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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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›geklammert‹. Wenn der Standort in Gefahr ist, dann ist auch das Wohl der dort<br />

lebenden Menschen (inkl. Arbeitnehmerinnen oder Arbeitgeberinnen) in Gefahr.<br />

Das Wohl der Bevölkerung hängt demnach von der Konkurrenzfähigkeit des<br />

Standortes ab. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die Sicherung von<br />

Arbeitsplätzen ein allgemein anerkanntes Ziel ist, das selbst überhaupt nicht hinterfragt<br />

werden kann. 19<br />

Der Text fährt fort: »Wir können in einer weltweit vernetzten Wirtschaft nicht<br />

verhindern, dass Unternehmen Teile ihrer Wertschöpfung ins Ausland verlagern,<br />

um Märkte zu erobern, ihren Kunden zu folgen oder kostengünstiger zu produzieren.<br />

Wir können aber der rein kostengetriebenen Verlagerung entgegenwirken, um<br />

möglichst viele industrielle Arbeitsplätze zu sichern, solange es nicht genügend<br />

alternative Jobs im Dienstleistungsbereich gibt und Millionen Menschen arbeitslos<br />

sind.«<br />

Die Wir-Gruppe sei also nicht dazu in der Lage, die Effekte bzw. die neu eröffneten<br />

Möglichkeiten einer »weltweit vernetzten Wirtschaft« zu verhindern. Die<br />

Logik der kapitalistischen Wirtschaft (»Märkte erobern«, »Kunden folgen«, »kostengünstiger<br />

produzieren«) könne nicht ignoriert oder gar abgeschafft werden.<br />

Vielmehr müsse sich die Wir-Gruppe darauf einstellen und klug handeln, um ihre<br />

Interessen zu verwirklichen (also Arbeitsplätze im eigenen Industriestandort zu sichern).<br />

Es bestünden auch Möglichkeiten (»wir können«), dies zu tun. Es könnten<br />

»Verlagerungen«, die »kostengetrieben« sind, partiell gestoppt werden. Auch<br />

wenn hier noch nicht explizit eine Lösung genannt wird, so liegt der Schluss nahe,<br />

dass dies vorrangig über Kostensenkungen im Bereich von Lohn etc. zu erreichen<br />

ist. Zudem macht der Text hier darauf aufmerksam, dass die Sicherung von »industriellen<br />

Arbeitsplätzen« vor dem Hintergrund noch nicht ausreichender »alternativer<br />

Jobs im Dienstleistungsbereich« besonders dringend wird. Denn sonst seien<br />

»Millionen Menschen arbeitslos«. Die Regel der gemeinsamen Konkurrenzsituation<br />

wird hier also wieder aufgenommen. Demnach zeichnet sich ein gutes Abschneiden<br />

im Wettbewerb durch die Sicherung von Arbeitsplätzen aus. Die Zahl<br />

der Arbeitsplätze ist also ein Indikator für den Erfolg im Wettbewerb. Erfolg im<br />

Wettbewerb und durch Abwanderung erzeugte Arbeitslosigkeit korrelieren negativ<br />

<strong>mit</strong>einander. Es handelt sich daher um einen Wettbewerb um Arbeitsplätze – in<br />

der Form eines Nullsummenspiels. Nur wenn in diesem ›Spiel‹ <strong>mit</strong> positiver<br />

Bilanz abgeschnitten wird, kann das Einkommen großer Bevölkerungsteile und<br />

da<strong>mit</strong> deren Status als zahlungsfähige Konsumentinnen gesichert werden.<br />

An dieser Sequenzstelle lässt sich die Regel von den begrenzten Steuerungsmöglichkeiten<br />

ableiten, welche davon ausgeht, dass sich wirtschaftliche Struktu-<br />

19 Die Kopplung von erbrachter Arbeitsleistung und zugesprochenem Anteil am gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprodukt<br />

– also der Mechanismus der Lohnarbeit – kann vom Text daher auch nicht kritisiert werden. Arbeitslosigkeit<br />

muss daher per se als Problem erscheinen und nicht etwa auch als die Befreiung von Mühe und Last.<br />

Andere Formen der Produktion und Distribution von Gebrauchsgegenständen, die nicht über das kapitalistische<br />

Prinzip der Lohnarbeit reguliert werden und für die Arbeitslosigkeit daher auch kein soziales Problem wäre, können<br />

daher vom Text auch nicht gedacht werden. Siehe dazu auch die Überlegungen Oevermanns 1983b.<br />

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