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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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mer neue«). Die in der Überschrift schon getroffene Aussage über eine angenommene<br />

Wildheit der Debatte wird hier spezifiziert. Die Beiträge werden demnach<br />

nicht adäquat abgewogen und diskutiert, sondern durch ständig neue Beiträge<br />

verdrängt. Der Text formuliert nun eine Stoppregel, welche der Debatte eine Orientierung<br />

bei der Realisierung von neuen Aussagen geben und die Wildheit ›zähmen‹<br />

soll. Diese Stoppregel lautet: Mach keine neuen Vorschläge, wenn sie »das Notwendige«<br />

»verhindern«! Dabei wird davon ausgegangen, dass es eine bestimmte Notwendigkeit<br />

gibt, die aufgrund der Debatte selbst nicht angegangen werden kann.<br />

Letztere ist demnach ein Hindernis bei der Hinwendung zum Notwendigen, wobei<br />

die Formulierung durch den bestimmten Artikel (»das Notwendige«) schon<br />

fast einen Appell darstellt, sich diesem endlich zuzuwenden. Sie wird daher selbst<br />

zu einem Problem. Es werden hier also zwei Problemebenen unterschieden: Die<br />

aktuelle Arbeitszeitdebatte wird zu einem sekundären Problem, das verhindert,<br />

dass die primäre Problemlage angegangen und entschärft werden kann.<br />

Nach dem Doppelpunkt erfolgt die Spezifizierung der durch die Arbeitszeitdebatte<br />

verhinderten Notwendigkeit. Der »Industriestandort Deutschland« müsse<br />

»wettbewerbsfähiger« gemacht werden. Das Problem ist demnach darin zu sehen,<br />

dass die schon vorhandene (daher der Komparativ) Wettbewerbsfähigkeit nicht<br />

mehr ausreicht. Vor dem Hintergrund der Überschrift, in welcher das Problem<br />

»Jobabwanderung« genannt wurde, lässt sich mangelnde Wettbewerbsfähigkeit<br />

als eine Ursache für die Abwanderung von industriellen Arbeitsplätzen verstehen.<br />

Das primäre Problem würde demnach in einer durch mangelnde Wettbewerbsfähigkeit<br />

erzeugten Arbeitslosigkeit bestehen, wobei die derzeitige Form der Arbeitszeitdebatte<br />

dieses Problem nicht lösen könne und gar noch verschlimmere.<br />

Die Formulierung »Industriestandort Deutschland« impliziert, dass es verschiedene<br />

Industriestandorte gibt (daher die Spezifizierung »Deutschland«), welche<br />

zueinander in Konkurrenz stehen – ansonsten müsste auch nicht die Forderung<br />

nach mehr Wettbewerbsfähigkeit gestellt werden. Es lässt sich vermuten,<br />

dass die Standorte vor dem bisher vom Text Gesagten um Firmen und Arbeitsplätze<br />

konkurrieren. Deutschland ist dabei die Ortsbestimmung des hier interessierenden<br />

Standortes. Wenn sich diese Lesart bestätigt, würde dies bedeuten, dass<br />

industrielle Arbeitsplätze, die an das Territorium des deutschen Staates gebunden<br />

sind – aus welchen Gründen auch immer – zu ausländischen Standorten abwanderten.<br />

Die in der Überschrift erwähnte »Jobabwanderung« bezöge sich dann auf<br />

den Standort Deutschland.<br />

Dabei wird an eine Wir-Gruppe (»Wir«) eine Aufforderung gerichtet, die den<br />

Sprecher also <strong>mit</strong> einschließt, den Industriestandort wettbewerbsfähiger zu machen.<br />

Der Appell an die Wir-Gruppe wird durch die Formulierung »und das geht<br />

nur gemeinsam« verstärkt. 16 Da in der Überschrift schon die adverbiale Bestim-<br />

16 An dieser Stelle wird dann meiner Auffassung nach auch schon deutlich, dass das Personalpronomen »wir« die<br />

zur deutschen Bevölkerung gehörenden potenziellen Rezipientinnen des Textes <strong>mit</strong> einschließt. Es werden also<br />

alle möglichen Rezipientinnen angesprochen, die auf den »Industriestandort Deutschland« in mehr oder weniger<br />

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