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Dezember 2010 | www.neubad.com Kultur 27<br />

«Boogie Bobs»<br />

Man nehme zwei Bobs, setze sie an zwei<br />

Pianos – fertig sind die «Boogie Bobs».<br />

Bob Baldori und Bob Seeley verstehen<br />

sich musikalisch und menschlich ausgezeichnet.<br />

Beide gehören zu den weltbesten<br />

Boogie-Woogie-Pianisten. Aber<br />

das stört sie eigentlich nicht besonders.<br />

Die beiden Top-Pianisten haben sich vor ein<br />

paar Jahren auf einem Boogie-Festival getroffen.<br />

Aus dem gegenseitigen Respekt haben sie<br />

beschlossen, die Geschichte des Boogie in dem<br />

Film «Boogie Stomp!» zu dokumentieren.<br />

Bob Baldori, der Anwalt<br />

Bob Baldori ist seit vierzig Jahren in Sachen<br />

Boogie und Rock ’n’ Roll unterwegs. Er begann<br />

seine Karriere in Detroit in den späten sechziger<br />

Jahren mit seiner Band «Woolies». Bald landeten<br />

sie den nationalen Hit «Who do you love».<br />

In seiner langen Karriere als Boogie-Woogie-Pianist<br />

und Harmonikaspieler ist Bob mit vielen<br />

Musikergrössen aufgetreten. Nebst Chuck Berry<br />

hat er mit Muddy Waters, Del Shannon, John<br />

Lee Hooker, Luther Allison und Bo Diddley gespielt.<br />

Zudem hat er über 200 Alben produziert<br />

und als Toningenieur den Sound mitgestaltet.<br />

Um sich eine Pause vom Musizieren zu gönnen,<br />

hat Bob Baldori Jura studiert. Er arbeitet an sich<br />

hauptberuflich als Anwalt, unter anderem für<br />

Klienten wie Chuck Berry.<br />

Hinter seinem grossen Haus produziert er hervorragende<br />

eigene Zigarren. Die schmecken<br />

besser als ein kubanisches Pendant. Sagt er und<br />

grinst.<br />

Bob Seeley, der Krabbenbar-Pianist<br />

Täglich um sieben Uhr abends streckt der Pianist<br />

seine Arme aus, knackt mit den Fingern<br />

und legt los. In Charley’s Crab, Detroit, spielt die<br />

Nummer eins der Boogie-Woogie-Pianisten<br />

seit 32 Jahren fünf Mal die Woche für die Menschen,<br />

die es sich nach Feierabend mit Drinks<br />

und Krabbencocktail gemütlich machen. Die<br />

Unterhaltung der Gäste versiegt, die Füsse der<br />

Gäste wippen im Takt und die Stimmung hebt<br />

sich, sobald «Boogie Bob» zu spielen beginnt.<br />

Bob Seeley und Bob Baldori<br />

Nach einem langen Set kommt Bob der Geschichtenerzähler<br />

zum Vorschein. Er unterhält<br />

die Gäste mit Storys über das Who-is-Who der<br />

amerikanischen Boogie- und Jazzpianisten der<br />

vergangenen 100 Jahre. Bob Seeley selbst ist<br />

80-jährig, wirkt aber eher wie ein Sechzigjähriger.<br />

Sein Pianospiel wird auch als «Left Hand of<br />

God» bezeichnet.<br />

Boogie Woogie trifft russische Seele<br />

Zwei Bobs, vier Hände, zwanzig Finger und 100<br />

Jahre Boogie – die beiden phänomenalen Pianisten<br />

haben ihre Talente vereint. Die Auftritte<br />

der beiden bieten aussergewöhnliche musikalische<br />

Ein- und Ausblicke in die Jazz-, Blues-,<br />

Boogie- und Rockgeschichte. Bereits dreimal<br />

sind die beiden Ausnahmepianisten nach Moskau<br />

eingeladen worden, um mit ihrem Spiel die<br />

russische Seele zu berühren. Bei der zweiten<br />

Anfrage meinte Bob Seeley: «I’m gonna walk<br />

my dog in Florida», was übersetzt hiess: «Vergiss<br />

es!». Deshalb hat Bob Baldori den bekannten<br />

deutschen Boogiepianisten Martin Schmitt<br />

zu den Russland-Konzerten engagiert. Beim<br />

dritten Russland-Engagement waren dann wieder<br />

die beiden Bobs im Osten zu Konzerten unterwegs.<br />

Was ist eigentlich Boogie-Woogie?<br />

Seine Blütezeit hatte der Boogie-Woogie Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts. In verschiedenen<br />

Musikstilen wird der Boogie-Woogie genannt.<br />

Aber vor allem in den Camps der afroamerikanischen<br />

Arbeiter im Süden der USA, in den Lagern<br />

der Eisenbahnarbeiter und Holzfäller wurde<br />

Boogie-Woogie gespielt. Das «Barrelhouse<br />

Piano» wurde in den Bretterbuden gehört, in<br />

denen die Whiskey- und Bierfässer gelagert<br />

wurden. Der Boogie Style hat die Leute zu ausgelassenem<br />

Tanzen animiert.<br />

Charakteristisches Merkmal des klassischen<br />

Boogie-Woogie ist das «Ostinato» der linken<br />

Hand, mit den regelmässig wiederkehrenden<br />

Bassfiguren, während die rechte Hand den Rest<br />

der Klaviatur für die – oftmals improvisierte –<br />

Melodie ausgiebig nutzt. Ein beliebtes Motiv in<br />

vielen Boogie-Woogie-Stücken bildet die Eisenbahn,<br />

deren stampfender Rhythmus häufig<br />

durch die linke Hand imitiert wird, während die<br />

rechte Hand die Reise mit der Eisenbahn «erzählt».<br />

Alter schützt vor Boogie nicht<br />

Die beiden Bobs bringen zusammen 150 Jahre<br />

Lebenserfahrung auf die Bühne. Beide «duellieren»<br />

sich mit dem gegenseitigen Boogie-Spiel<br />

oder ergänzen sich auf überaus harmonische<br />

Weise. Mit dem Dokumentarfilm «Boogie<br />

Stomp!» (www.boogiestomp.com) wird die Geschichte<br />

des Boogie-Woogie erzählt, aber auch<br />

seine Protagonisten beleuchtet. Dazu gehören<br />

Bob Seeley und Bob Baldori als lebende und<br />

hoch aktive Legenden eines fröhlichen Musikstils<br />

der amerikanischen Kultur.<br />

Bob Seeley mit seinen 80 und Bob Baldori mit<br />

seinen 67 Jahren sind auf der Bühne vieles.<br />

Aber bestimmt nicht alt.<br />

Christian Wehrli

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