Jahresbericht 2011 - Evangelische Kirchenpflege
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Arbeitsgemeinschaft<br />
HOSPIZ<br />
Nürtingen<br />
Jahres<br />
bericht<br />
<strong>2011</strong>
Inhalt Impressum<br />
3 Grußwort Vorstand<br />
4 Berichte<br />
4 Jahresrückblick<br />
6 Trauerbegleitung<br />
7 Supervision<br />
8 Jubiläum<br />
13 Mitarbeiterschaft<br />
13 Ausbildung<br />
14 Trauercafé<br />
16 Intern<br />
18 Erfahrungen<br />
23 Kontaktdaten<br />
Herausgeber:<br />
Arbeitsgemeinschaft Hospiz Nürtingen<br />
Heiligkreuzstr. 20<br />
72622 Nürtingen,<br />
Tel. 07022.32087<br />
www.ag-hospiz-nuertingen.de<br />
V.i.S.d.P:<br />
Jörg Bauknecht<br />
Tel. 07022.93313-0<br />
Bankverbindung:<br />
Ev. Kirchenbezirk Nürtingen<br />
KSK Esslingen (BLZ 611 500 20)<br />
Konto-Nr. 48 207 229<br />
Stichwort: AG Hospiz<br />
Redaktion:<br />
Jörg Bauknecht, Sabine Geyer,<br />
Sabine Völker-Kraemer<br />
Grafische Gestaltung:<br />
Arnulf Klein<br />
Titelfoto:<br />
Arnulf Klein<br />
2
Grußwort Vorstand<br />
20 Jahre Hospizarbeit in Nürtingen<br />
Seit 1991 engagieren sich Menschen<br />
in Nürtingen und Umland dafür, dass<br />
schwerkranke und sterbende Menschen<br />
in der letzten Phase ihres Lebens nicht<br />
alleine gelassen werden. Die Begleitung<br />
durch die Hospizbegleiter findet zu Hause,<br />
im Pflegeheim oder im Krankenhaus<br />
statt. Und auch nach dem Tod eines<br />
lieben Menschen erfahren Angehörige<br />
durch die Trauerbegleitung Unterstützung<br />
und Ermutigung. Gerade in der heutigen<br />
Zeit fasziniert es uns als Vorstand, dass<br />
diese wichtige und anspruchsvolle Arbeit<br />
rein mit ehrenamtlich tätigen Mitarbeitenden<br />
getan werden kann. Daher gilt der<br />
besondere Dank den Frauen und Männern<br />
der AG Hospiz, die diesen Dienst<br />
in einer guten Art und Weise zum Wohle<br />
der Menschen vollkommen unentgeltlich<br />
tun. Vergelts Gott !<br />
Das Thema „Sterben und Tod“ wollen<br />
wir immer wieder auch öffentlich thematisieren.<br />
Die Menschen müssen erfahren,<br />
dass es die Hospizbegleitung gibt und<br />
dass niemand einsam sterben muss.<br />
Daher stellen wir die Arbeit regelmäßig<br />
bei Seniorennachmittagen, Krankenpflegevereinen,<br />
Besuchsdienstgruppen oder<br />
auch in Schulklassen vor. Bitte tragen<br />
auch Sie in Ihrem Umfeld dazu bei, dass<br />
die Menschen vom Angebot der Hospizarbeit<br />
und der Trauerbegleitung erfahren.<br />
Wir als Vorstand haben dafür zu sorgen,<br />
dass die Rahmenbedingungen für diese<br />
Arbeit stimmig sind. Die Ausgaben für<br />
die hauptamtliche Einsatzleitung, die<br />
Supervision und Fortbildung müssen<br />
finanziert werden. Dass dies seit Jahren<br />
gelingt liegt an den Zuwendungen der<br />
Mitglieder und einem nach wie vor hohen<br />
Spendenaufkommen. Für beides sind<br />
wir äußerst dankbar und freuen uns über<br />
diese Zeichen der Verbundenheit mit der<br />
Hospizarbeit.<br />
Mein Dank gilt auch den Vorstandsmitgliedern,<br />
die ihre Zeit und ihre Ideen<br />
einbringen und Verantwortung für die<br />
Arbeit übernehmen. Auch das braucht es<br />
dringend.<br />
Nürtingen, im Mai 2012<br />
Jochen Schnitzler<br />
Vorsitzender<br />
3
Bericht Jahresrückblick<br />
In Stichworten<br />
In Zahlen<br />
• Gegenseitiger Kennenlernabend für die neuen und alten<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
• Seit März: Besuchsdienst auf der Palliativstation im<br />
Nürtinger Krankenhaus mit derzeit sechs Ehrenamtlichen<br />
• Quellentag in Tübingen mit Stocherkahnfahrt und Stadtführung<br />
• Im Herbst: Vorstellung der neu erarbeiteten Formulare zur<br />
Dokumentation<br />
• Tendenziell mehr Nachtwachen, sowohl im häuslichen<br />
Bereich, als auch stationär, dort Begrenzung auf „halbe“<br />
Nächte<br />
• Weihnachtsfeier mit Märchen und Tanz<br />
• Fünfzehn neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden in<br />
ihren Dienst eingesetzt<br />
• Vier Mitarbeiterinnen sind ausgeschieden<br />
Finanzen<br />
Ausgaben<br />
Einsatzleitung 12.000 €<br />
Ehrenamtliche / Ausbildung / Supervision 8.600 €<br />
sonstige Sachkosten 6.000 €<br />
Rücklagen 3.600 €<br />
Gesamtausgaben 30.200 €<br />
Einnahmen<br />
Hospizförderung 18.200 €<br />
Mitgliedsbeiträge 5.000 €<br />
Opfer / Spenden 4.600 €<br />
sonstige Einnahmen 2.400 €<br />
Gesamteinnahmen 30.200 €<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz bedankt sich sehr herzlich bei<br />
allen Freunden und Förderern, die uns mit ihrer Mitgliedschaft,<br />
einem Opfer oder einer Spende unterstützen. Mit ihrer Unterstützung<br />
machen sie unsere Arbeit erst möglich.<br />
Jörg Bauknecht, Geschäftsführer<br />
4
Begleitungen / Ehrenamtliche<br />
<strong>2011</strong> 2010<br />
Anzahl der Begleitungen 46 33<br />
Ehrenamtliche (einsatzbereit) 36 29<br />
Einsatzstunden der Ehrenamtlichen 1182 929<br />
Mitglieder<br />
Stand 31.12.<strong>2011</strong> Stand 31.12.2010<br />
Gesamt 93 92<br />
<strong>Evangelische</strong> Kirchengemeinden 19 20<br />
Katholische Kirchengemeinde Nürtingen 1 1<br />
Evang. - methodistische Kirchengemeinde Nürtingen 1 1<br />
Krankenpflege- bzw. Diakoniefördervereine 12 11<br />
Einrichtungen 2 2<br />
Diakoniestationen 3 3<br />
Privatpersonen 55 54<br />
5
Bericht Trauerbegleitung<br />
Rückblick <strong>2011</strong><br />
Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft<br />
Hospiz Nürtingen bietet der ökumenische<br />
Arbeitskreis Trauerbegleitung<br />
im Raum Nürtingen Hilfe und Begleitung<br />
für Trauernde an. Zehn Hospiz-Mitarbeiterinnen<br />
haben sich durch eine Zusatzausbildung<br />
an der Hospiz-Akademie in<br />
Bamberg für diese Arbeit qualifiziert.<br />
Trauer nach dem Verlust eines nahestehenden<br />
Menschen ist ein sehr individueller<br />
Prozess, für den es genau wie für<br />
das Sterben, keine Norm gibt. Aus den<br />
unterschiedlichsten Gründen suchen<br />
Menschen auf dem steinigen Weg durch<br />
die Trauer Begleitung und Unterstützung.<br />
Sei es, dass sie keine Verwandten oder<br />
Freunde haben, die bereit sind, diesen<br />
Weg mit ihnen zu gehen, dass mögliche<br />
Helfer zu weit weg wohnen oder die<br />
Trauernden sie schonen wollen.<br />
Begleitung auf dem Trauerweg wird in<br />
Form von Einzelgesprächen und eines<br />
Trauercafés angeboten. Das Trauer-<br />
6<br />
café im Bürgertreff ist einmal im Monat,<br />
jeweils mittwochs von 14:30 bis 17:00<br />
Uhr geöffnet. Es handelt sich hier um ein<br />
niedrigschwelliges Angebot, das heißt, es<br />
kann jeder kommen, ohne Anmeldung,<br />
er braucht nicht einmal seinen Namen zu<br />
nennen, es werden keine Listen geführt<br />
oder Adressen erfragt. Auch die religiöse<br />
Orientierung spielt keine Rolle. In einem<br />
liebevoll vorbereiteten Raum empfangen<br />
erfahrene Trauerbegleiterinnen ihre Gäste<br />
und stehen bei Bedarf auch für Einzelgespräche<br />
zur Verfügung.<br />
Doch nicht jeder kann sich aus beruflichen<br />
oder privaten Gründen zu den<br />
festgelegten Zeiten aus seinen Verpflichtungen<br />
lösen. In solchen Fällen – oder<br />
wenn Hemmungen bestehen, sich in<br />
einer Gruppe zu öffnen – bietet sich eine<br />
Einzelbegleitung an. Hier kann auch sehr<br />
individuell auf die Möglichkeiten und<br />
Bedürfnisse des einzelnen eingegangen<br />
werden. Die Intervalle und Tageszeiten<br />
werden im Einvernehmen festgelegt.<br />
Für die etwa einstündigen Gespräche<br />
steht in der Diakonie station ein Raum zur<br />
Verfügung. In besonderen Fällen werden<br />
die Trauernden in ihrer häuslichen Umgebung<br />
aufgesucht.<br />
Trauernde sind nicht nur Menschen, die<br />
kürzlich einen nahen Angehörigen, den<br />
Partner oder einen lieben Freund verloren<br />
haben. Manchmal bricht sich die<br />
Trauer erst nach Jahren ihren Weg und<br />
will bearbeitet werden. Aber auch das<br />
Gegenteil kann der Fall sein: So haben<br />
Menschen mit vorweg genommener<br />
Trauer und den mit dem absehbaren,<br />
unausweichlichen Tod eines Angehörigen<br />
verbundenen Ängsten Beistand und<br />
Begleitung gesucht.<br />
Rosemarie Bernutz
Bericht Supervision<br />
Annegret Thierhoff<br />
Im Januar <strong>2011</strong> gab es einen Wechsel<br />
der Supervisorin.<br />
Wir konnten Annegret Thierhoff gewinnen,<br />
die uns seit dem mit viel Kompetenz,<br />
Engagement und Menschlichkeit<br />
zur Seite steht.<br />
Annegret Thierhoff hat bis zum Beginn<br />
der Rente 30 Jahre lang im Diakonischen<br />
Werk Württemberg gearbeitet, war dort<br />
unter anderem zuständig für Fort-, Ausund<br />
Weiterbildung, für die Beratung<br />
ambulanter Hospizgruppen, sowie für die<br />
Qualifizierung ehrenamtlicher Mitarbeiter<br />
in der Sterbebegleitung.<br />
Sie ist Krankenschwester und Sozialpädagogin,<br />
außerdem hat sie Weiterbildungen<br />
zur Supervisorin, zur Organisationsentwicklung<br />
und zur Gesprächsführung<br />
absolviert.<br />
Dies alles ist nur ein kleiner Ausschnitt<br />
ihrer Tätigkeiten.<br />
Ihre große Erfahrung spüren wir alle bei<br />
den Supervisionen. Mit Einfühlungsvermögen<br />
und Wissen geht sie auf unsere<br />
Erlebnisse, Fragen und Wünsche ein, so<br />
dass wir uns alle gut aufgehoben und<br />
bereichert fühlen.<br />
Sie begleitet auch die Trauermitarbeiter<br />
supervisorisch und unterstützt uns bei<br />
der Planung und Durchführung des Trauernachmittages.<br />
Annegret Thierhoff hat immer ein offenes<br />
Ohr für uns, auch mit privaten Fragen<br />
und Sorgen dürfen wir uns an sie wenden.<br />
Im Namen der Einsatzleiterinnen und aller<br />
Mitarbeiter/innen darf ich sagen, wie sehr<br />
wir uns freuen, Annegret Thierhoff als<br />
Supervisorin in unserer Mitte zu haben.<br />
Dorothea Müller<br />
7
Bericht Jubiläum<br />
Begleitung beim Sterben und Trauern<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz Nürtingen feierte ihren 20. Geburtstag<br />
Sie sitzen an Betten Sterbender, begleiten<br />
sie durch deren letzte Wochen, Tage,<br />
Stunden und sind gleichzeitig Stütze<br />
für Angehörige. Seit 20 Jahren schon<br />
sind die heute mehr als 40 ehrenamtlich<br />
Mitarbeitenden der Arbeitsgemeinschaft<br />
Hospiz in aller Stille im Kirchenbezirk<br />
Nürtingen unterwegs. Jetzt standen sie<br />
bei der Feier zum „Kleinen Jubiläum“<br />
einmal im Mittelpunkt.<br />
Ein Leserbrief in der Nürtinger Zeitung<br />
mit dem Aufruf der Gründung einer<br />
Sitzwachengruppe hat die Idee vor 20<br />
Jahren in die Öffentlichkeit getragen und<br />
gleich 25 Interessierte angesprochen.<br />
Aus der Initiative von Ehrenamtlichen<br />
wurde noch 1991 die Nürtinger Hospiz-<br />
und Sitzwachengruppe gegründet.<br />
Zunächst ohne Vereinsstruktur, ohne<br />
bürokratische Hindernisse, ohne Aufhebens<br />
in der Öffentlichkeit nahmen sich<br />
8
Mit einer Rose<br />
als Zeichen der<br />
Dankbarkeit für ihre<br />
Arbeit wurden die<br />
Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der<br />
AG Hospiz bedacht<br />
Fotos: Kraemer<br />
die Frauen und Männer der Aufgabe<br />
an, Schwerstkranke und Sterbende auf<br />
ihrem Weg zu begleiten. Schon bald<br />
wurden die Mitarbeitenden in Kursen<br />
ausgebildet, noch heute ist man stolz<br />
auf die Vorreiterrolle der Hospizarbeit in<br />
Nürtingen.<br />
Natürlich blieb auch diese Arbeit nicht<br />
von Bürokratie verschont, die Krankenkassen<br />
verlangten Ausbildungsnachweise,<br />
um den ambulanten Hospizdienst<br />
anzuerkennen und mit finanziellen<br />
Mitteln zu fördern. Es war Zeit, die<br />
Struktur der ambulanten Hospizarbeit<br />
den neuen Entwicklungen anzupassen<br />
und 2004 wurde mit der Arbeitsgemeinschaft<br />
Hospiz (AG Hospiz) ein neuer<br />
Rahmen geschaffen. Seither verantworten<br />
evangelische, katholische und<br />
evangelisch-methodistische Kirche die<br />
Arbeit. Gemeinsam stellen sie sich unter<br />
9
Bericht Jubiläum<br />
der Trägerschaft des evangelischen<br />
Kirchenbezirks Nürtingen den Aufgaben,<br />
unterstützt von Krankenpflegevereinen,<br />
Diakonie- und Sozialstationen und<br />
Privatpersonen. „Wir sind gut aufgestellt,<br />
haben finanziell wenige Probleme, sind<br />
dankbar für viele Unterstützer und haben<br />
keine Nachwuchssorgen“, berichtete<br />
stolz der Vorsitzende der AG Hospiz,<br />
Jochen Schnizler im Rahmen des Festaktes<br />
zum Jubiläum im Gemeindehaus<br />
der katholischen Johanneskirche. Die<br />
Bereitschaft der Ehrenamtlichen, zu jeder<br />
Tages- und Nachtzeit auf einen Einsatz<br />
vorbereitet zu sein, verdiene höchsten<br />
Respekt. Schließlich wüssten die jeweiligen<br />
Hospiz-Mitarbeitenden nicht, was sie<br />
erwartet, wenn sie von einer der beiden<br />
Einsatzleiterinnen Dorothea Zirkler oder<br />
Dorothea Müller telefonisch über eine<br />
angefragte Sterbebegleitung informiert<br />
würden. Aufgabe der AG Hospiz sei es<br />
nun, die Aufgabe, die mittlerweile durch<br />
das Arbeitsfeld Trauerbegleitung und das<br />
Trauercafé im Bürgertreff erweitert wurde,<br />
10<br />
in die Öffentlichkeit hinauszutragen.<br />
Oberbürgermeister Otmar Heirich äußerte<br />
seine ganz persönliche Hochachtung<br />
gegenüber den mehr als 40 Ehrenamtlichen,<br />
die sich jeweils in die persönlichsten<br />
Bereiche der zu betreuenden<br />
Menschen führen ließen. Angesichts der<br />
demographischen Entwicklung und des<br />
Auseinanderdriftens von Familien sieht er<br />
mehr und mehr den Bedarf an Hospizund<br />
Trauerarbeit.<br />
An die Verpflichtung der Gesellschaft,<br />
Menschen im Sterben mit Würde und<br />
Respekt zu begegnen, erinnerte Bernhard<br />
Bayer als Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Hospiz. Er beglückwünschte<br />
die AG Hospiz, sich rechtzeitig<br />
starke Partner gesucht zu haben, um<br />
mit Fördermitteln bedacht werden zu<br />
können: „Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen<br />
Kraft und Mut auf diesem Weg nicht<br />
ausgehen.“<br />
An die Verantwortung gegenüber Menschen,<br />
die keine Stimme mehr haben,<br />
appellierte Pfarrer Martin Schwer von der<br />
Katholischen Kirche. Den Angehörigen<br />
Sterbender werde durch die Arbeit des<br />
Hospizdienstes signalisiert, ich bin nicht<br />
allein. Der direkte Blick auf die Akteure<br />
sei wichtig, denn sie seien dort, wo der<br />
Mensch ist.<br />
Als ein gutes Beispiel ökumenischer<br />
Zusammenarbeit würdigte Dieter Oehler<br />
als Vertreter des <strong>Evangelische</strong>n Kirchenbezirks<br />
die AG Hospiz. Die über 40 Ehrenamtlichen<br />
verdienten die allerhöchste<br />
Wertschätzung, sie müssten aus Anlass<br />
des „Kleinen Jubiläums“ im Mittelpunkt<br />
stehen.<br />
Sabine Völker-Kraemer
„Gevatter Tod“<br />
Christel Johanna Witte spielte am<br />
Nachmittag unseres Jubiläumsfestes das<br />
bekannte und so tiefsinnige Märchen<br />
der Gebrüder Grimm „Gevatter Tod“. Mit<br />
einer Art Obertongesang schritt sie zu<br />
Beginn durch die Zuschauerreihen und<br />
verführte uns auch im Laufe der Handlung<br />
immer wieder mit ihrer großartigen<br />
Sprach- und Lautkunst. Sie hustete,<br />
stöhnte, gurrte und schrie, sie plärrte wie<br />
ein Baby oder flüsterte in Todesangst.<br />
Und wenn sie seelenvoll ein Wiegenlied<br />
anstimmte, dann wurde einem warm<br />
ums Herz. Einfache und zugleich eindrucksvolle<br />
Tonmasken zeigten Gefühle,<br />
spiegelten Kummer, Leid und Freude.<br />
Fotos: Geyer<br />
Und immer war der unerbittliche Tod<br />
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte.<br />
Er unterschied sich von den anderen<br />
Figuren durch eine weiche Stoffmaske<br />
sowie durch ein buntes Gewand über<br />
einem Hula-Hoop-Reifen, mit dem er<br />
sich tänzelnd bewegt. Doch Gevatter Tod<br />
trat auch anders auf. Als der Patensohn<br />
11
Bericht Jubiläum<br />
ihn betrügt, säuselte der Tod nicht mehr<br />
weich und salbungsvoll, sondern brüllte<br />
giftig.<br />
Mit großem Gefühl wurde uns die ewige<br />
Geschichte von Leben und Tod erzählt:<br />
poetisch und sehr stimmungsvoll. Nur<br />
wenig diente der großartigen Christel<br />
Johanna Witte neben den Köpfen und<br />
Masken als Hilfsmittel. Ein Holzrahmen<br />
konnte ein Buch sein, ein Katheder oder<br />
ein Grab. Eine schmale Tonmaske verkörperte<br />
den Arzt.<br />
Immer wieder wurde der Verlauf des<br />
Spiels unterbrochen durch Kinderlieder<br />
und -verse, die unsere menschlichen<br />
Urängste in Bezug auf den Tod aufgriffen.<br />
Für die Beleuchtung der Bühne und den<br />
Ton war Wittes Partner Reinhard Hofmann<br />
verantwortlich. Er schaffte magische<br />
Momente.<br />
Am Ende des Stückes blieben ein paar<br />
Tonscherben und brennende Lichter<br />
und die Einsicht: Der Tod lässt sich nicht<br />
überlisten und das Leben steht auf tönernen<br />
Füßen. Der Gevatter singt und tanzt<br />
wann es ihm passt.<br />
Für unseren Festtag hatten wir bewusst<br />
ein Stück über den Tod ausgewählt und<br />
uns für diese besondere Form der Darstellung<br />
entschieden. Leise sollte es sein<br />
und stimmungsvoll, tiefsinnig und eindrucksvoll.<br />
Das Publikum wirkte während<br />
der rund einstündigen Aufführung sehr<br />
konzentriert und nachdenklich. Natürlich<br />
erschloss sich nicht jedes Detail jedem<br />
Zuschauer unmittelbar. So blieb aber<br />
Vieles zum Nachdenken und Nachspüren<br />
über den Tag hinaus.<br />
Sabine Geyer<br />
12
Einsetzung neuer Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleiter<br />
Mitarbeiterschaft Ausbildungsgruppe<br />
Im Gottesdienst am 6. Februar <strong>2011</strong><br />
wurden in der Stadtkirche St. Laurentius<br />
11 Frauen und 3 Männer neu in ihr Amt<br />
als Hospizbegleiterin bzw. Hospizbegleiter<br />
der Arbeitsgemeinschaft Hospiz<br />
Nürtingen eingesetzt.<br />
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
wurden in einer mehrmonatigen Ausbildung<br />
auf ihr neues Ehrenamt vorbereitet.<br />
Themen waren dabei unter anderem:<br />
Tod und Sterben aus christlicher Sicht,<br />
Bestattungsrecht, Umgang mit Schmerzen<br />
und Palliativmedizin. Im Gottesdienst<br />
erfolgte eine Vorstellung der Hospizarbeit<br />
durch den Vorsitzenden Jochen Schnizler<br />
sowie die Überreichung der Abschlusszertifikate.<br />
Zum Abschluss wurden die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter von Dekan Waldmann<br />
unter Gottes Segen gestellt.<br />
Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer des<br />
Ausbildungskurses<br />
Foto: Bauknecht<br />
13
Mitarbeiterschaft Trauercafé<br />
Trauer braucht Solidarität<br />
Einmal im Monat bietet das Trauercafé Menschen einen<br />
geschützten Raum für Gespräche<br />
Einen geliebten Menschen zu verlieren, ist eine harte Prüfung.<br />
Und das Trauern ist keine einfache Sache. Hilfe bietet das<br />
Trauercafé im Bürgertreff, indem sich Trauernde gegenseitig<br />
unterstützen. Seit 2008 gibt es das Trauercafé und ab diesem<br />
Jahr geben jeweils zwei Trauerbegleiterinnen dem Treffen einen<br />
Rahmen.<br />
Trauer, das ist Andrea Stahl, Marena Zaiser, Stefanie Sochart-<br />
Damitz und Dagmar Seyfried klar, ist nicht sechs Wochen nach<br />
der Beerdigung erledigt. Damit der Verlust eines geliebten<br />
Menschen verarbeitet werden kann, bieten die vier ausgebildeten<br />
Trauerbegleiterinnen einmal monatlich im Bürgertreff einen<br />
offenen Gesprächskreis. „Hier kann jeder loswerden, was ihn<br />
bedrückt, doch keiner muss etwas sagen“, beschreibt Marena<br />
Zaiser, was Besucher im Trauercafé erwartet. Ein niederschwelliges<br />
Angebot, unabhängig von Kirchenzugehörigkeit, Glauben,<br />
zu dem Menschen kommen können, aber nicht regelmäßig<br />
14<br />
Wir bedanken uns für Abdruckgenehmigung bei der Nürtinger Zeitung<br />
Text: Sylvia Gierlichs, Foto: J. Holzwarth
kommen müssen. „Die Trauernden können bei uns alles loswerden.<br />
Und selbstverständlich bleibt alles, über das gesprochen<br />
wird, vertraulich“, versichert Zaiser.<br />
Als geschützten Raum, in dem man sich trauen kann, zu<br />
trauern, so sehen die vier Frauen das Trauercafé. Denn, so<br />
findet Stefanie Sochart-Damitz, in der Spaßgesellschaft ist oft<br />
kein Platz für Trauer. Vielleicht ist sogar der Auslöser für viele<br />
Depressionen, dass sich Menschen nicht trauen zu trauern,<br />
mutmaßt sie. Im Bürgertreff jedoch finde man Menschen, die<br />
in der gleichen Situation seien. Die, wie der Trauernde selbst,<br />
noch nicht tauglich seien, für das alltägliche Leben. Die sich<br />
nicht abwenden, weil sie es vielleicht gar nicht aushalten, auf<br />
Trauernde zu treffen. „Menschen, die trauern, müssen sich<br />
verstanden fühlen“, sagt Andrea Stahl.<br />
Es gibt nicht „richtiges“ oder „falsches“ Trauern<br />
Marena Zaiser hat in den vergangenen vier Jahren beobachtet,<br />
dass viele Menschen regelmäßig zu den Treffen kommen. Ein<br />
Jahr ist dabei ein Zeitraum, in dem viele ihren Verlust verarbeiten.<br />
Es gebe jedoch auch einige, die lediglich drei, vier Mal<br />
kommen. Fest steht für sie jedoch: Trauer braucht Solidarität.<br />
Dabei geht es nicht „richtiges“ oder „falsches“ Trauern. „Jeder<br />
kann seinen eigenen Weg gehen“, sagt Stefanie Sochart-<br />
Damitz, die jedoch weiß, dass viele Menschen gar keine<br />
Erfahrung mit Trauer haben, dann jedoch feststellten, dass die<br />
Gesprächsrunden ihnen Kraft geben.<br />
Verlieren sie einen geliebten Menschen, können viele Menschen<br />
nicht mehr essen oder schlafen, haben das Gefühl, sie seien<br />
gar nicht mehr normal. Die Welt ist irgendwie aus den Fugen<br />
geraten. „Wenn sie ins Trauercafé kommen und hören, dass es<br />
anderen genauso geht, beruhigt sie das“, weiß Andrea Stahl.<br />
Auf jeden Fall, da sind sich die vier ehrenamtlich Engagierten<br />
einig, ist es die schlechteste aller Lösungen, Trauer nicht zuzulassen.<br />
„Aber wer zu unseren Treffen kommt, hat sich ja schon<br />
mit seiner Trauer auseinandergesetzt“, sagt Stahl. Doch was<br />
ist, wenn jemand überhaupt nicht aus seiner Trauer herausfindet<br />
„Manchmal ist ein Mensch ja schon von verschiedenen<br />
belastenden Faktoren betroffen, wenn dann der Verlust eines<br />
geliebten Menschen hinzukommt, wird es manchmal zu viel“,<br />
beschreibt Sochart-Damitz. In solchen Fällen bieten die Trauerbegleiterinnen<br />
zunächst Einzelgespräche an. Im Extremfall<br />
jedoch würden sie aber selbstverständlich dazu raten, einen<br />
Arzt zu konsultieren.<br />
Immer zu zweit sind die Trauerbegleiterinnen für die Besucher<br />
da. Und sie tauschen sich nach jedem Treffen aus. Als Belastung<br />
empfinden sie die Gespräche jedoch nicht. „Man würde<br />
meinen, es kostet einen viel, aber ich fühle mich nie ausgelaugt,<br />
sondern erfüllt, weil man Menschen begegnet, die ihre<br />
Maske abgelegt haben“, fasst Andrea Stahl das Bereichernde<br />
an ihrer Arbeit zusammen.<br />
15
Mitarbeiterschaft intern<br />
Filmabend<br />
„Schmetterling und Taucherglocke“ war<br />
der Titel des Films, der uns beim Filmabend<br />
im Mai erwartete. Regisseur Julian<br />
Schnabel hat diesen Film nach dem<br />
gleichnamigen autobiografischen Roman<br />
von Jean-Dominique Bauby gedreht.<br />
Der 43jährige J.-D. Bauby, ehemals<br />
Chefredakteur der Zeitschrift „Elle“und<br />
ein Mann, der das Leben in vollen Zügen<br />
genießt, erleidet einen Schlaganfall im<br />
Bereich des Hirnstamms und fällt ins<br />
Koma. Als er nach 20 Tagen in einer<br />
Klinik erwacht, ist er fast vollständig<br />
gelähmt, nur das linke Augenlied kann<br />
er noch bewegen. Geistig ist er vollkommen<br />
gesund und bekommt alles um<br />
sich herum mit. Es wird das sogenannte<br />
„Locked-In-Syndrom“ diagnostiziert.<br />
Zunächst möchte er nur noch sterben,<br />
dann regt sich neuer Lebensmut und er<br />
beginnt, über sein Leben zu reflektieren.<br />
Seine Gedanken und seine Fantasie<br />
sind sein Schmetterling. Er reist in die<br />
16<br />
Vergangenheit, lässt erotische Fantasien<br />
zu, stellt sich besondere Gaumenfreuden<br />
vor. Zum Teil mit Wehmut, aber auch mit<br />
viel Witz und Humor.<br />
Im Gegenzug dazu stellt die Taucherglocke<br />
das Gefangensein dar, das Abgeschnittensein<br />
vom körperlichen Leben,<br />
das Ausgeliefertsein.<br />
Mit Hilfe einer Logopädin, die ein spezielles<br />
Alphabet für ihn druckt, angeordnet<br />
nach der Häufigkeit, in der die Buchstaben<br />
in der französischen Sprache<br />
vorkommen, lernt er zu kommunizieren.<br />
Sie liest ihm langsam dieses Alphabet<br />
vor und beim entsprechenden Buchstaben<br />
schließt er das Auge. So entsteht<br />
schließlich in mühevoller Arbeit ein Buch<br />
über sein Leben in der Taucherglocke.<br />
Er überlegt sich dazu in den vielen einsamen<br />
Stunden was er sagen möchte, lernt<br />
es auswendig und „diktiert“ es dann.<br />
Mit sehr geschickter Kameraführung<br />
erzählt der Regisseur die Geschichte des<br />
J.-D. Bauby. Ein großer Teil des Films<br />
ist aus der Sicht des linken Auges des<br />
Gelähmten zu sehen, beispielsweise wie<br />
sein rechtes Auge zugenäht wird, wie<br />
sich Ärzte und Pflegepersonal über ihn<br />
beugen, wie ihn seine Exfrau, seine drei<br />
Kinder und Freunde besuchen. Seine<br />
Geliebte besucht ihn nicht. Sie erklärt<br />
ihm am Telefon, dass sie ihn lieber gesund<br />
in Erinnerung behalten möchte.<br />
Es ist ein leiser, langsamer Film, das Bild<br />
oft etwas verschwommen. Und immer<br />
wieder das Alphabetisieren, fast monoton.<br />
Ich persönlich empfinde diesen Film als<br />
sehr beeindruckend, auch bedrückend.<br />
Er regt zum Innehalten und Nachdenken<br />
an. Über das eigene Leben und auch<br />
darüber, wie ich mit hilflosen Menschen<br />
umgehe.<br />
Dorothea Müller
Quellentag in Tübingen<br />
Einmal im Jahr müssen, sollen – nein dürfen die Hospizbegleiter/innen<br />
ganz unter sich Kraft schöpfen, auftanken und viele<br />
schöne Eindrücken mit nach Hause nehmen. Diesmal ging’s<br />
nach Tübingen, zunächst per Zug, dann per Stocherkahn auf<br />
dem Neckar durch die Stadt und schließlich in großer Hitze per<br />
pedes dem Stadtführer hinterher, um möglichst viel Geschichtliches<br />
hören zu können. Kuchen und Eis gehörten zum krönenden<br />
Abschluss.<br />
Fotos: Eissele<br />
17
Mitarbeiterschaft Erfahrungen<br />
Seit meiner Ausbildung hatte ich ja noch<br />
nicht so sehr viele Begleitungen. Aber<br />
mein eindrücklichstes Erlebnis war doch<br />
mein erster Einsatz, den ich hatte. Bis<br />
dahin konnte noch keiner von uns genau<br />
sagen, ob diese Hospizarbeit auch wirklich<br />
die richtige Aufgabe ist. Dies kann<br />
man erst erfahren und erspüren, wenn<br />
man dann vor Ort bei einem zu betreuenden<br />
Menschen ist. So ging es mir dann<br />
auch beim ersten Mal am Sterbebett<br />
einer Patientin, die dann auch nach zwei<br />
Stunden verstarb. Ich konnte mich selber<br />
sehr gut beobachten, wie es mir ging.<br />
Wie ich diese Situation erlebte. Für mich<br />
war es sehr gut und ich wusste, ich bin<br />
am richtigen Platz. Diese Aufgabe ist<br />
meine. Dafür bin ich sehr dankbar.<br />
Freude macht mir auch unser neuer<br />
Besuchsdienst einer kleinen Gruppe von<br />
Hospiz-Mitarbeiterinnen auf der Palliativstation<br />
des Nürtinger Krankenhauses.<br />
Bärbel Haussmann<br />
Bei meiner Arbeit in der ambulanten Hospizbegleitung sind<br />
bisher verschiedene Themen für mich deutlich geworden,<br />
über die es sich lohnen würde zu berichten. Ich möchte ein<br />
Thema herausgreifen, nämlich die Isolation mancher sterbender<br />
Menschen.<br />
Während meiner Ausbildung hatte ich hauptsächlich den<br />
Idealfall in der ambulanten Sterbebegleitung vor Augen: die<br />
liebenden Angehörigen fragen bei uns an, und bitten um Unterstützung.<br />
Wir beschäftigten uns daher viel mit der Frage<br />
des Umgangs mit Angehörigen, die sich ja in einer Ausnahme-<br />
wenn nicht sogar Extremsituation befinden.<br />
Die Realität ist, wie ich feststelle, nicht so ideal. Ich habe<br />
Menschen begleitet, die abgesehen vom Pflegepersonal (im<br />
Pflegeheim oder auch zu Hause) völlig alleine waren. Nicht,<br />
weil keine Angehörigen existierten, sondern weil es keinen<br />
Kontakt mehr zu ihnen gab, was auch bedeutet, dass eine<br />
mehr oder weniger schmerzliche Familiengeschichte hinter<br />
ihnen lag. Ich wusste nicht, wer diese Menschen waren und<br />
es gab auch wenig Möglichkeit, sie kennenzulernen, da die<br />
Informationen der Pflegerinnen und Pfleger spärlich waren<br />
18
und die Sterbenden in meinem Fall auch nicht mehr sprechen<br />
konnten.<br />
Wir sind es gewohnt, uns Bilder von anderen zu machen,<br />
sie einzuordnen, zu bewerten und zu beurteilen. Das ist<br />
unter diesen Umständen kaum möglich. Und ich habe schon<br />
manchmal gedacht, dass es nicht unbedingt die schlechtere<br />
Alternative ist. Vielleicht ist es sogar für diese Patienten<br />
entlastend, zu wissen, dass ich nichts weiß und sie daher<br />
auch nicht verurteilen kann. Und ich selbst muss mich nicht<br />
mit meinen eigenen Wertungen und Urteilen herumschlagen.<br />
Meine Aufgabe ist es, da zu sein, und wahrzunehmen, was<br />
im Moment ist und benötigt wird, und die Isolation für eine<br />
gewisse Zeit aufzubrechen. Nicht mehr und nicht weniger.<br />
Das kann ein Blick, ein Händedruck oder einfach nur meine<br />
Anwesenheit sein. Nach Hause zu gehen und den Sterbenden<br />
wieder in seiner Einsamkeit zurückzulassen, ist dabei<br />
nicht leicht auszuhalten. Aber vielleicht ist diese Einsamkeit<br />
ja nicht mehr die gleiche wie vorher. Das wünsche ich mir.<br />
Carmen Sehl<br />
Bei einer Begleitung konnte ich beim<br />
Sterben dabei sein. Die betagte Dame ist<br />
friedlich mit einem Händedruck ihrerseits<br />
verstorben und ich konnte die Kerze<br />
anzünden und das Fenster öffnen für die<br />
davonfliegende Seele.<br />
Das war ein schöner Moment für mich.<br />
Bei meinen bisherigen Begleitungen – als<br />
eine der „jungen Hospizlerinnen“ war ich<br />
noch nicht so häufig im Einsatz - habe<br />
ich von den Angehörigen meistens sehr<br />
dankbare Rückmeldungen bekommen.<br />
Die Sterbenden selbst waren einfach<br />
schon zu weit fortgeschritten. Meine Begleitungen<br />
fanden auch häufig die Nacht<br />
über statt.<br />
Bis jetzt habe ich meine Begleitungen als<br />
nicht sehr schwer empfunden und gut für<br />
mich selbst bewältigt. Es waren immer<br />
betagte und sehr kranke Menschen, die<br />
ich teils zuhause zur Unterstützung der<br />
Familie, aber auch im Pflegeheim begleiten<br />
durfte.<br />
Heide Mahler<br />
19
Mitarbeiterschaft Berichte<br />
Eine Begleitung vor längerer Zeit in<br />
Wolfschlugen ist mir besonders in Erinnerung.<br />
Die alte Dame wurde von ihren<br />
beiden Töchtern rund um die Uhr<br />
begleitet. Ich war zwei Nächte bei ihr,<br />
dass die Töchter mal ausruhen konnten.<br />
Die sehr betagte Dame durfte nicht aufstehen,<br />
konnte aber noch viel erzählen<br />
von alten Zeiten.<br />
Ja, und dann war sie sehr rücksichtsvoll.<br />
In der zweiten Nacht hörte ich<br />
plötzlich ein Geräusch in ihrem Zimmer.<br />
Die Kinder hatten Stühle vor ihr<br />
Bett gestellt, diese umging sie, indem<br />
sie im Bett ganz nach unten rutschte<br />
und aufstehen wollte, um auf die Toilette<br />
zu gehen. Als ich ins Zimmer ging<br />
und sie gerade ganz leise aufstehen<br />
wollte, sagte sie: ,,Ich wollte Sie nicht<br />
stören, Sie brauchen ja auch ihren<br />
Schlaf.“<br />
20<br />
Ingeborg Germann<br />
Brief an Rolf<br />
Lieber Rolf,<br />
Ich habe dich Anfang Februar auf der<br />
Palliativstation im Nürtinger Krankenhaus<br />
kennengelernt. Du hattest die Schwestern<br />
gebeten, bei der Hospiz AG anzurufen<br />
und zu fragen, ob von uns jemand<br />
Zeit hätte, dich zu besuchen, weil hier in<br />
der Gegend keine Angehörigen von dir<br />
leben. Ich wusste nicht viel von dir, als<br />
ich an einem Samstag spätnachmittags<br />
an deine Tür klopfte: Du lagst auf der<br />
Palliativstation, weil sich bei dir sehr viel<br />
Bauchwasser gebildet hatte, du hattest<br />
erst wenige Wochen zuvor erfahren,<br />
dass es keine medizinische Möglichkeit<br />
gibt, den tödlichen Verlauf deiner Krankheit<br />
abzuwenden und noch etwas ganz<br />
Wichtiges: Du spieltest gern Akkordeon.<br />
Ich war überrascht, wie gesund du aussahst,<br />
du hattest einen pfiffigen Bürstenhaarschnitt,<br />
leuchtende Augen und<br />
wirktest agil. Meine Unsicherheit, wie wir<br />
ins Gespräch kommen können war überflüssig,<br />
weil Du gleich initiativ die Unterhaltung<br />
begonnen hast. Am Nachmittag<br />
zuvor hattest du für die Stationsschwestern<br />
ein kleines Akkordeonkonzert<br />
gegeben von dem du geschwärmt hast –<br />
vom Akkordeonspielen im Speziellen und<br />
von der Volksmusik im Allgemeinen.<br />
Während du im Krankenhaus warst, habe<br />
ich dich ein paar Mal besucht. Was mich<br />
sehr berührt hat, war dein Wunsch, dass<br />
dich dein Herrgott noch einen Sommer<br />
erleben lässt. Du hast mir viel erzählt,<br />
vom Akkordeonspielen, von Menschen<br />
und Verwandten, mit denen du eine gute<br />
Beziehung hattest, von deinem Bruder,<br />
mit dem der Kontakt sehr schwierig war,<br />
von der Zeit, in der du auf allen Meeren<br />
der Welt zur See gefahren bist, von der<br />
Zeit, in der du im Sportverein als Spieler
und Jugendtrainer aktiv warst, von der<br />
schönsten Katze, die sich dein Heim als<br />
ihr Zuhause ausgesucht hatte, von der<br />
Familie, die du leider nicht gehabt hast<br />
… aus deinem Leben.<br />
Bei deiner Entlassung aus dem Krankenhaus<br />
hattest Du dich vorsorglich<br />
im stationären Hospiz angemeldet,<br />
falls die Betreuung in deiner Wohnung<br />
nicht machbar gewesen wäre. Zuhause<br />
wurdest du dann vom ambulanten<br />
Pflegedienst, dem Team der Spezialisierten<br />
Ambulanten Palliativversorgung<br />
(SAPV) sowie Nachbarn und Freunden<br />
betreut. Als ich dich eine Woche später<br />
dort besucht habe, bin ich erschrocken.<br />
Wie dünn und ausgezehrt dein Körper<br />
aussah, wie schwer es dir gefallen ist,<br />
ein paar Schritte zu gehen, deine spürbare<br />
Niedergeschlagenheit. Es tut mir<br />
leid, ich konnte mit der Situation nicht<br />
so umgehen, wie ich es mir gewünscht<br />
habe. Anstatt Worte und Gesten von<br />
Zuversicht und Glauben zu finden, war<br />
ich angespannt und habe dir versichert,<br />
dass ich im Frühsommer deinen Balkon<br />
bepflanzen würde, obwohl ich nicht<br />
daran geglaubt habe und am liebsten<br />
geweint hätte.<br />
Danach ist es sehr schnell gegangen:<br />
Du bist immer schwächer geworden<br />
und konntest nicht mehr aufstehen. Du<br />
wolltest mit mir vorerst nur telefonisch<br />
Kontakt halten. Unglaublich beeindruckend<br />
und wunderschön finde ich, dass<br />
Menschen aus deinem Bekanntenkreis<br />
und deiner Nachbarschaft spontan ein<br />
„Betreuungs“-Team gebildet und so dazu<br />
beigetragen haben, dass du in deiner<br />
Wohnung bleiben konntest. Unsere Einsatzleiterin<br />
Dorothea Müller hat regelmäßigen<br />
Kontakt zu der SAPV gehalten, um<br />
über die Entwicklung deiner Krankheit<br />
auf dem Laufenden zu bleiben.<br />
Drei Wochen später hast du das aktive<br />
Bewusstsein verloren. Nun sollte auch<br />
nachts jemand bei dir bleiben. Du hattest<br />
ableitende Dauersonden aus Bauchraum<br />
und Magen sowie eine Schmerzpumpe.<br />
Zum einen war aufzupassen, dass es<br />
zu keinen Komplikationen kommt, falls<br />
du bewusstlos husten oder dich unruhig<br />
bewegen würdest. Zum anderen ging<br />
es – und geht es in so einer Situation<br />
immer – um das Dasein. Mit beten, meditieren,<br />
lesen, schlummern, leise Musik<br />
hören, summen, schlafen oder …<br />
Edeltraud, Thomas, Brigitte und ich sind<br />
jeweils nachts bei dir gewesen. In der<br />
Nacht zum 27. März bist du im Beisein<br />
von Brigitte gestorben.<br />
Lieber Rolf, es hat mich sehr berührt,<br />
dich in deiner letzten Lebensphase<br />
kennenzulernen und begleiten zu dürfen.<br />
Vielen Dank!<br />
Heidrun<br />
Heidrun Eissele<br />
(Name des Adressaten wurde von der Redaktion<br />
geändert)<br />
21
Verständnis für die Schwachheit anderer<br />
erwächst nicht aus der eigenen Stärke,<br />
und wie man Menschen tröstet wissen wir erst,<br />
wenn wir nicht nur getrost<br />
sondern auch selbst getröstet sind.<br />
Hans-Joachim Eckstein<br />
22
Kontakt Daten<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz erreichen Sie über die<br />
Diakoniestation Nürtingen unter<br />
Telefon 07022.93277-13<br />
Geschäftsstelle<br />
Geschäftsführung<br />
Arbeitsgemeinschaft Hospiz<br />
Heiligkreuzstraße 20<br />
72622 Nürtingen<br />
www.ag-hospiz-nuertingen.de<br />
Jörg Baukknecht<br />
Kirchenbezirksrechner<br />
Telefon 07022.93313-0<br />
aghospiz@evkint.de<br />
Vorsitzender<br />
Stellvertreter<br />
Jochen Schnizler<br />
Diakoniestation Nürtingen gGmbH<br />
Hechinger Straße 12<br />
72622 Nürtingen<br />
Telefon 07022.93277-12<br />
schnizler@diakonie-nuertingen.de<br />
Horst Gropper<br />
Neckarhausen<br />
Einsatzleitung<br />
Dorothea Zirkler, Dorothea Müller<br />
Telefon 07022.93277-13<br />
Spendenkonto<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz<br />
Nürtingen ist zur Deckung der Unkosten<br />
auf Spenden angewiesen.<br />
Evang. Kirchenbezirk Nürtingen<br />
Kreissparkasse Esslingen<br />
BLZ 611 500 20<br />
Kontonummer 48 207 229<br />
Stichwort: AG Hospiz<br />
23
Arbeitsgemeinschaft Hospiz<br />
Heiligkreuzstr. 20<br />
72622 Nürtingen<br />
www.ag-hospiz-nuertingen.de