Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik

Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik

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1 F a c h w i s s e n s c h a f t l i c h e V o r ü b e r l e g u n g e n Zweck dieses Skriptums ist zunächst, auf einige wichtige Inhalte im Themenfeld Deutsche Liebeslyrik seit dem Barock aufmerksam zu machen, Orientierung zu geben in einer schier unüberschaubaren Menge subsumierbarer germanistischer Einzelthemen, nicht jedoch ein neues Lehrbuch zu verfassen oder sonst eine umfassende Darstellung zu den betreffenden Epochen. Der thematische Fokus liegt dabei auf dem lyrischen Bild. Die verschiedenen, allesamt interessanten, Spezialpublikationen der Verlage zum neuen Sternchenthema sollen dabei auch nicht übertroffen werden. Die Darstellung wird verschiedentlich auf diese Publikationen hinweisen und soll so die Vorbereitung individueller Unterrichtsreihen vereinfachen und beschleunigen, die zur Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler 1 auf die Lyrikaufgabe der Abiturprüfung taugen sollen. Bei der umfänglichen Sekundärliteratur zur Gattung Lyrik allgemein mutet die Zahl von Publikationen, die sich dezidiert mit Liebeslyrik befassen, geradezu verschwindend gering an. Was Liebeslyrik von Lyrik allgemein unterscheide, fasst der neu erschienene „Deutschbuch“-Band »Orientierungswissen« in einem Satz zusammen. Liebeslyrik zielt oft auf den gefühlhaften, seelisch-geistigen Bereich eines Liebeserlebnisses. 2 Eine genauere Spezifizierung könnte vermutlich auch keinen einigermaßen umfassenden Charakter aufweisen. „Die Geschichte des deutschen Liebesgedichts ist fast identisch mit der Geschichte der deutschen Lyrik, gibt es doch kaum ein Thema, das ein ähnliches Gewicht gewonnen und das so viele und verschiedene Dichter inspiriert hätte.“ 3 Mit dieser, auch von anderen geäußerten Feststellung weist Hans Wagener auf einen Umstand hin, der für das neue Sternchenthema einen Vorzug und zugleich ein Problem anspricht. Seit die Minnelyrik nicht nur so etwas wie echte Liebeslyrik für den deutschen Sprachraum schuf, sondern zugleich, von der Literatur begleitet, der Liebesbegriff in der höfischen Oberschicht dramatische Veränderungen erfuhr, kennt die deutschsprachige Literatur eine immens umfängliche Produktion von Liebeslyrik. Die Zahl der Liebesgedichte ist Legion, die Auswahl für den schulischen Zusammenhang eines Oberstufenkurses auf eine vernünftige Stundenzahl damit wahrhaftig eine Qual. Sollen alle relevanten Epochen berücksichtigt werden, möglichst viele bedeutende Dichterinnen und Dichter zu Wort kommen, verschiedene poetische Schulen und Normensysteme vorgestellt werden, formale Gestaltung und ihre Kategorien an geeigneten lyrischen Texten vermittelt und analysiert werden, sinnvolle Vergleiche im Sinne des Aufgabentyps IV der schriftlichen Abiturprüfung eingeübt werden, vielleicht noch das eine oder andere mehr, - dann wird jeder Lehrer nach einem guten Kompromiss suchen, eine Ideallösung existiert nicht. Und spielt nicht bei der Auswahl von Gedichten, die wir Lehrer in unseren Unterricht einbringen, auch die Frage individueller Affinität eine große Rolle? Gedichte gibt es genügend, wir haben eben auch die Freiheit der Wahl. Aus den genannten Gründen wird in dieser Arbeit keine feste Unterrichtseinheit konstruiert. Mehrere Vorschläge sind Gegenstand anderer Workshops der Fortbildung zum neuen Sternchenthema oder in der Begleit-CD zu finden. Zudem bieten die „Stundenblätter“, auf die noch näher einzugehen ist, naturgemäß eine sehr ausführliche Unterrichtseinheit zum Thema. 4 1 Im Folgenden wird im Text um der einfacheren Lesbarkeit willen jeweils die maskuline Form benutzt werden, die feminine ist mit gedacht und gemeint. 2 Deutschbuch, Orientierungswissen für Gymnasien in Baden-Württemberg. Hrsg. von Margret Fingerhut und Bernd Schurf, Berlin, Cornelsen Verlag 2008, S. 146 3 Deutsche Liebeslyrik, hrsg. von Hans Wagener, Stuttgart, Reclam 1982, S. 409 4 Petruschke, Adelheid: Lyrik von der Klassik bis zur Moderne. Stundenblätter Deutsch. Leipzig, Klett 2004 2

Die Vielzahl von Gedichten, die der Liebeslyrik zugerechnet werden können, erfordert einen universaleren Ansatz als die bloße Auswahl von Texten. 5 Einen solchen Zugang bietet die Betrachtung des lyrischen Bildes und seiner Entwicklung. Wer gelernt hat, lyrische Bilder zu interpretieren, sein Auge für diesen Aspekt von Lyrik geschult hat, verfügt über einen Zugang, der einem Schlüssel für die Interpretation vieler Gedichte gleichkommt. Schüler, die im Unterricht der Unter- und Mittelstufe sukzessive die Interpretation lyrischer Texte erlernt und eingeübt haben, können vermittels einer bewussten Auseinandersetzung mit der Bildlichkeit in der Liebeslyrik die Qualität ihrer Interpretationsleistung zum Abiturniveau hin weiterentwickeln. Die angesichts der schieren Fülle ohnehin müßige Spekulation auf mögliche Prüfungstexte erübrigt sich damit. Selbstredend existiert nicht d a s lyrische Bild, es gibt deren etliche. Orientierung gewinnt der Leser von Lyrik durch die diachrone Betrachtung im Rahmen von Epochen. Dabei können Schüler die unterschiedliche Funktion selbst gleicher Bilder im historischen Wandel als reizvoll erfahren, ebenso wie die Frage, welchen Umgang mit Bildlichkeit Dichter zu verschiedenen Zeiten pflegten bzw. ablehnten. Die grundlegende Untersuchung der »Wandlungen des lyrischen Bildes« stammt von Walter Killy und ist bereits über ein halbes Jahrhundert alt 6 . Für die 8. Auflage überarbeitet, darf dieses Standardwerk noch heute Gültigkeit beanspruchen. Übrigens beruft sich Adelheid Petruschke, die Autorin der „Stundenblätter“, explizit auf Walther Killy und baut auf seinen Thesen auf. Killys erste, einleitende Sätze warten sogleich mit der grundlegende These auf: „Die Poesie spricht in Bildern. Sie nennt Dinge der Welt, welche ein inneres Auge durch die Kraft des Wortes aufs Neue wahrnehmen kann. Die poetischen Bildern sind nicht nur Natur. Die Seele ist in ihnen aufgegangen. Sie sind nicht nur Anschauung, sie vermitteln Erkenntnis. Sie tun das von jeher auf eine Weise, die ebenso verständlich als unergründlich ist [...]“ 7 Als Lehrer fühlen wir uns hier möglicherweise schon angesprochen: enthalten doch diese Sätze implizite die Aufforderung, die angesprochenen paradoxen Eigenschaften „Verständlichkeit“ und „Unergründlichkeit“ lyrischer Bilder zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Zugleich klingen hier schon Wesensmerkmale goethescher Bildlichkeit an, auf die noch die Rede kommen soll. 2 L y r i s c h e s B i l d – B e g r i f f e u n d K o n z e p t e Bildlichkeit als zentrales Merkmal nicht nur von Liebeslyrik, sondern von Lyrik allgemein, steht außer Frage. Wie aber diese Bildlichkeit sich ausprägt, nach welchen Kriterien sie sich gegebenenfalls ordnen lässt, wie sie sich historisch entwickelte, das sind Fragen, über die Germanisten trefflich stritten und streiten. Im schulischen Kontext wäre einen Entfaltung der germanistischen Debatten zu diesem Thema nicht förderlich, die Vermittlung einiger Grundlagen wird hinreichen müssen. Für die vorbereitende Lektüre seien hier, ergänzend zum Killys »Wandlungen des lyrischen Bildes« einige wenige Texte zur Orientierung genannt: 5 In der Begleit-CD zur Fortbildung finden sich einige Gedichte; ihre Zahl ist aber bewusst begrenzt, denn sehr viele Gedichte sind heute im Internet verfügbar und leicht zugänglich. Dass die Korrektheit der Wiedergabe in jedem Falle überprüft werden sollte, sei dennoch angemerkt. Eine hervorragende Fundgrube ist die Website des IMK (Institut für neue Medien und schulische Kommunikation), die von von den Referenten Dr. Norbert Ruske und Clemens Thamm für die Verwendung in der Schule gepflegt und ständig weiterentwickelt wird: www.imk96.de. Weiter Links sind in der Datei „Linliste.doc“ auf der Begleit-CD zusammengefasst. 6 Killy, Walther: Wandlungen des lyrischen Bildes. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1956 7 a.a.O., S. 5 3

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Zweck dieses Skriptums ist zunächst, auf e<strong>in</strong>ige wichtige Inhalte im Themenfeld Deutsche<br />

<strong>Liebeslyrik</strong> seit dem Barock aufmerksam zu machen, Orientierung zu geben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schier<br />

unüberschaubaren Menge subsumierbarer germanistischer E<strong>in</strong>zelthemen, nicht jedoch e<strong>in</strong><br />

neues Lehrbuch zu verfassen o<strong>der</strong> sonst e<strong>in</strong>e umfassende Darstellung zu den betreffenden<br />

Epochen. Der thematische Fokus liegt dabei auf dem <strong>lyrischen</strong> Bild. Die verschiedenen,<br />

allesamt <strong>in</strong>teressanten, Spezialpublikationen <strong>der</strong> Verlage zum neuen Sternchenthema<br />

sollen dabei auch nicht übertroffen werden. Die Darstellung wird verschiedentlich auf diese<br />

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und beschleunigen, die zur Vorbereitung <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler 1 auf die<br />

Lyrikaufgabe <strong>der</strong> Abiturprüfung taugen sollen.<br />

Bei <strong>der</strong> umfänglichen Sekundärliteratur zur Gattung Lyrik allgeme<strong>in</strong> mutet die Zahl von<br />

Publikationen, die sich dezidiert mit <strong>Liebeslyrik</strong> befassen, geradezu verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>g<br />

an.<br />

Was <strong>Liebeslyrik</strong> von Lyrik allgeme<strong>in</strong> unterscheide, fasst <strong>der</strong> neu erschienene<br />

„Deutschbuch“-Band »Orientierungswissen« <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Satz zusammen.<br />

<strong>Liebeslyrik</strong> zielt oft auf den gefühlhaften, seelisch-geistigen Bereich e<strong>in</strong>es Liebeserlebnisses. 2<br />

E<strong>in</strong>e genauere Spezifizierung könnte vermutlich auch ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>igermaßen umfassenden<br />

Charakter aufweisen.<br />

„Die Geschichte <strong>des</strong> deutschen Liebesgedichts ist fast identisch mit <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><br />

deutschen Lyrik, gibt es doch kaum e<strong>in</strong> Thema, das e<strong>in</strong> ähnliches Gewicht gewonnen und das<br />

so viele und verschiedene Dichter <strong>in</strong>spiriert hätte.“ 3<br />

Mit dieser, auch von an<strong>der</strong>en geäußerten Feststellung weist Hans Wagener auf e<strong>in</strong>en<br />

Umstand h<strong>in</strong>, <strong>der</strong> für das neue Sternchenthema e<strong>in</strong>en Vorzug und zugleich e<strong>in</strong> Problem<br />

anspricht. Seit die M<strong>in</strong>nelyrik nicht nur so etwas wie echte <strong>Liebeslyrik</strong> für den deutschen<br />

Sprachraum schuf, son<strong>der</strong>n zugleich, von <strong>der</strong> Literatur begleitet, <strong>der</strong> Liebesbegriff <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

höfischen Oberschicht dramatische Verän<strong>der</strong>ungen erfuhr, kennt die deutschsprachige<br />

Literatur e<strong>in</strong>e immens umfängliche Produktion von <strong>Liebeslyrik</strong>. Die Zahl <strong>der</strong> Liebesgedichte<br />

ist Legion, die Auswahl für den schulischen Zusammenhang e<strong>in</strong>es Oberstufenkurses auf<br />

e<strong>in</strong>e vernünftige Stundenzahl damit wahrhaftig e<strong>in</strong>e Qual. Sollen alle relevanten Epochen<br />

berücksichtigt werden, möglichst viele bedeutende Dichter<strong>in</strong>nen und Dichter zu Wort<br />

kommen, verschiedene poetische Schulen und Normensysteme vorgestellt werden,<br />

formale Gestaltung und ihre Kategorien an geeigneten <strong>lyrischen</strong> Texten vermittelt und<br />

analysiert werden, s<strong>in</strong>nvolle Vergleiche im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> Aufgabentyps IV <strong>der</strong> schriftlichen<br />

Abiturprüfung e<strong>in</strong>geübt werden, vielleicht noch das e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mehr, - dann wird<br />

je<strong>der</strong> Lehrer nach e<strong>in</strong>em guten Kompromiss suchen, e<strong>in</strong>e Ideallösung existiert nicht.<br />

Und spielt nicht bei <strong>der</strong> Auswahl von Gedichten, die wir Lehrer <strong>in</strong> unseren Unterricht<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, auch die Frage <strong>in</strong>dividueller Aff<strong>in</strong>ität e<strong>in</strong>e große Rolle? Gedichte gibt es<br />

genügend, wir haben eben auch die Freiheit <strong>der</strong> Wahl.<br />

Aus den genannten Gründen wird <strong>in</strong> dieser Arbeit ke<strong>in</strong>e feste Unterrichtse<strong>in</strong>heit konstruiert.<br />

Mehrere Vorschläge s<strong>in</strong>d Gegenstand an<strong>der</strong>er Workshops <strong>der</strong> Fortbildung zum neuen<br />

Sternchenthema o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begleit-CD zu f<strong>in</strong>den. Zudem bieten die „Stundenblätter“, auf<br />

die noch näher e<strong>in</strong>zugehen ist, naturgemäß e<strong>in</strong>e sehr ausführliche Unterrichtse<strong>in</strong>heit zum<br />

Thema. 4<br />

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Im Folgenden wird im Text um <strong>der</strong> e<strong>in</strong>facheren Lesbarkeit willen jeweils die maskul<strong>in</strong>e Form benutzt werden,<br />

die fem<strong>in</strong><strong>in</strong>e ist mit gedacht und geme<strong>in</strong>t.<br />

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Deutschbuch, Orientierungswissen für Gymnasien <strong>in</strong> Baden-Württemberg. Hrsg. von Margret F<strong>in</strong>gerhut und<br />

Bernd Schurf, Berl<strong>in</strong>, Cornelsen Verlag 2008, S. 146<br />

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Deutsche <strong>Liebeslyrik</strong>, hrsg. von Hans Wagener, Stuttgart, Reclam 1982, S. 409<br />

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Petruschke, Adelheid: Lyrik von <strong>der</strong> Klassik bis zur Mo<strong>der</strong>ne. Stundenblätter Deutsch. Leipzig, Klett 2004<br />

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