Der Aufsichtsrat und M &A-Transaktionen

Der Aufsichtsrat und M&A-Transaktionen
Michaela Wernitznig-Kittel/Hannes Schlager
Der Aufsichtsrat und M &A-Transaktionen
M&A- Transoktionen gehOren far viele Unternehmen ouch in wirtscho{tlich schwierigen Zeiten
zur Unternehmensstrategie. Fiille fehlgeschlogener Unternehmenserwerbe hoben gezeigt, doss
die Anforderungen, die on die Beteiligten gestellt werden, nicht unterschiitzt werden darfen. £5
gibt viele Transoktionsrisiken; etwo konnen Verbindlichkeiten, sonstige Verpf/ichtungen und
Ha{tungen beim Unternehmenserwerb abersehen oder falsch bewertet werden, Vermogenswerte
nicht oder weniger werthaltig sein oder sich erwartete Synergieeffekte nicht einstellen.
Diesbezagliche Sorgfaltspflichten treffen nicht nur die Geschii{tsfiihrung, sondern auch den
Aufsichtsrat.
1. ZUSTIMMUNG DES AUFSICHTSRATS
1.1. Gesetzlicher Zustimmungsvorbehalt
lede (wesentliche) M&A-Transaktion bedarf
der Zustimmung des Aufsichtsrats. Das ergibt
sich bereits aus dem Gesetz, wonach "der Erwerb
lmd die Veriiufienlllg von Beteiligungen (§ 228
UCB) sowie der Erwerb, die Veraufienlllg IIl1d die
Stifllegung von Unternehmen Llrld Betrieben"(J )
nur mit Zustil11l11ung des Aufsichtsrats vorgenom
men werden durfen. (2} Auf die Art des Erwerbs
kOl11l11t es dabei nicht an; diese Bestimmungen
umfassen somit Obertragungen im
Wege der Einzel- und der Gesamtreehtsnaehfolge.
(3} Die Satzung bzw. der Gesellsehaftsvertrag
kann eine Betragsgrenze fu r die Zustimmungspflieht
festsetzen. (4}
1.2.0berwachungspflicht
Nach den Bestimmungen uber die Kompetenzverteilung
in der Gesellschaft haben der
Vorstand bzw. die GeschaftsfUhrer die Gesellsehaft
zu leiten und der Aufsichtsrat hat die
Geschaftsfuhrung zu uberwachen, insbesondere
jene Entscheidungen, die sich auf die Rentabilitar
und Liquiditiit der Gesellschaft wesentlich
auswirken kannen. (5) Oer Verkauf und der
Erwerb von Unternehmen sind fUr die Gesellschaft
meist von maBgeblicher Bedeutung, was
auch unter diesem Aspekt eine Einbindung des
Aufsiehtsrats erforderlieh maeht. Der Aufsiehtsrat
ist also bei M&A-Transaktionen "zweifach"
beteiligti zum einen aufgrund seiner allgemei-
nen Oberwachungs- und Beratllngspflicht, ZUJ11
anderen aufgrund des gesetzlichen Zustimmungsvorbehalts.(6}
2. EINBINDUNG DES AUFSICHTSRATS
IN DIE M&A-TRANSAKTlON
Oer Aufsichtsrat hat seine Zustimmung
zu Geschaften, die unter Zustimmungsvorbehalt
stehen, also auch zu M&A-Transaktionen,
grundsiitzlieh vor ihrer Durehfuhrung abzugeben.(7)
Oer Aufsichtsrat ist daher rechtzeitig
in die M&A-Transaktion einzubinden; es sind
ihm von der Gesehiiftsfuhrung alle Informationen,
die fur eine fundierte Entscheidung benatigt
werden, zur Verfugung Zll stellen. Oer
Vorstand kann die Zustimmung des Aufsichtsrats
nllr erlangen, wenn er uber die geplante
Transaktion vorab berichtet und dem Aufsiehtsrat
sehriftlieh die fUr seine Entseheidung
notwendigen Unterlagen ubermittelt. (B)
2.1. Pflicht zur Selbstinformation
Trotz der Verpfliehtung des Vorstands, den
Aufsichtsrat so fruh wie maglich in den Transaktionsprozess
einzubinden, darf sich der Aufsichtsrat
nicht zurUcklehnell und darauf warten,
dass der Vorstand ihn mit lnformationen
versorgt.(9} Der Aufsiehtsrat hat sieh uber die
wesentliehen Punkte der M&A-Transaktion selber
Zll informieren. Oass das in der Praxis oft
ein muheseliges Unterfangen ist, sei unbestritten;
allerdings im Hinblick auf mogliehe haftungsreehtliehe
Konsequenzen geboten. Welche
Mag. Michaela Wernitznig­
Kittel ist Rechtsanwaltin in
Wien. Sie ist spezialisiert auf
M&A, Gest!lIschaftsrecht lInd
Umgrllndungen.
i-Ianncs Schlager ist wissenschaftlichcr
Mitarbeiter
einer Rechtsanwaltskanzlei
in Wien.
6
(I) § 95 Abs. 5 AklG; § 30j Abs. 5 GmbHG.
(2) Kalss in DoraltlNolVotnylKalss, AktGl (2012) § 95 Rz. 107; StrallbelRallter in Strallbe, GmbHG, § 30j Rz. 73 ff.
(3) }ort/is in KalsslKlIflZ, Handbuch fur den Aufsichtsrat (2010) § 9 Rz. 26.
(4) Kalss in DoraltINolVot"yIKalss, AktGl, § 95 Rz. 130; StraubelRauter in Strallbe, GmbHG, § 30j Rz. 77; Strasscr in
}abomegglStrasser, AktG5 (2011 ) §§ 95 - 97 Rz. 44 f.; Koppel1stei"erIRiif!1er, GmbHG 1 (2007) § 30j Rz. 4 f.
(5) Strasser in }abomegglStrasser, AklG5, §§ 95 - 97 Rz. 7 f.; Kalss in DoraltINolVotllyIKalss,AktG2, § 95 Rz.6 ff.;
LutterlKrieger, Rechte und Ptlichten des Aufsichtsrats 5 (2008) Rz. 83; RIS-Justiz RS0049302.
(6) Ho(i/ in KalsslKIIIIz, Handbllch, § 26 Rz. 10.
(7) Kitte1, Handbuch fllr Aufsichtsratsmitglieder (2006) 271; Kalss in DoraltlNowotllylKalss, AktG2, § 95 Rz.97.
(8) Kalss in Doraltl NolVotllylKalss, AktG 1 , § 9S Rz. 93; Hodl in KalsslKzlllz, Handbllch, § 26 Rz. 14.
(9) Hodl in KalsslKzmz, Handbuch, § 26 Rz. 28 ff. _
Aufsichtsrat aktuell1/ 2013

Der Aufsichtsrat und M&A-Transaktionen
Informationen rur eine informierte Entscheidung
des Aufsichtsrats erforderlich sind, hangt
im Einzelfall vom konkreten Transaktionssachverhalt
ab.
2.1.1. Kaufpreis und Finanzierung
Ocr Aufsichtsrat 111USS die Angemessenheit
des Kaufpreises samt Nebenbedingungen uberprtifen,
z. B. an hand van Berechnungen des
Vorstands oder durch externe Bewertungsgutachten.(lO)
Eine allgemeine PAicht zur Beauftragung
externer Sachverstandiger durch den
Aufsichtsrat besteht nicht, (ll) kann aber im
Einzelfall gebotcn sein, wenn eine sachgerechte
Beurteilung sonst nicht moglich ist (z. B. bei
komplexen Kaufpreisregelungen wie earn out).
In clef Praxis werden auch oft fairness opin­
;01/5(1 2) eingeholt.(l3) Ferner hat sich der Aufsichtsrat
der Kaufergesellschaft uber die Transaktionsfinanzierung
ein Bild zu machen. (J4)
2.1.2. Due Diligence
Ocr Aufsichtsrat hat sich ilber rechtliche,
steuerliche und wirtschaftliche Risiken ein urnfassendes
Bi ld zu machen. In der Praxis ist eine
llmfassende Duc-Diligence-PrUfung der Zielgesellschaft
zielfOhrend. Das gilt (in eillem eingeschrankten
MaB) filr den Verkaufer ebenso wie
fOr den Kaufer. 1111 Rahmen der vertdor due diligence
hat sich der Verkaufer - auch dessen Aufsichtsrat
- ein Bild Uber die Zielgesellschaft und
somit uber mogliche Risiken, die illl weiteren
Transaktionsprozess zu berucksichtigen sind,
zu lllachen.(l5) Die vendor dlle diligence bietet
die Moglichkeit der Bestandsaufnahme der im
Unternehlllen vorhanden Informationen und
som it der Vorbereitung und Strukturierung
des Datenraums fOr die Kaufer-Due-Diligence­
Prufullg. Dabei hat der Aufsichtsrat der Verkaufergesellschaft
eincrseits ZlI uberwachen,
dass den potenziellen Kaufern ausreichend
Unternehlllcnsinformationen zur VerfOgung
gestellt werden, dass auf def anderen Seite ab er
mit der Offcnlcgung sensibler Oaten vorsichtig
ulllgegangen wird und entsprechende Vorkeh-
rungen getroffen werden. Ratsalll sind etwa
der Abschluss von entsprechellden VertraulichkeitserkJarungen,
die AnonYlllisierung sensibler
Oaten, die Beschrankung der Offenlegung von
sensiblen Daten (zunachst nur) an Vertreter der
Kiiufer, die einer beruflichen Verschwiegenheit
unterliegen. (16)
Der Urn fang einer Due-Diligence-Prufung
hangt vom konkreten Investment ab und sollte
in cinem angemessenen Verhaltnis zu Art
llnd Umfang der Transaktion stehen. Das fOhrt
mitunter dann zu Schwierigkeiten. wenn die
M&A-Transaktioll unter erhohtem Zeitdruck
abgewickelt werden soli, etwa weil si ch die Erwerbsgesellschaft
in der Krise betindet und sich
aus der wirtschaftlichen Schietlage der Erwerbsgesellschaft
erhohte Risiken fUr den Erwerber
ergeben (konnen).(I7)
2.2. Oberwachung der Strukturierung
der Transaktion
Die Festlegung der optimalen Transaktionsstruktur
obliegt der Geschaftsfuhrung. Der Aufsichtsrat
hat sich als Austluss seiner allgcmeinen
Oberwachungspflicht zu vergewissern, dass sich
die Geschaftsfilhrung mit den relevanten Themen
befasst ulld hat der GeschaftsfUhrung als
"Berater" zur Seite zu stehen.(J8) Fur den Verkaufer
geht es etwa um die Gestaltung und den
Ablauf des Verkallfsprozesses (z. B. Auktion/
Einzelverhandlung; share deal/asset deal); fur
den Kaufer etwa urn Fragen der Steueroptirnierung
(z. B. Erhalt van Verlustvortragen).(l9)
3. HAFTUNG
Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind verpAichtet,
ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines
o rdentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds
zu erledigen.(20) Ein Aufsichtsratsmitglied,
das uber berutlich erworbene Spezialkenntnisse
verfUgt, unterliegt einem erhohten
SorgfaltsmaBstab, soweit sein Spezialgebiet betroffen
ist. (21) Fur eine schuldhafte PAichtverletzung
haften die Aufsichtsratsmitglieder der
Gesellschaft.(22)
Komplexe Transaktionssachverhalte
machen
eine intensive Befassung
des Aufsichtsrats
mit der geplanten M&A­
Transaktion erforderlich
und verlangen gewisse
Sachkenntnis von
den Aufsichtsrats·
mitgliedern.
( 10) Nodf in KalsslKul/ z, J-Iandbu ch, § 26 Rz. 3~.
( 11 ) Ka/ss in KafsslKIIIIZ, Handbuch, § 16 Rz. 1 ff.
(12) Lall1parrerlSclllveighart, Das Instrument der Fairness Op inion, ecolex-Script 20 10/42.
( 13) Hodf in KalsslKullz, Handbuch, § 26 Rz. 30 f.
(14 ) LlIlIerlKrieger, Rcchtc und Pflichten 5 , Rz. 83.
(1 5) Brogyallyi in AlthuberlSchopper, Handbuch Unternehmenskauf & Due Diligence 1 (2010) 17.
( 16) Hodl in Ka/ssIKIIIIZ, Handbuch, 26 Rz. 48.
(17) Se/lopper in AltllllberlSchopper, Ha ndbuch 1,883 ff.
(IS) Killei, Handbuch, 252.
( 19) Nor/fin Ka/ssIKIIIIZ, Handbuch, § 26 Rz. 37.
(20) Vgl. § 99;. V. m. § 84 AktG bzw. § 33;. V. m. § 25 GmbHG.
(21) BGH 20. 9. 2011,11 ZR 234/09; Kalss;11 DoraltlNowotnylKalss, AktG (2003) § 99 Rz. 8.
(22) Kittel, Die Haftung des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaftl (2004) 190._
1/ 2013 Aufsichtsrat aktuell 7

Der Aufsichtsrat und M&A-Transaktionen
Die Aufsichtsratsmitglieder haften der Gesellschaft
aber nicht automatisch, sollte eine
M&A-Transaktion nieht den genwiinschten Erfolg
bringen. Es trifft die Aufsichtsratsmitglieder
keine Erfolgshaftung- das unternehmerische Risiko
ist von der GeseUschaft zu tragen. Der OGH
gesteht dem Aufsichtsrat bei unternehmerischen
Entscheidungen (das heillt bei der Erteilungl
Verweigerung der Zustimmung zur M&A-Transaktion)
(23) in Anlehnung an die aus dem Angloamerikanischen
stammende Business Judgement
Rule und die entsprechende Bestimmung im
deutschen Aktienrecht(24) einen Ermessenspielraum
Zll. Filr M&A-Transaktionen bedeutet das
insbesondere, dass das Aufsichtsratsmitglied (ex
ante) seine Entscheidung ohne Eigeninteressen,
frei van sachfremden Motiven, auf Grundlage
ausreichender Informationen gutglaubig zum
Wohl der Gesellschaft zu treffen hat.(25)
Es ist daher jedem Aufsichtsratsmitglied -
zur Einschriinkung des personlichen Haftungs-
risikos - Zll raten, VCT Beschlussfassung tiber
die M&A-Transaktion alle notwendigen Entscheidungsgrundlagen
einzuholen. Dadurch
konnen die Mitglieder des Aufsichtsrats sowohl
die Geschiiftsftihrung bei der Durchflihrung
des Transaktionsprozesses tiberwachen als auch
einen ))informierten" Beschluss fassen.
4. FAZIT
Komplexe Transaktionssachverhalte machen
eine intensive Befassung des Aufsichtsrats mit
der geplanten M&A-Transaktion erforderlich
und verlangen gewisse Sachkenntnis von den
Aufsichtsratsmitgliedern. Zur Begrenzung des
personlichen Haftungsrisikos ist es dringend
anzuraten, dass jedes Aufsichtsratsmitglied seine
Oberwachungstatigkeit, Kommunikation
mit der Geschaftsfuhrung und seine Entscheidungsgrundlagen
stets gut nachvollziehbar dokumentiert.
(23) Vg!. § 95 Abs. 5 AktG; § 30j Abs. 5 GmbHG.
(24) Der Grundgedankc der Business Judgement Rule ist in § 93 Abs. 1 Salz 2 des deutschen AkIG feslgclcgt.
Dcmnach liegt cine Pflichtverletzung nicht vor, wcnn das bctroffcne Organ bei seiner unternehmerischen
Entscheidung vernunftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemcssencr Information zum Wohl der
Gesellschaft zu handeln.
(25) OGH 26. 2. 2002, I Ob 144/0 I k; RIS- Justiz RSO 116166; Kodek, Aktuelle Fragen der Organhaftung im Gcsellschaftsrecht,
in Lewisch, Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkcit 20 I1 (20 11) 119 ( 129);
Griehser, Business ludgement Rule und Entscheidllngen des AlIfsichtsrats RdW 2009, 10.
GroiSe Okonomen
Wie Vordenker und AuiSenseiter Politik
und Wirtschaft beeinflusst haben - und
was wir heute von ihnen lernen kbnnen
Tichy
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8 Aufsichtsrat aktuelll/2013