Status und Perspektiven - SNI-Portal
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Anregungskontinua <strong>und</strong><br />
Magnetisierungsplateaus in<br />
Quantenmagneten<br />
Für das Verhalten von Materialien, deren Magnetismus<br />
auf niedrigen Spinwerten wie S=1/2 oder S=1<br />
beruht, ist die Quantenmechanik entscheidend (sog.<br />
„Quantenmagnete“). Solche Materialien, insbesondere<br />
Materialien mit eingeschränkter Dimensionalität, bilden<br />
bei tiefen Temperaturen Quantenphasen mit ungewöhnlicher,<br />
komplexer Ordnung. Einfacher Ausgangspunkt<br />
für das Verständnis einer Gruppe solch komplexer Phasen<br />
ist die Bildung von „Dimer“ genannten Einheiten<br />
aus zwei antiparallelen Spins (vergleichbar einem magnetischen<br />
Molekül), ein typisches Quantenphänomen.<br />
Wenn eine Gruppe von Spins 1/2 sich in Dimer-Einheiten<br />
zusammenfi ndet, gelingt es ihr, den magnetischen<br />
Charakter zu verbergen, denn ein endliches Magnetfeld<br />
ist erforderlich, um die Bindungsenergie zu überwinden<br />
<strong>und</strong> das Dimer aufzubrechen zu einer Konfi guration mit<br />
endlicher Magnetisierung (s. Abb. 2.21).<br />
Energie (meV)<br />
Energie (meV)<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
0 0,25 0,5 0,75 1<br />
20<br />
15<br />
10<br />
1,4 1,5 1,6<br />
Wellenvektor q Kette<br />
(2A −1 )<br />
S(Q,E) (willkürliche Einheiten)<br />
S(Q,E) (willkürliche Einheiten)<br />
Abb. 2.24. Spin 1 Einheiten aus zwei elementaren Spins<br />
1/2 <strong>und</strong> Bildung eines Dimers aus zwei elementaren Spins<br />
1/2 in benachbarten Spin 1 Einheiten (vollständige Bindung<br />
zu Dimeren).<br />
Abb. 2.21. Ein einfaches Dimer <strong>und</strong> seine Ausrichtung im<br />
Magnetfeld.<br />
Abb. 2.22. Anregungskontinuum im 1D-Antiferromagneten<br />
KCuF 3<br />
.<br />
oben: Gesamter Energiebereich.<br />
unten: Ausschnitt in der Umgebung des -Punktes.<br />
Abb. 2.23. Magnetisierung von NH 4<br />
CuCl 3<br />
.<br />
Abb. 2.25. Einheiten mit Spin 3 /2 aus drei elementaren<br />
Spins 1 /2 <strong>und</strong> Bildung eines Dimers aus zwei elementaren<br />
Spins 1 /2 in benachbarten Spin 3 /2 Einheiten (teilweise Bindung<br />
zu Dimeren, die roten elementaren Spins 1 /2 bleiben<br />
frei <strong>und</strong> sättigen zum 1 /3 Plateau).<br />
Spinflüssigkeiten<br />
Wenn nicht nur zwei Spins, wie in einem Dimer,<br />
sondern makroskopisch viele Spins zu einem Singulett-Gr<strong>und</strong>zustand<br />
verschränkt sind, entstehen Quantenphasen,<br />
die als Spinfl üssigkeiten bezeichnet werden.<br />
Ein Beispiel für die komplexen Eigenschaften solcher<br />
Spinfl üssigkeiten sind die elementaren Anregungen<br />
einer S=1/2 Kette: Es existiert ein Anregungskontinuum<br />
(s. Abb. 2.22), das auf der voneinander unabhängigen<br />
Dynamik von zwei domänenwandartigen Einheiten<br />
(Spinonen/Solitonen) beruht. Nur mit Neutronen lassen<br />
sich solche Anregungsspektren vermessen.<br />
Dimer-Materialien<br />
Quantenphasen, die aus Spin- 1/2-Dimeren aufgebaut<br />
sind, besitzen häufi g Magnetisierungsplateaus. Die für<br />
das Material NH 4<br />
CuCl 3<br />
gemessene Magnetisierungskurve<br />
(s. Abb. 2.23) ist dafür ein Beispiel: Im Bereich<br />
eines Magnetisierungsplateaus bleibt die Magnetisierung<br />
konstant, auch wenn das äußere Magnetfeld erhöht<br />
wird. In diesem Fall bricht ein endliches Magnetfeld<br />
nur eine Untergruppe von Dimeren auf <strong>und</strong> erzeugt so<br />
eine teilweise magnetisierte Struktur. Das Plateau entsteht,<br />
da die restlichen Dimere stabil bleiben, entweder<br />
wegen einer höheren Bindungsenergie wie im quasi 1D-<br />
Material NH 4<br />
CuCl 3<br />
oder weil eine zusätzliche Energie<br />
erforderlich ist, direkt benachbarte Dimere aufzubrechen,<br />
wie im quasi 2D-Material SrCu 2<br />
(BO 3<br />
) 2<br />
.<br />
Verbindungen mit höheren Spinwerten<br />
Magnetisierungsplateaus in Verbindungen mit höheren<br />
Spinwerten entstehen durch komplexere Bindungseffekte:<br />
Magnetische Momente bei höheren Spinwerten können<br />
verstanden werden als zusammengesetzt aus elementaren<br />
Spins 1/2, wie es die blauen Kreise für Spin 1<br />
in Abb. 2.24 (2 elementare Spins 1/2) <strong>und</strong> für Spin 3/2<br />
in Abb. 2.25 (3 elementare Spins 1/2) veranschaulichen.<br />
Die magnetische Ordnung solcher Materialien ist unterdrückt<br />
oder reduziert, wenn alle oder einige elementare<br />
Spins 1/2 in Dimeren geb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> das Magnetfeld<br />
zu schwach ist, sie aufzubrechen: In der S=1 Kette<br />
(Abb. 2.24) verschwindet dann die Magnetisierung (Plateau<br />
bei Magnetisierung Null), während in der S=3/2<br />
Kette freie elementare Spins (rot in Abb. 2.25) verblei-<br />
ben können, die in der Gegenwart eines Magnetfelds<br />
sättigen <strong>und</strong> dann zu einem Magnetisierungsplateau bei<br />
einem Drittel der Sättigungsmagnetisierung führen.<br />
Zukünftige Entwicklungen<br />
Auch im Zusammenhang mit Magnetisierungsplateaus<br />
sind Anregungskontinua zu erwarten: Eine Ordnung<br />
wie in Abb. 2.24 kann auch für Spins 1/2 <strong>und</strong> ohne<br />
dimerartige Verschränkungen durch konkurrierende<br />
Wechselwirkungen stabilisiert werden. Dies ist im Mineral<br />
Azurit realisiert, das für äußere Felder zwischen<br />
16 <strong>und</strong> 26 T ein Magnetisierungsplateau ausbildet. Der<br />
so entstehende Zustand hat die dreifache Gitterperiode,<br />
es sind drei Domänen möglich <strong>und</strong> damit Anregungskontinua<br />
aus drei sich unabhängig voneinander bewegenden<br />
Domänenwänden.<br />
Messungen von räumlichen Korrelationen <strong>und</strong> von<br />
Anregungen in Spinfl üssigkeiten <strong>und</strong> im Bereich<br />
von Magnetisierungsplateaus sind nur mit Neutronen<br />
möglich; solche Messungen liefern den wesentlichen<br />
Beitrag zum mikroskopischen Verständnis dieser Quan-<br />
tenphasen. Es ist zu erwarten, dass mit dem äußeren<br />
Magnetfeld als einfach zugänglichem Parameter weitere<br />
faszinierende Details von Quantenphasendiagrammen<br />
offenbar werden, sobald für Neutronenstreumessungen<br />
im Bereich von Magnetisierungsplateaus ausreichend<br />
starke Magnetfelder zur Verfügung stehen. Besonders<br />
interessante Phänomene treten auf, wenn magnetische<br />
Momente an Leitungselektronen koppeln, z. B. unmagnetische<br />
Gr<strong>und</strong>zustände, Quantenphasenübergänge oder<br />
magnetisch induzierte Supraleitung.<br />
30 Komplexität: Quantenmagnete 31