert, die sich derzeit noch im<br />

Entwurf befindet [4]. Im Einzelnen sind dies:<br />

– Lebensdauerbemessung<br />

– erweiterte Eignungsprüfungen zur Bestimmung dauerhaftigkeitsrelevanter<br />

Kenngrößen der vorgesehenen<br />

Baustoffe<br />

© 2009 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11<br />

13


P. Schießl/T. F. Mayer · Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

Bild 1. Elemente des Lebensdauermanagements während<br />

der Planungs- und Ausführungsphase<br />

Fig. 1. Elements of Life Cycle Management during design<br />

and construction phase<br />

– Entwicklung eines Inspektionsplans mit Festlegung von<br />

Inspektionsintervallen und geeigneten Inspektionsmethoden<br />

– Qualitätskontrolle dauerhaftigkeitsrelevanter Kenngrößen<br />

während der Herstellung<br />

– Ermittlung der erreichten Bauwerksqualität nach Fertigstellung<br />

(Abnahme)<br />

– Aktualisierung der Lebensdauerbemessung unter Berücksichtigung<br />

der ermittelten Kenngrößen des fertigen<br />

Bauwerks<br />

– Ausstellung eines Geburtszertifikats (Dokumentation<br />

der erreichten Bauwerksqualität und der Lebensdauerbemessung,<br />

evtl. Anpassung des Inspektionsplans)<br />

– zyklische Zustandserfassungen und Aktualisierung der<br />

Lebensdauerbemessung<br />

– ggf. Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen<br />

2.2 Lebensdauerbemessung<br />

Die Lebensdauerbemessung stellt das Kernelement eines<br />

LDMS dar. Die Lebensdauerbemessung kann in Abhängigkeit<br />

von der Komplexität des Bauwerks und dem Anforderungsprofil<br />

auf unterschiedlichen Detaillierungsniveaus<br />

durchgeführt werden. Im Einzelnen können vier<br />

Niveaus unterschieden werden:<br />

– vollprobabilistische Lebensdauerbemessung<br />

– semiprobabilistische Lebensdauerbemessung (Verfahren<br />

mit Teilsicherheitsbeiwerten)<br />

– Lebensdauerbemessung nach deskriptiven Vorgaben<br />

– Vermeiden der Schädigung<br />

Weitere Informationen zu diesen Detaillierungsniveaus<br />

können z. B. dem fib Model Code for Service Life Design<br />

entnommen werden [5]. Während für Schädigungsmecha-<br />

Bild 2. Zeitliche Entwicklung des Zuverlässigkeitsindex –<br />

und der Versagenswahrscheinlichkeit p f (CEM I, w/z = 0,50,<br />

Chloridbeaufschlagung)<br />

Fig. 2. Reliability index and failure probability with respect<br />

to chloride-induced corrosion (CEM I, w/c = 0.50)<br />

nismen wie Alkali-Kieselsäure-Reaktion oder Frost-Tausalz-Angriff<br />

derzeit nur eine Lebensdauerbemessung auf<br />

Grundlage deskriptiver Vorgaben oder durch Vermeiden<br />

der Schädigung möglich ist, existieren für die Bewehrungskorrosion<br />

infolge von Karbonatisierung oder Chlorideindringen<br />

ausreichend validierte, vollprobabilistische<br />

Bemessungsansätze, die im Weiteren in den Mittelpunkt<br />

dieses Beitrags gestellt werden [2]. Als Ergebnis der vollprobabilistischen<br />

Lebensdauerbemessung wird die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass ein betrachteter Grenzzustand (z. B.<br />

die Depassivierung der Bewehrungsoberfläche infolge<br />

von Chlorideindringen) innerhalb der geplanten Nutzungsdauer<br />

verletzt wird, in Form einer Versagenswahrscheinlichkeit<br />

p f oder des korrespondierenden Zuverlässigkeitsindex<br />

β‚ bestimmt. Diese Ansätze fanden bereits<br />

Anwendung z. B. beim Bau des Westerschelde-Tunnels in<br />

den Niederlanden, des Parkhauses der Allianz-Arena in<br />

München oder aktuell des Qatar-Bahrain-Causeway, einer<br />

rd. 40 km langen Brückenverbindung zwischen Qatar und<br />

Bahrain, die in den nächsten Jahren realisiert wird [6], [7].<br />

Zur Veranschaulichung der prinzipiellen Vorgehensweise<br />

soll das folgende Beispiel dienen. Für die direkt befahrene<br />

Geschossdecke eines Parkhauses ohne Oberflächenschutzsystem<br />

wurde ein Beton verwendet, der mit einem<br />

Portlandzement CEM I und einem w/z-Wert von 0,50<br />

hergestellt wurde. Dieser Beton verfügt über einen vergleichsweise<br />

hohen Chloridmigrationskoeffizienten von<br />

rd. 15,8 × 10 –12 m 2 /s, d. h. einen relativ geringen Chlorideindringwiderstand.<br />

Die Geschossdecke wurde mit einer<br />

Betondeckung von c nom = 55 mm und einer einbaubedingten<br />

Standardabweichung von s = 6 mm ausgeführt. Die zu<br />

erwartende Chloridbelastung der Geschossdecke an der<br />

der Einwirkung ausgesetzten Betonoberfläche kann auf<br />

Grundlage von Erfahrungswerten von vergleichbaren<br />

Bauwerken zu rd. 2,0 M.-%/z abgeschätzt werden [8], [9].<br />

Eine Bemessung auf den hier maßgebenden Grenzzustand<br />

der Tragfähigkeit ist in Ermangelung ausreichend validier-<br />

14<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11


P. Schießl/T. F. Mayer · Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

ter Modelle derzeit noch nicht möglich, so dass stellvertretend<br />

der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit „Depassivierung<br />

der Bewehrung“ betrachtet wird. Unter Verwendung<br />

des Modells <strong>zum</strong> Chlorideindringen nach Gehlen [2]<br />

ergibt sich für diesen Grenzzustand <strong>zum</strong> Ende der geplanten<br />

Nutzungsdauer von t = 50 Jahren eine Versagenswahrscheinlichkeit<br />

von p f = 47%, d. h., die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass in der betrachteten Geschossdecke nach 50 Jahren eine<br />

Depassivierung infolge Chlorideindringens stattgefunden<br />

hat, beträgt 47%. Der zeitliche Verlauf der Versagenswahrscheinlichkeit<br />

p f und des Zuverlässigkeitsindex β sind<br />

in Bild 2 dargestellt. Für den hier betrachteten Grenzzustand<br />

der Gebrauchstauglichkeit wird am Ende der Nutzungsdauer<br />

in [9] ein Zuverlässigkeitsindex β≥0,5 gefordert.<br />

Da die geforderte Zuverlässigkeit in diesem Beispiel<br />

deutlich unterschritten wurde, ist in einem nächsten<br />

Schritt eine Erhöhung des Chlorideindringwiderstands<br />

durch Rezeptoptimierung bzw. Erhöhung der Betondeckung<br />

oder eine Verringerung der Chlorideinwirkung<br />

durch konstruktive Maßnahmen zu erörtern.<br />

2.3 Optimierungspotential durch Rezepturoptimierung<br />

Ein wesentlicher Vorteil des hier beschriebenen Ansatzes<br />

der Lebensdauerbemessung besteht in der Möglichkeit,<br />

die Auswirkung betontechnologischer Maßnahmen auf<br />

die zu erwartende Lebensdauer quantitativ zu bewerten<br />

und so Optimierungspotentiale durch Rezepturoptimierung<br />

nutzen zu können. Beispielhaft ist in Bild 3 der Einfluss<br />

von Bindemittelzusammensetzung und w/z-Wert auf<br />

die maßgebende Kenngröße zur Beschreibung des Chloridtransports,<br />

den Chloridmigrationskoeffizient, dargestellt<br />

[10].<br />

Derartige Bewertungswerkzeuge gewinnen vor dem<br />

Hintergrund der derzeitigen Entwicklungen am Zementmarkt<br />

an Bedeutung, an dem aufgrund des hohen CO 2 -<br />

Ausstoßes bei der Klinkerproduktion reine Portlandzemente<br />

CEM I zunehmend durch CEM II- und CEM III-<br />

Zemente ersetzt werden. In Bild 4 sind die Auswirkungen<br />

auf die Zuverlässigkeit dargestellt, die in dem zuvor beschriebenen<br />

Beispiel der Austausch eines Portlandzements<br />

durch einen Portlandkompositzement CEM II/B-<br />

M (S-LL) oder einen Hochofenzement CEM III/B bei<br />

gleichem Wasserzementwert bedingt. Bereits vergleichsweise<br />

geringe Hüttensandgehalte bei einem CEM II/B-M<br />

(S-LL) führen hier zu einem signifikanten Anstieg der Zuverlässigkeit.<br />

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die<br />

Rezepturoptimierung unter Berücksichtigung aller Dauerhaftigkeitsaspekte<br />

erfolgen muss. Hohe Anteile an puzzolanischen<br />

oder latent hydraulischen Bestandteilen im Bindemittel<br />

verbessern zwar z. B. den Chlorideindringwiderstand<br />

und den Widerstand gegenüber chemischem Angriff,<br />

führen aber u. U. zu einem Rückgang des<br />

Karbonatisierungswiderstands und des Frost-Tausalz-Widerstands.<br />

Portlandkompositzemente stellen hier einen<br />

möglichen Kompromiss bei verschiedenen Dauerhaftigkeitsanforderungen<br />

an ein Bauteil dar, da sie sowohl einen<br />

vergleichsweise hohen Chlorideindringwiderstand aufweisen,<br />

im Vergleich zu Hochofenzementen mit hohem Hüttensandgehalt<br />

aber zusätzlich auch noch über einen relativ<br />

hohen Karbonatisierungswiderstand verfügen. Der<br />

Einfluss des Bindemittels auf die Wahrscheinlichkeit der<br />

Bild 3. Einfluss von Bindemittel und Wasserzementwert auf<br />

den Chloridmigrationskoeffizienten [10]<br />

Fig. 3. Influence of binder type and water/cement-ratio on<br />

the chloride migration coefficient [10]<br />

Bild 4. Einfluss der Zementart auf den Zuverlässigkeitsindex<br />

bei Chloridbeaufschlagung (w/z = 0,50)<br />

Fig. 4. Influence of the binder type on the reliability index<br />

with respect to chloride-induced corrosion (w/c = 0.50)<br />

karbonatisierungsinduzierten Korrosion bei Verwendung<br />

eines CEM I, eines CEM II/B-M (S-LL) und eines CEM<br />

III/A bei gleichem Wasserzementwert ist exemplarisch in<br />

Bild 5 dargestellt. Als Ergebnis der Rezepturoptimierung<br />

steht die Auswahl einer Betonzusammensetzung, die unter<br />

Berücksichtigung aller Einwirkungen eine möglichst hohe<br />

Dauerhaftigkeit des betrachteten Bauteils gewährleistet.<br />

2.4 Erweiterte Eignungsprüfungen<br />

Die Lebensdauerbemessung, die als Bestandteil der Planung<br />

durchgeführt wird, beruht auf Annahmen sowohl für<br />

die Umwelteinwirkungen als auch für die dauerhaftig-<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11<br />

15


P. Schießl/T. F. Mayer · Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

Bild 5. Einfluss der Zementart auf den Zuverlässigkeitsindex<br />

bei karbontisierungsinduzierter Korrosion (w/z = 0,50)<br />

Fig. 5. Influence of the binder type on the reliability index<br />

with respect to carbonation-induced corrosion (w/c = 0.50)<br />

keitsrelevanten Materialkenngrößen. Da diese schon in<br />

Abhängigkeit von der Herkunft der gewählten Ausgangsstoffe<br />

starken Schwankungen unterworfen sein können,<br />

sollten Letztere vor der Freigabe der zur Ausführung vorgesehenen<br />

Betonrezeptur in erweiterten Eignungsprüfungen<br />

verifiziert werden. Aufgrund der erhöhten Anforderungen<br />

an die Genauigkeit der Eignungsprüfung sollten zu<br />

diesem Zweck direkte Prüfverfahren angewandt werden.<br />

Geeignete Prüfverfahren – in Abhängigkeit von den maßgebenden<br />

Schädigungsmechanismen – sind z. B. Chloridmigrationsversuche,<br />

beschleunigte Karbonatisierungsversuche<br />

oder CDF-/CIF-Versuche zur Bestimmung des<br />

Frost-Tau(salz)-Widerstands [11]. Indirekte Prüfverfahren<br />

wie z. B. die Elektrolytwiderstandsmessung sind für die<br />

erhöhten Anforderungen der erweiterten Eignungsprüfung<br />

nicht geeignet. Die Ergebnisse der Eignungsprüfungen<br />

können unmittelbar herangezogen werden, um die Lebensdauerbemessung<br />

zu aktualisieren. Sollte sich im Rahmen<br />

dieser Aktualisierung herausstellen, dass die geforderten<br />

Zuverlässigkeiten über die geplante Nutzungsdauer<br />

nicht sichergestellt werden können, ist die Betonzusammensetzung<br />

dementsprechend anzupassen oder alternative<br />

Maßnahmen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit zu wählen.<br />

Diese können z. B. in einer Erhöhung der Betondeckung<br />

oder der Anordnung eines Oberflächenschutzsystems<br />

bestehen. Die Anordnung von Monitoring-Sensoren<br />

führt zwar nicht zu einem direkten Anstieg der Zuverlässigkeit,<br />

ermöglicht aber während der Nutzung eine kontinuierliche<br />

Überwachung des Bauteilzustands und in der<br />

Folge das frühzeitige Ergreifen geeigneter Interventionsmaßnahmen<br />

und kann daher ebenfalls als Alternative in<br />

Betracht gezogen werden.<br />

2.5 Inspektionsplan<br />

Ein weiterer wesentlicher Vorteil des hier beschriebenen,<br />

prädiktiven Lebensdauermanagements liegt in der Mög-<br />

lichkeit, die Lebensdauerbemessung durch Berücksichtigung<br />

von Untersuchungsergebnissen aus der Abnahme<br />

und den Inspektionen während der Nutzung zu aktualisieren.<br />

Während die Abnahme lediglich Aufschluss über die<br />

Bauteil- und Materialeigenschaften liefert, können durch<br />

Bauwerksinspektionen zu späteren Zeitpunkten während<br />

der Nutzung auch Informationen über die tatsächlichen<br />

Einwirkungen und die Umwelt-Bauwerks-Wechselwirkungen<br />

gewonnen werden. Daher spielt die Durchführung<br />

von Inspektionen eine wichtige Rolle innerhalb des Lebensdauermanagements.<br />

Die Festlegung eines Inspektionsplans, der bauteilbezogen<br />

Angaben zu den zu erhebenden Kenngrößen, den<br />

Untersuchungsmethoden und den Inspektionsintervallen<br />

enthält, ist fester Bestandteil der Planung. Anpassungen<br />

des Inspektionsumfangs und der einzusetzenden Untersuchungsmethoden<br />

können auf Grundlage der Ergebnisse<br />

der aktualisierten Lebensdauerbemessung vorgenommen<br />

werden. Der Einsatz zerstörungsfreier Untersuchungsmethoden<br />

wie z. B. der Potentialfeldmessung, der flächigen<br />

Betondeckungsmessung oder der Erstellung von Chloridprofilen<br />

bzw. Bestimmung der Karbonatisierungstiefe ist<br />

für ein prädiktives Lebensdauermanagement essenziell, da<br />

visuelle Untersuchungen allein, wie sie heute noch häufig<br />

üblich sind, mögliche Schädigungen erst sehr spät erkennen<br />

lassen und den Spielraum für Instandsetzungszeitpunkt<br />

und -maßnahme dadurch wesentlich einschränken.<br />

Ergänzend zu Bauwerksuntersuchungen kann auch<br />

die Installation eines Monitoring-Systems in Betracht gezogen<br />

werden. Einsatzgebiete für Monitoring sind besonders<br />

Bauteile, die während der Nutzung nicht oder nur mit<br />

großem Aufwand zugänglich sind oder konstruktionsbedingte<br />

Schwachstellen bzw. Bauteile mit sehr hohen Umwelteinwirkungen,<br />

die in der Folge einen erhöhten Überwachungsumfang<br />

erfordern. Es stehen sowohl Sensorsysteme<br />

<strong>zum</strong> direkten Einbau als auch <strong>zum</strong> nachträglichen<br />

Einbau zur Verfügung, so dass Monitoring auch als Reaktion<br />

auf die Ergebnisse von Bauwerksuntersuchungen eingesetzt<br />

werden kann. Monitoring-Systeme als Element des<br />

Lebensdauermanagements kommen beispielsweise beim<br />

Parkhaus der Allianz-Arena oder dem Neubau des Tunnels<br />

Mittlerer Ring Südwest in München <strong>zum</strong> Einsatz<br />

[12], [13]. Bei diesem wird durch den Einsatz von insgesamt<br />

65 Anodenleitern und 17 Multiringelektroden in Abhängigkeit<br />

von der Entfernung zu den Tunnelportalen der<br />

Chlorideintrag in den Konstruktionsbeton bzw. die Wirksamkeit<br />

von Oberflächenschutzsystemen und Hydrophobierungen<br />

überwacht. Ein Monitoring-System zur Überwachung<br />

der Wirksamkeit von Tiefenhydrophobierungen<br />

wurde außerdem bei einem Autobahntunnel nahe München<br />

an der Tunneldecke und an gesondert hergestellten<br />

Probeplatten eingebaut [14].<br />

2.6 Qualitätssicherung während der Ausführung<br />

Die Qualitätssicherung während der Ausführung dient im<br />

Gegensatz zur Eignungsprüfung nicht der Beurteilung der<br />

grundsätzlichen Eignung des zur Verwendung vorgesehenen<br />

Betons, sondern der Gleichmäßigkeit des Betons<br />

beim Einbau. Aufgrund der geringeren Anforderungen an<br />

die Genauigkeit der hierzu eingesetzten Verfahren und<br />

des gleichzeitig steigenden Prüfumfangs sind hierfür<br />

16<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11


P. Schießl/T. F. Mayer · Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

schnelle und kostengünstige Prüfverfahren wie z. B. die<br />

Messung des Elektrolytwiderstands geeignet, für den<br />

grundsätzlich eine gute Korrelation sowohl mit dem Chloridmigrationswiderstand<br />

als auch dem Karbonatisierungswiderstand<br />

besteht. Elektrolytwiderstandsmessungen<br />

können parallel zur Druckfestigkeitsprüfung an den gleichen<br />

Betonprobekörpern durchgeführt werden. Um zusätzlich<br />

eine Korrelation zwischen Messwerten, die direkt<br />

am Bauwerk gewonnen werden, und den Ergebnissen der<br />

Kontrollprüfungen bzw. Eignungsprüfungen an wassergelagerten<br />

Laborprüfkörpern herstellen zu können, ist darüber<br />

hinaus eine Berücksichtigung der tatsächlichen Betonfeuchte<br />

<strong>zum</strong> Zeitpunkt der Messung erforderlich, für die<br />

ein mögliches Prüfkonzept in Bild 6 dargestellt ist. Dieses<br />

setzt sich aus fünf Untersuchungsphasen zusammen:<br />

1. Elektrolytwiderstandsmessung während der Eignungsprüfung<br />

an wassergelagerten Laborprüfkörpern<br />

2. Elektrolytwiderstandsmessung im Rahmen der Kontrollprüfungen<br />

an wassergelagerten Laborprüfkörpern<br />

3. Elektrolytwiderstandsmessung <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Abnahme<br />

an Laborprüfkörpern, die während der laufenden<br />

Produktion hergestellt, 28 Tage unter Wasser und<br />

anschließend am Bauwerk gelagert wurden (Prüfserie A)<br />

4. Elektrolytwiderstandsmessung <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Abnahme<br />

an Laborprüfkörpern, die entsprechend der erforderlichen<br />

Nachbehandlungsdauer wassergelagert,<br />

anschließend ausgeschalt und am Bauteil gelagert wurden.<br />

Vergleich mit 3., um den Einfluss der Nachbehandlung<br />

bestimmen zu können (Prüfserie B)<br />

5. Elektrolytwiderstandsmessung <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Abnahme<br />

an Bauteiloberflächen und Vergleich mit 4., um<br />

den Einfluss der Einbauqualität bestimmen zu können<br />

(Prüfserie C)<br />

Durch diese vergleichsweise aufwändige Qualitätssicherung<br />

ist eine lückenlose Kontrolle sowohl der Betonlieferqualität<br />

als auch der Einbauqualität möglich. Werden im<br />

Rahmen der Qualitätssicherung Abweichungen festgestellt,<br />

können diese durch entsprechende Maßnahmen<br />

noch vor Inbetriebnahme des Bauwerks kostengünstig<br />

korrigiert werden.<br />

2.7 Abnahme<br />

Die Abnahme nach Fertigstellung ist fester Bestandteil jeder<br />

Baumaßnahme. Allerdings werden bei der herkömmlichen<br />

Abnahme vorwiegend visuelle Untersuchungen<br />

durchgeführt, wohingegen Kennwerte zur Bewertung der<br />

Dauerhaftigkeit des fertig gestellten Bauwerks nicht erhoben<br />

werden. Dabei stellt gerade die Abnahme i. d. R. den<br />

geeigneten Zeitpunkt für umfangreiche zerstörungsfreie<br />

Bauwerksuntersuchungen dar, da durch die Untersuchungen<br />

zu diesem Zeitpunkt keine Nutzungseinschränkung<br />

verursacht wird und viele Bauteile mit auf der Baustelle<br />

vorhandenen Steighilfen leicht zugänglich sind. Allerdings<br />

wurde das Bauwerk <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Abnahme i. d. R.<br />

noch keinen Umwelteinwirkungen unterworfen, so dass<br />

Untersuchungsmethoden zur Quantifizierung der tatsächlichen<br />

Umwelteinwirkungen oder zur Interaktion von<br />

Bauwerk und Umwelt wie z. B. die Potentialfeldmessung<br />

oder Bohrmehlentnahmen im Rahmen der Abnahme<br />

nicht eingesetzt werden sollten. Neben den in Abschn. 2.6<br />

bereits beschriebenen Elektrolytwiderstandsmessungen<br />

sind besonders Betondeckungsmessungen im Rahmen der<br />

Abnahme großflächig durchzuführen, da die Betondeckung<br />

als altersunabhängige Größe einen zentralen Parameter<br />

für nahezu alle Schädigungsmodelle darstellt und<br />

auf lokal zu geringe Betondeckungen vor Inbetriebnahme<br />

des Bauwerks noch reagiert werden kann. Sollten großflächige<br />

Betondeckungsmessungen nicht möglich sein, so<br />

sollten <strong>zum</strong>indest für alle Bauteile mit dauerhaftigkeitsrelevanten<br />

Umwelteinwirkungen Teile der Oberflächen untersucht<br />

werden, um systematische Fehler bei der Herstellung<br />

der Betondeckung ausschließen zu können. Die Ergebnisse<br />

der Betondeckungsmessungen können unmittelbar<br />

herangezogen werden, um die getroffenen Annahmen<br />

zur Betondeckung zu überprüfen und somit die Lebensdauerbemessung<br />

zuzuschärfen [15], [16].<br />

Bild 6. Ablaufschema für Elektrolytwiderstandsmessungen<br />

zur Kontrolle der<br />

Betonqualität<br />

Fig. 6. Flow chart for electrolytic resistivity<br />

measurements for concrete quality<br />

control<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11<br />

17


P. Schießl/T. F. Mayer · Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

Permeabilitätsmessungen zur Bewertung der Oberflächenqualität<br />

werden z. B. in der Schweiz verbreitet als Abnahmekriterien<br />

eingesetzt [17]. Allerdings weist die Permeabilität<br />

eine große Abhängigkeit vom Feuchtezustand<br />

der Betonoberfläche und ggf. vorhandener, oberflächennaher<br />

Rissbildung auf, so dass die Ergebnisse von Permeabilitätsmessungen<br />

nur unter Vorbehalt herangezogen werden<br />

sollten. Visuelle Untersuchungen liefern keine quantifizierbaren<br />

Eingangsgrößen für Schädigungsmodelle, stellen<br />

aber dennoch unverändert ein zentrales Element der<br />

Abnahme dar, da sie die einzige Möglichkeit sind, lokale<br />

Schwachstellen infolge von Rissbildung, Gefälleausbildung<br />

o. Ä. zu identifizieren.<br />

2.8 Geburtszertifikat<br />

Alle dauerhaftigkeitsrelevanten Informationen von der<br />

Planung mit der ursprünglichen Lebensdauerbemessung<br />

und dem Inspektionsplan über die Eignungs- und Kontrollprüfungen<br />

bis hin zur Abnahme mit der aktualisierten<br />

Lebensdauerbemessung werden in einem zentralen Dokument,<br />

dem so genannten Geburtszertifikat, zusammengestellt.<br />

Das Geburtszertifikat stellt somit die Grundlage für<br />

das Instandhaltungsmanagement des Bauwerks dar. Der<br />

Inspektionsplan, der bereits während der Planungsphase<br />

aufgestellt wurde, wird auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse<br />

bzw. der aktualisierten Lebensdauerbemessung<br />

angepasst und legt in Abhängigkeit von der erwarteten<br />

Zustandsentwicklung Inspektionsintervalle, -methoden<br />

und -umfang fest. Während der Nutzung wird das Geburtszertifikat<br />

kontinuierlich fortgeschrieben und der Inspektionsplan<br />

entsprechend angepasst. Dadurch wird<br />

auch bei Eigentümerwechseln sichergestellt, dass alle für<br />

den Betrieb und die Instandhaltung maßgebenden Informationen<br />

über die gesamte Nutzungsdauer zur Verfügung<br />

stehen.<br />

2.9 Inspektion, Monitoring und Instandsetzung<br />

Ein erster Inspektionsplan für die Durchführung von Zustandserfassungen<br />

während der Nutzungsphase wurde<br />

bereits in der Planungsphase entwickelt und nach Abnahme<br />

des Bauwerks aktualisiert und dem Bauherrn als<br />

Bestandteil des Geburtszertifikats übergeben. Dieser Inspektionsplan<br />

enthält Empfehlungen sowohl für das Inspektionsintervall<br />

als auch für die einzusetzenden Untersuchungsmethoden<br />

und den Untersuchungsumfang. Dabei<br />

sind zwei grundsätzlich verschiedene Modelle denkbar:<br />

1. Anpassung des Inspektionsintervalls an die erwartete<br />

Zustandsentwicklung des Bauwerks/Bauteils<br />

2. konstante Inspektionsintervalle und Anpassung der<br />

Untersuchungsmethoden an die erwartete Zustandsentwicklung<br />

Wegen der klarer definierten Verantwortlichkeiten erscheint<br />

die Verwendung konstanter Inspektionsintervalle<br />

von drei bzw. sechs Jahren entsprechend DIN 1076 sinnvoll.<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen der Zustandsprognose<br />

für den Inspektionszeitpunkt können die eingesetzten<br />

Untersuchungsmethoden derart gewählt werden, dass sie<br />

eine eindeutige Bestimmung des Bauteilzustands ermögli-<br />

chen. Um die Kosten für die Bauwerksuntersuchungen zu<br />

reduzieren, empfiehlt sich ein mehrstufiges Vorgehen, bei<br />

dem ausgehend von vergleichsweise einfachen und stichprobenartigen<br />

Untersuchungen mit zunehmender Schädigung<br />

die Komplexität der Untersuchungsmethoden und<br />

der Untersuchungsumfang gesteigert wird [18], [1]. Um<br />

bei stichprobenartigen Untersuchungen die Gefahr, dass<br />

möglicherweise kritische Bauteilzustände übersehen werden,<br />

zu minimieren, werden für diese wesentlich schärfere<br />

Grenzwerte bei der Beurteilung angesetzt. Die Ergebnisse<br />

der Zustandserfassung sind zu dokumentieren und dem<br />

vorhandenen Geburtszertifikat hinzuzufügen. Des Weiteren<br />

sollten die Untersuchungsergebnisse herangezogen<br />

werden, um die vorhandene Lebensdauerprognose – unabhängig<br />

von dem gewählten Detaillierungsgrad – zu aktualisieren.<br />

Daten, die durch Korrosionsmonitoring erhoben<br />

werden, können in gleicher Weise wie Chloridprofile<br />

und Carbonatisierungstiefen zur Aktualisierung vollprobabilistischer<br />

Lebensdauerprognosen verwendet werden,<br />

indem die (statistisch verteilte) Eindringtiefe der Depassivierungsfront<br />

infolge Chlorideindringens oder Carbonatisierung<br />

als zusätzliche Randbedingung in der Berechnung<br />

berücksichtigt wird [14].<br />

Ergibt sich aus der Zustanderfassung oder der Zustandsprognose<br />

die Notwendigkeit einer Instandsetzung<br />

während der verbleibenden Restnutzungsdauer, sind der<br />

Zeitpunkt der Instandsetzung, die Instandsetzungsmethode<br />

und die eingesetzten Materialien unter Berücksichtigung<br />

ökonomischer und ökologischer Faktoren auszuwählen.<br />

Dabei sind bei der Planung und Durchführung<br />

der Instandsetzungsmaßnahme die gleichen Schritte wie<br />

bei einer Neubaumaßnahme (Lebensdauerprognose, Eignungs-<br />

und Kontrollprüfungen) zu durchlaufen und das<br />

Geburtszertifikat und der Inspektionsplan entsprechend<br />

fortzuschreiben. Ähnlich wird auch im Fall von Umnutzungen<br />

während der Nutzungsdauer verfahren, die zu veränderten<br />

Umwelteinwirkungen und in der Folge zu einer<br />

Anpassung der Zustandsprognose führen [4].<br />

3 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Für die Erhaltung alternder Bauwerksbestände stellt das<br />

Lebensdauermanagement eine zentrale Aufgabe dar. Mit<br />

vollprobabilistischen Lebensdauerbemessungsmodellen<br />

stehen bereits heute Werkzeuge zur Verfügung, die eine<br />

Prognose der Zustandsentwicklung unter Berücksichtigung<br />

der tatsächlichen Umwelteinwirkungen und Materialeigenschaften<br />

ermöglichen. Diese sind das Kernelement<br />

moderner Lebensdauermanagementsysteme. In<br />

Verbindung mit zerstörungsfreien Bauwerksuntersuchungen<br />

können die Prognoseergebnisse kontinuierlich zugeschärft<br />

werden und versetzen den Bauwerksbetreiber somit<br />

in die Lage, durch genaue Kenntnis des aktuellen<br />

Bauwerkszustands und der zukünftigen Zustandsentwicklung<br />

Instandhaltungsmaßnahmen frühzeitig zu planen<br />

und die verfügbaren Ressourcen über die Nutzungsdauer<br />

optimiert einzusetzen. Derart prädiktives Lebensdauermanagement<br />

wird derzeit bereits bei einigen Pilotprojekten<br />

eingesetzt, die für den Einsatz für größere<br />

Bauwerksbestände erforderlichen, computerbasierten<br />

Managementsysteme befinden sich allerdings derzeit<br />

noch in der Entwicklung.<br />

18<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11


P. Schießl/T. F. Mayer · Lebensdauermanagement von Stahlbetonbauwerken<br />

Literatur<br />

[1] Zintel, M., Gehlen, Ch. und Mayer, T. F.: Zustandsbasierte<br />

Inspektionsplanung – Möglichkeiten für ein optimiertes Erhaltungsmanagement<br />

von Infrastrukturbauwerken. Proceedings<br />

<strong>zum</strong> 50. DAfStb Forschungskolloquium, München,<br />

2009.<br />

[2] Gehlen, Ch.: Probabilistische Lebensdauerbemessung von<br />

Stahlbetonbauwerken – Zuverlässigkeitsbetrachtungen zur<br />

wirksamen Vermeidung von Bewehrungskorrosion. Heft 510<br />

der Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton,<br />

Beuth-Verlag, Berlin, 2000.<br />

[3] Gehlen, Ch., Mayer, T. F. und Schießl, P.: Von Bausteinen<br />

eines nachhaltigen Lebenszyklusmanagements für Ingenieurbauwerke.<br />

Proceedings zur Bauwerksdiagnose 2008, DGZfP,<br />

Berlin, 2008.<br />

[4] DAfStb Richtlinie „Grundlagen des Nachhaltigen Bauens<br />

mit Beton“ (GruNaBau), in Vorbereitung.<br />

[5] fib Bulletin 34: Model Code for Service Life Design. International<br />

Federation for Structural Concrete, Lausanne, 2006.<br />

[6] Breitenbücher, R.; Gehlen, Ch., Schießl, P., Hoonard van<br />

den, J. and Siemes, T.: Service Life Design for the Western<br />

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Components. NRC Research Press, Ottawa, 1999.<br />

[7] Mayer, T. F., Schießl, P. und Schießl-Pecka, A.: Lebensdauermanagement<br />

für das Parkhaus der Allianz-Arena in München.<br />

beton, Heft 9, S. 388–391, 2009.<br />

[8] Raupach, M., Harnisch, J. und Wolff, L.: Praxisnahe Untersuchungen<br />

zur Vorhersage des Chlorideindringens in unbeschichteten<br />

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RWTH Aachen, Juli 2007.<br />

[9] Gehlen, Ch., Schießl, P. und Schießl-Pecka, A.: Hintergrundinformationen<br />

<strong>zum</strong> Positionspapier des DAfStb zur<br />

Umsetzung des Konzeptes von leistungsbezogenen Entwurfsverfahren<br />

unter Berücksichtigung von DIN EN 206-1, Anhang<br />

J, für dauerhaftigkeitsrelevante Problemstellungen. Beton-<br />

und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 12.<br />

[10] Schiessl, P. and Lay, S.: Influence of Concrete Composition<br />

on Reinforcement Corrosion. In: Böhni, H. (ed.): Corrosion<br />

in reinforced concrete structures. Cambridge, Woodhead<br />

Publishing Ltd, 2004.<br />

[11] Mayer, T., Schießl, P. and Zintel, M.: Birth Certificate as<br />

an Important Tool for Public-Private-Partnership Projects.<br />

Proceedings of the 1st International Symposium on Life-Cycle<br />

Engineering, Varenna, Italien, 2008.<br />

[12] Dauberschmidt, Ch., Kapteina, G. and Sodeikat, Ch.: Life<br />

Cycle Management of Concrete Structures – Part II: Monitoring.<br />

Proceedings of the 2nd International Conference on<br />

Concrete Rehabilitation, Retrofitting and Repair. Kapstadt,<br />

Südafrika, 2008.<br />

[13] Schießl, P., Schießl-Pecka, A. und Mayer, T. F.: Monitoring<br />

als Bestandteil des Lebensdauermanagements von Betonbauwerken.<br />

11. Münchner Massivbau-Seminar, 2007.<br />

[14] Dauberschmidt, Ch., Sodeikat, Ch., Schießl, P. und Gehlen,<br />

Ch.: Monitoring von Verkehrsbauten – kontinuierliche<br />

Zustandserfassung zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit.<br />

Tiefbau, Heft 3/2008.<br />

[15] Mayer, T. F. and Schießl, P.: Life Cycle Management of<br />

Concrete Structures – Part I: Birth Certificate. Proceedings of<br />

the 2nd International Conference on Concrete Rehabilitation,<br />

Retrofitting and Repair. Kapstadt, Südafrika, 2008.<br />

[16] Schießl, P. und Mayer, T. F.: Lebensdauermanagement. In:<br />

Heft 572 „Schlussberichte zur ersten Phase des DAfStb/<br />

B<strong>MB</strong>F-Verbundforschungsvorhabens Nachhaltig Bauen mit<br />

Beton“ der Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für<br />

Stahlbeton, Beuth-Verlag, Berlin, 2007.<br />

[17] Roelfstra, G., Hajdin, R., Adey, B. and Brühwiler, E.: Condition<br />

Evolution in Bridge Management Systems and Corrosion-Induced<br />

Deterioration. Journal of Bridge Engineering 9<br />

(2004), Heft 3, S. 268–277.<br />

[18] Schießl, P., Mayer, T. F. und Sodeikat, Ch.: Zustandsanalyse<br />

als Basis für eine fachgerechte Instandsetzung von Betontragwerken.<br />

Proceedings zur 16. ibausil, Weimar, 2006.<br />

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.<br />

Peter Schießl<br />

schiessl@ib-schiessl.de<br />

Ingenieurbüro<br />

Schießl • Gehlen • Sodeikat GmbH<br />

Landsberger Straße 370<br />

80687 München<br />

Dr.-Ing.<br />

Till Felix Mayer<br />

mayer@ib-schiessl.de<br />

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009), Heft 11<br />

19


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