Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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tivität zu präsentieren, müssten <strong>mit</strong> der ihnen innewohnenden androzentrischen<br />
Subjektivität konfrontiert werden. Jede arbeitende Wissenschaftlerin müsse ihren<br />
eigenen Standpunkt und ihre eigene Herangehensweise selbst reflektieren und<br />
transparent machen. Durch in Wissenschaften arbeitende Frauen würde dies besser<br />
möglich werden, da Frauen (derzeit) gesellschaftlich auf Ausgleich, Kompromissfähigkeit,<br />
Mitmenschlichkeit geprägt worden seien, was Männern im Wesentlichen<br />
vorenthalten wurde.<br />
D. Haraway kritisiert dieses Bedürfnis nach einer besseren Welt, einer besseren<br />
Wissenschaft, einer – wie von Harding formuliert – ›Nachfolgewissenschaft‹ als<br />
paradox und gefährlich. »Wir wollen keine Repräsentation der Welt durch eine<br />
Theorie unschuldiger Mächte, in der Sprache wie Körper der Glückseligkeit organischer<br />
Symbiose verfallen. Ebensowenig wollen wir die Welt als globales System<br />
theoretisieren, geschweige denn in einer solchen Welt handeln.« (Haraway<br />
1995 [1988]: 79) Objektivität, Unsterblichkeit und Allmacht seien nicht das Ziel,<br />
»aber wir könnten durchsetzbare, zuverlässige Darstellungen von Dingen gebrauchen,<br />
bei denen diese weder auf Machtstrategien und agonistische, elitäre Rhetorikspiele<br />
noch auf wissenschaftliche, positivistische Arroganz reduzierbar<br />
wären.« (ebd.: 79) Haraway argumentiert für partiales Wissen, das es ermöglicht,<br />
in Bedeutungen und Körpern zu leben, und für ein Netzwerk erdumspannender<br />
Verbindungen, das Wissen sehr verschiedener und nach Macht differenzierter Gemeinschaften<br />
zumindest teilweise übersetzt (ebd.: 79, 83, 84, 89). 27 Haraway<br />
möchte zusammen <strong>mit</strong> Mitstreiterinnen für »eine Theorie und Praxis der Objektivität<br />
eintreten, die Anfechtung, Dekonstruktion, leidenschaftlicher Konstruktion,<br />
verwobenen Verbindungen und der Hoffnung auf Veränderungen von Wissenssystemen<br />
und Sichtweisen den Vorrang gibt.« (ebd.: 84 f.) Dabei gelte es für das<br />
agierende Subjekt, eine deutliche eigene Positionierung zu vollziehen (ebd.: 87),<br />
sich <strong>mit</strong> dem Standpunkt Unterworfener zu solidarisieren – da diese angemessenere,<br />
nachhaltigere, objektivere, transformierendere Darstellungen der Welt versprechen<br />
würden –, sich aber auch gleichzeitig bewusst zu sein, dass auch der<br />
Standpunkt der Unterworfenen ein nicht unschuldiger, sondern in Machtverhältnissen<br />
eingelagerter und <strong>mit</strong> Machtverhältnissen agierender Standpunkt sei (ebd.:<br />
83 f., 87). Es gelte sich auch auf die eigenen Körper zu besinnen, da diese längst<br />
nicht mehr passives Beschriebenes seien, sondern sich in jeder Hinsicht zum Agenten<br />
derzeitiger biologischer Differenz-Theorien entwickelt hätten (ebd.: 95-97).<br />
Haraway nimmt da<strong>mit</strong> einen Mittelweg ein, zwischen einer Ansicht, dass allein<br />
durch eine Beteiligung von Frauen Wissenschaften besser und deren Erkenntnis<br />
objektiver bzw. sich die Forschenden der eigenen Subjektivität bewusster werden<br />
würden – und feministischen Strömungen, die Wissenschaften in jeder Hinsicht<br />
als Machtmechanismus patriarchaler, rassistischer, militärischer Gesellschaft an-<br />
27 Haraway spricht von »situiertem Wissen«. Da<strong>mit</strong> bezeichnet sie partiales Wissen, welches sich der eigenen Partialität<br />
bewusst ist und sich bevorzugt <strong>mit</strong> dem Standpunkt Unterworfener solidarisiert.<br />
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