Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Verkörperung und von einem Leben in Grenzen und in Widersprüchen verspricht,<br />
das heißt von Sichtweisen, die einen Ort haben.« (Haraway 1995 [1988]: 90 f.)<br />
Da<strong>mit</strong> ist in etwa der Rahmen abgezeichnet, vor dem sich feministische Wissenschaftskritiken<br />
darstellen: Sie richten sich auf ein Wissenschaftskonzept, das sich<br />
als universalistisch und neutral begreift, dabei aber in Macht- und Herrschaftsstrukturen<br />
eingebettet ist und auf eine androzentrische historische Prägung institutionalisierten<br />
Wissenschaftsbetriebes (in Strukturen, Methodiken, Inhalten)<br />
verweisen kann – und gehen bis hin zur Entwicklung visionärer Wissenschaftskonzepte,<br />
die sich nicht auf Positionierung von bisher im Wissenschaftsbetrieb<br />
Marginalisierten oder auf zu begründende ›Nachfolgewissenschaften‹ beschränken.<br />
Feministische <strong>Kritik</strong>erinnen verbünden sich, historisch wechselhaft, <strong>mit</strong> kritischen<br />
Theorieansätzen – so der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, Marx’scher<br />
Theorie, dem Konstruktivismus/Dekonstruktivismus, der Diskurstheorie,<br />
machtkritischen Theorien M. Foucaults, der Psychoanalyse J. Butlers, Postkolonialen-<br />
und Queeren Theorien – und entwickeln eigene Forschungsfragen und eigene<br />
Empirien (vgl. Hark 2007: 10). Ihrer fundierten Analyse androzentrischer<br />
Strukturen, <strong>Methode</strong>n und Inhalte wird im Folgenden nachgegangen.<br />
Die folgenden Überlegungen orientieren sich an der von E. F. Keller vorgenommenen<br />
Unterscheidung von ›liberal‹ und ›radikal‹ (Keller 1989 [1982]). 4 Mit<br />
›liberal‹ wird eine Betrachtung bezeichnet, die von vielen Menschen, die sich zumindest<br />
auf Chancengleichheit (oder in weiterer Fassung auf Chancengerechtigkeit)<br />
berufen, akzeptiert werden kann. Es geht dabei insbesondere um den Ausschluss<br />
von in den Wissenschaften Marginalisierten, den Praxen, die zu deren<br />
Ausschluss beitragen, und das Wissen, das durch die verbleibende ›homogene‹<br />
Gruppe produziert wird. Eine Trennung wird zu ›radikaleren‹ Ansätzen vollzogen,<br />
die sich Fragen der (Un)Möglichkeit von Objektivität und Wahrheitsproduktion<br />
im Wissenschaftsbetrieb zuwenden. Dabei ist unter Trennung keine Entgegenstellung<br />
gemeint, vielmehr entwickelten ›liberale <strong>Kritik</strong>en‹ die notwendigen<br />
Voraussetzungen für ›radikalere <strong>Kritik</strong>en‹.<br />
1. Liberale <strong>Kritik</strong>: feministisch-kritischer Empirismus<br />
1.1. Frauen in der Forschung: Streit für Teilnahme, Streit für Anerkennung<br />
»Abwesenheit von Frauen« war bis in das 20. Jahrhundert ein wesentliches Kennzeichen<br />
der Wissenschaften der westlichen Welt. Frauen, die sich in den Wissenschaften<br />
engagieren wollten, wurde sehr viel an Einsatz abverlangt, um die Möglichkeit<br />
der Hörerinnenschaft zu erlangen und ggf. einen Abschluss, eine Promotion<br />
oder gar Habilitation zu erstreiten. Höhere Bildung war teuer, nur von materiell<br />
4 Die ›radikale Perspektive‹ Kellers wird für diesen Aufsatz erweitert.<br />
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