Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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(ebd.). Dem kann entgegen gehalten werden, dass an den konkreten Orten, an denen<br />
die Forschungspraxis von Akteuren ausgeübt wird, auch die sozialen und kognitiven<br />
Vorgänge sichtbar werden. Diese Prozesse sind in den Kommunikationen,<br />
Aufzeichnungen und Dateninskriptionen erkennbar; sie bilden einen Teil des<br />
Diskurses.<br />
Im Folgenden werden <strong>Methode</strong>n auf verschiedenen Ebenen des Wissensproduktionsprozesses<br />
in der Archäologie kritisch betrachtet, wobei eine Konzentration<br />
auf die <strong>Methode</strong>n der Datengewinnung auf der archäologischen Ausgrabung<br />
stattfindet. Dieser Ausschnitt wurde gewählt, weil die archäologische Feldforschung<br />
einer der zentralen Herstellungsorte archäologischer Erkenntnis ist; andere<br />
Orte wie das Büro, das Labor usw. sollen dabei aber nicht aus dem Blick<br />
geraten. Dabei konzentriert sich die Betrachtung auf fünf Aspekte der <strong>Methode</strong>nentwicklung,<br />
-anwendung und -modifikation, die eine zentrale Rolle im Herstellungsprozess<br />
einnehmen. 5<br />
1. <strong>Methode</strong>n sind als Teil eines Übersetzungsprozesses zu sehen, denn sie<br />
transformieren das Ausgangsmaterial in Papier, Statistiken, Tabellen usw. Verschiedene<br />
<strong>Methode</strong>n produzieren unterschiedliche Übersetzungen, wodurch die<br />
<strong>Methode</strong>n in den Wissensproduktionsprozess eingreifen.<br />
2. Aufgrund dieser Wirkungsmacht auf die Wissensproduktion können <strong>Methode</strong>n<br />
als Aktanten gesehen werden. Sie strukturieren und formatieren die Informationen,<br />
werden durch diese aber ebenfalls geformt.<br />
3. <strong>Methode</strong>n sind Teil eines Aktanten-Netzwerkes, denn sie interagieren <strong>mit</strong><br />
den anderen Aktanten – den Ausgräbern, den Geräten, den Funden und Befunden,<br />
den Inskriptionen usw. Ihre Gültigkeit hängt dabei von der Einbindung in ein<br />
Netzwerk ab.<br />
4. <strong>Methode</strong>n sind in Handlungen eingebettet, die in sozialen Interaktionen und<br />
Beziehungen ausgeführt werden, wodurch sie als soziale Praktiken gesehen werden<br />
können. Die bei der Anwendung von <strong>Methode</strong>n entstehenden Gruppierungen<br />
bezeichne ich als ›Communities of Practice‹ (Lave/Wenger 1991). Diese sind<br />
zugleich orts- und zeitgebunden, was zu lokalen Ausdifferenzierungen in der<br />
<strong>Methode</strong>nanwendung führt.<br />
5. <strong>Methode</strong>n werden nicht nur aufgrund von festgelegten Anleitungen durchgeführt,<br />
sondern benötigen immer auch ein ›Tacit Knowledge‹, also ein implizites,<br />
nichtfestschreibbares Wissen, wie die <strong>Methode</strong> adäquat auszuführen ist. Dieses<br />
implizite Wissen wird unter anderem in den Communities of Practice ver<strong>mit</strong>telt.<br />
Diese fünf Aspekte stehen in enger Verbindung <strong>mit</strong>einander. Menschliche Akteure<br />
haben nicht die alleinige Entscheidungsmacht über die Wissensproduktion,<br />
aber auch die Instrumente, <strong>Methode</strong>n und Theorien sind nicht determinierend.<br />
Daher sollten sie trotz der folgenden Darstellung in Einzelkapiteln nicht als klar<br />
voneinander abgegrenzte Bereiche gesehen werden.<br />
5 Das soll aber nicht bedeuten, dass andere Aspekte für irrelevant gehalten werden.<br />
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