Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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oder auffälligen Verarbeitungsweisen das Konzept der Regression benutzt, also ein<br />
Rückfall in kindliche Verhaltensmuster angenommen wird, findet eine Infantilisierung<br />
der erforschten Person statt. Sie ist keine Mitforscherin, sondern wird immer<br />
die Erforschte bleiben. Sie wird nicht als potentielle Veränderin ihrer Lebensverhältnisse<br />
wahrgenommen, sondern als bloßes Opfer. Statt nach subjektiven Handlungsgründen<br />
wird nach »Auslösern« gefragt, was letztendlich auf die individualgenetische<br />
Dimension zurückverweist. So<strong>mit</strong> wird die Ethnopsychoanalyse ihrem<br />
eigenen Anspruch schließlich nicht gerecht – kann es auch nicht, so lange sie sich<br />
innerhalb der psychoanalytischen Methodik befindet. Mit der Wahl dieser Begrifflichkeiten<br />
wird implizit vorentschieden, worüber wie geredet wird und was unsagbar<br />
bleibt. Da wissenschaftliche Forschung immer an Machtverhältnisse geknüpft<br />
sind, muss auch die Frage gestellt werden, in wessen Interesse auf diese bestimmte<br />
Art und Weise über die Dinge geredet wird (Holzkamp 1995b: 18).<br />
Diese Problematik taucht auch in der methodischen Anwendung in der ethnopsychoanalytischen<br />
Deutungswerkstatt wieder auf (vgl. Krueger in diesem Band).<br />
Die Deutungshoheit liegt allein beim Forschungsteam (und den anderen, meist<br />
aus akademischem Milieu stammenden Angehörigen der Deutungswerkstatt). Die<br />
Deutungen in der Werkstatt finden zumeist ohne Rücksprache <strong>mit</strong> den Betroffenen<br />
statt und speisen sich nur aus Assoziationen, ohne Wissen spezifischer Lebenshintergründe,<br />
obwohl es ja gerade diese sind, aus welchen die Bedeutungen<br />
für Handeln gezogen werden. Die konstatierte Verzerrung der eigenen Wahrnehmung<br />
vermischt sich außerdem <strong>mit</strong> latenten Strukturen der untersuchten Verhältnisse<br />
– es wird nicht mehr feststellbar, welche Deutung worauf zurückzuführen<br />
ist. Versuche, die kritisierten Merkmale zu verbessern, indem beispielsweise die<br />
Deutungen aus der Werkstatt in einem zweiten Gespräch in die Forschung zurückgetragen<br />
werden, müssen ab einem gewissen Punkt den psychoanalytischen Rahmen<br />
verlassen, da sie nicht mehr <strong>mit</strong> diesem vereinbar sind. Doch auch unter<br />
Berücksichtigung der <strong>Kritik</strong>en und Verbesserungen wird nur die Wirkung der Verhältnisse<br />
auf die Menschen untersucht – die Wechselbeziehung, der Mensch auch<br />
als Produzent seiner Verhältnisse, bleibt außen vor. Der springende Punkt ist also,<br />
dass die Gesellschaft nicht einfach außer Acht gelassen wird, sondern dass sie nur<br />
als Bedingung für menschliches Verhalten gefasst wird. Diese »Annahme der un<strong>mit</strong>telbaren<br />
Abhängigkeit des Verhaltens der Individuen von ihren Umweltbedingungen«<br />
(Holzkamp 1983: 126) wird in der Kritischen Psychologie in Anlehnung<br />
an Leontjew als Un<strong>mit</strong>telbarkeitspostulat bezeichnet.<br />
5. Kritisch-psychologische Methodik<br />
Dem emanzipatorischen Anspruch, der <strong>mit</strong> kritischen Wissenschaften einhergeht,<br />
nämlich die gesellschaftlichen Verhältnisse gemäß dem Marxschen Imperativ umzugestalten,<br />
sind von der Psychoanalyse genauso Grenzen gesetzt wie dem von<br />
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