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Status und Perspektiven - SNI-Portal

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Komplexität<br />

Die Strategie der Naturwissenschaften, möglichst einfache<br />

Modellsysteme zu untersuchen, hat in der Vergangenheit<br />

beeindruckenden Erfolg verzeichnet <strong>und</strong> herrliche<br />

Früchte getragen. Reale Systeme der kondensierten<br />

Materie, der Geowissenschaften <strong>und</strong> insbesondere der<br />

Lebenswissenschaften zeichnen sich jedoch gerade<br />

dadurch aus, dass sie aus vielen, zum Teil recht unterschiedlichen,<br />

Bestandteilen bestehen, die voneinander<br />

abhängig sind <strong>und</strong> in Verhalten <strong>und</strong> Wirkung Veränderungen<br />

unterworfen sein können. Charakteristisch für<br />

solche komplexen Systeme ist das Phänomen der Selbstorganisation.<br />

Das Zurückführen auf einfachere Modellsysteme<br />

erscheint höchstens bedingt möglich. Eine der<br />

großen Herausforderungen für die Naturwissenschaften<br />

im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist es, neue Konzepte, basierend auf<br />

höheren Organisationsprinzipien zu entwickeln, um<br />

fächerübergreifend zu einem tieferen Verständnis komplexer<br />

Systeme zu gelangen.<br />

Abb. 2.8. Schematische Darstellung einer biologischen<br />

Membran, die den komplexen Aufbau als Multikomponentensystem<br />

verdeutlicht.<br />

Fragestellungen<br />

Typische gr<strong>und</strong>legende offene Fragen, zu deren Beantwortung<br />

Neutronen entscheidend beitragen können,<br />

sind:<br />

• Welches sind die universellen Prinzipien von Strukturbildung<br />

<strong>und</strong> Selbstorganisation in der Natur, <strong>und</strong><br />

wie können sie in der Materialwissenschaft genutzt<br />

werden<br />

• Können wir chemische Reaktionen <strong>und</strong> Reaktionswege<br />

in Multikomponentensystemen vorhersagen<br />

• Können wir gezielt Vielkomponenten-Materialien<br />

erzeugen mit maßgeschneiderten makroskopischen<br />

Eigenschaften<br />

• Wie sind biologische Funktionen <strong>und</strong> Prozesse mit<br />

der Struktur <strong>und</strong> Dynamik von makromolekularen<br />

Systemen verb<strong>und</strong>en<br />

• Welche Rolle spielt Wasser in geodynamischen Prozessen<br />

wie Plattentektonik, Vulkanismus <strong>und</strong> Gesteinsumwandlung<br />

Beispiele für komplexe Systeme<br />

• Bio-Materialien bestehen aus einer Unmenge verschiedener<br />

molekularer Spezies, die auf spezifi sche<br />

Art miteinander wechselwirken, sich selbst organisieren<br />

<strong>und</strong> damit Lebensprozesse erst ermöglichen<br />

(s. Abb. 2.8).<br />

• Weiche Materie begegnet uns oft in Form von<br />

Vielkomponentensystemen, in denen Strukturbildung<br />

durch Selbstorganisation auftritt. Solche<br />

Mischmaterialien sind allgegenwärtig in der technischen<br />

Anwendung:<br />

- Mikroemulsionen, d. h. makroskopisch homogene<br />

Phasen, die durch Zusatz eines oberfl ächenaktiven<br />

Stoffes (Tensids, „Surfactant“) zu einem<br />

Gemisch von zwei gewöhnlich nichtmischbaren<br />

Flüssigkeiten, wie Öl <strong>und</strong> Wasser („Sauce Vinaigrette“),<br />

entstehen (s. Abb. 2.9).<br />

- Kolloidale komplexe Flüssigkeiten, d. h. in Dispersionsmittel<br />

fein verteilte Stoffe – ein alltägliches<br />

Beispiel ist Milch.<br />

- Strukturbildung in makromolekularen, polymeren<br />

Systemen, die z. B. zur Herstellung von<br />

geordneten Nanostrukturen genutzt werden kann.<br />

• Komplexe Festkörper, etwa komplexe Metalllegierungen<br />

mit Einheitszellen, die aus vielen tausend Atomen<br />

bestehen oder komplexe Übergangsmetalloxide,<br />

wie Hochtemperatursupraleiter oder Manganate mit<br />

kolossalem Magnetowiderstand. Diese Materialien<br />

zeigen elektronische Selbstorganisation auf der Nanometerskala,<br />

etwa in Form von Streifenordnung oder<br />

elektronischer Phasenseparation (s. Abb. 2.10).<br />

• Komplexe Geomaterialien, die aus mehreren Phasen<br />

mit unterschiedlicher Textur zusammengesetzt<br />

sind. Die Multiphasentextur gibt Aufschluss über die<br />

geodynamische Vorgeschichte, d. h. die Zeitentwicklung<br />

von Druck <strong>und</strong> Temperatur (s. Abb. 2.11).<br />

Intensität / 10<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

020.omp<br />

111 − .omp<br />

100.qtz<br />

220.gar<br />

Mn 3+ Mn 3+ Mn 4+ Eklogit wk17− 98A<br />

111.omp<br />

011/101.qtz<br />

021.omp<br />

220.omp<br />

321.gar<br />

221 − .omp<br />

310.omp<br />

311 − .omp<br />

130.omp<br />

400.gar<br />

420.gar<br />

131 .omp<br />

202 − .omp<br />

002.omp<br />

30 40 50 60 70 80<br />

221.omp<br />

332.gar<br />

110.qtz<br />

2 Theta<br />

131.omp<br />

422.gar<br />

400.omp<br />

311.omp<br />

312 − .omp<br />

112.omp<br />

022.omp<br />

431.gar<br />

012/102.qtz<br />

111.qtz<br />

330.omp<br />

521.gar<br />

331 − .omp<br />

421 − .omp<br />

Abb. 2.9. Darstellung der bikontinuierlichen Phase<br />

einer Mikroemulsion.<br />

Abb. 2.10. Streifenordnung in Manganaten aufgr<strong>und</strong><br />

elektronischer Phasenseparation.<br />

Abb. 2.11. Neutronen-Texturanalyse der verschiedenen<br />

Komponenten einer Gesteinsprobe als Beispiel<br />

eines geologischen Multiphasenmaterials.<br />

440.gar<br />

041.omp<br />

402 − .omp<br />

202.omp<br />

132 − .omp<br />

241 − .omp<br />

021/201.qtz<br />

611/532.gar<br />

331.omp<br />

422 − .omp<br />

620.gar<br />

112.qtz<br />

20 Komplexität<br />

21

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