BDA Informationen 1.11 - Bund Deutscher Architekten BDA
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Nietzsche widmet sich zunächst der monumentalischen Geschichtsbetrachtung:<br />
„Wodurch nützt dem Gegenwärtigen die<br />
monumentalische Betrachtung der Vergangenheit, die Beschäftigung<br />
mit dem Klassischen und dem Seltenen früherer Zeiten Er<br />
entnimmt daraus, daß das Große einmal da war, jedenfalls einmal<br />
möglich war und deshalb auch wohl wieder einmal möglich sein<br />
wird. ... Und doch, wie ungenau wäre jene Vergleichung! Wieviel<br />
des Verschiedenen muß dabei übersehen, wie gewaltsam muß die<br />
Individualität des Vergangenen in eine allgemeine Form gezwängt<br />
werden!“<br />
Was Nietzsche hier als monumentalische Form des Geschichtsbezuges<br />
darstellt, trifft in hohem Maße für die Geschichtsauffassung<br />
der Architektur seiner Zeit zu. Die <strong>Architekten</strong> des 19. Jahrhunderts<br />
entnehmen der Geschichte, dass das Große der Vergangenheit<br />
„auch wohl wieder einmal möglich sein wird“, indem sie in dessen<br />
Formen Neues schufen. Sie haben dabei, manchmal mit durchaus<br />
schmerzlichem Bewusstsein, die Unterschiede zur jeweils gewählten<br />
Vergangenheit ignoriert und „die Individualität des Vergangenen<br />
in eine allgemeine Form gezwängt“, dass heißt in eine von<br />
ihren historischen Bezügen abstrahierte Formensprache.<br />
Zugleich aber kennt das 19. Jahrhundert den bewahrenden Umgang<br />
mit der Geschichte; in großem Umfang wird seit dem Beginn<br />
des 19. Jahrhunderts nun das historische Erbe bewahrt, insbesondere<br />
auch das bauliche. Nietzsche schreibt: „Die Geschichte gehört<br />
also zweitens dem Bewahrenden und Verehrenden. ... Indem er<br />
das von alters her Bestehende mit behutsamer Hand pflegt, weil er<br />
die Bedingungen, unter denen er entstanden, für solche bewahren,<br />
welche nach ihm entstehen sollen, – und so dient er dem Leben.<br />
... Das Wohlgefühl des Baumes an seinen<br />
Wurzeln, das Glück, sich nicht ganz willkürlich<br />
und zufällig zu wissen, sondern aus einer<br />
Vergangenheit als Erbe, Blüte und Frucht herauszuwachsen<br />
und dadurch in seiner Existenz<br />
gerechtfertigt zu werden, dies ist es, was man<br />
als den eigentlichen historischen Sinn bezeichnet.<br />
… Wenn der historische Sinn das Leben<br />
aber nicht mehr konserviert, sondern mumifiziert:<br />
so stirbt der Baum allmählich ab.“<br />
Aus dem Historischen Zukunftsweisendes<br />
zu schaffen, ja eine neue Architektur zu<br />
entwickeln, ist beispielsweise ein Bestreben<br />
des <strong>Architekten</strong>, Denkmalpflegers und<br />
Theoretikers Viollet-le-Duc, der historische<br />
Monumente, ja ganze Stadtanlagen in freier<br />
Rekonstruktion wiederherstellte und in seinen<br />
architekturtheoretischen Schriften versuchte,<br />
eine moderne Eisenarchitektur aus gotischen<br />
Formen abzuleiten. Ihm kam es darauf an,<br />
historischen Sinn nicht zu „mumifizieren“,<br />
sondern zu „konservieren“. Inwieweit die<br />
reine Bewahrung des Vergangenen diese nicht<br />
nur konserviert, sondern auch mumifiziert, ist<br />
eine Debatte, die im Umgang mit historischer<br />
Substanz seit dem 19. Jahrhundert immer<br />
wieder neu geführt wird.<br />
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