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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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thesenprüfend angelegten empirischen Studie (vgl. ebd.: 92 ff.) ging Oevermann<br />

der Frage nach, inwiefern die von Bernstein aufgestellte These, dass Unterschichtskinder<br />

gegenüber Mittel- und Oberschichtskindern ein weniger elaboriertes<br />

Sprachverhalten aufweisen, und die Schule, anstatt kompensatorisch einzugreifen,<br />

diese Unterschiede noch verstärkt, auch in der BRD zutreffend sei. Für<br />

uns ist an dieser Studie zunächst interessant, dass die von Oevermann verwendeten<br />

standardisierten <strong>Methode</strong>n, das Kontrastprogramm bzw. zumindest einen sehr<br />

zentralen Abgrenzungspunkt für die später von ihm maßgeblich auf den Weg gebrachte<br />

Objektive Hermeneutik darstellen. Allerdings finden sich auch hier schon<br />

Konzepte, welchen dann später im Rahmen der Objektiven Hermeneutik eine<br />

zentrale Stellung zukommen soll. So wird beispielsweise die Selektivität und Sequenzialität<br />

vom jedwedem Sprachgebrauch betont (ebd. 173 ff.), als aber auch<br />

»nicht nach der im individuellen Fall wahrscheinlichen Bedeutungsintention klassifiziert,<br />

sondern […] nach Bedeutungsfunktionen« (ebd.: 175; m. Herv.) im jeweiligen<br />

situativen Äußerungskontext.<br />

Ab 1968 führte Oevermann – z. T. ausgehend von Überlegungen aus seiner<br />

Studie zu »Sprache und sozialer Herkunft« (ebd. 363) – zusammen <strong>mit</strong> seinen<br />

Kollegen Krappmann und Kreppner und einigen Mitarbeiterinnen für die Max-<br />

Planck-Gesellschaft die Studie »Elternhaus und Schule« durch (vgl. Reichertz<br />

1997: 33). In dieser wurde u. a. der Spracherwerb von Unterschichtskindern untersucht.<br />

Die Forscherinnen besuchten hierfür Familien in ihren Wohnungen und<br />

erstellten Tonbandaufnahmen von den familiären Alltagsgesprächen. Im Rahmen<br />

dieser Arbeit stellte sich für das Forscherinnenteam jedoch heraus, dass es bisher<br />

in der soziologischen Sozialisationsforschung an einer »genuin soziologischen Interpretation«<br />

solcher Daten, die mehr ist als die »Applikation psychologischer<br />

Hypothesen« (Oevermann et. al. 1976: 371), mangelte. Die Struktur der sozialisatorischen<br />

Interaktion selbst sollte aus Sicht der Forscherinnen in den Blick genommen<br />

werden und nicht die psychischen Prozesse bzw. die Intentionen der an<br />

diesen Interaktionen beteiligten Personen. Es sollte also <strong>mit</strong> anderen Worten eine<br />

nicht auf Individuen zentrierte Interpretationsweise formuliert werden, welche gerade<br />

im Gegensatz dazu die interaktiven und kommunikativen Ver<strong>mit</strong>tlungsformen<br />

von Individuen in den analytischen Fokus rückt. Vor dem Hintergrund dieser<br />

Überlegungen wurden für die Analyse der transkribierten Gespräche nun selbst<br />

Verfahrensweisen entwickelt, <strong>mit</strong> denen es auf »genuin soziologische« Art und<br />

Weise möglich sein sollte, sozialisatorische Interaktion zu untersuchen (vgl. zur<br />

Entstehungsgeschichte der Objektiven Hermeneutik auch Reichertz 1986: 61 ff.<br />

und Ders. 1997: 32 ff.).<br />

In den darauf folgenden Jahren wurde v.a. von Seiten Oevermanns versucht,<br />

daraus eine generelle – also nicht nur auf die Deutung von sozialisatorischer Interaktion<br />

beschränkten – und dem Stand der soziologischen <strong>Methode</strong>ndebatte entsprechenden<br />

Methodologie zu entwickeln. Dabei stellten u. a. Überlegungen bzw.<br />

bestimmte Motive von Adorno, welcher in der Selbstdarstellung der Objektiven<br />

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