Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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›weibliche Reproduktionsorgane‹ ›der Frau‹ zugeschriebene Organe in den besonderen<br />
Blickpunkt biologischer und medizinischer Wissenschaft; ihnen gilt besondere<br />
gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Auch in der Bundesrepublik Deutschland<br />
erhalten Frauen kein abschließendes Selbstbestimmungsrecht über ihren<br />
Körper, so ist Abtreibung verboten und nur in engen Grenzen straffrei. Modernen<br />
Technologien, bspw. Gentechnologien, wird von interessierten Kreisen sowohl<br />
der ›Patientinnen‹ als auch der ›wissenschaftlichen Expertinnen‹ dieser Gebiete<br />
<strong>mit</strong> Erwartungen sich vergrößernder Selbstbestimmung wie auch der Befürchtung<br />
größerer Kontrolle begegnet (vgl. Bock von Wülfingen 2007: 60 f., 110-168;<br />
Graumann 2003). Feministische Wissenschaftskritikerinnen betonen, dass erst<br />
dann, wenn Wissenschaften nicht mehr androzentrisch sind, über den Gebrauch<br />
oder Nichtgebrauch moderner Reproduktionstechnologien entschieden werden<br />
könne (vgl. u. a. Harding 1994 [1991]: 48-53).<br />
Rassismus: »BiDil – Ein Medikament nur für Schwarze.« 2005 hat ein Medikament,<br />
das nur bei Afroamerikanerinnen wirke, eine Zulassung in den USA erhalten.<br />
Vorausgegangen waren wiederholte Versuche der Zulassung seit den 1980er<br />
Jahren, die allerdings jeweils abgelehnt wurden, da keine Wirksamkeit nachzuweisen<br />
war (vgl. Parmann 2004). Immerhin wurde dadurch die Öffentlichkeit auf<br />
eine wissenschaftliche Praxis aufmerksam, die in Untersuchungen noch immer<br />
nach vermeintlich ethnischen Gesichtspunkten unterscheidet. So wird der Krankheitsverlauf<br />
von Akne und Diabetes, werden Brust-, Eierstock- und Prostata-<br />
Krebs, die Urinzusammensetzung etc. nach rassistischen und antise<strong>mit</strong>ischen Gesichtspunkten<br />
untersucht und beschrieben. 22 Große Konzerne haben durchaus ein<br />
Interesse daran, diversifizierte Zulassungen für ihre Medikamente zu erhalten, da<br />
sich in einer Untersuchungsgruppe, in der in ihrer Gesamtheit keine nennenswerten<br />
Wirkungen nachweisbar sind, bei einzelnen Teilgruppen oft trotzdem (zufällig)<br />
Wirkungen zeigen. Rassistische Differenzierungen werden auch aus solchen<br />
kommerziellen Gründen gemacht – und <strong>mit</strong> rassistischen staatlichen Interessen<br />
vereinbart. Im von Wissenschaften produzierten Wissen spiegeln sich immer die<br />
Interessen derer, die sie finanzieren, die des Staates, des Militärs, großer Konzerne<br />
(Birke 1986: 148 f.; Harding 1994 [1991]: 44-48; Messing 1995).<br />
Basierend auf solchen und ähnlichen Beobachtungen haben feministische Wissenschaftskritikerinnen<br />
das Bild einer zukünftigen, feministischen Wissenschaft<br />
und deren Anforderungen formuliert: Feministische Wissenschaft würde<br />
grundsätzlich an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet und keiner Marktmacht<br />
unterworfen (Birke 1986: 143 f.). Sie wäre antimilitaristisch (Birke 1986:<br />
143 f.; Harding 1994 [1991]: 44-48). Sie wäre antirassistisch. 23 Gleichzeitig<br />
22 Vgl. die Suchergebnisse zum Stichwort ›racial differences‹ beim bio/medizinischen ›Suchdienst‹ PubMed, bei<br />
dem viele, insbesondere biologische und medizinische wissenschaftliche Veröffentlichungen verfügbar sind.<br />
Online: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi (Stand: 22.03.2007); weiterführend: Harding, 1993a.<br />
Aussagekräftig sind auch die aktuellen rassistischen Forschungen am »Institut für Humanbiologie« der Universität<br />
Hamburg (vgl. kritisch: AG gegen Rassenkunde 1998).<br />
23 Antirassistisch heißt dabei auch, dass Menschen aus subalternen Verhältnissen nicht einfach den Wissenschaften<br />
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