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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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5. Spezifische Intellektuelle und die unbestimmte Haltung der <strong>Kritik</strong><br />

Eine der fundamentalsten <strong>Kritik</strong>en, die an Foucaults Analytik gerichtet wurden,<br />

ist der Vorwurf, Foucault würde vorgeben, von einem neutralen Standpunkt aus<br />

forschen und sprechen zu können (vgl. Honneth 1990: 13 f.). Folglich ließe sich von<br />

dort aus keine sozialkritische Haltung einnehmen und es könne von dort keine<br />

emanzipative Praxis gegen das Bestehende entwickelt werden. Foucault erscheint<br />

so als Positivist. Schließlich hat er sich selbst (ironisch gebrochen) als einen<br />

»glücklichen Positivisten« (Foucault 1997: 182) bezeichnet. Wenn J. Habermas<br />

dies als Preisgabe der <strong>Kritik</strong> instrumenteller Rationalität versteht, so setzen P. Rabinow<br />

und H. Dreyfus ein positives Vorzeichen vor diese vermeintliche Neutralität:<br />

»Interpretatives Verstehen kann nur von jemandem erzielt werden, der die<br />

Betroffenheit des Akteurs teilt und sich zugleich davon distanziert. Diese Person<br />

muß die harte historische Arbeit der Diagnose und Analyse der Geschichte und<br />

der Organisation geläufiger kultureller Praktiken auf sich nehmen.« (Dreyfus/Rabinow<br />

1994: 154)<br />

Zeitweise Distanzierung ist notwendige Voraussetzung, um möglichst unvoreingenommen<br />

analysieren zu können. Der Zuschreibung eines normativ neutralen<br />

Standortes hätte sich Foucault widersetzt. Jedoch versäumt er es, den jeweiligen<br />

Wert- und Praxisbezug seiner Studien explizit auszuarbeiten. Dass Foucault eine<br />

normative Neutralität keineswegs für möglich hält, zeigt sich bspw. in der Schrift<br />

Die politische Funktion des Intellektuellen (Foucault 1999). Darin wird das Auftauchen<br />

der Figur des »spezifischen Intellektuellen« etwa zur Zeit des Zweiten<br />

Weltkrieges beschrieben. Mit spezifischen Intellektuellen sind ExpertInnen gemeint,<br />

die, ausgestattet <strong>mit</strong> unverzichtbarem ExpertInnenwissen, von lokalen Orten<br />

in den Macht-Wissens-Verhältnissen ihr Wissen produzieren und daher an<br />

spezifischen Kämpfen beteiligt sind. Der spezifische Intellektuelle ist Produkt der<br />

Tendenz zur Wissensgesellschaft und zur wissenschaftlichen Spezialisierung. Er<br />

unterscheidet sich daher vom Sprechertypus des Gelehrten, welcher entsprechend<br />

den bildungsbürgerlichen Idealen der Aufklärung ein universelles Wissen inszenieren<br />

musste. Der Begriff Gramscis vom organischen Intellektuellen unterscheidet<br />

sich ebenfalls von der Sprecherposition des spezifischen Intellektuellen, weil<br />

letzterer keine »Herkunft« aus oder »Identität« <strong>mit</strong> einer Arbeiterklasse mehr konstruieren<br />

kann. Dennoch bleibt ein kritischer Anschluss an die Aufklärung und die<br />

Identifizierung von Emanzipation als Aufgabe möglich. Deshalb scheint mir der<br />

nonkonformistische Intellektuelle, wie er von der Kritischen Theorie entworfen<br />

und als Zielpunkt der bildungspolitischen und gesellschaftstheoretischen Praxis<br />

gesetzt wird, <strong>mit</strong> dem spezifischen Intellektuellen nah verwandt zu sein. Die nonkonformistischen<br />

Intellektuellen »sollten nicht die Theoreme einer Frankfurter<br />

Schule virtuos repetieren, sondern mündig und autonom die Tradition der radikalen<br />

Aufklärung fortsetzen« (Demirović 1999: 958). Obwohl Foucault den spezifischen<br />

Intellektuellen nicht genauer spezifiziert und sich die Denkweisen und wis-<br />

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