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BDA Informationen 1.11 - Bund Deutscher Architekten BDA

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SCHULDIG ODER UNSCHULDIG<br />

DIE FARBE WEISS IN DER<br />

ARCHITEKTUR<br />

Monica Hoffmann<br />

Licht ist unsichtbar. Es braucht den Stoff, der<br />

es absorbiert und in Teilen wieder aussendet.<br />

Dann nehmen wir Licht als sogenanntes Umgebungslicht<br />

wahr und können Gegenstände<br />

sehen. Sie erscheinen uns weiß, wenn deren<br />

Oberflächen alle drei Zapfen in der Netzhaut<br />

unseres Auges gleich und mit einer hohen<br />

Intensität reizen. Hell, vollkommen, rein, gut,<br />

unschuldig – dies sind die Eigenschaften, die<br />

deswegen dem Weiß zugeschrieben werden.<br />

Da eine uns weiß erscheinende Oberfläche<br />

das meiste Licht reflektiert, steht sie für das<br />

Geistige. Und sie steht für das Besondere,<br />

auch weil sie in der Natur nur selten vorkommt<br />

oder vergänglich ist, wie beispielsweise<br />

der Schnee. Weiß ist eine hochkomplexe<br />

Angelegenheit und scheidet die Geister, auch<br />

die der <strong>Architekten</strong>.<br />

Das ideelle Weiß gegen das steinsichtige<br />

Bunt<br />

Die einzigartige Leuchtkraft des Weiß hatte<br />

wahrscheinlich auch Adolf Loos im Sinn, als er<br />

1908 in seinem Aufsatz „Ornament und Verbrechen“ schwärmte:<br />

„Wir haben das ornament überwunden, wir haben uns zur ornamentlosigkeit<br />

durchgerungen. Seht, die zeit ist nahe, die erfüllung<br />

wartet unser. Bald werden die straßen der städte wie weiße<br />

mauern glänzen. Wie Zion, die heilige stadt, die hauptstadt des<br />

himmels. Dann ist die erfüllung da.“ Weniger missionarisch äußerte<br />

sich nahezu vier Jahrhunderte früher Andrea Palladio, der Weiß als<br />

die einzig vorstellbare Farbe für einen Tempel favorisierte, da „die<br />

Reinheit dieser Farbe und die Reinheit im menschlichen Leben im<br />

höchsten Maße Gott angemessen ist.“ Der Geist dominierte die<br />

Sinnlichkeit. Die Materie wurde der Form unterworfen. Die Kirche<br />

San Giorgio Maggiore in Venedig hat Palladio Außen und Innen<br />

weiß gestaltet.<br />

Auch für Johann Joachim Winckelmann war – in Unkenntnis der<br />

buntfarbig gehaltenen antiken Bauwerke – die bunte Farbe nur<br />

Schein, Gefälligkeit. Ganz anders das Weiß: „Da nun die weiße Farbe<br />

diejenige ist, welche die mehrsten Lichtstrahlen zurückschickt,<br />

folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schöner Körper<br />

desto schöner sein, je weißer er ist …“ Wenn auch in der Theorie<br />

des Klassizismus das Weiß für das Wesentliche und das Eigentliche<br />

steht, sieht die Realität anders aus. Eine zurückhaltende steinsichtige<br />

Farbigkeit dominiert die Fassaden. Karl Friedrich Schinkel lehnt<br />

das reine Weiß für Außen und Innen als unangenehm ab.<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts wird in Bauordnungen das Weiß als<br />

Fassadenfarbe sogar untersagt. Klaus Jan Philipp: „1840 wird in<br />

Bayern der weiße Kalkanstrich verboten, weil Ärzte meinen, die<br />

weiße Tünche würde die Augen zu stark blenden und zu Augenkrankheiten<br />

führen. 1863 untersagt die Allgemeine Bauordnung<br />

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