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Kritik mit Methode? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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zu Angst und zu Aggressionen gegen die Eltern. Da die Eltern (oder andere<br />

Primärpersonen) aufgrund ihrer Schutz- und Unterstützungsfunktion für kleine<br />

Kinder eine zentrale Rolle für die kindliche Handlungsfähigkeit spielen, führt<br />

dies zu größerer Angst wegen des drohenden Zuwendungsverlustes, und so<strong>mit</strong><br />

schließlich zur Übernahme des äußeren Zwangs als inneren. Dies ist nur möglich<br />

durch Realitätsabwehr und die Verleugnung der eigenen Bedürfnisse als falsch,<br />

was wiederum zum Verlust von Selbstvertrauen führt, zu Minderwertigkeitskomplexen<br />

und Schuldbewusstsein und zur Verfestigung der Abhängigkeit von Autoritäten.<br />

Da<strong>mit</strong> man sich so gut wie möglich im Bestehenden einrichten kann, muss<br />

der Widerspruch zu den eigenen produktiven Bedürfnissen und Lebensinteressen<br />

ins Unbewusste verdrängt werden. So sind auch einige psychoanalytische <strong>Methode</strong>n<br />

selbst unter diesem Gesichtspunkt fassbar:<br />

»Statt der Projektion von der Vergangenheit in die Gegenwart würde es sich<br />

um die Projektion in umgekehrter Richtung handeln: Die aus der gegenwärtigen<br />

Situation erwachsenen Aggressionen würden in die Vergangenheit verlagert. Auf<br />

diese Weise leistet man einen Beitrag zur Verschleierung der gegenwärtigen Ursachen<br />

existenzieller Verunsicherung und zur Herstellung und Verfestigung des<br />

›Unbewußten‹, nämlich der Verdrängung gesellschaftskritischer Impulse. Da<strong>mit</strong><br />

würde man – wie es für Projektionen typisch ist – die Probleme in einer Weise<br />

›bewältigen‹, daß das Einvernehmen <strong>mit</strong> den herrschenden Verhältnissen und da<strong>mit</strong><br />

auch die eigene Existenz nicht gefährdet wird.« (Osterkamp 1993: 191 f.)<br />

(Vgl. auch Fußnote 12.)<br />

Dieser Weg der Konfliktverarbeitung wird nicht nur durch falsche Erziehungsmaßnahmen<br />

der Eltern oder therapeutische Ansätze provoziert, sondern maßgeblich<br />

durch den objektiven institutionellen Rahmen, der auf das Leben in einer<br />

Klassengesellschaft vorbereiten soll. Dennoch ist er nicht der einzige mögliche<br />

Weg. Die frühkindliche Konfliktbewältigung kann sich auch »in Richtung auf ein<br />

allmählich immer ausgeprägteres kognitives Erfassen der Nützlichkeit der Forderung<br />

[…] für das Kind selbst« (Osterkamp 1976: 345) entwickeln, sofern diese<br />

Möglichkeit in den jeweiligen Forderungen liegt bzw. nach entsprechenden Handlungsmöglichkeiten<br />

gesucht wird.<br />

Man kann also <strong>mit</strong> zunehmender Konfrontation <strong>mit</strong> gesellschaftlichen Anforderungen<br />

und Zwängen entweder versuchen diese Grenzen zu überschreiten oder<br />

sich innerhalb der Grenzen so frei wie möglich zu entfalten. Diese zwei Möglichkeiten<br />

können als verallgemeinerte und als restriktive Handlungsfähigkeit kategorisiert<br />

werden. Bei der letzteren werden bloß zugestandene Möglichkeiten genutzt<br />

und nahegelegte Denkformen reproduziert. Sie ist nicht selten die einfachere<br />

Handlungsoption, zumindest kurzfristig mehr Freiheiten gewährend und sicherer,<br />

bedeutet jedoch letztlich die Verfestigung der eigenen Eingebundenheit in die<br />

freiheitsbeschneidenden Verhältnisse. In der restriktiven Handlungsfähigkeit ist<br />

also immer ein Moment der Selbstschädigung enthalten, welches in das Unbewusste<br />

verdrängt wird. Die bewusste Reflexion dieses Momentes ist die Voraus-<br />

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