Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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dies nicht das einzige Kriterium sein, sonst bliebe die Analyse bei den subjektiven Bedeutungen der Betroffenen stehen. Die Objektive Hermeneutik (Oevermann 1979) beispielsweise möchte gerade darüber hinausgehen und objektive, dem Beforschten nicht notwendigerweise bewusste Regeln aufzeigen. Trotz dieser Einschränkungen ist grundsätzlich festzuhalten, dass in der Qualitativen Forschung dem Beforschten mehr Kompetenz zugebilligt wird als üblich. Als sechstes Kriterium führt Mayring die Triangulation ein. Er greift hier die Überlegungen von Denzin (z. B. 1989) auf, der davon ausgeht, dass die Qualität der Forschung durch die Verbindung mehrerer Analysevorgänge vergrößert werden kann. Denzin zeigt verschiedene Wege zur Verwirklichung der Triangulation, so über die Heranziehung verschiedener Datenquellen, unterschiedlicher Interpreten, Theorieansätze oder Methoden. Ziel dabei ist nicht völlige Übereinstimmung der Ergebnisse, aber wohl können verschiedene Perspektiven miteinander verglichen werden, Schwächen von jeweiligen Analysewegen aufgezeigt werden. Lamnek (1995) verweist aber auch auf erhebliche ungelöste methodologische Probleme, z. B wie Resultate von Triangulationen, besonders bei divergierenden und heterogenen Resultaten, zu interpretieren sein. Trotzdem kommt auch er zum Schluss, dass Triangulation »ein breiteres und profunderes Erkenntnispotential« (ebd.: 257) bereitstellt. 3.2. Vorschläge für Kernkriterien zur Bewertung qualitativer Forschung nach Steinke Steinkes Konzept umfasst sieben Kernkriterien, die sie nicht als universell und allgemein verbindlich betrachtet, weil das qualitativ methodische Vorgehen gegenstandsbezogen und milieuabhängig ist. Vielmehr fordert sie die untersuchungsspezifische Auswahl von jeweils angemessenen Kriterien. Den Kriterien werden Prozeduren zu deren Sicherung und Prüfung 14 hinzugefügt, was die Anwendung in konkreten Forschungen erleichtert. Auch die Prozeduren werden methoden-, gegenstands- und fragestellungsbezogen dargestellt, so dass die ForscherIn selbst entscheiden muss, welche angemessen sind. »Das erste Kriterium der Intersubjektiven Nachvollziehbarkeit dient dazu, Forschung intersubjektivierbar zu machen, d. h. eine (kritische) Verständigung über eine empirische Studie zwischen Forschern bzw. zwischen Forscher (der eine Studie durchführt) und Lesern (der Studie) zu ermöglichen.« (Steinke 1999: 207) Von allen vorgeschlagenen Bewertungskriterien ist die Intersubjektive Nachvollziehbarkeit die grundlegendste. Außerhalb der qualitativen Forschung wird dieses Kriterium als intersubjektive Überprüfbarkeit bzw. aperspektivische Objektivität beschrieben. In der qualitativen Forschung können jedoch Untersuchungen auf- 14 Auf die ausführliche Beschreibung der Wege zur Sicherung und Prüfung wird im Rahmen dieser Ausführungen verzichtet, da dies Anliegen und Umfang des Beitrages sprengen würde. 224
grund ihrer Einzigartigkeit der Untersuchungssituation nicht identisch repliziert werden. Aber es besteht die Möglichkeit und Notwendigkeit zum intersubjektiven Nachvollzug des Forschungsprozesses und der Schritte der ForscherIn als Basis für die Bewertung des Forschungsprozesses. Das Kriterium Intersubjektive Nachvollziehbarkeit geht in seiner Ausgestaltung jedoch weit über den Anspruch der aperspektivischen Objektivität hinaus, indem mit ihm die Voraussetzungen für die Einbeziehung der Beforschten in die Kommunikation im Prozess der Forschung wie auch gleichberechtigte emanzipierte Nutzung dieser ermöglicht werden. Steinke (1999: 208 ff.) beschreibt drei Wege zur Sicherung und Prüfung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit: die Dokumentation des Forschungsprozesses, die Interpretation in Gruppen und die Anwendung bzw. Entwicklung kodifizierter Verfahren. Die Reflektierte Subjektivität als zweites Kriterium ist das Gegenstück der qualitativen Forschung zur Sicherung der internen Validität in der quantitativen Forschung (Max-Kon-Min-Prinzip). Es wurde in der Weiterführung des Gedankens der Übertragbarkeit – der aperspektivischen Objektivität – entwickelt. »Das Kriterium reflektierte Subjektivität steht dafür, inwiefern die konstituierende Rolle der Subjektivität der Forscher für die Theoriebildung reflektiert wurde.« (ebd.: 231). Die Subjektivität der ForscherIn tritt uns in der qualitativen Forschung als Teil der Methoden entgegen, der an der Konstituierung des Gegenstandes und der Theoriebildung beteiligt ist. Somit wird die ForscherIn zum ›Teilelement‹ der Forschung. Mit diesem Kriterium wird den LeserInnen resp. NutzerInnen von Forschung ein Mittel in die Hand gegeben, die ForscherIn im gesellschaftlichen Raum zu verorten, um davon ausgehend Forschungsintentionen und Forschungsergebnisse kritisch auf ihren emanzipatorischen Gehalt prüfen zu können. Die entscheidenden Inspirationen zur Sicherung und Prüfung der reflektierten Subjektivität verdanken wir der Ethnoanalyse, in welcher die Rolle der ForscherIn im Erkenntnisprozess als Datum verwendet wird (seine Ängste, Störungen, Irritationen usw.). Die vorgestellten Reflexionstechniken werden den Phasen des Forschungsprozesses zugeordnet (ebd.: 232 ff.). Das dritte Kriterium »Indikation ist weiter gefasst als die Forderung nach Gegenstandsangemessenheit, indem nicht nur die Angemessenheit der Erhebungsund Auswertungsmethoden, sondern auch darüber hinausgehende methodische Entscheidungen, die während des Forschungsprozesses getroffen wurden, daraufhin betrachtet werden, inwiefern sie indiziert sind.« (ebd.: 215). Die Klärung der Indikation sollte deshalb auf allen Ebenen des Forschungsprozesses erfolgen von der Fragestellung, über zu verwendende Methoden, Transkriptionsregeln, Samplingstrategien, methodischen Einzelentscheidungen im Kontext der gesamten Untersuchung bis hin zu den Bewertungskriterien. Das vierte Kriterium, Empirische Verankerung der Theoriebildung und Theorieprüfung, entstand in der Weiterführung des Falsifizierungsgedankens der qualitativen Forschung. Es wurde in der Anlehnung an die Validität als Beziehung zwi- 225
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dies nicht das einzige Kriterium sein, sonst bliebe die Analyse bei den subjektiven<br />
Bedeutungen der Betroffenen stehen. Die Objektive Hermeneutik (Oevermann<br />
1979) beispielsweise möchte gerade darüber hinausgehen und objektive, dem Beforschten<br />
nicht notwendigerweise bewusste Regeln aufzeigen. Trotz dieser Einschränkungen<br />
ist grundsätzlich festzuhalten, dass in der Qualitativen Forschung<br />
dem Beforschten mehr Kompetenz zugebilligt wird als üblich.<br />
Als sechstes Kriterium führt Mayring die Triangulation ein. Er greift hier die<br />
Überlegungen von Denzin (z. B. 1989) auf, der davon ausgeht, dass die Qualität<br />
der Forschung durch die Verbindung mehrerer Analysevorgänge vergrößert werden<br />
kann. Denzin zeigt verschiedene Wege zur Verwirklichung der Triangulation,<br />
so über die Heranziehung verschiedener Datenquellen, unterschiedlicher Interpreten,<br />
Theorieansätze oder <strong>Methode</strong>n. Ziel dabei ist nicht völlige Übereinstimmung<br />
der Ergebnisse, aber wohl können verschiedene Perspektiven <strong>mit</strong>einander verglichen<br />
werden, Schwächen von jeweiligen Analysewegen aufgezeigt werden. Lamnek<br />
(1995) verweist aber auch auf erhebliche ungelöste methodologische Probleme,<br />
z. B wie Resultate von Triangulationen, besonders bei divergierenden und<br />
heterogenen Resultaten, zu interpretieren sein. Trotzdem kommt auch er zum<br />
Schluss, dass Triangulation »ein breiteres und profunderes Erkenntnispotential«<br />
(ebd.: 257) bereitstellt.<br />
3.2. Vorschläge für Kernkriterien zur Bewertung qualitativer Forschung<br />
nach Steinke<br />
Steinkes Konzept umfasst sieben Kernkriterien, die sie nicht als universell und<br />
allgemein verbindlich betrachtet, weil das qualitativ methodische Vorgehen gegenstandsbezogen<br />
und milieuabhängig ist. Vielmehr fordert sie die untersuchungsspezifische<br />
Auswahl von jeweils angemessenen Kriterien. Den Kriterien<br />
werden Prozeduren zu deren Sicherung und Prüfung 14 hinzugefügt, was die Anwendung<br />
in konkreten Forschungen erleichtert. Auch die Prozeduren werden methoden-,<br />
gegenstands- und fragestellungsbezogen dargestellt, so dass die ForscherIn<br />
selbst entscheiden muss, welche angemessen sind.<br />
»Das erste Kriterium der Intersubjektiven Nachvollziehbarkeit dient dazu, Forschung<br />
intersubjektivierbar zu machen, d. h. eine (kritische) Verständigung über<br />
eine empirische Studie zwischen Forschern bzw. zwischen Forscher (der eine Studie<br />
durchführt) und Lesern (der Studie) zu ermöglichen.« (Steinke 1999: 207) Von<br />
allen vorgeschlagenen Bewertungskriterien ist die Intersubjektive Nachvollziehbarkeit<br />
die grundlegendste. Außerhalb der qualitativen Forschung wird dieses<br />
Kriterium als intersubjektive Überprüfbarkeit bzw. aperspektivische Objektivität<br />
beschrieben. In der qualitativen Forschung können jedoch Untersuchungen auf-<br />
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verzichtet, da dies Anliegen und Umfang des Beitrages sprengen würde.<br />
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