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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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auch aus Handlung (Wenger 1998: 47). Die Teilnahme jedes Mitgliedes der Community<br />

of Practice wird durch die Tätigkeit und Akzeptanz durch Andere konstituiert,<br />

und das wird ständig neu ausgehandelt. Eine Person wird zum ›practitioner‹<br />

und so<strong>mit</strong> zum Mitglied in der Community of Practice. Individuelle und<br />

kollektive Lernprozesse lassen einen gemeinsamen Wissens- und Erfahrungsbestand<br />

entstehen. Intensive Kommunikation, das gemeinsame Interesse und die<br />

daraus resultierenden Wissensbestände fördern die Entstehung eines identitätsstiftenden<br />

Beziehungsgeflechts, das von den Beteiligten als eine gemeinsame soziale<br />

Identität wahrgenommen wird.<br />

Auf einer Grabung zu sein, bedeutet zumeist ein enges Zusammenleben <strong>mit</strong><br />

unbekannten Personen häufig in abgelegenen Gegenden. Nicht nur die Arbeitspraktiken,<br />

sondern auch die Alltagspraktiken werden gemeinsam durchgeführt.<br />

Die auf der Ausgrabung entstehenden Kontakte werden auch später aufrechterhalten<br />

und verstärken die sozialen Verbindungen. Die Gespräche am Abend bilden<br />

eine wichtige Plattform zur Entstehung solcher Beziehungen. Sie drehen sich häufig<br />

um archäologische Themen. Berufsbiographien werden berichtet und Erfahrungen<br />

ausgetauscht, aber auch Arbeitsstellen ver<strong>mit</strong>telt. Sind die Grabungen<br />

international besetzt, dann finden die Gespräche nicht nur über Fachgrenzen, sondern<br />

auch über die Grenzen sprachlich definierter Gruppierungen hinaus statt. Die<br />

Communities of Practice sind also nicht identisch <strong>mit</strong> der Scientific Community<br />

einer archäologischen Disziplin (Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie,<br />

Vorderasiatische Archäologie, Ägyptologie, Provinzialrömische Archäologie,<br />

Biblische Archäologie) oder einer einzelnen Institution. Die wissenschaftlichen<br />

Diskussionen werden über die Arbeitszeit hinaus verlängert und erhalten dadurch<br />

mehr Raum zur Aushandlung von Interpretationen. Auch wenn man viele Kollegen<br />

niemals wiedertrifft, so entsteht doch eine ›Community of Practice‹, innerhalb<br />

derer Konventionen und Traditionen hergestellt und weiterentwickelt werden.<br />

Der Archäologe John Carman spricht sogar von einer »particular culture of<br />

›the excavation‹«. Diese drücke sich in Dresscodes oder Verhaltensregeln aus und<br />

unterscheide sich von Land zu Land und von Institution zu Institution (Carman<br />

2004: 49). Dabei werden bestimmte Stile und Konventionen entwickelt, wie man<br />

sich auf einer Grabung zu verhalten habe.<br />

Innerhalb dieser Communities of Practice vollzieht sich eine Vereinheitlichung<br />

der <strong>Methode</strong>n. Im Rahmen sozialer Aushandlungsgemeinschaften, Institutionalisierungs-<br />

und Professionszusammenhänge werden Konventionen und Praktiken<br />

in stetigen Aushandlungen festgelegt, so dass lokal spezifische <strong>Methode</strong>n entstehen.<br />

Daraus entwickeln sich regionale Ausdifferenzierungen zwischen verschiedenen<br />

Communities of Practice. Das führt unter anderem zu unterschiedlichen<br />

Grabungs- und Dokumentationsmethoden in den einzelnen archäologischen Disziplinen.<br />

Zum Beispiel weisen die Ur- und Frühgeschichte und die Vorderasiatische<br />

Archäologie wie oben bereits erwähnt in der Wahl der Grabungsmethode<br />

erhebliche Unterschiede auf. Es entstehen auch Unterschiede innerhalb der glei-<br />

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