BDA Informationen 1.11 - Bund Deutscher Architekten BDA
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klaut er damit nicht ein Motiv mangels eigener Einfälle, sondern er<br />
stellt sich damit in eine Tradition. Dies begründet sich ja dann auch<br />
im Text selber, der ja gleichsam eine Fortschreibung der Ilias ist. Zugleich<br />
begegnet er dem Vorbild auf Augenhöhe. Der Anspruch auf<br />
Gleichwertigkeit mit einem hohen Vorbild ist in seiner politischen<br />
Dimension nicht weniger gewichtig als bei Karl des Großen Pfalzkapelle.<br />
Für die Erreichung eines hohen kulturellen Niveaus ist die<br />
Arbeit an einem Typus, der immer wieder verfeinert und behutsam<br />
weiterentwickelt wird, geradezu Voraussetzung. In der Architektur<br />
finden sich dafür Beispiele zuhauf, vom Bauernhaus bis zum griechischen<br />
Tempel. In der Moderne ist ein Beispiel die Lebensleistung<br />
Mies van der Rohes, des Mannes, der sich weigerte, jeden Montag<br />
einen neuen Stil zu erfinden. Auch an Einzelbauten kennt die Moderne<br />
diese Auseinandersetzung mit dem Vorbild, an dem sich ein<br />
Nachfolger abarbeitet. Beispiele sind die Faguswerke als Auseinandersetzung<br />
mit der Turbinenhalle von Behrens oder Philipp Johnsons<br />
Glass House als Antwort auf das Farnsworth House.<br />
Pinakothek der Moderne ist ein gelungener<br />
Bau mit all ihren Zitaten, die ohne Verlust<br />
nicht wegzudenken wären. In der Gesamtanlage,<br />
und darauf kommt es an, ist sie<br />
stimmig. Gemäß Oscar Wildes Diktum „Mein<br />
Geschmack ist ganz einfach – von allem nur<br />
das Beste“: die Rotunde von Schinkel Altes<br />
Museum, die Raumdiagonale und ein paar<br />
Säulen von Schultes, Fenster wie am Wallraff-Richartz-Museum<br />
von Ungers. Nur beste<br />
Zutaten. Wüssten Sie bessere<br />
Insgesamt jedoch ist die Moderne ein spätes Opfer des Geniekultes<br />
des 19. Jahrhunderts: Jedes Bauwerk eines <strong>Architekten</strong> muss<br />
ein Original sein. Wir haben an dieser Stelle bereits früher das<br />
Verschwinden ausgereifter Typologien festgestellt. Einer Typologie<br />
zu folgen bedeutet, die Leistung von Vorgängern, ja einer ganzen<br />
Gesellschaft zu akzeptieren. Demgegenüber gibt es viele <strong>Architekten</strong>,<br />
die sich rühmen, mit jedem Bauwerk wieder von vorne zu<br />
beginnen. Diese Haltung führt zu jenem exaltierten Diventum, das<br />
krampfhaft immer Neues sucht, und sei es noch so weit hergeholt.<br />
Und so sollten wir nicht an denen herummäkeln, die ganz offen<br />
sich passender Architekturmotive bedienen. Seien wir ehrlich: Die<br />
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