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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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und vor allem zwischen jugendlichen Teilnehmer*innen und erwachsenen Forscher*innen,<br />

ist dies notwendig und angebracht, um forschungsethischen Grundsätzen<br />

gerecht zu werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwieweit die Thematisierung<br />

von Gender-Geschlecht-Sexualität der Forscher*innen – also nicht die<br />

Thematisierung sexuellen Handelns, sondern der Selbstwahrnehmung und »Existenzweise«<br />

(Maihofer 2004) – ein Aspekt heteronormativitätskritischer, queerer,<br />

dekonstruktivistischer Methodologien sein kann oder soll.<br />

1. Die gewählte Uneindeutigkeit der Forscherin<br />

und mögliche Implikationen für die Forschung<br />

Im Schuljahr 2004-2005 war ich im Rahmen meines Dissertations-Projekts regelmäßig<br />

an einem Schulzentrum in einer nordwestdeutschen Großstadt, um mich<br />

dort <strong>mit</strong> Schüler*innen für Interviews und Gruppengespräche zu treffen und als<br />

teilnehmende Beobachterin ›einfach da‹ zu sein. Meine langfristige Anwesenheit<br />

war ein wichtiger Teil der Forschung und ermöglichte es auch Skeptiker*innen<br />

unter den Schüler*innen, sich für die Teilnahme am Projekt zu entscheiden. 7<br />

Im Vorfeld der Forschung hatte ich mich nach Gesprächen vor allem <strong>mit</strong> erfahrenen<br />

Kolleg*innen entschieden, in der Arbeit <strong>mit</strong> den Jugendlichen nicht über<br />

meine Selbstverortung als queere Lesbe zu sprechen. Als zentrales Argument<br />

hierfür wurde aufgeführt, dass besonders (aber nicht nur) streng muslimische<br />

Schüler*innen negativ auf eine nicht-heteronormative Forscherin reagieren könnten<br />

und da<strong>mit</strong> die Forschung gefährdet sei. Offensichtlich wollte ich ein Scheitern<br />

meiner Qualifikationsarbeit vermeiden – dabei vermied ich zunächst auch eine<br />

umfassende methodologische Auseinandersetzung <strong>mit</strong> dieser Entscheidung. Erst<br />

die persönlichen Auswirkungen der Entscheidung gegen einen selbstverständlichen<br />

Umgang <strong>mit</strong> meiner Selbstpositionierung nach Gender-Geschlecht-Sexualität<br />

führten für mich zu einer Wiederaufnahme des Themas. Denn nach rund zehn<br />

Jahren zunehmender privater und beruflicher Offenheit fiel es mir unerwartet<br />

schwer, nun wieder über ›mein Privatleben‹ zu schweigen bzw. ausweichend zu<br />

antworten, wenn ich danach gefragt wurde. Infolge dieses Unbehagens begann ich<br />

auch, die Bedeutung von Gender-Geschlecht-Sexualität für die Forschung zu reflektieren,<br />

blieb aber bei dem zum Forschungsbeginn gefassten Entschluss der<br />

›Unsichtbarkeit‹. 8 Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung werde ich hier zunächst<br />

methodologische Bedenken an Beispielen aus der Forschung darstellen.<br />

7 Meine Anwesenheit wurde durch einen ca. 8-wöchigen Forschungsaufenthalt in Kanada unterbrochen.<br />

8 Zumindest ging ich davon aus, dass ich nicht ›als Lesbe‹ wahrgenommen wurde. Diese von mir unterstellte Unsichtbarkeit<br />

›als Lesbe‹ ist spezifischer gesprochen die Vereinnahmung meiner Positionierung als queere Femme<br />

als Ausdruck von Heterosexualität, die mir im Alltag und in der ›Szene‹ ärgerlich ist. Dieses ›passing‹ hatte aber<br />

für die Forschung die ähnlichen ambivalenten Vorteile wie im Supermarkt.<br />

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