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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Der Widerspruch zwischen der Zunahme selbstreflexiven Arbeitens und der<br />

anhaltenden Begrenzung dessen, was in diese Reflexion <strong>mit</strong> einbezogen werden<br />

sollte, verweist auf wichtige Auseinandersetzungen für die Jugendforschung. Was<br />

bedeutet es – für die Teilnehmer*innen, für die Forscher*innen, für die Forschung<br />

– wenn Forscher*innen sich als hetero-, homo-, bi- .... sexuell positionieren oder<br />

wenn sie eine solche Positionierung verweigern oder umgehen? Wie wirkt sich<br />

dies auf die Forschung aus? Welche theoretischen, methodologischen und gesellschaftlichen<br />

Grundannahmen sind in der jeweiligen Selbstdarstellung der Forscher*innen<br />

implizit? Wie wird – und da<strong>mit</strong> komme ich zu einer wesentlichen<br />

Frage dieses Beitrags – dieses methodologische Problem im Kontext der Institution<br />

Universität verhandelt? »Besondere Bedeutung«, betont Dieter Haller, »kommt<br />

dabei der Frage zu, wie unsere wissenschaftliche Arbeit die Re-Dichotomisierung/Re-Essentialisierung<br />

von gender stützt und wie alternative Geschlechtlichkeit<br />

produziert oder verworfen wird durch den wissenschaftlichen Diskurs« (Haller<br />

2001: 104).<br />

Dabei wird dieser Beitrag mehr Fragen aufwerfen, als ich beantworte. Mir ist<br />

bisher keine Studie bekannt, die sich da<strong>mit</strong> befasst, wie sich die Positionierung<br />

der Forscher*in als nicht-heteronormativ während der Forschung bzw. in der<br />

Qualifikationsphase beispielsweise auf die Arbeitsmarktchancen auswirken. Allerdings<br />

verweist Haller auf mögliche negative Auswirkungen, die einem ›outing‹<br />

junger Wissenschaftler*innen folgen können (2001). 4 Daher werde ich hier kein<br />

›hartes Material‹, keine Statistiken darüber vorlegen, welche Effekte ein geschlechterkritisches<br />

oder sogar als nicht-heteronormativ positioniertes Auftreten<br />

von Forscher*innen hat. Noch möchte ich einem vereinfachenden Identitäts- oder<br />

gar Opferdiskurs zuschreiben. Vielmehr möchte ich auf methodologische Ungenauigkeiten<br />

hinweisen.<br />

Wie notwendig diese Fragen sind, werde ich anhand von Beispielen aus meiner<br />

Feldforschung <strong>mit</strong> Jugendlichen zeigen, die ich im Rahmen meiner Dissertation<br />

durchgeführt habe. 5 Dabei gehe ich davon aus, dass die Positionierungen von Forscher*innen<br />

anhand von (nicht-heteronormativer) Gender-Geschlecht-Sexualität<br />

in der Arbeit <strong>mit</strong> Jugendlichen als besonders ›heikel‹ gilt und daher <strong>mit</strong> erhöhter<br />

Vorsicht thematisiert wird. 6 Mit Blick auf das Hierarchiegefälle in der Forschung,<br />

4 Graham führt für den Kontext der Ethnologie aus, dass Basistexte des Fachs gerade Studienanfänger*innen einen<br />

heteronormativen Einstieg bieten und verweist auf die da<strong>mit</strong> verbundenen Hürden sowohl für die Erforschung<br />

von Gender-Geschlecht-Sexualität als auch für nicht-heteronormative Forscher*innen (2001).<br />

5 Ich beziehe mich auf Ergebnisse meiner Forschung im Rahmen meiner Promotion. Die Erhebungsmethoden waren:<br />

teil-offener Fragebogen, das Zeichnen von Skizzen durch die Schüler*innen, problemzentrierte Einzelinterviews,<br />

Gruppengespräche, Foto- und Kassettentagebuch. Die Teilnehmer*innen waren Schüler*innen der 7., 8.<br />

und 9. Klasse in einer nordwestdeutschen Großstadt, sowie Schüler*innen der 8. Klasse einer westkanadischen<br />

Junior High School. Siehe Sch<strong>mit</strong>t (2007). Für diesen Text beziehe ich mich auf die Erfahrungen in der bundesdeutschen<br />

Forschungsschule.<br />

6 In den letzten Jahren gab es eine Reihe beachtenswerter Studien über (die Herstellung von) Gender-Geschlecht-<br />

Sexualität, die auf die komplexen Verhandlungen unter Kindern und Jugendlichen verweisen (u. a. Hackmann<br />

2003; Spindler 2006, Fritzsche 2003).<br />

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