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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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senschaftlichen <strong>Methode</strong>n von Foucault von denen der Vertreter der frühen Kritischen<br />

Theorie klar unterscheiden, zeigt sich in dem Vorhaben, das Projekt der<br />

Aufklärung selbstkritisch zu wenden und es so weiter betreiben zu können, eine<br />

eindeutige Wahlverwandtschaft zwischen Kritischer Theorie und dem Foucaultschen<br />

Forschungsprogramm.<br />

Foucaults Engagement jenseits der wissenschaftlichen Praxis zeigt seine normative<br />

Verortung an. Normative Vorstellungen werden von ihm wohl deshalb<br />

nicht expliziert, um eine präskriptive Lehre zu vermeiden. Das Versäumnis, den<br />

eigenen Wert- und Praxisbezug nicht transparent dargestellt zu haben, ist gewollte<br />

Entscheidung. <strong>Kritik</strong> solle »nicht länger als Suche nach formalen Strukturen <strong>mit</strong><br />

universeller Geltung geübt [werden], sondern eher als historische Untersuchung<br />

der Ereignisse, die uns dazu geführt haben, uns als Subjekte dessen, was wir tun,<br />

denken und sagen zu konstituieren und anzuerkennen. [...] sie versucht [...]<br />

der unbestimmten Arbeit der Freiheit einen neuen Impuls zu geben.« (Foucault<br />

1990: 49)<br />

Zur Haltung der <strong>Kritik</strong> muss die (archäologische und genealogische) Beschäftigung<br />

<strong>mit</strong> der Geschichte gehören, aber auch eine experimentelle Haltung, um<br />

die Formen der Vergesellschaftung in der Gegenwart umzugestalten und neue<br />

Formen zu erfinden und zu erproben.<br />

»Die kritische Ontologie unserer selbst darf beileibe nicht als Theorie, eine<br />

Doktrin betrachtet werden, auch nicht als ständiger, akkumulierender Korpus von<br />

Wissen; sie muß als eine Haltung vorgestellt werden, ein Ethos, ein philosophisches<br />

Leben, in dem die <strong>Kritik</strong> dessen, was wir sind, zugleich die historische Analyse<br />

der uns gegebenen Grenzen ist und ein Experiment der Möglichkeit ihrer<br />

Überschreitung.« (Foucault 1990: 53)<br />

Aufklärung wird zu einer sozialen Praxis, die (herrschafts-)freiere Beziehungen<br />

entwirft, um den Raum der Mündigkeit für sich und andere zu weiten. Fraglich<br />

bleibt aber, ob Foucault da<strong>mit</strong> die eigene Unwilligkeit der normativen Verortung<br />

und die Verweigerungshaltung zur Ausformulierung des spezifischen Wert- und<br />

Praxisbezugs seiner Studien fallen lässt. In den zahlreichen Interviews verweist<br />

Foucault wiederholt auf die Möglichkeiten, sich neu zu erfinden, eine Ästhetik<br />

der Existenz jenseits von Regelwerken der Moral zu entfalten und die Beziehungen,<br />

in denen wir leben, neu zu denken und zu gestalten. Gleichzeitig drückt Foucault<br />

ein Unbehagen an Programmen aus (Foucault 1984: 92). Aber kann eine solche<br />

Haltung den produktiven Macht- und Herrschaftsformen, ihrer Ausbreitung<br />

und Vervielfältigung in der Moderne entgegentreten? Ich möchte einige Punkte<br />

anführen, die mir an Foucaults Praxisbezug problematisch erscheinen.<br />

(1) Die Gleichsetzung einer präskriptiven Lehre <strong>mit</strong> jeglicher normativen<br />

Selbstverortung erscheint mir problematisch. Die Verweigerung der Formulierung<br />

einer präskriptiven Lehre sollte m. E. als implizite Forderung zur selbstbestimmten<br />

Aneignung eines kritischen Ethos gelesen werden. Der Begriff des »spezifischen<br />

Intellektuellen« verlangt mehr, als sich <strong>mit</strong> vorgefertigten Etiketten, wie<br />

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