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BDA Informationen 1.11 - Bund Deutscher Architekten BDA

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Die Spannungen, die sich auftaten zwischen<br />

den revolutionären Neuerungen in Technik<br />

und Gesellschaft einerseits und dem gesellschaftlichen<br />

Zwang andererseits, diese Neuerungen<br />

in Formen der Geschichte zu bewältigen,<br />

führte im Verlauf des 19. Jahrhunderts<br />

zu einer Zunahme kritischer Stimmen, die<br />

den architektonischen Historismus generell<br />

in Frage stellten. Durch die gesellschaftliche<br />

Katastrophe des Ersten Weltkrieges findet<br />

dabei eine zusätzliche Radikalisierung statt.<br />

Nietzsches in der Blütephase des Historismus<br />

geschriebene 2. Unzeitgemäße Betrachtung<br />

wirkt da geradezu prophetisch, indem sie das<br />

Verhältnis der architektonischen Moderne zur<br />

Geschichte vorausnimmt, in jenem Abschnitt,<br />

in dem er eine dritte Form der Auseinandersetzung<br />

mit der Geschichte benennt: „Hier<br />

wird es deutlich, wie notwendig der Mensch<br />

neben der monumentalischen und antiquarischen<br />

Art, die Vergangenheit zu betrachten,<br />

oft genug eine dritte Art nötig hat, die<br />

kritische: und zwar diese wiederum im Dienste<br />

des Lebens. Er muß die Kraft haben und von<br />

Zeit zu Zeit anwenden, eine Vergangenheit<br />

zu zerbrechen und aufzulösen, um leben zu<br />

können. ... jede Vergangenheit ist es wert,<br />

verurteilt zu werden.“<br />

Teil 2 folgt in Heft 2.11.<br />

LAX IN FRAGEN GEISTIGEN<br />

EIGENTUMS<br />

Cornelius Tafel<br />

„Wissen Sie einen Besseren“, soll Richard Strauss einem Kritiker<br />

geantwortet haben, als dieser ihm vorwarf, ein Motiv von Mozart<br />

gestohlen zu haben. Die Musikgeschichte ist voll von solchen<br />

produktiven Diebstählen: das beginnt beim Parodieverfahren des<br />

Barock, bei dem ganze Vokal- oder Instrumentalsätze recycelt wurden,<br />

bis hin zu den Coverversionen der Popmusik, die oft erfolgreicher<br />

sind als das Original. In der Literatur ist das nicht anders: Bert<br />

Brecht verkündete geradezu stolz, „lax in Fragen geistigen Eigentums“<br />

zu sein. Dies galt gleichermaßen für die literarische Ausbeutung<br />

seiner weiblichen Kolleginnen als auch für die Ausbeutung<br />

von Autoren wie Villon und von Werken wie der Beggars Opera.<br />

Entscheidend ist: Mit den jeweiligen Zutaten, und seien sie auch<br />

alle geklaut, entsteht ein neues Ganzes. Offensichtlich gelten<br />

– buchstäblich – in der Kunst andere Gesetze als in der Wissenschaft.<br />

Zitate werden nicht nur nicht gekennzeichnet (wie auch),<br />

sie haben auch einen ganz anderen Stellenwert. Als Karl der Grosse<br />

seine Pfalzkapelle in Aachen nicht nur nach dem Vorbild von San<br />

Vitale in Ravenna bauen, sondern auch noch Originalsäulen von<br />

dort stibitzen ließ, war dies weniger Diebstahl als vielmehr Aneignung,<br />

auch in einem politischen Sinne. Die Übernahme von Themen<br />

und Motiven, ja auch der äußeren Form, ist ein konstitutives<br />

Merkmal jeder Kulturentwicklung. Es stellt das jeweilige Kunstwerk<br />

in einen neuen Zusammenhang, schafft zusätzliche Bedeutungen<br />

und erweist nicht zuletzt auch dem Vorbild Referenz. Wenn Vergil,<br />

wie Homer, seine Äneis mit der Anrufung der Muse beginnt, dann<br />

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