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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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punkte zur Rekonstruktion von Dispositiven gewonnen: »Mit Blick auf die Analyse<br />

der Machtbeziehungen spreche ich dann vom Feld der Machtbeziehungen,<br />

der Autorisierungsinstanz, der Machttechniken bzw. -technologien und der<br />

Machtstrategie« (Bührmann 2005: 12). Inwiefern sich konkrete methodische Verfahren<br />

der Datengenerierung aus der Organisations- und Institutionenanalyse oder<br />

der Ethnographie für die Analyse von Dispositiven aneignen lassen, muss hier offen<br />

gelassen werden.<br />

Aufgrund meiner Auffassung von der methodologischen Haltung Foucaults bin<br />

ich nicht geneigt, ein Entweder-Oder zwischen Diskurs- und Dispositivanalyse zu<br />

setzen. Dennoch eröffnen sich grundlegende Entscheidungsspielräume für die<br />

Konzeption von Forschungsvorhaben. Je nach Forschungsinteresse und Fragestellung<br />

wird sich der eine oder andere Pfad als ergiebiger erweisen. Grundsätzlich<br />

geht es in beiden Fällen um die (perspektivische) Rekonstruktion von Erfahrungsräumen,<br />

die den Subjekten vorgegeben sind. Die Analyseebene des Diskurses<br />

lässt sich auf zwei Pfaden überschreiten. Entweder wird eine Diskursanalyse<br />

nachträglich dispositivanalytisch ergänzt oder die Analyse geht von Dispositivformationen<br />

aus. Im ersten Fall wird ein Diskurs rekonstruiert, um dann zu fragen,<br />

wie sich das konstruierte Wissen in (nicht-diskursiven) Praktiken und sozialen<br />

Praxisfeldern materialisiert. Im zweiten Fall wird die Erfindung oder die Reorganisation<br />

von Interventionspraktiken rekonstruiert. Es wird dann davon ausgegangen,<br />

dass es historisch konstituierte Regulierungsapparate gibt. Diese (re-)produzieren<br />

bestimmte Wissensperspektiven und Praxisroutinen. Die Forschungsfrage<br />

lautet dann, wie ausgehend von spezifischen Orten innerhalb dieses komplexen<br />

Erfahrungsraumes, die vorherrschenden Praxisformen problematisiert werden,<br />

um über neue Wissensproduktionen andere Praktiken entwerfen zu können. Es<br />

werden dann also unterschiedliche Diskurse (bzw. Diskursstränge) interessant,<br />

und zwar dahingehend, wie sie ineinandergreifend auf bestehende institutionelle<br />

Settings und dessen Handlungsspielräume transformierend einwirken. Für beide<br />

möglichen Wege der Überschreitung der Diskursanalyse ist eine Erweiterung des<br />

sozialtheoretisch-begrifflichen und des sozialwissenschaftlich-methodischen Inventars<br />

notwendig. Die Begrifflichkeiten und <strong>Methode</strong>n müssen m. E. vor allem<br />

darauf zielen die Widerständigkeit/Festigkeit historisch materialisierter Wirklichkeiten<br />

erfassen zu können. Denn subjektiv-habitualisierte Routinen, festgeschriebene<br />

Gesetze und Vorschriften oder erbaute Architekturen lassen sich nicht ohne<br />

weiteres »diskursiv umschreiben«. Wird diese Widerständigkeit der Wirklichkeit<br />

vernachlässigt, erleidet die interpretative Analytik, die eine Wirklichkeitswissenschaft<br />

sein soll, einen Wirklichkeitsverlust. Die Spannung zwischen diskursanalytischer<br />

und dispositivanalytischer Forschungsperspektive sollte m. E. nicht theoretisch<br />

aufgelöst werden. Dagegen halte ich es für fruchtbarer diese Spannung<br />

auszuhalten, um <strong>mit</strong> ihr experimentieren zu können und sie für die konkrete Ausgestaltung<br />

von Forschungsprojekten nutzbar zu machen.<br />

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