Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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chäologie des Wissens noch nicht berücksichtigt. Wenn die diskursanalytische<br />
Rekonstruktion »eine solche kausale Analyse in der Schwebe hält, [...] dann nicht,<br />
um die souveräne und einsame Unabhängigkeit des Diskurses zu sichern, sondern<br />
um den Existenz- und Funktionsbereich einer diskursiven Praxis zu entdecken.<br />
[...] [S]ie versucht zu zeigen, wie die Autonomie des Diskurses und seine Spezifität<br />
ihm dennoch kein Statut reiner Idealität und völliger historischer Unabhängigkeit<br />
geben; was sie ans Licht bringen will, ist die eigenartige Ebene« (Foucault<br />
1997: 235) diskursiver Erfahrungs- und Sprechräume. In der bedingten Abhängigkeit<br />
und begrenzten Wirkmächtigkeit liegt die Eigenart diskursiver Praxis. Diskurse<br />
müssen so<strong>mit</strong> als Ver<strong>mit</strong>tlungsinstanzen begriffen werden. Die Übertragung<br />
sozialpraktischer Erfahrung auf die diskursive Ebene und die Übertragung diskursiv<br />
erzeugten Wissens in die Praxis erfordert Übersetzungsleistungen.<br />
Die analytische Isolierung der Ebene des Diskursiven ist ein wichtiger Schritt.<br />
Die nächsten Schritte der Ausarbeitung der Machtanalytik verlangen sodann die<br />
Erörterung der Naht- und Schnittstellen <strong>mit</strong> anderen Bereichen und Ebenen der<br />
sozialen Realität. Obwohl selbstverständlich der Wandel von symbolischen Wissensordnungen<br />
für SozialwissenschaftlerInnen von höchster Relevanz ist, deckt<br />
dieser Wandel nur einen begrenzten Bereich des umfassenderen sozialwissenschaftlichen<br />
Interesses für sozialen Wandel. Da<strong>mit</strong> ist klar, dass sich ein diskursanalytisches<br />
Interesse und Vermögen, wie es in der Archäologie des Wissens artikuliert<br />
wird, nicht <strong>mit</strong> einem sozialwissenschaftlichen Interesse decken kann.<br />
Oben habe ich bereits gezeigt, dass (auch) die (frühen) Studien Foucaults von einem<br />
Interesse für sozialen Wandel und soziale Machtzusammenhänge motiviert<br />
sind. Allein auf der Ebene der expliziten <strong>Methode</strong>nreflexion ist dieses Forschungsinteresse<br />
zum Zeitpunkt der Archäologie des Wissens von Foucault noch<br />
nicht expliziert. (Die explizite, niedergeschriebene und veröffentlichte, <strong>Methode</strong>nreflexion<br />
verläuft also nicht synchron <strong>mit</strong> den materialen Studien.) Wie Foucault<br />
sein Forschungsprogramm als sozialwissenschaftliche Machtanalytik ausformuliert,<br />
wird im Abschnitt über die Genealogie der Macht-Wissens-Regime<br />
gezeigt. Zuvor werden noch einige praktische Fragen der <strong>Methode</strong> behandelt. Da<br />
sich Foucault zu konkreten methodischen Schritten kaum äußert, fällt dieser Teil<br />
leider spärlich aus.<br />
(2) In der Archäologie des Wissens geht Foucault nur kurz auf Fragen der<br />
<strong>Methode</strong> ein (Foucault 1997: 20 f.). Die Zusammenstellung eines Dokumentenkorpus<br />
wird als ein Teilschritt der Diskursanalyse benannt. Hierzu muss ein Auswahlprinzip<br />
in Abhängigkeit von der Fragestellung, der Reichweite des Untersuchungsgebietes,<br />
dem Ziel, das gesteckt wird, und den Antworten, die gegeben<br />
werden sollen, gefunden und begründet werden. Die zentralen Forschungsfragen<br />
müssen formuliert werden, wobei zwischen speziell diskurstheoretischen und thematischen<br />
Fragen unterschieden werden muss. Ferner muss die <strong>Methode</strong> der Datenerhebung<br />
und -auswertung benannt und ausgearbeitet werden. Dabei stellt sich<br />
die Frage, ob der Problemstellung ein quantitatives oder ein qualitatives Vorgehen<br />
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