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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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en wissenschaftshistorische Studien sind ein zentraler Ausgangsort des Foucaultschen<br />

Forschungsprogramms. Die Haltung Foucaults steht da<strong>mit</strong> auch in wahlverwandtschaftlicher<br />

Nähe zum Postulat der Offenheit, welches das zentrale methodologische<br />

Prinzip der interpretativ-rekonstruktiven Forschungsprogramme, die<br />

vom Pragmatismus ausgehend entwickelt wurden, ist. Um hingegen die Differenz<br />

der Haltung Foucaults zu diesen Ansätzen zu betonen, könnte auch von einer Haltung<br />

der Skepsis, deren Sinn historisch ausgerichtet ist, gesprochen werden. Diese<br />

Haltung zeigt sich an der erkenntnisleitenden Distanzierung von vorgegebenen<br />

Wissenskonstrukten – zu denen Frage- und Problemstellungen, Begriffsbildungen,<br />

Forschungs- und Theorietraditionen gehören. Sie versucht die Ereignishaftigkeit<br />

und Historizität des scheinbar Logischen oder Notwendigen aufzuzeigen,<br />

die universalistisch auftretende Rationalität als programmatische Rationalitäten<br />

zu de- und rekonstruieren und aufzuzeigen, dass es keine Gegenstände im naturalistischen<br />

Sinne gibt, sondern diese durch bestimmte kulturelle Redeweisen und<br />

wissenschaftliche (oder pseudowissenschaftliche) <strong>Methode</strong>n erst als ein So-undnicht-anders-Seiendes<br />

produziert werden. 1<br />

2. Die Heuristik von Wahnsinn und Gesellschaft<br />

In Wahnsinn und Gesellschaft entwirft Foucault die Frage nach dem geschichtlichen<br />

Verlauf der Trennungslinie, die den Wahnsinn von der Vernunft scheidet.<br />

Ausgehend von der Fragestellung nach den historischen Bedingungen der Erfahrung<br />

des Wahnsinns wird eine soziokulturelle, historisch veränderliche Trennungslinie<br />

zwischen Wahnsinn und Vernunft angenommen und rekonstruiert. Die begriffliche<br />

Eingrenzung und Abtrennung, sowie die sozialpraktischen <strong>Methode</strong>n<br />

von Vertreibungen und Einsperrungen des Wahnsinns bilden demnach eine der<br />

Voraussetzungen der Konstitution der abendländischen Vernunft. Der Wahnsinn<br />

wird als das Andere/ein Anderes der Vernunft (sprachlich) konstruiert und (institutionell)<br />

materialisiert. Diese perspektivische Dialektik der Aufklärung versucht<br />

nicht die (transzendentalen, erkenntnistheoretischen oder psychischen) Konstitutionsbedingungen<br />

der Rationalität an sich zu bestimmen. Stattdessen soll nur ein<br />

sozialgeschichtlicher Aspekt des Vernunftglaubens entschlüsselt und dessen Folgen<br />

dargestellt werden.<br />

Durch diese Aufklärungsarbeit wird deutlich: Weder die Erfahrung des Wahnsinns,<br />

noch die Deutung des Wahnsinns durch außenstehende, »vernünftige« Instanzen,<br />

ja nicht einmal die Instanzen (Literaten, Humanisten und Philanthropen,<br />

Stadtobrigkeiten und Staatsbeamte, Psychologen und Mediziner etc.) selbst sind<br />

über die historische Zeit hinweg dieselben. Die sprachlich-symbolische Ordnung<br />

1 Vgl. zu diesen Punkten Foucault (1991). Zur Einführung und <strong>Kritik</strong> des Konstruktivismus siehe Hacking (1999).<br />

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