02.01.2015 Aufrufe

Status und Perspektiven - SNI-Portal

Status und Perspektiven - SNI-Portal

Status und Perspektiven - SNI-Portal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Mobilität<br />

Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr bestimmen unser tägliches<br />

Leben in einem Ausmaß, das früher <strong>und</strong>enkbar<br />

erschien. Gr<strong>und</strong>lage dieser Entwicklung sind enorme<br />

Ingenieur-Leistungen, die zu immer schnelleren <strong>und</strong><br />

zuverlässigeren Transportmitteln führten - man denke<br />

nur an die Entwicklung des Luftverkehrs. Möglich wurde<br />

dies durch den Einsatz immer besserer Materialien,<br />

wobei deren Potential immer häufi ger bis an die Grenzen<br />

ausgereizt wird. Die Verkehrstechnik ist deshalb<br />

nicht nur auf die Entwicklung neuer Materialien angewiesen,<br />

sondern auch auf Methoden, die es erlauben,<br />

ganze Bauteile zuverlässig unter realen Bedingungen<br />

- auch unter Grenzbelastungen - zu testen. Insbesondere<br />

müssen verlässliche experimentelle Daten gewonnen<br />

werden, die zur Validierung von mathematischen Modellierungen<br />

von Bauteilen, z. B. Finite-Elemente-Rechnungen,<br />

herangezogen werden können. Damit können<br />

dann belastbare Standzeiten für Maschinen festgelegt<br />

werden.<br />

Eigenspannungsanalyse<br />

Insbesondere aufgr<strong>und</strong> ihrer Fähigkeit, tief in Metalle<br />

einzudringen, wurden Neutronen in den letzten Jahren<br />

für Ingenieure ein immer wichtigeres Werkzeug. Diese<br />

Eigenschaft erlaubt zum Beispiel, Spannungszustände<br />

auch im Inneren eines massiven metallischen Bauteils<br />

quantitativ zu bestimmen. Ungünstige Verteilungen<br />

solcher Spannungen sind häufi g Auslöser eines fatalen<br />

Materialversagens.<br />

ICE-Radbruch wäre vermeidbar gewesen<br />

Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit stellt die<br />

Erforschung der Ursachen eines Radbruchs an einem<br />

ICE-Waggon dar. Dieser Radbruch führte zu einem der<br />

schwersten Unglücke in der Geschichte der deutschen<br />

Eisenbahn. Nach dem Unglück wurde der Radring des<br />

ICE-Rades mit Neutronendiffraktometrie untersucht;<br />

eine Zugspannung (blaue Zone in Abb. 3.5) wurde als<br />

Ursache des Materialversagens identifiziert. Finite-<br />

Elemente-Rechnungen hatten während der Entwicklungsphase<br />

diese Gefahr nicht erkennen lassen. Eine<br />

frühzeitige Untersuchung mit Neutronen während der<br />

Testphase dieses Typs von Radreifen hätte den Unfall<br />

aber verhindern können.<br />

Diesel auch im tiefsten Winter<br />

Ein interessantes Beispiel für die Bedeutung der Forschung<br />

mit Neutronen für das tägliche Leben in einer<br />

mobilen Gesellschaft ist die Entwicklung von speziellen<br />

organischen Substanzen – Additiven – für Dieseltreibstoffe<br />

(Abb. 3.6). Diese sorgen dafür, dass sich bei winterlichen<br />

Temperaturen keine größeren Wachskristalle<br />

bilden, die die Treibstofffi lter verstopfen können. Zusatz<br />

von Polymeren fördert die Bildung vieler Kristallkeime<br />

<strong>und</strong> verhindert so die Entstehung großer Aggregate. Die<br />

Aufklärung dieses Wirkungsmechanismus <strong>und</strong> parallel<br />

dazu die Optimierung der Additiv-„Rezeptur“ wurden<br />

ganz wesentlich durch Neutronenstreuexperimente<br />

vorangetrieben. In nur vier Jahren wurde Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

in ein marktreifes Produkt umgesetzt! Heutzutage<br />

fi nden sich diese Additive während der kalten<br />

Jahreszeit in allen gängigen Dieseltreibstoffen.<br />

Bildgebende Verfahren<br />

Das hohe Durchdringungsvermögen gepaart mit<br />

besonderer Empfi ndlichkeit für einzelne chemische<br />

Elemente prädestiniert die Neutronen für tomographische<br />

<strong>und</strong> radiographische Untersuchungen. Dies gilt<br />

insbesondere für das zerstörungsfreie Sichtbarmachen<br />

von Materialien, die leichte Elemente wie Wasserstoff,<br />

Lithium oder Bor enthalten <strong>und</strong> sich im Inneren metallischer<br />

Objekte befi nden. Ein Beispiel ist in Abb. 3.7<br />

dargestellt. Es zeigt die Abgasleitung eines Flugzeugtriebwerkes,<br />

in dem Öl- <strong>und</strong> Treibstoffreste gefährliche<br />

Ablagerungen bildeten. Eine komplette Verstopfung<br />

könnte zur Zerstörung des Triebwerks mit katastrophalen<br />

Folgen führen. Die Ablagerungen konnten mit<br />

Neutronentomographie detailliert abgebildet werden,<br />

ohne die Abgasleitung aufschneiden zu müssen. Unterschiedliche<br />

Farben in der Darstellung entsprechen dabei<br />

unterschiedlichen Dichten. Über eine genaue Analyse<br />

der Dichteunterschiede können Rückschlüsse auf die<br />

Entstehungsgeschichte der Ablagerungen gemacht<br />

werden, was wiederum für die Ursachenforschung<br />

erheblich ist. Diese Untersuchungen wurden von der<br />

britischen Flugunfallbehörde <strong>und</strong> der Flugzeugindustrie<br />

in Auftrag gegeben.<br />

a) Große Wachskristalle in Dieselöl<br />

verstopfen die Düsen.<br />

b) Zusatz von Polymer-Aggregaten.<br />

Abb. 3.5. Eigenspannungsuntersuchungen an ICE-Rad.<br />

Mit Neutronendiffraktometrie wurde nach dem verheerenden<br />

Eisenbahnunglück von Eschede im Jahre 1998, das<br />

durch einen Radbruch ausgelöst worden war, der Radring<br />

des ICE-Rades untersucht. Die Zugspannung (blaue<br />

Zone) wurde als Ursache des katastrophalen Materialversagens<br />

identifiziert.<br />

c) Die Polymer-Aggregate<br />

fungieren als Nukleationszentren.<br />

Abb. 3.6. Wirkungsweise der Dieselöl-Additive, deren Entwicklung<br />

durch Neutronenstreuexperimente möglich gemacht wurde.<br />

d) Viele kleinste Kriställchen ohne Verstopfungsgefahr.<br />

Abb. 3.7. Öl- <strong>und</strong> Treibstoffablagerungen in der Abgasleitung<br />

eines Flugzeugtriebwerkes.<br />

Die Ablagerungen im Inneren der Abgasleitung konnten<br />

durch Neutronentomographie zerstörungsfrei abgebildet<br />

werden. Unterschiedliche Farben in der Darstellung entsprechen<br />

dabei unterschiedlichen Dichten.<br />

52 Mobilität<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!