Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Poppers (1994) an. Da Induktionen trotz der Probleme 9 , die auch für die qualitative Forschung nicht unvermeidbar sind, Bestandteil der Forschungspraxen sind, ergeben sich Schwierigkeiten bei der Anwendung von Falsifikationen in der qualitativen Forschung. Einige Voraussetzungen der Falsifikation sind in der qualitativen Forschung nicht gegeben. Hier ist es schwierig, zu Beginn der Untersuchung falsifizierbare Aussagen zu finden, die für einen deduktiven Überprüfungsweg Voraussetzung sind. Die Aufstellung falsifizierbarer Aussagen ist in der qualitativen Forschung insofern schwierig, da die Sachverhalte eine hohe Komplexität aufweisen. Daraus muss abgeleitet werden, dass Operationalisierungen nicht in allen Phasen der qualitativen Forschung vorgenommen werden können. Sie widersprächen dem Prinzip der Offenheit, der Theoriebildung per abduktiver Haltung bzw. induktivistischer Orientierung, der Alltagsbezogenheit und der Gegenstandentfaltung. Strenge Operationalisierungen ganzer Theorien können, wenn überhaupt, am sinnvollsten dann vorgenommen werden, wenn die Theorie bereits weit generiert ist. Damit sind Falsifikationen nur Teilelemente des Forschungsprozesses, so z. B. in der Grounded Theory (Strauss 1991), in dem Forschungsprogramm Subjektiver Theorien (Groeben/Wahl/Schlee/Scheele 1988) wie auch der Objektiven Hermeneutik (Oevermann 1979). Mittels weiterer Formen der Validität bzw. der Repräsentativität für deduktive (hypothesenprüfende) Verfahren sollen Scheinfalsifikationen und Scheinbestätigungen bei deduktiven Verfahren ausgeschlossen werden. Bei der Variablenvalidität bzw. Repräsentativität geht es darum, wie repräsentativ die Ereignisse in der Untersuchung für die Theorie sind, also inwiefern die in der Untersuchung beobachteten Sachverhalte sinnvolle bzw. berechtigte Indikatoren für die Theorie sind. Die Voraussetzung der Operationalisierung widerspricht den Prinzipien der Offenheit und der Gegenstandsentfaltung in der qualitativen Forschung. Übertragen wurde jedoch der Gedanke der detaillierten Analyse der Verbindung von Theorie und empirischen Indikatoren. Pragmatische Validität, praktische Relevanz und Repräsentativität als Praxisnähe beziehen sich auf das Verhältnis von Theorie und eine außerhalb der Untersuchung liegende Praxis. Prinzipiell ist der Praxisbezug und damit eine Praxisrelevanz von Forschung auch auf qualitative Forschung übertragbar, ja nicht vernachlässigbar. Psychometrische Validitätsformen, die insbesondere der Validierung von Tests, Fragebögen, Skalen und Indizes dienen, umfassen die kriterienbezogene Validität 10 , die Inhaltsvalidität 11 und Konstruktvalidität 12 wie auch die Prognosevalidität 13 . Alle genannten Validitätsformen sind nur bedingt übertragbar auf die quali- Der Entstehungszusammenhang der Theorien, d. h. der Weg der Theoriebildung wird von Popper nicht weiter thematisiert. Damit trennt Popper strikt Entstehungs- und Rechtfertigungszusammenhang, worin er die Lösung der Probleme, mit denen die Induktion behaftet ist, sieht. Allgemeine Theorien, so Poppers Kritik am induktiven Vorgehen und Prüfprozess, sind nicht aus singulären Aussagen ableitbar. Deshalb wird die Theorie geprüft, indem man versucht, die Theorie bzw. Hypothese auf strenge Weise zu widerlegen (zu falsifizieren). 9 Der Hauptkritikpunkt richtet sich auf das (starke) Induktionsproblem, d. h. dass Schlüsse von singulären Aussagen auf allgemeine Aussagen bzw. von Einzelfällen auf andere Einzelfälle gezogen werden. 220
tative Forschung. Die Übertragbarkeit der kriterienbezogenen Validität, gekennzeichnet durch Korrelationen mit einem Außenkriterium, ist auf qualitative Untersuchungen beschränkt, die zu quantifizierbaren Ergebnissen führen. Die Anwendung der Prognosevalidität ist insofern problematisch, da die Untersuchungen im Alltag bzw. alltagsnah stattfinden und diese Situationen sehr komplex sind. Dennoch sind auch prognostische Validierungsformen in der qualitativen Forschung denkbar, so gibt es Forderungen im Rahmen der Grounded Theory (Strauss 1991), der Subjektiven Theorien (Groeben/Wahl/Schlee/Scheele 1988), aber auch der Aktionsforschung (Lewin 1953). Bei der inhaltlichen Validierung liegen Gefahren in Übergeneralisierungen, dennoch kann auch in der qualitativen Forschung das Wissen von ExpertInnen, Kundigen etc. zur Abschätzung darüber, welcher Untersuchungsgegenstand erfasst wird, herangezogen werden. Eine direkte Übertragung der Konstruktvalidität scheitert an einer meist fehlenden Quantifizierung der Ergebnisse qualitativer Forschung, die eine Grundlage für Korrelationsberechnungen und Faktoranalysen wären. Jedoch wurde der daraus entwickelte Ansatz der Multitrait-Multimethod-Methode mit dem Konzept der Triangulation (Denzin 1989) aufgegriffen und für die qualitative Forschung adaptiert. In der Diskussion von Bewertungskriterien außerhalb der qualitativen Sozialforschung wurde deutlich, dass diese in ihren Ideen z. T. mit dem spezifischen Verständnis qualitativer Methoden und Methodologie und diesem zugrunde liegenden konstruktivistischen Positionen korrespondieren, aber in ihrer konkreten Gestalt dem qualitativen Forschungsprozess so nicht gerecht werden. In der Konsequenz dieser Auseinandersetzung entwickelte sich eine dritte Position, die vorschlägt, für die qualitative Sozialforschung eigene Bewertungskriterien zu entwerfen, um die Güte qualitativer Forschung im wissenschaftlichen Diskurs trotz der Ablehnung von Kriterien außerhalb der qualitativen Forschung verteidigungsfähig zu machen (vgl. Reichertz 2000; Steinke 1999; Lamnek 1995; Flick 1995, 1987, 2007 und Mayring 2002). Die ForscherInnen begründen die Notwendigkeit in der Begrenzung der Beliebigkeit wissenschaftlicher Forschung insbesondere mit pragmatischen Gründen, z. B. politischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen, die bestimmte Methoden, Untersuchungsgegenstände, Fragestellungen nahe legen bzw. unterstützen (Reichertz 2000; Steinke 1999). Pragmatische Kriterien sind unter Bezug auf die konstruktivistischen Positionen die geeigneten Kriterien. Diese Kriterien sind keine universell gültigen Kriterien. Sie sind kon- 10 Bei der kriterienbezogenen Validität, welche historisch und praktisch gesehen der bedeutsamste Aspekt der Validität ist, erfolgt ein Vergleich zwischen den Untersuchungsergebnissen und einem so genannten Außenkriterium, das unabhängig von der Untersuchung ist. 11 Inhaltsvalidität (Face Validity, Augenscheinvalidität, logische Validität) ist gegeben, wenn der Inhalt der Testitems das zu messende Konstrukt in seinen wichtigsten Aspekten erschöpfend erfasst (Bortz & Döring 1995: 185). 12 Ein Test ist konstruktvalide, wenn aus dem zu messenden Zielkonstrukt Hypothesen ableitbar sind, die anhand der Testwerte bestätigt werden können (Bortz & Döring 1995: 186). 13 Die Prognosevalidität, auch predictive validity oder Vorhersagevalidität, beinhaltet die Überprüfung zukünftigen Verhaltens oder zukünftiger Leitungen auf Basis der Testwerte bzw. der erzielten Forschungsergebnisse. 221
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Poppers (1994) an. Da Induktionen trotz der Probleme 9 , die auch für die qualitative<br />
Forschung nicht unvermeidbar sind, Bestandteil der Forschungspraxen sind,<br />
ergeben sich Schwierigkeiten bei der Anwendung von Falsifikationen in der qualitativen<br />
Forschung. Einige Voraussetzungen der Falsifikation sind in der qualitativen<br />
Forschung nicht gegeben. Hier ist es schwierig, zu Beginn der Untersuchung<br />
falsifizierbare Aussagen zu finden, die für einen deduktiven Überprüfungsweg<br />
Voraussetzung sind. Die Aufstellung falsifizierbarer Aussagen ist in der qualitativen<br />
Forschung insofern schwierig, da die Sachverhalte eine hohe Komplexität<br />
aufweisen. Daraus muss abgeleitet werden, dass Operationalisierungen nicht<br />
in allen Phasen der qualitativen Forschung vorgenommen werden können. Sie<br />
widersprächen dem Prinzip der Offenheit, der Theoriebildung per abduktiver Haltung<br />
bzw. induktivistischer Orientierung, der Alltagsbezogenheit und der Gegenstandentfaltung.<br />
Strenge Operationalisierungen ganzer Theorien können, wenn<br />
überhaupt, am sinnvollsten dann vorgenommen werden, wenn die Theorie bereits<br />
weit generiert ist. Da<strong>mit</strong> sind Falsifikationen nur Teilelemente des Forschungsprozesses,<br />
so z. B. in der Grounded Theory (Strauss 1991), in dem Forschungsprogramm<br />
Subjektiver Theorien (Groeben/Wahl/Schlee/Scheele 1988) wie auch<br />
der Objektiven Hermeneutik (Oevermann 1979).<br />
Mittels weiterer Formen der Validität bzw. der Repräsentativität für deduktive<br />
(hypothesenprüfende) Verfahren sollen Scheinfalsifikationen und Scheinbestätigungen<br />
bei deduktiven Verfahren ausgeschlossen werden. Bei der Variablenvalidität<br />
bzw. Repräsentativität geht es darum, wie repräsentativ die Ereignisse in der<br />
Untersuchung für die Theorie sind, also inwiefern die in der Untersuchung beobachteten<br />
Sachverhalte sinnvolle bzw. berechtigte Indikatoren für die Theorie sind.<br />
Die Voraussetzung der Operationalisierung widerspricht den Prinzipien der Offenheit<br />
und der Gegenstandsentfaltung in der qualitativen Forschung. Übertragen<br />
wurde jedoch der Gedanke der detaillierten Analyse der Verbindung von Theorie<br />
und empirischen Indikatoren. Pragmatische Validität, praktische Relevanz und<br />
Repräsentativität als Praxisnähe beziehen sich auf das Verhältnis von Theorie und<br />
eine außerhalb der Untersuchung liegende Praxis. Prinzipiell ist der Praxisbezug<br />
und da<strong>mit</strong> eine Praxisrelevanz von Forschung auch auf qualitative Forschung<br />
übertragbar, ja nicht vernachlässigbar.<br />
Psychometrische Validitätsformen, die insbesondere der Validierung von Tests,<br />
Fragebögen, Skalen und Indizes dienen, umfassen die kriterienbezogene Validität<br />
10 , die Inhaltsvalidität 11 und Konstruktvalidität 12 wie auch die Prognosevalidität<br />
13 . Alle genannten Validitätsformen sind nur bedingt übertragbar auf die quali-<br />
Der Entstehungszusammenhang der Theorien, d. h. der Weg der Theoriebildung wird von Popper nicht weiter<br />
thematisiert. Da<strong>mit</strong> trennt Popper strikt Entstehungs- und Rechtfertigungszusammenhang, worin er die Lösung<br />
der Probleme, <strong>mit</strong> denen die Induktion behaftet ist, sieht. Allgemeine Theorien, so Poppers <strong>Kritik</strong> am induktiven<br />
Vorgehen und Prüfprozess, sind nicht aus singulären Aussagen ableitbar. Deshalb wird die Theorie geprüft, indem<br />
man versucht, die Theorie bzw. Hypothese auf strenge Weise zu widerlegen (zu falsifizieren).<br />
9 Der Hauptkritikpunkt richtet sich auf das (starke) Induktionsproblem, d. h. dass Schlüsse von singulären Aussagen<br />
auf allgemeine Aussagen bzw. von Einzelfällen auf andere Einzelfälle gezogen werden.<br />
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