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Status und Perspektiven - SNI-Portal

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Erfolgschancen der Neutronentherapie könnten noch<br />

gesteigert werden, wenn es gelänge, in die Tumorzellen<br />

gezielt borhaltige Substanzen einzuschleusen. Dabei<br />

würde man ausnutzen, dass Boratome Neutronen sehr<br />

stark absorbieren <strong>und</strong> dann in einer Kernreaktion in<br />

zwei Bruchstücke zerplatzen, wodurch die Tumorzellen<br />

wirkungsvoll zerstört werden könnten. Die Neutroneneinfangtherapie<br />

befi ndet sich aber noch im Entwicklungsstadium.<br />

Abb. 3.10. Ausschnitt aus einer Lipidmembran, die in Kontakt mit dem Peptid -Amyloid (weiß eingefärbt) gebracht wurde.<br />

Bei dem Neutronenstreuexperiment wurde zum einen nicht deuteriertes -Amyloid eingesetzt <strong>und</strong> zum anderen ein „markiertes“<br />

-Amyloid, bei dem in einer bestimmten Aminosäure Protonen gegen Deuteronen (violett dargestellt) ausgetauscht<br />

worden waren. Im Messdiagramm (rechte Seite der Abbildung) entspricht die rote Kurve der Messung mit nicht markiertem,<br />

die blaue Kurve der Messung mit markiertem -Amyloid. Die ausgeprägten Unterschiede in der Streuung zeigen eindeutig,<br />

dass Peptid in die Membran eingelagert wurde.<br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Biologische Systeme bestehen zu einem großen Teil aus<br />

Wasserstoff. Ihre Strukturen werden zwar im Großen<br />

<strong>und</strong> Ganzen mit Röntgenmethoden bestimmt, aber nur<br />

die einzigartigen Eigenschaften der Neutronen erlauben<br />

es, die genaue Lage der Protonen (Wasserstoffkerne)<br />

eindeutig experimentell festzulegen. Dazu steht als weiteres<br />

Hilfsmittel die Kontrastvariation zur Verfügung:<br />

Im Neutronenstreubild unterscheiden sich die Kerne<br />

des leichten Wasserstoffs (Protonen) sehr stark von<br />

den Kernen des schweren Wasserstoffs (Deuteronen).<br />

Die Möglichkeit, den Streukontrast durch Deuterieren<br />

zu verändern, spielt speziell bei der Untersuchung<br />

komplexer biologischer Vorgänge eine große Rolle.<br />

Ein Beispiel für die Anwendung dieser Methode zur<br />

Klärung einer medizinisch relevanten Fragestellung<br />

zeigt Abb. 3.10. Das Peptid -Amyloid, dessen Ablagerung<br />

oder eventuelle Einlagerung in Zellmembranen<br />

eine Schlüsselrolle bei der Alzheimer-Krankheit spielt,<br />

konnte mittels Kontrastvariation in einer Lipidmembran<br />

lokalisiert werden. Dazu wurde eine spezifi sche Aminosäure<br />

des Peptids mit Deuteronen markiert (violett) <strong>und</strong><br />

die Neutronenstreudichte der Membran mit markiertem<br />

<strong>und</strong> unmarkiertem -Amyloid bestimmt. Die Position<br />

der markierten Aminosäure ist als positive Differenz in<br />

den Neutronenstreudichten zu sehen. Solche Ergebnisse<br />

sind wichtig für das Verständnis biologischer Prozesse<br />

<strong>und</strong> geben wertvolle Hinweise für die Entwicklung von<br />

Medikamenten.<br />

Diagnostik...<br />

Neutronen werden zur Produktion von Radionukliden<br />

über Kernreaktionen genutzt <strong>und</strong> dienen so unmittelbar<br />

medizinischen Zwecken. Radionuklide werden sowohl<br />

in der Diagnostik als auch in der Therapie eingesetzt.<br />

Welche Bedeutung sie in der Medizin haben, machen<br />

folgende Zahlen klar: Weltweit werden jährlich<br />

13 Millionen Untersuchungen mit Hilfe von Radionukliden<br />

durchgeführt; jeder dritte Krankenhauspatient<br />

profi tiert vom Einsatz der Radionuklide. In mehr als<br />

der Hälfte der nuklearmedizinischen Anwendungen<br />

wird dabei das Radioisotop 99 Tc eingesetzt, für das<br />

Neutronenquellen die einzigen Lieferanten sind.<br />

... <strong>und</strong> Therapie<br />

Neutronen werden auch direkt zu therapeutischen<br />

Zwecken eingesetzt: Es gibt Tumorarten, sog. sauerstoffunterversorgte<br />

(hypoxische) Tumore, die durch<br />

Bestrahlung mit Neutronen besser behandelt werden<br />

können als mit konventioneller Strahlentherapie. Die<br />

Abb. 3.11. Proben für die NAA - Quarzampullen mit biologischem<br />

Material in Bestrahlungsbüchsen aus Aluminium.<br />

Prinzip der Neutronenaktivierungsanalyse (NAA):<br />

Wird eine Probe mit Neutronen bestrahlt, können sich einige<br />

Atomkerne in radioaktive Nuklide umwandeln. Durch<br />

Analyse der -Strahlung, die von diesen radioaktiven Kernen<br />

ausgesandt wird, kann auf Art <strong>und</strong> Konzentration von<br />

chemischen Elementen geschlossen werden, die in der<br />

Probe enthalten sind. Geringste Mengen eines Elementes<br />

lassen sich auf diese Weise bestimmen.<br />

10 4<br />

10 3 150 200 250 300 350 400<br />

Energie (keV)<br />

Abb. 3.12. Ausschnitt eines Gammaspektrums.<br />

Lungengewebe (Ratte). Die Gammalinien des Se-75<br />

(121 keV, 264 keV, 279 keV <strong>und</strong> 400 keV) sind markiert.<br />

Abb. 3.13. Stent in gespreiztem Zustand.<br />

Nahrungsmittel<br />

Neutronenaktivierungsanalyse ist die Referenz-Methode<br />

zur Bestimmung der Konzentration von Spurenelementen<br />

(s. Abb. 3.11, 3.12). Viele Funktionen in<br />

Organismen können nur aufrechterhalten werden, wenn<br />

bestimmte chemische Elemente in winzigen Mengen<br />

vorhanden sind. Ein Zuviel oder ein Zuwenig kann<br />

zu großen Ges<strong>und</strong>heitsschäden führen. Ein typisches<br />

Beispiel ist das Selen. Selen ist für den menschlichen<br />

Körper ein starkes Gift, in geringen Mengen<br />

(1,0 – 1,5 µg/kg Körpergewicht) aber lebensnotwendig.<br />

Die Neutronenaktivierungsanalyse liefert hier genaue<br />

Angaben über die absolute Konzentration, mit denen<br />

andere spektroskopische Methoden kalibriert werden.<br />

So ist es verständlich, dass Hersteller von Babynahrung<br />

oder von medizinischer Ersatznahrung typische<br />

Nutznießer der Neutronenaktivierungsanalyse sind.<br />

In beiden Fällen kommt es essentiell auf die richtige<br />

Zusammensetzung der Spurenelemente an.<br />

Medizintechnik<br />

Ein indirekter aber in der Konsequenz ungeheuer wichtiger<br />

Beitrag der Neutronen zur medizinischen Versorgung<br />

ergibt sich aus der Erforschung der sog. Formgedächtnislegierungen.<br />

Bauteile aus solchen Legierungen<br />

„erinnern“ sich immer wieder an eine ihnen einmal<br />

gegebene Gestalt. Verformt man sie, kehren sie durch<br />

eine Temperaturbehandlung wieder in die ursprüngliche<br />

Gestalt zurück. Typische Vertreter dieser Materialklasse<br />

sind Nickel-Titan-Legierungen. Neutronenstreuexperimente<br />

hatten einen entscheidenden Anteil an der<br />

Aufklärung des Erinnerungsmechanismus, der auf<br />

einer martensitischen Phasenumwandlung beruht. Bioverträgliche<br />

Formgedächtnislegierungen spielen nun in<br />

der Medizintechnik eine wichtige Rolle als Implantate.<br />

Ein Beispiel sind Stents, die in Blutgefäße, Harnröhren<br />

oder Gallengängen in zusammengefaltetem Zustand mit<br />

Hilfe eines Katheters eingeführt werden. Bei Körpertemperatur<br />

spreizen sich dann die feinen Gefl echte auf<br />

(s. Abb. 3.13). Diese Art der Dilatation von Blutgefäßen<br />

hat zur Vorbeugung von Infarkten eine herausragende<br />

Bedeutung erlangt.<br />

56 Ges<strong>und</strong>heit<br />

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